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Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - Studienrat - innerdienstliches Dienstvergehen - sexuelle Handlungen zwischen Schüler und Lehrer - Bemessung der Disziplinarmaßnahme - Schwere des Dienstvergehens - endgültiger Verlust des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit - Orientierung am gesetzlichen Strafrahmen des Dienstvergehens - keine begrenzende Indizwirkung der ausgeurteilten strafrechtlichen Sanktion - Einvernehmen des Schülers mit sexuellen Handlungen - Milderungsgründe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 80. Senat Entscheidungsdatum 28.10.2021
Aktenzeichen OVG 80 D 5/20 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1028.OVG80D5.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 34 Abs 1 S 3 BeamtStG, § 5 Abs 1 Nr 5 DiszG BE, § 57 Abs 1 S 1 BDG, § 174 Abs 1 Nr 1 StGB, § 65 Abs 1 S 1 BDG, § 10 DiszG BE, § 13 Abs 1 DiszG BE, § 13 Abs 2 S 1 DiszG BE, § 41 DiszG BE, § 47 Abs 1 S 1 BeamtStG

Leitsatz

1. Zur disziplinarrechtlichen Ahndung eines innerdienstlichen sexuellen Missbrauchs eines Schülers durch eine beamtete Lehrkraft.
2. Zu den Kernpflichten beamteter Lehrkräfte gehört es in sexueller Hinsicht, Distanz zu den minderjährigen, in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihnen stehenden Schülerinnen und Schülern zu wahren. Sexuelle Kontakte zwischen den Lehrerinnen und Lehrern einerseits und den Schülerinnen und Schülern andererseits sind auch zum Schutz der einzelnen Schülerinnen und Schüler aus dem Unterrichts-, Erziehungs- und Ausbildungsverhältnis herauszuhalten.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte ist Studienrat im Schuldienst des klagenden Landes und wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis durch die erstinstanzliche Disziplinarkammer wegen des Dienstvergehens des sexuellen Missbrauches eines Schülers.

Der im Jahre 1... geborene Beklagte war zum Zeitpunkt des Dienstvergehens ledig. Er hat keine Kinder. Am 1. Oktober 2019 schloss er mit einer im Jahre 1... geborenen Person gleichen Geschlechts die Ehe. Er ist mit dem Grad der Behinderung von 70 v.H. als Schwerbehinderter anerkannt. Straf- und disziplinarrechtlich ist er bis zu den den Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens bildenden Vorfällen nicht vorbelastet.

Der Beklagte war nach seinem Studium und der zweiten Staatsprüfung für das Amt des Studienrates in den Fächern Musik und Französisch zunächst am C... in Berlin tätig. Er wurde danach als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis zum Land Berlin an einem Gymnasium in F... tätig. Der Beklagte war danach ab dem 1. September 1994 am S...Gymnasium in C... tätig. Am 2. Mai 2001 wurde er unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit zum Studienrat ernannt. Er unterrichtete die Fächer Musik, Französisch und darstellendes Spiel. Im Jahre 2012 unterrichtete er im Fach Musik u.a. den Schüler K....

Mit rechtskräftigem Urteil vom 23. Februar 2018 – (265a Ds) 284 Js 264/17 (220/17) – verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§§ 174 Abs. 1 Nr. 1, 47 Abs. 2, 53 StGB) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen zu je 70 Euro. Das Urteil enthält folgende Feststellungen, wobei der Beklagte als Angeklagter bezeichnet wird:

Der Angeklagte war im Tatzeitraum als Lehrer des am 1... geborenen Schülers K... am S...-Gymnasium tätig. Obwohl dem Angeklagten bekannt war, dass der Zeuge C... das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, kam es im Zeitraum kurz vor den Sommerferien 2012 bis Ende 2012 zwischen dem Angeklagten und seinem Schüler C... in mindestens 2 Fällen zu den nachfolgend näher ausgeführten sexuellen Handlungen:

1. An einem nicht mehr näher bestimmbaren Tag im Juni 2012 nahm der Angeklagte in seinem Musikstudio in einer Wohnung in Berlin-S...den Oralverkehr an dem Zeugen C... vor und ließ den Zeugen an seinem Penis manipulieren.

2. An einem nicht mehr näher bestimmbaren Tag zwischen dem 1. August 2012 und dem 31. Oktober 2012 trafen sich der Angeklagte und der Zeuge C... in der damaligen Wohnung des Angeklagten in der E... Straße 9... in 1... Berlin, wo der Angeklagte den Zeugen C... im Schlafzimmer küsste, das Gesäß des Zeugen leckte und beide gegenseitig am Penis des anderen masturbierten.

