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Entscheidung 3 BV 15/20


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 18.06.2020
Aktenzeichen 3 BV 15/20 ECLI ECLI:DE:ARBGCOT:2020:0618.3BV15.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 179 SGB 9

Leitsatz

1. Die Schwerbehindertenvertretung ist berechtigt, den Arbeitgeber auf Freistellung von Zahlungsverpflichtungen in Anspruch zu nehmen, wenn eine Vertrauensperson für den Besuch von Schulungsveranstaltungen im Sinne von § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX Zahlungsverpflichtungen eingegangen ist oder Kosten verauslagt hat.
2. Neben dem Arbeitgeber und der Schwerbehindertenvertretung ist auch die betroffene Vertrauensperson am Verfahren zu beteiligen.
3. Nach § 96 Abs. 8 SGB IX hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch Kosten, die anlässlich der Teilnahme der Vertrauensperson an einer Schulungsveranstaltung nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX entstanden sind.
4. Um eine Schulung im Sinne von § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX handelt es sich, wenn die bei der Schulung vermittelten Kenntnisse für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren die notwendige Reise, Übernachtungs- und Verpflegungskosten der Vertrauensperson.
5. Die Schwerbehindertenvertretung darf die Schulungsteilnahme für erforderlich halten, wenn die dort vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse notwendig sind, damit die Schwerbehindertenvertretung ihre gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann.
6. Der Beurteilungsspielraum der Schwerbehindertenvertretung bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht der Schwerbehindertenvertretung im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren Veranstaltung in Betracht kommen.
7. Die Änderungen des Datenschutzrechtes durch die neu eingeführte Datenschutzgrundverordnung gibt einen aktuellen betriebsbezogenen Anlass zur Fortbildung nach dem neuen Datenschutzrecht.
8. Die in der Vergangenheit für die Schwerbehindertenvertretung angefallenen Kosten sind für die Beurteilung der hier maßgeblichen Kosten nicht relevant. Für jede Schulung ist grundsätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kostentragungspflicht individuell zu prüfen.

Tenor

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der Zahlungsverpflichtung in Höhe von 1.886,86 Euro gemäß Rechnung der Firma i. ... vom 08. November 2019 mit der Rechnungsnummer ... freizustellen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung von Seminargebühren und Hotelkosten, die durch die Teilnahme der Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen an dem Seminar „Datenschutz und Gleichbehandlung: Als SBV Benachteiligungen wirksam verhindern“ entstanden sind.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin unterhält in Cottbus eine Stelle der A. .... Die Beteiligte zu 1) ist die in diesem Betrieb gewählte Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Die Beteiligte zu 3) ist die in diesem Betrieb gebildete Schwerbehindertenvertretung.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2019 teilte die Schwerbehindertenvertretung der Arbeitgeberin mit, dass Sie den Beschluss gefasst habe, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten vom 21. Mai 2019 bis zum 24. Mai 2019 am Seminar zum Thema „Datenschutz und Gleichbehandlung: Als SBV Benachteiligungen verhindern“ teilnehmen zu lassen (Bl. 33 der Akte). Mit Schreiben vom 26. März 2019 lehnte die Arbeitgeberin eine Freistellung sowie die Kostenübernahme für das Seminar ab (Bl. 34 der Akte). Die Arbeitgeberin verwies die Schwerbehindertenvertretung auf ein unentgeltliches Schulungsangebot des Integrationsamtes Cottbus am 9. Mai 2019 zum Thema „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“ und ein Seminar des Veranstalters „Kommunales Bildungswerk“ zu den Themen „Grundlagen des Datenschutzes und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (im Arbeitsverhältnis)“ und „Beschäftigungsdatenschutz im Personalbereich“. Durchgeführt würden die Seminare beispielsweise am 21. Oktober 2019 und 7. April 2020 bzw. am 12. August 2019 und am 6. Mai 2020 in Berlin. Mit E-Mail vom 10. April 2019 verwies die Arbeitgeberin auf weitere alternative Seminare zum Thema „Beschäftigungsdatenschutz im Personalbereich“, die in der Zeit vom 12. August 2019 bis zum 9. Dezember 2020 an vier Terminen in Berlin bzw. Hamburg stattfinden sollten (Bl. 38 und 39 der Akte).

