Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 11.11.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 Ws 189/21 (S) | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1111.2WS189.21S.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. September 2021 aufgehoben, soweit unter Ziffer 6 des Beschlusses die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. Juli 2020 (21 Kls 4/20) angeordnet worden ist.
Die Überstellungsanordnung unter Ziffer 7 des Beschlusses wird für gegenstandslos erklärt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
I.
Mit Urteil vom 6. Juli 2020 hatte die 1. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) den Verurteilten zu eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zugleich die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet.
Mit Beschluss vom 9. September 2021 erklärte die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung für erledigt und gestaltete die gemäß 67d Abs. 5 S. 2 StGB eintretende Führungsaufsicht aus. Unter Ziffer 6 des angefochtenen Beschlusses heißt es:
"Es wird die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 06.07.2020 (Az. 21 KLs 4/20) angeordnet."
Zur Begründung führt die Strafvollstreckungskammer wie folgt aus:
„Zugleich war die weitere Vollziehung der Freiheitsstrafe aus dem im Tenor genannten Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 06.07.2020 (Az. 21 KLs 4/20) - soweit diese Strafe durch Anrechnung noch nicht vollstreckt ist - anzuordnen, da die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß §§ 67 Abs. 5, 57 Abs. 1 StGB nicht vorliegen."
Hiergegen und die Überstellungsanordnung unter Ziffer 7 des angefochtenen Beschlusses richten sich die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und des Verurteilten. In den jeweiligen Begründungen wird ausgeführt, dass die Strafvollstreckungskammer verkannt habe, dass es zur Vollstreckung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zunächst eines Widerrufs oder einer anderweitigen Aufhebung dieser Entscheidung bedurft habe. Soweit die Strafvollstreckungskammer § 67 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 StGB als Regelungsgrundlage heranziehe, verkenne sie, dass diese Vorschrift den hier nicht vorliegenden Fall betreffe, dass eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt zu erkennen, wie geschehen.
II.
Die sofortigen Beschwerden sind begründet. Das Landgericht hat bei der Anordnung „der weiteren Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe“ verkannt, dass diese Freiheitsstrafe bereits zur Bewährung ausgesetzt ist und eine Entscheidung über die Reststrafenaussetzung sowie die Anordnung des Strafvollzuges somit nicht veranlasst war.
Die Vorschrift, auf die sich die Strafvollstreckungskammer zur Begründung ihrer Entscheidung bezieht, betrifft, wie sich aus Systematik und Sinn und Zweck der Regelung ergibt, den hier nicht vorliegenden Fall, dass eine unbedingte Freiheitsstrafe neben einer Unterbringung gemäß § 64 StGB verhängt worden ist. Nach dem Grundgedanken des § 67 Abs. 5 Satz 2 Hs. 1 StGB soll, wenn die Unterbringung entfällt, die unbedingte Freiheitsstrafe aber nicht gemäß § 67 Abs. 5 S. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird, der Verurteilte nicht aus der Entziehungsanstalt in die Justizvollzugsanstalt verlegt werden, weil dies erfahrungsgemäß jeden erreichten Behandlungs(teil)erfolg zunichte machen würde (vgl. KG, Beschluss vom 25. Sept. 2000 – 5 Ws 538/00, NStZ 2001, 166). § 67 Abs. 5 S. 2 Hs. 2 StGB ermächtigt die Strafvollstreckungskammer dazu, anzuordnen, dass der Verurteilte ausnahmsweise doch in den Strafvollzug verlegt wird.
Die vorliegende Konstellation betrifft jedoch eine andere Sachlage, dass nämlich die verhängte Freiheitstrafe keine unbedingte, sondern eine zur Bewährung ausgesetzte war und mangels Widerruf auch ist, so dass derzeit eine Vollstreckung dieser Strafe nicht zulässig ist. Dass ein Widerruf der Bewährung von dem angefochtenen Beschluss konkludent mitumfasst sein sollte, liegt nach seinem Inhalt fern, zumal für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Widerruf der Strafaussetzung auch nichts ersichtlich ist.
Die Überstellungsanordnung ist damit gegenstandslos.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO, § 473 Abs. 1 Satz 1, § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NStZ - RR 1998, 159).