Die getroffenen Feststellungen beruhten auf dem umfassenden Geständnis des Beklagten, an dem zu zweifeln das Amtsgericht keinen Anlass sah.

Bei der Strafzumessung ist das Amtsgericht von dem Strafrahmen des § 174 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 ausgegangen. Es hat von der Möglichkeit des § 47 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht und eine Geldstrafe gegen den Beklagten verhängt, da eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten nicht in Betracht komme und die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen gegen den Beklagten nach Würdigung seiner Person und der Tat nicht unerlässlich sei, um auf ihn einzuwirken.

Nach Bekanntwerden der Vorfälle - bereits im November des Jahres 2016 - hat der Kläger mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 dem Beklagten gegenüber ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Er hat am 16. Januar 2017 das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet und dieses wegen des zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens zunächst ausgesetzt. Mit Bescheid vom 10. Mai 2017 ordnete der Kläger die vorläufige Dienstenthebung des Beklagten sowie die Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 50 v.H. an. Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens setzte der Kläger das Disziplinarverfahren fort.

Der Kläger hat am 1. Oktober 2019 beim Verwaltungsgericht Berlin Disziplinarklage erhoben und beantragt, den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Beklagten mit Urteil vom 3. Juli 2020 (- VG 80 K 25.19 OL -, veröffentlicht in juris) aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Disziplinarklage sei zulässig und begründet. Der Beklagte habe ein Dienstvergehen begangen, das seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfordere. Der Beklagte habe sich in zwei Fällen vorsätzlich des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Damit habe er zugleich ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen.

Das Dienstvergehen erfordere nach § 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Das Dienstvergehen wiege schwer. Der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei eröffnet, da der Strafrahmen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen habe. Der Beklagte habe durch den zweifachen sexuellen Missbrauch eines 14 bzw. 15 Jahre alten Schülers, der ihm dienstlich zur Erziehung und Ausbildung anvertraut gewesen sei, nicht nur im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt, sondern seine Funktion gegenüber dem Schüler zur Verfolgung eigener sexueller Ziele in strafbarer Weise ausgenutzt. Dem Strafmaß des Urteils komme schon wegen der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung zu. Die gravierende Distanzverletzung des Lehrers führe zu einem irreparablen Vertrauensverlust, der es den Schülern und den Eltern unzumutbar mache, sich und ihr Kind einem solchen Lehrer weiterhin anzuvertrauen. Milderungsgründe, die ein Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 6. August 2020 zugestellte Urteil am 4. September 2020 Berufung eingelegt. Er wendet sich gegen die Bemessung der Disziplinarmaßnahme und führt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen Folgendes aus:

Entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erfordere das Dienstvergehen des Beklagten nicht seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Amtsgericht Tiergarten habe in seinem Urteil eine Gesamtgeldstrafe von 160 Tagessätzen für schuldangemessen erachtet und bleibe damit im unteren Bereich des Strafrahmens. Maßgeblich sei das Geständnis des Beklagten im Strafverfahren gewesen, mit dem er dem Schüler eine Zeugenaussage erspart habe. Hinzu komme, dass die Beziehung zu dem minderjährigen Schüler von beiden Seiten als Liebesbeziehung erlebt worden sei und der Beklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Insofern könne die konkrete Strafzumessung des Amtsgerichts Tiergarten für das Disziplinarverfahren nicht bedeutungslos sein. Die durch das Strafurteil festgestellte Schuld des Beklagten sei vielmehr für die Wahl der Disziplinarmaßnahme indiziell, da sich die Verletzung der Strafrechtsnorm im Kern mit der disziplinarrechtlich zu ahndenden Verfehlung decke. Dem Schutzbereich des § 174 Abs. 1 Satz 1 StGB unterfielen die sexuelle Integrität minderjähriger Schüler gegen den Missbrauch von zur Ausbildung bzw. Erziehung berufenen Personen. Insofern sei die Verletzung der Strafrechtsnorm durch den Beklagten im Kern identisch mit der zu ahndenden disziplinarrechtlichen Verfehlung.