In einem weiteren Schreiben vom 5. Februar 2019 teilte die Schwerbehindertenvertretung der Arbeitgeberin einen weiteren Beschluss der Schwerbehindertenvertretung mit, dass die Vertrauensperson der Schwerbehinderten in der Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 4. Juli 2019 am Seminar “Bernrieder SBV-Tage 2019“ teilnehmen soll. Mit Schreiben vom 9. April 2019 lehnte die Arbeitgeberin die Freistellung sowie die Kostenübernahme für dieses Seminar ab (Bl. 52 - 53 der Akte). Die Arbeitgeberin verwies die Schwerbehindertenvertretung auf ein unentgeltliches Schulungsangebot des Integrationsamtes vom 26. September 2019 bis zum 27. September 2019 zum Thema „Mitwirken bei Personalentscheidungen“.

Mit Antrag vom 17. April 2019 leitete die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen ein Beschlussverfahren gegen die Arbeitgeberin ein, indem sie begehrte der Arbeitgeberin aufzugeben, die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen von den Kosten des Seminars im Mai 2019 und im Juli 2019 sowie von den Unterbringungskosten und Reisekosten freizustellen.

Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen nahm an beiden Veranstaltungen nicht teil. Hinsichtlich der Schulung “Bernrieder SBV-Tage – Prävention vor Kündigungen“ nahm die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen den Antrag zurück. Hinsichtlich der Schulung „Datenschutz und Gleichbehandlung: „Als SBV Benachteiligungen verhindern“ stellte die Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen den Zeitraum auf die Zeit vom 20.8.2019 bis zum 23.8.2019 um. Mit Schreiben vom 3. Juni 2019 hatte die Schwerbehindertenvertretung der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen die Tagung nunmehr im August 2019 absolvieren werde. Die Arbeitgeberin lehnte mit Schreiben vom 13. Juni 2019 wiederum eine Freistellung sowie Kostenübernahme auch für dieses Seminar ab und nahm Bezug auf Ihr Schreiben vom 26. März 2019 und das anhängige Beschlussverfahren.

In der Zeit vom 20. August 2019 bis zum 23. August 2019 nahm die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen dann an dem Seminar “Datenschutz und Gleichbehandlung: Als SBV Benachteiligungen wirksam verhindern“ in Travemünde/Ostsee teil. Der Veranstalter stellte mit Rechnung vom 8. November 2019 der Schwerbehindertenvertretung Seminarkosten i. H. v. 1.090,00 € und Hotelkosten i. H. v. 495,60 € netto in Rechnung. Zusammen mit 19 % Mehrwertsteuer ergab dies einen Rechnungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.886,86 € brutto (Bl. 213 der Akte). Fahrtkosten fielen nicht an, da die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen eine Mitfahrgelegenheit zur Veranstaltung nutzen konnte. Den Antrag auf Erstattung von Reisekosten hat die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020 ist die Schwerbehindertenvertretung dem Verfahren als Beteiligte zu 3) beigetreten und hat beantragt, die Schwerbehindertenvertretung von den Kosten des streitgegenständlichen Seminars einschließlich der Hotel- und Verpflegungskosten freizustellen. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen hat ihren ursprünglichen Freistellungsantrag im Anhörungstermin vom 18. Juni 2020 zurückgenommen.

