Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.12.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 6 K 1839/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1202.6K1839.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 42 Abs 1 Alt 1 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in der Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Gebühr für eine Leitungsauskunft.
Wegen einer von der Klägerin in G ... geplanten Tiefbaumaßnahme wandte sich die D ... , ein Tochterunternehmen der Klägerin, mit Schreiben vom 24. März 2020 an den beklagten Verband und bat diesen um Mitteilung, ob Einwände gegen das Vorhaben bestehen. Wenn dies der Fall sein sollte, bat die D ... darüber hinaus um schriftliche Mitteilung der Gründe und um Beifügung von Plänen der im Baubereich vorhandenen Anlagen des Beklagten.
Daraufhin übersandte dieser der D ... mit Schreiben vom 2. April 2020 zwei Leitungspläne, in welchen seine im Bereich des Bauvorhabens vorhanden Trinkwasser- und Abwasserleitungen verzeichnet waren. Weiter teilte der Beklagte mit, dass derzeit keine Veränderungen an seinem Leitungsbestand im Bereich des Bauvorhabens geplant seien.
Mit an die D ... adressierten Bescheid vom 8. September 2020 erhob der Beklagte für die von ihm erteilte Leitungsauskunft eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 40,00 Euro, was einschließlich einer Mehrwertsteuer in Höhe von 7,60 Euro den Gesamtbetrag von 47,60 Euro ergab.
Hiergegen legte die D ... mit Schreiben vom 22. September 2020 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass die erteilte Leitungsauskunft nicht gebührenpflichtig sein könne, da der Beklagte damit seiner gesetzlichen Schadensminderungspflicht nachgekommen sei. Die Erteilung einer Auskunft über die Lage von Leitungen stelle auch keine sonstige Verwaltungstätigkeit dar, welche eine Gebührenerhebung zu rechtfertigen vermöge.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2020 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Widerspruch unzulässig sei, weil er verspätet eingelegt worden sei. Die Widerspruchsfrist habe spätestens am 12. Oktober 2020 geendet. Der Widerspruch sei jedoch erst am 14. Oktober 2020 und damit verspätet bei ihm eingegangen.
Am 3. Dezember 2020 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung führt sie aus, dass sie Inhaltsadressatin des angefochtenen Bescheides und damit aktivlegitimiert sei. Die D ... habe stets deutlich gemacht, im Namen und für Rechnung der Klägerin zu handeln. So habe diese im Antragsschreiben sowohl die Baumaßnahme als eine solche der Klägerin beschrieben, als auch ausdrücklich darauf hingewiesen, von dieser beauftragt und bevollmächtigt zu sein, alle Rechte und Pflichten der Wegesicherung wahrzunehmen und die hierfür erforderlichen Anträge zu stellen sowie Zustimmungen entgegen zu nehmen. In diesem Zusammenhang sei durch die D ... auch darauf hingewiesen worden, dass eine etwaige Zustimmung der Klägerin als Eigentümerin des Telekommunikationsnetzes und Nutzungsberechtigte nach § 69 Abs. 1 TKG erteilt werden müsse. Ebenso habe die D ... im Widerspruchsschreiben herausgestellt, den Widerspruch für die Klägerin zu erheben. Zwar habe der Beklagte die Klägerin nicht ausdrücklich in dem Gebührenbescheid benannt. Hierauf komme es aber für die Feststellung, wer Inhaltsadressat eines Bescheides sei, nicht an. Maßgeblich sei vielmehr, wer nach dessen Gesamtinhalt von dem Bescheid betroffen sei. Dies könne gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden, wofür auch außerhalb des Bescheides liegende Umstände wie beispielsweise vorangegangene Bescheide oder beigefügte Unterlagen heranzuziehen seien. Dabei komme es im Rahmen der Auslegung nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen musste. Entscheidend sei vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Bescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben habe verstehen können. Wenn sich der Bescheid tatsächlich gegen die D ... hätte richten sollen, wovon aber weder diese noch die Klägerin haben ausgehen können, hätte die D ... im Übrigen allein schon wegen der falschen Inhaltsadressierung gegen den Bescheid geklagt. In der Folge hätte dann der Beklagte einen neuen Bescheid, nunmehr gegen die Klägerin gerichtet, erlassen müssen. Ohnehin mangele es diesem aber an einer Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Gebührenerhebung. Die von ihm herangezogene Verwaltungsgebührensatzung scheide insoweit aus, da der Beklagte bei einer Leitungsauskunft nicht hoheitlich, sondern vielmehr im Rahmen eines schuldrechtsähnlichen Gemeinschaftsverhältnisses tätig werde. Sowohl für den Einrichtungsträger als auch für das Telekommunikationsunternehmen ergeben sich beiderseitige Schadensabwendungs- und Schadensminderungspflichten in Gestalt von Nachforschungspflichten zu fremden, gefährdeten Leitungen und korrespondierende Auskunftspflichten zum jeweiligen Leitungsbestand. Auch liege die Auskunftserteilung im ureigenen Interesse des Beklagten, da diese eine Beschädigung von dessen Leitungen verhindere. Würde es sich beim Beklagten nicht um eine Behörde, sondern um einen privaten Anlagenbetreiber handeln, wäre es deshalb offenkundig, dass dieser keinen Ersatz seines mit der Leitungsauskunft verbundenen Aufwandes verlangen könne. Seine Behördeneigenschaft dürfe ihm insoweit aber nicht zum Vorteil gereichen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2020 aufzuheben.