Zudem sei die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis auch deshalb nicht erforderlich, weil gewichtige entlastende Gesichtspunkte vorlägen. Das Verwaltungsgericht habe keine konkreten Überlegungen darüber angestellt, ob prognostisch zu erwarten sei, dass der Beklagte künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen werde oder nicht. Die wenige Monate andauernde Beziehung zu dem minderjährigen Schüler sei eine einmalige Episode im Leben des Beklagten gewesen. Jedenfalls gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der inzwischen verheiratete Beklagte eine manifeste Neigung habe, sexuelle Beziehungen mit Minderjährigen zu suchen. Einschlägige dienstliche oder außerdienstliche Verfehlungen oder auch sonstige disziplinarrechtlich zu ahndende Verfehlungen lägen nicht vor.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Juli 2020 zu ändern und die Disziplinarklage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und tritt der Berufung entgegen. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Berufungskläger ein so schweres Dienstvergehen begangen habe, dass als Disziplinarmaßnahme seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erforderlich sei. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke von Straf- und Disziplinarrecht dem konkreten Strafmaß für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme keine indizielle Bedeutung beigemessen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Personalakte, Disziplinarakte) und die Akten der Staatsanwaltschaft Berlin (Az.: 284 Js 264/17) verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und deren Inhalt ist – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige, nach § 41 DiszG Bln i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 1 BDG statthafte Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen (1.), wegen dessen er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (§§ 10, 13 DiszG Bln) (2.).

1. Mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen an dem ihm zur Erziehung anvertrauten Schüler C... hat der Beklagte als im Landesdienst stehender Studienrat eine innerdienstliche Pflichtverletzung begangen, die als Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu bewerten ist.

a. In tatsächlicher Hinsicht sind der disziplinarrechtlichen Würdigung die tatsächlichen Feststellungen in dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Februar 2018 – (265a Ds) 284 Js 264/17 (220/17) – zugrunde zu legen, die für den Senat nach § 41 DiszG Bln i.V.m. §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bindend sind und vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils hat der Beklagte an dem ihm anvertrauten Schüler unter 16 Jahren sexuelle Handlungen, nämlich Oralverkehr und gegenseitige Masturbation vorgenommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten auf die im Tatbestand wiedergegebenen Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten (vgl. oben S. ) Bezug genommen.

b. Durch dieses festgestellte Verhalten hat der Beklagte schuldhaft ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.

Beamte begehen danach ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Das Verhalten beamteter Lehrkräfte muss innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das ihr Beruf erfordert (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Hieraus folgt zum einen, dass eine beamtete Lehrkraft innerdienstlich nicht schuldhaft gegen Strafgesetze verstoßen darf (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 8. März 2016 – 3 A 10861/15 – juris Rn. 54). Darüber hinaus hat sich eine beamtete Lehrkraft so zu verhalten, dass die demokratische Schule ihre Bildungs- und Erziehungsziele (vgl. näher § 2 und § 3 SchulG Bln) gegenüber den Schülerinnen und Schülern erfüllen kann (Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 619). Eine beamtete Lehrkraft ist nach dem umfassenden und auf Art. 7 Abs. 1 GG beruhenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder und Jugendlichen verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 32 m.w.N.). Nach § 67 Abs. 2 Satz 2 SchulG Bln unterrichten, erziehen, beurteilen und bewerten, beraten und betreuen die Lehrkräfte in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele und der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Hieraus wird zu Recht abgeleitet, dass es zu den Kernpflichten beamteter Lehrkräfte gehört, den erforderlichen Abstand, also in sexueller Hinsicht die körperliche Distanz zu den minderjährigen Schülerinnen und Schülern, zu wahren. Sexuelle Kontakte zwischen den Lehrerinnen und Lehrern einerseits und den Schülerinnen und Schülern andererseits sind auch zum Schutz der einzelnen Schülerinnen und Schüler aus dem Unterrichts-, Erziehungs- und Ausbildungsverhältnis herauszuhalten (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 - 14 LB 3/16 – juris Rn. 39; OVG Münster, Beschluss vom 11. März 2014 - 6 A 157/14 – juris Rn. 10; Urteil vom 14. April 2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 68). Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen beamteten Lehrkräften und den ihnen zur Unterrichtung und Erziehung anvertrauten Schülerinnen und Schülern soll nämlich so zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung und der ungestörten Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von geschlechtlichen Beweggründen und sexuellen Kontakten freigehalten werden, auch weil letztere geeignet wären, die Autorität der Lehrkraft zu untergraben und das Vertrauen der Minderjährigen und deren Eltern in sie zu erschüttern.