Die Schwerbehindertenvertretung und die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen tragen vor, dass die Arbeitgeberin die Schwerbehindertenvertretung von den Seminarkosten und Hotelkosten aus der Rechnung des Veranstalters vom 8. November 2019 freistellen müsse. Die Teilnahme an der zuletzt noch streitgegenständlichen Schulung sei erforderlich im Sinne des §§ 179 Abs. 4 S. 3 SGB IX gewesen. Die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen habe die Regelungen zum Datenschutz und zur Gleichbehandlung bei ihrer Arbeit zwingend zu beachten. Hierbei müsse sie insbesondere dafür Sorge tragen, dass die besonderen sensiblen Gesundheitsdaten der Beschäftigten im Sinne der Datensparsamkeit und Zweckbestimmung verwendet würden. Hierbei habe es zwischen den Parteien bereits in der Vergangenheit Konflikte bei der Zurverfügungstellung von Bewerberdaten gegeben. Die alternativ von der Arbeitgeberin aufgeführten Schulungen vermögen dieses Ziel nicht zu erreichen, da sich diese nicht speziell an Schwerbehindertenvertretungen richten, sondern an Personalsachbearbeiter. Außerdem fehle es an der Schnittstelle zwischen den zwei Themenbereichen Datenschutz und Gleichbehandlung. Bei der Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung sei zu beachten, dass ihr ein Beurteilungsspielraum zustehe, den sie im vorliegenden Fall nicht verletzt habe. Der Schulungszweck stehe auch im angemessenen Verhältnis zu den Kosten. Kostengünstigere Schulungen seien nicht gleichwertig mit der besuchten Schulung. Ausschlaggebend sei, dass die gewählte Schulung sich speziell an Schwerbehindertenvertretungen wende und eine Verknüpfung des neuen Datenschutzrechts mit der Gleichbehandlung verbinde.

Die Schwerbehindertenvertretung stellt zuletzt folgender Antrag:

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der Zahlungsverpflichtung i. H. v. 1.886 € gemäß Rechnung der Firma i. ... vom 8. November 2019 mit der Rechnungsnummer ... freizustellen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin trägt vor, die Schwerbehindertenvertretung habe nicht hinreichend dargelegt, dass ein aktueller betriebsbezogener Anlass für die Erforderlichkeit der Schulung vorliege. Da es in diesem Seminar nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen gehe, bestände ein Anspruch auf eine Schulung nur, wenn ein solcher aktueller betriebsbezogener Anlass bestehen würde. Durch das neue Datenschutzrecht habe es keine grundlegende Änderung im Datenschutz gegeben. Die Vertrauensperson für schwerbehinderte Menschen sei mit den Regelungen zum Datenschutz hinreichend vertraut, da sie die Aufgabe schon seit Jahren wahrnehme. Vor diesem Hintergrund stehe der Schulungszweck auch in keinem angemessenen Verhältnis zu den Kosten. Die gewünschten Kenntnisse könnten ohne weiteres durch kostengünstigere Schulungen erlangt werden. Die Schwerbehindertenvertretung habe insoweit ihren Ermessensspielraum überschritten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere auf die Sitzungsprotokolle, Bezug genommen.

II. Der Antrag der Schwerbehindertenvertretung ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag der Schwerbehindertenvertretung ist zulässig.

a) Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Anträge sind hinreichend bestimmt, wenn der jeweilige Streitgegenstand so konkret umschrieben wird, dass die Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (vergleiche BAG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 1 ABR 18/17 –, Rn. 18; BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 –, Rn. 35). Dabei lässt sich das erforderliche Maß an Konkretisierung nicht abstrakt generell bestimmen. Es hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Streitfalls ab (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 –, Rn. 35). Unschädlich ist, wenn zum Verständnis des Antrags auf die Antragsbegründung zurückgegriffen werden muss (vergleiche BAG, Beschluss vom 20. März 2018 – 1 ABR 70/16 –, Rn. 27; BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – 1 ZR 207/14 –, Rn. 18 Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2019, B II. Mitbestimmung Sozial Rn. 13).