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass die Klägerin nicht klagebefugt sei, da sie nicht Adressatin des angefochtenen Bescheides sei und damit durch diesen auch nicht in ihren Rechten verletzt werde. Der Bescheid sei ausschließlich gegenüber der D ... erlassen worden, welche die gebührenpflichtige Leistung bei ihm beantragt habe und bei der es sich um ein gegenüber der Klägerin rechtlich selbständiges Unternehmen handele. Diese habe zudem Widerspruch gegen den Gebührenbescheid erhoben. Sofern sich die Klägerin als Adressatin des Gebührenbescheides verstanden hätte, wäre insoweit aber zu erwarten gewesen, dass diese selbst Widerspruch erhebt. Der streitgegenständliche Gebührenbescheid verfüge mit der Verwaltungsgebührensatzung des Beklagten i. V. m. § 5 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) auch über die erforderliche Rechtsgrundlage. Die darin geregelten Voraussetzungen für eine Gebührenerhebung seien vorliegend erfüllt gewesen, da die gebührenpflichtige Leistung von der D ... beantragt und vom Beklagten erbracht worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die jeweils der Entscheidung zu Grunde lagen.
Die Kammer konnte gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege des schriftlichen Verfahrens durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
Die statthafte Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) gegen den Bescheid vom 8. September 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2020 ist bereits unzulässig.
Insoweit kann offen bleiben, ob die Unzulässigkeit der Klage (auch) daraus folgt, dass es an einem ordnungsgemäß durchgeführten Widerspruchsverfahren mangelt. Vorliegend haben weder die Klägerin noch die D ... innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz VwGO Widerspruch gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Gebührenbescheid vom 8. September 2020 erhoben. Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Gebührenbescheides. Die Bekanntgabe setzt den Zugang des Verwaltungsaktes voraus (vgl. Ramsauer/Tegethof, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 41 Rn. 7c). Ein schriftlicher Verwaltungsakt gilt dann als zugegangen, wenn er derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 6 B 43/17 -, NVwZ 2018, 496, 498; Ramsauer/Tegethof, in: Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 41 Rn. 7c). Dies war hier am 10. September 2020 der Fall. Denn dem im Verwaltungsvorgang enthaltenen Widerspruchsschreiben der D ... vom 22. September 2020 ist als Anlage eine Kopie des Gebührenbescheides vom 8. September 2020 beigefügt, auf der sich ein Posteingangsstempelabdruck der Klägerin mit dem Datum 10. September 2020 und der Adresse H ... findet. Hierbei handelt es sich um dieselbe Adresse, mit der laut Schreiben der D ... vom 24. März 2020 künftiger Schriftwechsel erfolgen sollte. Damit gilt der angefochtene Bescheid am 10. September 2020 als zugegangen. Die Widerspruchsfrist begann mithin am 11. September 2020 zu laufen und endete, da das Ende der Frist auf Samstag den 10. Oktober 2020 fiel, mit Ablauf des 12. Oktobers 2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 u. Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Das Widerspruchsschreiben vom 22. September 2020 ging jedoch ausweislich des im Verwaltungsvorgang enthaltenen Posteingangsstempelabdrucks, an dessen Richtigkeit zu zweifeln keine Veranlassung besteht, erst am 14. Oktober 2020 – und damit verspätet - bei dem Beklagten ein.
Allerdings hat sich der Beklagte, nachdem er mit Bescheid vom 12. November 2020 den Widerspruch als nicht fristgerecht eingelegt und deshalb als unzulässig zurückgewiesen hatte, im Klageverfahren vorbehaltlos zur Sache eingelassen. Hierdurch könnte ein ordnungsgemäß durchgeführtes Widerspruchsverfahren entbehrlich geworden sein (vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23/12 –, juris Rn. 38; Beschluss vom 26. September 1989 – 8 B 39/89 –, juris Rn. 4; Urteil vom 2. September 1983 – 7 C 97/81 –, juris Rn. 8).
Dies muss aber letztlich nicht entschieden werden. Denn die Klage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil es der Klägerin an der gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis für die ausweislich der Klageschrift bewusst und gewollt im eigenen Namen erhobene Anfechtungsklage fehlt.