Gegen diese ihm obliegenden Pflichten hat der Beklagte durch die sexuellen Handlungen mit dem ihm zur schulischen Unterrichtung, Erziehung und Betreuung anvertrauten Schüler verstoßen, wie die vom Amtsgericht festgestellten strafbaren Handlungen zeigen. Der Beklagte hat damit sowohl gegen ein Strafgesetz verstoßen wie auch in sexueller Hinsicht die körperliche Distanz zu dem Schüler nicht gewahrt und damit eine Kernpflicht als beamtete Lehrkraft verletzt.

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Abgrenzung inner- und außerdienstlicher Dienstvergehen ist das wesentliche Unterscheidungselement zwischen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung funktionaler Natur. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit. Ist eine solche Einordnung nicht möglich, insbesondere, wenn sich das Handeln als das einer Privatperson darstellt, ist es als außerdienstliches (Fehl-)Verhalten zu qualifizieren (BVerwG, Beschluss vom 19. August 2019 – 2 B 72.18 – juris Rn. 8 m.w.N.). Danach ist eine enge räumliche oder zeitliche Beziehung zum Dienst nicht entscheidend. Eine innerdienstliche Pflichtverletzung kann daher außerhalb der Dienstzeit und außerhalb der Diensträume begangen werden, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit dem der Beamtin bzw. dem Beamten übertragenen Amt steht (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. September 2021 – OVG 4 S 21.21 – EA S. 5; Thomsen in: Brink-trine/Schollendorf, BeckOK BeamtenR, Stand 1. April 2020, BeamtStG, § 47 Rn. 12).

Diese kausale und logische Einbindung in das Amt des Studienrates ist hinsichtlich der Verfehlungen, die sich der Beklagte gegenüber dem Schüler C... hat zu Schulden kommen lassen, gegeben, auch wenn die sexuellen Handlungen weder zeitlich im Unterricht noch örtlich in der Schule, sondern in Wohnungen des Beklagten vorgenommen wurden. Der Beklagte hat den betroffenen Schüler im Fach Musik unterrichtet. Der Schüler war daher ihm zur Unterrichtung, Erziehung und Betreuung anvertraut. Das Näheverhältnis zu dem Schüler beruht gerade auf seiner Position als Musiklehrer. Der Kontakt mit dem Schüler ermöglichte es dem Beklagten, seine Vertrauensstellung als Lehrer auszunutzen und eine sexuelle Beziehung zu seinem Schüler aufzubauen und zu unterhalten. Obgleich die sexuellen Handlungen in privaten Wohnungen vorgenommen wurden, standen sie in funktionaler Beziehung und Einbindung zur dienstlichen Tätigkeit des Beklagten als Lehrer des Schülers und der damit verbundenen Autoritäts- und Vertrauensstellung.

2. Der Beklagte ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 10 DiszG Bln), weil er durch dieses schwere Dienstvergehen im Hinblick auf seinen Status als Studienrat und seine Tätigkeit als Lehrkraft das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln).

a. Die Verwaltungsgerichte erster und zweiter Instanz erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 Satz 1 DiszG Bln auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme. Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 DiszG Bln). Die Verwaltungsgerichte üben dabei selbst Disziplinarkompetenz aus (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, § 13 Rn. 10). Auch das Oberverwaltungsgericht kann im Rahmen des Berufungsverfahrens eine eigenständige Bemessungsentscheidung über die erforderliche Maßnahme treffen (§ 41 DiszG Bln i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 2, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG).

Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG Bln ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren zu beachten sind. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 20 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2020 – OVG 80 D 4.19 – EA S. 13; Urteil vom 30. August 2021 – OVG 80 D 2/21 – juris Rn. 47).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme (vgl. §§ 5 Abs. 1 Nr. 5, 10 DiszG Bln) ist nur zulässig, wenn der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln). Erforderlich ist also ein schweres Dienstvergehen, das zu einem endgültigen, d.h. unwiederbringlichen Verlust des Vertrauens geführt hat (von der Weiden, jurisPR-BVerwG 6/2020 Anm. 3 C II.). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle eines Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder – wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist – ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 21 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2020 – OVG 80 D 4.19 – EA S. 13).

Als maßgebendes Bemessungskriterium für die Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG Bln und für die Entscheidung, ob der Beamte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln die Frage, ob der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, richtungsweisend. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 DiszG Bln aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2012 – 2 B 140.11 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. August 2021 – OVG 80 D 2/21 – juris Rn. 47).