Der Antrag der Schwerbehindertenvertretung ist in diesem Sinne hinreichend bestimmt. Aus dem Antrag geht konkret hervor, für welche Kosten aus welcher konkreten Rechnung die Schwerbehindertenvertretung eine Freistellung begehrt.

b) Die Schwerbehindertenvertretung ist antragsbefugt. Zu den Kosten der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung gehören auch die Schulungskosten der Vertrauensperson. Selbst wenn die Vertrauensperson selbst für den Besuch von Schulungsveranstaltungen im Sinne von § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX Zahlungsverpflichtungen eingegangen ist oder Kosten verauslagt hat, ist die Schwerbehindertenvertretung berechtigt, den Arbeitgeber auf Freistellung der Vertrauensperson von der Zahlungsverpflichtung auf Kostenerstattung an die Vertrauensperson in Anspruch zu nehmen (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 14; Zur Antragsbefugnis des Betriebsrats BAG, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 7 ABR 26/13 –, Rn. 10). Im vorliegenden Fall richtete sich die Rechnung zudem unmittelbar an die Schwerbehindertenvertretung.

c) Neben der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeberin ist auch die Vertrauensperson am Verfahren beteiligt worden. Zwar hat sie im Beschlussverfahren die von ihr selbst gestellten Anträge zurückgenommen. Das Verfahren ist aber nur bezüglich dieser Anträge eingestellt worden. Die Beteiligung der Vertrauensperson besteht weiterhin.

2. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 96 Abs. 8 SGB IX verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung von der Zahlungsverpflichtung i.H.v. 1.886,86 € gemäß Rechnung der Firma i. ... vom 8. November 2019 mit der Rechnungsnummer ... freizustellen.

a) Nach § 96 Abs. 8 SGB IX hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten zu tragen. Dazu gehören auch Kosten, die anlässlich der Teilnahme der Vertrauensperson an einer Schulungsveranstaltung nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX entstanden sind. Um eine Schulung im Sinne von § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX handelt es sich, wenn die bei der Schulung vermittelten Kenntnisse für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören neben den eigentlichen Seminargebühren die notwendige Reise, Übernachtungs- und Verpflegungskosten der Vertrauensperson (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 7 ABR 39/14 –, Rn. 19; Zu den Kosten der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an Schulungsveranstaltung BAG, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 7 ABR 95/12 –, Rn. 9). Da § 96 Abs. 4 S. 3 SGB IX der für die Schulungsteilnahme von Betriebsratsmitgliedern geltenden Regelung des § 37 Abs. 6 BetrVG entspricht, richtet sich die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme nach denselben Grundsätzen wie bei Betriebsratsmitgliedern (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 19).

b) Die Schwerbehindertenvertretung darf danach die Schulungsteilnahme für erforderlich halten, wenn die dort vermittelten Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse notwendig sind, damit die Schwerbehindertenvertretung ihre gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dabei ist zwischen der Vermittlung sogenannter Grundkenntnisse und anderen Schulungsinhalten zu unterscheiden. Bei erstmals gewählten Vertrauenspersonen ist keine nähere Darlegung der Schulungsbedürftigkeit notwendig, wenn Grundkenntnisse vermittelt werden, die sich auf die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung beziehen. Durch die Vermittlung von Grundkenntnissen soll die Vertrauensperson erst in die Lage versetzt werden, ihre sich aus ihrer Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in näherer Zukunft von der zu schulenden Vertrauensperson benötigt werden, damit die Schwerbehindertenvertretung ihre Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 20; zu § 37 Abs. 6 BetrVG: BAG, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 7 ABR 95/12 –, Rn. 10; BAG, Beschluss vom 20. August 2014 – 7 ABR 64/12 –, Rn. 15).

c) Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht der Schwerbehindertenvertretung ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser entbindet sie jedoch nicht von der Obliegenheit im Streitfall darzulegen, weshalb die Vertrauensperson die bei der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse benötigt, um ihre gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrzunehmen. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat die Schwerbehindertenvertretung die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Sie hat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufgewendeten Mitteln steht. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich die Schwerbehindertenvertretung vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstig auf andere Weise beschaffen kann, z. B. durch eine Teilnahme an einer durch das Integrationsamt nach § 102 Abs. 2 S. 6 SGB IX durchgeführten Schulungs- und Bildungsmaßnahme für Vertrauenspersonen. Die Schwerbehindertenvertretung ist allerdings nicht gehalten, die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auszuwählen, wenn sie eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Der Beurteilungsspielraum der Schwerbehindertenvertretung bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht der Schwerbehindertenvertretung im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren Veranstaltung in Betracht kommen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten können auch die Dauer der Veranstaltung im Hinblick auf die behandelten Themen und die örtliche Lage der Schulungsveranstaltung von Bedeutung sein (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 21; zu § 37 Abs. 6 BetrVG: BAG, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 7 ABR 95/12 –, Rn. 13; BAG, Beschluss vom 20. August 2014 – 7 ABR 64/12 –, Rn. 16).

d) Nach diesen Grundsätzen sind die in der Schulung vermittelten Kenntnisse für die Arbeit der Vertrauensperson erforderlich und der Schulungszweck steht in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten. Die Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung, die Vertrauensperson zu dieser konkreten Schulung zu entsenden, ist vom Beurteilungsspielraum der Schwerbehindertenvertretung gedeckt.

(1) Der Besuch der Schulungsveranstaltung ist erforderlich, um der Vertrauensperson die für ihre Tätigkeit notwendigen Kenntnisse zu vermitteln.

Dabei unterstellt die Kammer zugunsten der Arbeitgeberin, dass es sich bei dieser Schulung nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen handelt, sondern ein aktueller betriebsbezogener Anlass zur Erforderlichkeit dargelegt werden muss. Dies könnte bereits zweifelhaft sein, da die Einhaltung der Regelungen zum Datenschutz und zur Gleichbehandlung von der Vertrauensperson bei ihrer täglichen Arbeit zwingend zu beachten ist. Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass entsprechende Grundkenntnisse bereits durch Grundlagenschulungen in hinreichendem Maße vermittelt wurden.

Unabhängig von der Frage, ob durch die Schulung Grundkenntnisse vermittelt werden, liegt hier ein aktueller betriebsbezogener Anlass zur Erforderlichkeit vor. Dieser zeigt sich nicht nur in dem konkreten Konflikt der Vertrauensperson mit der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit dem Schutz von Bewerberdaten. Auch die Änderung des Datenschutzrechtes durch die neu eingeführte Datenschutzgrundverordnung gibt einen aktuellen betriebsbezogenen Anlass zur Fortbildung nach dem neuen Datenschutzrecht. Unerheblich ist hierbei, ob es zutrifft, dass das neue Datenschutzrecht grundlegende Änderungen gebracht hat oder nicht. Vor Besuch einer entsprechenden Schulung kann die Vertrauensbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung nämlich nicht abschätzen, ob durch das neue Datenschutzrecht grundlegende Änderungen erfolgt sind oder nicht. Es ist jedenfalls vom Beurteilungsspielraum der Schwerbehindertenvertretung umfasst, wenn sie einen entsprechenden Schulungsbedarf für den Betrieb der Arbeitgeberin angenommen hat. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Vertrauensperson bei ihrer Arbeit mit hochsensiblen Daten nach § 9 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung befasst ist und sie auch entsprechende Überwachungspflichten bei ihrer täglichen Arbeit trifft.

(2) Der Schulungszweck steht auch in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten.