Die Klagebefugnis setzt voraus, dass ein Kläger geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein und eine Verletzung überhaupt möglich erscheint. Sie ist nur dann zu verneinen, wenn eine Verletzung der subjektiven Rechte durch die angegriffene behördliche Entscheidung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, juris Rn. 18). Dies ist hier der Fall. Denn die Klägerin kann nicht geltend machen, durch den Gebührenbescheid in eigenen Rechten betroffen zu sein.
Sie ist unstrittig nicht Bekanntgabeadressat des Gebührenbescheides und ebenso wenig, worauf es hier ankommt, dessen Inhaltsadressat. Dies ist derjenige, dem gegenüber der Einzelfall geregelt, also hier die Gebührenpflicht begründet werden soll (vgl. BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 – IV R 91/05 -, juris Rn. 14; Urteil vom 13. Oktober 2005 – IV R 55/04 -, juris Rn. 14). Wer in diesem Sinne Inhaltsadressat ist, muss, wie die Klägerin zutreffend vorgetragen hat, gegebenenfalls im Wege der Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umständen ermittelt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7/11 -, juris Rn.; BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 – IV R 91/05 -, juris Rn. 19; Urteil vom 17. November 2005 – III R 8/03 -, juris Rn. 23). Voraussetzung für eine solche Auslegung ist aber immer, dass die Bezeichnung des Inhaltsadressaten im Bescheid selbst mehrdeutig – d. h. der Bescheid auslegungsbedürftig – ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 – 9 C 7/11 -, juris Rn. 12; BFH, Urteil vom 13. Dezember 2007 – IV R 91/05 -, juris Rnrn. 16, 19). Daran fehlt es hier. Der angefochtene Gebührenbescheid vom 8. September 2020 kann nicht anders verstanden werden, als dass die Bekanntgabeadressatin – die D ... – auch als Schuldnerin der Gebührenforderung in Anspruch genommen werden, also auch Inhaltsadressatin sein soll. Denn der Bescheid enthält auf Seite 2 eine unmissverständlich an dessen Bekanntgabeadressatin gerichtete Zahlungsaufforderung („Bitte zahlen Sie“). Demgegenüber lässt sich dem Bescheid nichts dafür entnehmen, dass eine Gebührenforderung gegenüber der Klägerin gelten gemacht werden soll. Diese wird in dem Bescheid nicht namentlich benannt. Ebenso wenig wurde in den Bescheid ein Hinweis aufgenommen, dass dessen Bekanntgabe gegenüber der D ... für und gegen die Klägerin gelten soll.
Die D ... kann auch Träger eigener Rechte und Pflichten sein und kommt damit als Gebührenschuldnerin grundsätzlich in Betracht. Ebenfalls ist sie diejenige, der gegenüber die laut Verwaltungsgebührensatzung des Beklagten gebührenpflichtige Leitungsauskunft tatsächlich erbracht worden ist. Denn wie sich dem Verwaltungsvorgang entnehmen lässt, sind ihr – und nicht der Klägerin - die Bestandspläne vom Beklagten übermittelt worden.
Zusammenfassend mag der angefochtene Gebührenbescheid so aus Sicht der D ... zwar möglicherweise an den falschen Inhaltsadressaten gerichtet worden sein. Daran, dass sie durch den Bescheid persönlich in die Gebührenpflicht genommen werden sollte, konnten aber aus deren Sicht vernünftigerweise keine Zweifel bestehen.
Auch im anschließenden Widerspruchsverfahren ist kein Austausch des Inhaltsadressaten hin zur Klägerin erfolgt. Es mag insoweit dahinstehen, ob ein solcher Austausch überhaupt zulässig wäre, oder nicht vielmehr ein Gebührenschuldner bereits durch den Ausgangsbescheid fixiert wird und nicht durch die Widerspruchsentscheidung selbst festgelegt (konkretisiert, geändert oder erweitert) werden kann (vgl. hierzu Rüsken, in: Klein, AO, § 157 Rn. 7g). Denn auch der Widerspruchsbescheid kann nur so verstanden werden, dass er sich ausschließlich an dessen Bekanntgabeadressatin – die D ... – richtet. Denn nur diese wird in dem Widerspruchsbescheid angesprochen („Ihr Widerspruch“) und die Klägerin erneut mit keinem Wort erwähnt.
Ist die Klägerin nach alldem nicht Inhaltsadressatin des von ihr angefochtenen
Gebührenbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, kann sie durch diesen nicht in ihren Rechten verletzt sein. Im kommunalen Abgabenrecht wird nämlich die Abgabenschuld durch einen Abgabenbescheid gegenüber dem Abgabenschuldner konkretisiert und festgesetzt. Damit wird das Abgabenschuldverhältnis begründet und zugleich der Abgabenpflichtige bestimmt. Der Gebührenbescheid, der zugleich Grundlage einer etwaigen Vollstreckung ist, löst folglich Rechtswirkungen ausschließlich gegenüber dem zu der Gebühr Herangezogenen – also dem Inhaltsadressaten - aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1975 – 4 C 46.72-, juris Rn. 21).