Orientierung für den Umfang des Vertrauensverlusts des Dienstherrn oder der Allgemeinheit bietet bei Dienstvergehen, die zugleich einen Straftatbestand erfüllen, der gesetzliche Strafrahmen des begangenen Dienstvergehens. Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 DiszG Bln am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 – juris Ls. 1 u. Rn. 19; Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Aufl. 2017, Rn. 37a). Mit der Anknüpfung an die im Tatzeitpunkt geltende Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehaltes eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Die Orientierung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung solcher Dienstvergehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 19; siehe aber auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. August 2021 – OVG 80 D 2/21 – juris Rn. 49 - 52). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 28).

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 23). Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. August 2021 – OVG 80 D 2/21 – juris Rn. 49; vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 – 14 LB 3/16 – juris Rn. 41).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der vom Beklagten verwirklichte Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist nach dem im Tatzeitpunkt geltenden § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, also im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Dies hat zur Folge, dass der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme wegen dieser Strafandrohung für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reicht. Die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände entspricht (vgl. u.a. von der Weiden, jurisPR-BVerwG 6/2020 Anm. 3 C. II.).

Die vorgenannte, am gesetzlich bestimmten Strafrahmen als Orientierungsrahmen ausgerichtete Betrachtungsweise steht auch mit der vorangegangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 1. März 2012 – 2 B 140.11 – juris Ls. 3 und Rn. 9) in der hiesigen Fallkonstellation in Einklang, wonach bei sexuellem Missbrauch von anvertrauten Schülern unter 16 Jahren durch Lehrer gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst indiziert ist, wenn es in der Gesamtheit an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten fehlt.

b. In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist wegen des Dienstvergehens des Beklagten, der als Studienrat durch seine Handlungen einen sexuellen Missbrauch des ihm anvertrauten Schülers unter 16 Jahre gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat, hier in Ausschöpfung des Orientierungsrahmens die Höchstmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 10 DiszG Bln zu verhängen. Das steht unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens. In der Gesamtheit fehlt es im Fall des Beklagten an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis steht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beklagten.

aa. Dem in dem vorangegangenen Strafverfahren vom Amtsgericht Tiergarten konkret ausgeurteilten Strafmaß einer Gesamtfreiheitsstrafe von 160 Tagessätzen zu je 70 Euro kommt entgegen der Ansicht des Beklagten keine begrenzende indizielle Bedeutung für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu, die hier der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entgegenstünde. Aus der hier erfolgten konkret ausgeurteilten strafrechtlichen Ahndung der Straftat des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen mit einer Geldstrafe kann nämlich nicht indiziell auf die geringe disziplinarische Schwere des Dienstvergehens im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln geschlossen werden.

Soweit der Beklagte meint, das Dienstvergehen würde nicht seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen, weil das vom Amtsgericht Tiergarten konkret ausgeurteilte Strafmaß im unteren Bereich des Strafrahmens bleibe und dies nicht im Disziplinarverfahren bedeutungslos bleiben könne, sondern für dieses indiziell sei, da die Verletzung der Strafrechtsnorm sich im Kern mit der disziplinarrechtlich zu ahndenden Verfehlung decke, hat dieses Vorbingen keinen Erfolg.

Nach der ständigen, vom Senat geteilten jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 5. Juli 2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 15 f.; Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 – juris Rn. 34, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Oktober 2020 – OVG 80 D 2/20 – EA S. 9; Urteil vom 26. Juni 2020 – OVG 80 D 4.19 – EA S. 15) kommt bei einem – hier vorliegenden – innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung zu. Die strafrechtliche Sanktion hat aufgrund der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht keine – auch keine begrenzende – Indizwirkung für die disziplinare Maßnahmebemessung (von der Weiden, jurisPR-BVerwG 6/2020 Anm. 3 C. II.). Die im konkreten Fall im Wege der Strafzumessung vom Amtsgericht ausgesprochene Strafe hat allein strafrechtliche Relevanz. Dies beruht auf den unterschiedlichen Zwecken von Straf- und Disziplinarrecht. Während die konkrete Strafzumessung strafrechtlichen Kriterien folgt, wird die disziplinarrechtliche Maßnahmenbemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln insbesondere durch den Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit bestimmt. Das Disziplinarrecht als spezielles Verwaltungsrecht wird im Gegensatz zum Strafrecht nicht vom Vergeltungs-, Sühne- oder Resozialisierungsgedanken beherrscht, sondern von dem übergeordneten Zweck, die Leistungsfähigkeit (Effektivität) der öffentlichen Verwaltung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des Beamtentums als eines die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung stabilisierenden Faktors möglichst ungeschmälert zu gewährleisten (vgl. Urban in: Urban/Wittkowski, BDG, 2. Auf. 2017, § 13 Rn. 11 m.w.N.).