Zwar ist die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nicht erforderlich, wenn sich die Schwerbehindertenvertretung vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstig auf andere Weise verschaffen kann, z. B. durch die Teilnahme an einer durch das Integrationsamt nach § 102 Abs. 2 S. 6 SGB IX durchgeführten Schulungs- und Bildungsmaßnahme für Vertrauenspersonen. Die Schwerbehindertenvertretung ist allerdings nicht gehalten, die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auszuwählen, wenn sie eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Der Beurteilungsspielraum der Schwerbehindertenvertretung bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Antrag der Schwerbehindertenvertretung im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine beschränkende Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren Veranstaltung in Betracht kommen (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 21).

Die von der Arbeitgeberin benannten alternativen Schulungsveranstaltungen entsprechen nicht der von der Schwerbehindertenvertretung gewählten Schulungsveranstaltung. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass die Schwerbehindertenvertretung die gewählte Schulung für qualitativ besser hält und die hiermit verursachten höheren Kosten für angemessen gehalten hat. Ein Teil der Schulungsveranstaltungen ist bereits insoweit als weniger geeignet zu bewerten, als sich diese Veranstaltungen nicht unmittelbar und ausschließlich an Schwerbehindertenvertretungen richteten, sondern auch an andere Gruppen. Insoweit ist die Interessenlage der Vertrauensleute von Schwerbehindertenvertretungen nicht deckungsgleich mit denen von anderen Gruppen. Eine Veranstaltung, die sich direkt an Vertrauensleute wendet, eröffnet insoweit andere Schulungsmöglichkeiten, als wenn in der Schulung die Interessen und Fragen verschiedener Gruppen berücksichtigt werden müssen. Zudem hat die Schwerbehindertenvertretung zu Recht darauf hingewiesen, dass die Besonderheit dieser Schulung auch eine Verknüpfung der Themenbereiche Datenschutz und Gleichbehandlung vorsieht, die bei anderen Schulungsveranstaltungen in dieser Form nicht gewährleistet ist. Auch handelt es sich um eine längere Schulungsdauer, die es ermöglicht, die angesprochenen Inhalte umfassender und vertiefender zu vermitteln, als dies im Rahmen einer kürzeren Schulung möglich wäre. Die diesbezüglich anzustellenden Zweckmäßigkeitserwägungen unterliegen dabei nicht der gerichtlichen Kontrolle. Der Schwerbehindertenvertretung steht bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme ein Beurteilungsspielraum zu, der der Zweckmäßigkeitskontrolle entzogen ist. Dies gilt sowohl für den Inhalt der Schulungsveranstaltung als auch für deren Dauer. Zwar unterliegt die Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung über die Erforderlichkeit der Schulung der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist aber auf die Prüfung beschränkt, ob in der Schulung Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind, und ob der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht. Hält sich die Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung im Rahmen dieses ihres Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung der Schwerbehindertenvertretung nicht durch seine eigene ersetzen (vergleiche BAG, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 7 ABR 39/14 –, Rn. 32; zum Sachmittelanspruch des Betriebsrats BAG, Beschluss vom 23. August 2006 – 7 ABR 55/05 –, Rn. 9). Die aufzuwendenden Seminarkosten bewegen sich dabei auch im üblichen Rahmen von Schulungsveranstaltungen. Durch die Nutzung einer Mitfahrgelegenheit sind zudem im konkreten Fall keine Reisekosten angefallen.

Die in der Vergangenheit für die Schwerbehindertenvertretung angefallenen Kosten sind für die Beurteilung der hier maßgeblichen Kosten nicht relevant, da für jede Schulung grundsätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Kostentragungspflicht individuell geprüft werden muss. Die Erforderlichkeit für eine Schulung entfällt nicht etwa deswegen, weil in der Vergangenheit andere Schulungen – die unter Umständen nicht erforderlich waren – durchgeführt wurden und hierfür ebenfalls Kosten angefallen sind. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die anfallenden Kosten insgesamt so hoch wären, dass diese aufgrund der betrieblichen Situation nicht getragen werden können. Dies konnte anhand des Vortrages der Arbeitgeberin jedoch nicht festgestellt werden.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.