Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 08.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 226/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1008.9WF226.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde der Mutter gegen den (Kosten-)Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 31. August 2021 – Az. 22 F 45/21 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Mutter zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf bis 4.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1.
In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte der Vater im Februar 2021 um (erstmalige) gerichtliche Regelung des Umgangs mit seinem Sohn nachgesucht. Nach der Trennung der Beteiligten im Herbst 2019 hatten sie sich auf eine Umgangsregelung verständigt, die nach Pfingsten/im Sommer 2020 faktisch ausgesetzt wurde, nachdem es Streit zwischen Vater und Sohn gegeben hatte und V… seither jegliche Kontakte zum Vater verweigerte.
Die Mutter ist dem Antrag unter Hinweis auf die verfestigte Weigerungshaltung ihres Sohnes, die sie spätestens mit Blick auf die Eskalation am Pfingstwochenende für sachlich nachvollziehbar hält, entgegen getreten.
Das Gericht hat einen Verfahrensbeistand bestellt, der empfahl, über begleitete Umgänge und gemeinsame Elterngespräche die unbestreitbar bestehende Konfliktlage und die – von der Mutter ausdrücklich mitgetragene – ablehnende Haltung des Kindes aufzulösen ernsthaft zu versuchen, ggf. einen Umgangspfleger einzusetzen bzw. ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen. Auch das Jugendamt empfahl, im Wege begleiteter Umgänge bzw. über ein Sachverständigengutachten nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Die Mutter lehnte jeden Versuch, eine Annäherung auf diesen Wegen zu erreichen, ab. Das Familiengericht hat sodann ein Sachverständigengutachten beauftragt. Die Untersuchungen waren bereits fortgeschritten, als der Vater Anfang August 2021 erklärte, seinen Umgangsregelungsantrag zurückzunehmen. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt betonten, dass die Wiederbelebung von Umgangskontakten weiterhin sinnvoll, die amtswegige Fortsetzung des Verfahrens allerdings nicht notwendig sei.
Mit Beschluss vom 31. August 2021 hat das Amtsgericht das Umgangsverfahren beendet und – ohne jede Darlegung der diese Entscheidung tragenden Ermessenserwägungen – die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich die am 10. September 2021 eingegangene Beschwerde der Mutter, die meint, der Vater sei zur alleinigen Kostentragung zu verpflichten, weil sein Antrag von vornherein ohne jede Aussicht auf Erfolg gewesen sei und er dies habe erkennen müssen.
Der Vater verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näheren Ausführungen.
2.
Die gemäß §§ 58 f., 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG zulässige und insbesondere von der Kostenbeschwer unabhängige Beschwerde (vgl. dazu BGH FamRZ 2013, 1876) der Mutter hat in der Sache keinen Erfolg.
Im hier vorliegenden Fall einer Erledigung des zugrunde liegenden Kindschaftsverfahrens in sonstiger Weise (§ 83 Abs. 2 FamFG) richtet sich die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen, § 80 FamFG, den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen. Der – als weitere Tatsacheninstanz – zu einer eigenen Ermessensentscheidung berufene Beschwerdesenat (vgl. dazu BGH FamRZ 2014, 744 – Rdnr. 17 bei juris; FamRZ 2017, 50 – Rdnr. 34 bei juris) tritt der Kostenentscheidung des Amtsgerichts, die allerdings rechtsfehlerhaft nicht begründet worden ist, bei. Für eine alleinige Kostenbelastung des Vaters mit den Gerichtskosten und/oder auch eine Übernahme der der Mutter außergerichtlich entstandenen Kosten liegen im Streitfall tatsächlich keine tragfähigen Gründe vor.
Richtig ist allein, dass nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise demjenigen Beteiligten auferlegt werden sollen, wenn dessen Antrag von vornherein keinerlei Aussicht auf Erfolg beizumessen war und er dies hätte erkennen müssen. Damit aber lässt sich schon aus Rechtsgründen die begehrte Kostenentscheidung zugunsten der Mutter nicht begründen, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen vorliegen, was allerdings auch nicht der Fall ist.
Die Regelung des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG findet nämlich von vornherein keine Anwendung, weil sie nur in „echten“ Antragsverfahren gilt, Umgangsverfahren jedoch Amtsverfahren im Sinne von § 24 FamFG sind, mögen sie auch auf Anregung eines Elternteils – nichts anderes war der Antrag des Vaters vom 19. Februar 2021 – eingeleitet worden sein (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017, Az. XII ZB 350/16; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Februar 2021, Az. 8 UF 175/20; KG, Beschluss vom 28. Januar 2021, Az. 16 WF 1170/20; Prütting/Helms, FamFG, 5. Auflage 2020, § 81 Rdnr. 23; Zöller-Feskorn, ZPO, 33. Aufl., § 81 FamFG Rdnr. 9).