bb. Der Beklagte ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch das schwere Dienstvergehen des sexuellen Missbrauchs eines ihm schutzbefohlenen Schülers im Hinblick auf seinen Status als Studienrat und seine Tätigkeit als Lehrer das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 1 DiszG Bln). Zu Recht nimmt nämlich das Verwaltungsgericht an, dass ein Lehrer, der einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen begeht, in aller Regel die Grundlage für das mit Blick auf das Statusamt erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Er ist in den Augen der Allgemeinheit, zu der auch die Elternschaft gehört, grundsätzlich nicht mehr als Beamter tragbar. Denn mit dem Erziehungsauftrag und den Erziehungsaufgaben des Lehrers ist jeder sexuelle Missbrauch von ihm anvertrauten Schülern unvereinbar. Schülerinnen und Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Übergriffe von Lehrkräften auf Schülerinnen und Schüler unterbleiben. Wenn schon nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der außerdienstliche Besitz kinderpornografischen Bildmaterials bei Lehrern unabhängig von der Anzahl und dem Inhalt in der Regel zu einem endgültigen Vertrauensverlust beim Dienstherrn und der Allgemeinheit führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 31 ff.), muss dies erst recht in Fällen wie dem Vorliegenden gelten, bei dem es zu sexuellen Missbrauchshandlungen durch den Lehrer selbst gegenüber einem ihm anvertrauten Schüler im Alter von unter 16 Jahren gekommen ist. Die Schwelle für die Dienstentfernung ist hier nach den Umständen des Falles erreicht, weil die Autorität und das Ansehen des Beklagten bei der Allgemeinheit und damit auch bei Schülern und Eltern nicht nur beeinträchtigt, sondern schwer gestört und zerstört ist. Es ist zu befürchten, dass der Beklagte als Studienrat wegen der von ihm begangenen sexuellen Missbrauchshandlungen an dem Schüler auf Vorbehalte der Eltern und der von ihm unterrichteten Kinder und Jugendlichen stößt und deshalb nicht mehr die Autorität und das Vertrauen der Allgemeinheit genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben angewiesen ist. Der Beklagte hat damit nach den Umständen des Falles gegen seine Pflichten als beamtete Lehrkraft im Kernbereich verstoßen, deren strikte Einhaltung gegenüber den Schülern auch in den Augen der Allgemeinheit von zentraler Bedeutung ist. Hierdurch ist er als Beamter untragbar geworden.

Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier auch geboten, weil das Dienstvergehen des Beklagten, der als Studienrat durch seine Handlungen einen sexuellen Missbrauch des ihm anvertrauten Schülers unter 16 Jahre gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat, ein bedeutsames Rechtsgut verletzt. Das große Gewicht, das dem Rechtsgut der Entwicklung junger Menschen im sexuellen Bereich zukommt, die unbehelligt durch von außen kommende Störungen bleiben soll, findet seinen Grund darin, dass der sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen in hohem Maß persönlichkeits- und sozialschädlich für den betroffenen Schüler ist (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 – 14 LB 3/16 – juris Rn. 43). Er greift in die sittliche Entwicklung des jungen Menschen ein und gefährdet die Entfaltung seiner Persönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil es ihm typischerweise im Alter von 14 bzw. 15 Jahren an der erforderlichen Reife fehlt, um das durch die sexuellen Handlungen des Beklagten Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig verarbeiten zu können.

Das Vorbringen des Beklagten, dass die sexuellen Handlungen zwischen ihm und dem Schüler von beiden Seiten als Liebesbeziehung erlebt worden seien, also einvernehmlich erfolgt seien, steht dem endgültigen Vertrauensverlust in die beamtete Lehrkraft und seiner Entfernung aus dem Dienst nicht entgegen. Sexuelle Handlungen zwischen Lehrern und Schülern sind disziplinarrechtlich selbst dann nicht von geringem Gewicht und führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust der Allgemeinheit, wenn sie im Einvernehmen mit dem Schüler erfolgen. Kinder und Jugendliche befinden sich in einer starken Prägungsphase und suchen besonders nach emotionaler Zuwendung, Anerkennung und Zuneigung. Lehrer sollen die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen fördern und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln. Diesen Erziehungsauftrag können sie glaubwürdig und überzeugend jedoch nur erfüllen, wenn sie ihr Verhältnis zu den Schülern auch dann von sexuellen Handlungen freihalten, wenn der Schüler diese freiwillig eingeht. Von dem Beklagten als ausgebildete Lehrkraft ist zu erwarten, dass er derartige Situationen emotional, intellektuell und lebenspraktisch zu meistern versteht und die gebotene Distanz wahrt. Dem Beklagten ist hier jedenfalls vorzuwerfen, dass er nichts unternommen hat, um die gebotene Distanz zu dem Schüler in sexueller Hinsicht zu wahren bzw. um, nachdem es zu einem Distanzverlust gekommen war, zu einem mit seinen Beamtenpflichten vereinbaren Verhalten zurückzukehren (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 – 14 LB 3/16 – juris Rn. 49; OVG Koblenz, Urteil vom 8. März 2016 – 3 A 10861/15 – juris Rn. 64 f.). Ein mögliches Einverständnis des hier betroffenen Schülers ist unbeachtlich. Denn bei der schulischen Ausbildung handelt es sich um eine mehrpolige Rechtsbeziehung: Schule, Schulleitung sowie Lehrer auf der einen Seite, Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern auf der anderen Seite. Hinzu kommen die Schülerschaft, die Elternschaft und – ganz allgemein – die Öffentlichkeit mit ihrer Wahrnehmung dessen, was in der Schule geschieht. Das Einverständnis des Schülers zu den an ihm vorgenommenen sexuellen Handlungen – unabhängig von der Frage von dessen Wirksamkeit – betrifft nur das Verhältnis zum Lehrer, das überdies durch strukturelle Ungleichheit geprägt ist. Da aber zugleich die Rechtskreise der anderen Schülerinnen und Schüler, der Eltern, der Elternschaft und der Öffentlichkeit betroffen sind und Einzelnen die Befugnis zur Disposition hierüber fehlt, ist das Einverständnis des Schülers insoweit unbeachtlich (vgl. dazu OVG Münster, Urteil vom 14. April 2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 79 m.w.N.).

Der Annahme eines endgültigen Vertrauensverlustes in den Beklagten steht auch sein Vorbringen nicht entgegen, er sei inzwischen verheiratet und seine wenige Monate andauernde Beziehung zu dem minderjährigen Schüler sei eine einmalige Episode in seinem Leben gewesen, zudem stelle die erstinstanzliche Entscheidung keine konkreten Überlegungen darüber an, ob zu erwarten sei, dass er künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoße oder nicht.

Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens liegen hier keine hinreichenden Umstände vor, die die Prognose rechtfertigen würden, dass das erforderliche Vertrauen nicht unwiederbringlich und damit nicht endgültig verloren gegangen ist. Der Beklagte hat mit seinem aus seiner Sphäre stammenden Vorbringen auch in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren keine Anhaltspunkte dargetan, dass die von ihm vorgenommenen sexuellen Handlungen an dem Schüler, die einen sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen darstellen, lediglich eine Entgleisung während einer negativen, zwischenzeitlich überwundenen Lebensphase waren und das Verhalten künftig nicht mehr erwarten ließe, dass er als Lehrer nicht erneut ein Dienstvergehen gegenüber den ihm anvertrauten Schülern beginge. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der Milderungsgrund der Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt „aus der Bahn geworfen“ haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin „aus der Bahn“ geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 – juris Rn. 10 f. m.w.N.). Dass der Beklagte, der zum Zeitpunkt des Dienstvergehens ledig war, sich damals in einer persönlich besonders belasteten außergewöhnlichen Situation befunden habe, die den sexuellen Missbrauch als Entgleisung wegen einer negativen und inzwischen überwundenen Lebensphase erscheinen ließe, hat er auch im Berufungsverfahren nicht dargetan. Der Umstand, dass er inzwischen am 1. Oktober 2019 – mit einer deutlich jüngeren Person gleichen Geschlechtes – die Ehe geschlossen hat, führt nicht dazu, dass angenommen werden kann, dass er sich persönlich so stabilisiert hat, dass die Prognose gerechtfertigt wäre, dass bei dem beklagten Lehrer der sexuelle Missbrauch von schutzbefohlenen Schülern und andere sexuelle Kontakte zu Schülern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft ausgeschlossen wären. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten eine Wiederholungsgefahr hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von Schülern verneinen wollte, würde dies keine andere Bewertung rechtfertigen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung können diese Umstände nämlich den durch das schwerwiegende Fehlverhalten des Beklagten herbeigeführten Autoritäts- und Ansehensverlust bei ihm als Lehrer nicht wieder rückgängig machen. Der Verlust des Vertrauens ist unwiederbringlich. Ein Lehrer, der sich wegen sexuellen Missbrauchs eines ihm zur Erziehung anvertrauten Schülers strafbar gemacht hat, ist regelmäßig Eignungszweifeln ausgesetzt, weil er elementare Rechte einer Person verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt (OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 - 14 LB 3/16 - juris Rn. 54).