Nur höchst vorsorglich ist festzustellen, dass die Voraussetzungen dieses Regelbeispiels tatsächlich auch nicht vorlägen. Eine Regelung des Umgangs zwischen Vater und Sohn – der grundrechtlichen Schutz genießt – kam nur dann nicht in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB vorliegen, also das Wohl von V… durch einen wie auch immer gearteten – auch begleiteten - persönlichen Umgang mit dem Vater gefährdet würde. Richtig ist allein, dass durch die zwangsweise Durchsetzung von Umgangskontakten psychischer Schaden bei einem Kind entstehen kann. Dass auch im Streitfall diese Voraussetzungen vorlagen, lag jedenfalls nicht auf der Hand. Es war mindestens zweifelhaft, ob die tatsächlich mit einer nicht unbeachtlichen Entschiedenheit vorgetragene Weigerungshaltung des Kindes tatsächlich so verfestigt war, dass sie nicht aufzulösen gewesen wäre. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass beide Eltern verpflichtet sind, ihre Konflikte von dem gemeinsamen Kind fernzuhalten und das Ihrige zu tun, um die Beziehung zu dem nicht betreuenden Elternteil aufrechtzuerhalten und kontinuierlich zu fördern. Selbst bei Hochkonflikthaftigkeit der Elternbeziehung sind professionelle Interventionen nicht von vornherein aussichtslos; begleitete Kontakte können - insbesondere bei Feinfühligkeit des Umgangselternteils – durchaus positiv verlaufen und der Einstieg zu einer Kontaktstabilisierung sein. Das Gericht ist gehalten, vor Ablehnung einer Umgangsregelung, die nichts anderes als ein Umgangsausschluss im Sinne von § 1684 Abs. 4 BGB ist, dem Kind und dem Obhutselternteil die Bedeutung des Umgangs für das Kind und seine langfristige Entwicklung sowie für den anderen Elternteil deutlich vor Augen führen und das Kind zu veranlassen, seine ablehnende Haltung zu überdenken. Vermag das Gericht aus eigener Sachkunde den Willen und die zugrunde liegenden Bindungen des Kindes nicht hinreichend abzuschätzen, wird eine psychologische Begutachtung notwendig sein (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht 7. Aufl., § 1684 BGB, Rdnr. 62).
Im Streitfall haben die beteiligten Fachleute – Verfahrensbeistand und Jugendamt und dieser fachlichen Einschätzung und den verfassungsrechtlichen strengen Vorgaben für die Ablehnung einer Umgangsregelung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2016, Az. 1 BvR 1547/16 – Rdnr. 21 f. bei juris mit weiteren Nachweisen) folgend das Gericht – jedenfalls (und zu Recht) Klärungsbedarf gesehen. Gründe, weshalb der Vater dagegen die gänzlich fehlende Erfolgsaussicht seines Ansinnens auf Wiederanbahnung persönlicher Umgangskontakte hätte erkennen können sollen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Vater war auch ausdrücklich zumindest insoweit einsichtig, als er zu Pfingsten 2020 „unangemessen reagiert“ hat; „meine Reaktion bei der Fahrt war keine Glanzleistung“. Seinen Angaben zufolge hat er sich dafür „auch bei V… entschuldigt“. Der Vater war ausdrücklich auch zur Durchführung zunächst begleiteter Umgänge mit begleitenden und der Beratung dienenden Elterngesprächen und zur Mitwirkung an einem Sachverständigengutachten bereit; die Mutter dagegen hat – entgegen ihrer Wohlverhaltens- und Loyalitätspflichten – solche weiteren Bemühungen (zumindest) im Anhörungstermin am 12. Mai 2021 ausdrücklich abgelehnt, sich hinter der Blockadehaltung des Sohnes versteckt und dieser damit – erneut - Vorschub geleistet.
Ist kein Tatbestand aus dem Katalog der Regelbeispiele des § 81 Abs. 2 FamFG erfüllt, kommt dem allgemein anerkannten Grundsatz maßgebliche Bedeutung zu, dass in Kindschaftsverfahren grundsätzlich Zurückhaltung bei einer besonderen Belastung eines Elternteils mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des zugrunde liegenden Verfahrens geboten ist (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl., § 81 Rdnr. 48; Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 81 FamFG Rdnr. 6; OLG Hamm FamRZ 2018, 1669; OLG Düsseldorf FamRZ 2018, 450; Brandenburgisches Oberlandesgericht – 2. Familiensenat, Beschluss vom 26. Juni 2014, Az. 10 WF 71/14; OLG Köln MDR 2012, 289; KG MDR 2012, 473). Damit wird in Kindschaftssachen dem Umstand Rechnung getragen, dass die Eltern bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres Begehrens jedenfalls auch das Kindeswohl im Auge haben, mögen sie dabei subjektiv auch sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, was erhebliches Konfliktpotential birgt und häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Die eindeutige Verantwortlichkeit nur eines Beteiligten dafür, dass es zu dem Verfahren und damit zu Kosten gekommen ist, lässt sich regelmäßig und so auch hier jedenfalls nicht feststellen.
Danach verbietet es sich, den Vater übermäßig oder gar allein an den Kosten des Verfahrens vor dem Familiengericht zu beteiligen.
3.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergeht nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 FamGKG, gründet also in der Höhe der (hälftigen) Gerichtskosten und –auslagen sowie der außergerichtlichen Kosten der Mutter, von denen diese mit der Beschwerde freigestellt zu werden gesucht hat (Gerichtsgebühren von 70 EUR zzgl. Verfahrensbeistand mit 550 EUR zzgl. Sachverständigenkosten von 4.269,43 EUR x ½ zzgl. der eigenen Anwaltskosten von 921,54 EUR).
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.