cc. Es liegen auch keine Milderungsgründe vor, die bei dem Dienstvergehen des Beklagten ein Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen können.

Die in der Rechtsprechung „anerkannten“ (klassischen) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 31 ff.), greifen hier nicht zugunsten des Beklagten ein. Er hat solche Milderungsgründe auch in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht vorgetragen.

Zugunsten des Beklagten hat das erstinstanzliche Gericht zu Recht berücksichtigt, dass er im Strafverfahren ein Geständnis abgelegt hat und so dem Schüler eine Zeugenaussage vor dem Amtsgericht zu den sexuellen Handlungen erspart hat. Dies allein vermag aber unter dem Gesichtspunkt eines entlastenden Moments ein Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme nicht zu rechtfertigen, zumal das erstinstanzliche Gericht zu Recht ausgeführt hat, dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt durch die vorherigen Aussagen des Schülers im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei schon weitestgehend überführt war.

Auch der Umstand, dass der Beklagte vor dem sexuellen Missbrauch des Schülers im Jahre 2012 weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist zwar für das Persönlichkeitsbild des Beamten von Bedeutung. Es ist allerdings angesichts der Schwere des Dienstvergehens durch den sexuellen Missbrauch des Schülers nicht geeignet, das Dienstvergehen in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, da jeder Beamte verpflichtet ist, sich inner- und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die bisherige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das innerdienstliche Verhalten abgesenkt werden (OVG Münster, Urteil vom 14. April 2021 – 3d A 1050/20.O – juris Rn. 139; OVG Schleswig, Urteil vom 20. März 2017 – 14 LB 3/16 – juris Rn. 51; vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 13).

§ 13 Abs. 1 DiszG Bln sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass – über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus – bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 37 m.w.N.). Entlastende Gesichtspunkte von solch bemessungsrelevantem Gewicht, dass sie das Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Sie sind vom Beklagten auch in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

dd. Hat sich der Beklagte somit eines schweren Dienstvergehens des sexuellen Missbrauchs eines Schülers schuldig gemacht, welches zum vollständigen Vertrauensverlust führt, so begegnet die Entfernung des Lehrers aus dem Dienst auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Insoweit sind auf der einen Seite die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und andererseits die verhängte Disziplinarmaßnahme in Beziehung zu setzen. Der Senat hat dabei den Umstand, dass der Beklagte aufgrund der gesetzlichen Regelungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 DiszG Bln einen Anspruch auf Dienstbezüge und spätere Versorgungsbezüge verliert, bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme einbezogen. Ebenso hat er berücksichtigt, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in essentieller Weise in das Verhältnis, das durch das Lebenszeitprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG geprägt ist, eingreift. Eine disziplinarrechtliche Dienstentfernung des Beklagten steht dem aber nicht entgegen. Die darin liegende Härte ist für den Beklagten nicht unzumutbar, selbst wenn er künftig Sozialleistungen beziehen müsste, weil sie auf einen ihm zurechenbaren Verhalten beruht und es dem Beklagten bewusst sein musste, dass er mit dem sexuellen Missbrauch eines Schülers seine berufliche Existenz als beamteter Lehrer gefährdet. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis beruht hier auf einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Beklagten und stellt bei der beamteten Lehrkraft ein außerordentlich schweres Versagen im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten dar. Sie ist in dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine vorhersehbare Rechtsfolge der Rechtsverletzung. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis dient einem anerkannten Ziel des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Integrität des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit.

Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrages verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 DiszG Bln. Der Beklagte hat keine Umstände glaubhaft gemacht, die auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 Satz 3 DiszG Bln eine Verlängerung der Gewährung notwendig erscheinen ließen, um eine unbillige Härte zu vermeiden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG Bln i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 DiszG Bln i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 41 DiszG Bln, § 69 BDG i.V.m. § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.