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Entscheidung 11 U 218/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 24.02.2021
Aktenzeichen 11 U 218/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:0224.11U218.20.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin vom 22. Dezember 2020 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. September 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 1 O 345/17 - wird als unzulässig verworfen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und in Abänderung der Streitwerfestsetzung des Landgerichts im angefochtenen Urteil werden auf jeweils bis zu 65.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer gebündelten Geschäftsinhaltsversicherung geltend.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat durch die angefochtene Entscheidung die Klage abgewiesen.

Gegen diese ihrem Prozessbevollmächtigten am 1.10.2020 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin mit am 2.11.2020 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt. Durch Verfügung vom 7.12.2020, deren Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sich mangels Rücklauf des Empfangsbekenntnisses nicht feststellen lässt, hat der Vorsitzende des Senates darauf hingewiesen, dass innerhalb der bis zum 1.12.2020 laufenden Frist des § 520 Abs. 2 ZPO keine Berufungsbegründung zu den Akten gelangt ist und die Berufung deshalb als unzulässig zu verwerfen sein dürfte. Daraufhin hat die Klägerin mit am 22.12.2020 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Folgen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt und zugleich die Berufung begründet.

In Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgeführt:

Nach Zustellung des am 15.9.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin am 1.10.2020 sei nach Maßgabe der 2-monatigen Berufungsbegründungsfrist notiert worden, dass ein Fristverlängerungsantrag am 1.12.2020 beim Berufungsgericht hätte vorliegen müssen. Die Notierung sei ordnungsgemäß im elektronischen Kalender und im parallel geführten Fristenkalender vorgenommen worden. Dementsprechend sei am 1.12.2020 ein Fristverlängerungsantrag, der gemäß Anweisung des Prozessbevollmächtigten vorab per Telefax hätte übersandt werden sollen, jedoch durch die damit befasste Mitarbeiterin der Kanzlei mit einer Fehladressierung an das Landgericht Neuruppin als erstinstanzlichem Gericht versehen und dem Prozessbevollmächtigten zur Unterzeichnung vorgelegt worden. Erst nach der Unterzeichnung sei aufgefallen, dass nicht das Brandenburgische Oberlandesgericht als zuständiges Gericht eingetragen gewesen sei - obwohl der Berufungsschriftsatz vom 2.11.2020 richtig adressiert worden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe daraufhin die seit vielen Jahren fehlerfrei arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte …. gebeten, den Schriftsatz zu schreddern und einen entsprechend adressierten Verlängerungsantrag zu fertigen. Dies sei geschehen und der neue an das Oberlandesgericht adressierte den Verlängerungsantrag enthaltende Schriftsatz sei dem Prozessbevollmächtigten zur Unterschrift vorgelegt und von diesem unterzeichnet worden. Der Prozessbevollmächtigte sei davon ausgegangen, dass die immer zuverlässig und sorgfältig arbeitende Mitarbeiterin diesen Schriftsatz an das Berufungsgericht per Fax übermittelt und dann versendet habe. Überwacht habe er dies allerdings nicht. Es sei dann offensichtlich dazu gekommen, dass versehentlich nicht der neu erstellte, sondern der fehlerhafte, verworfene Fristverlängerungsantrag per Fax und per Post an das Landgericht Neuruppin übersandt worden sei.

Zur Glaubhaftmachung dieses Vortrages haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten …. vorgelegt. Außerdem hat der betreffende Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Richtigkeit der in seinem Wahrnehmungsbereich liegenden Tatsachen anwaltlich versichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf den Schriftsatz der Berufungsklägerin vom 22.12.2020 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

ihr Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen.

Sie hat außerdem beantragt,

die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat ab dem 1.12.2020, also bis zum 4.1.2021 zu verlängern.

Schließlich hat die Klägerin die Anträge angekündigt,

1. unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass der Versicherungsvertrag über eine gebündelte Geschäftsinhaltsversicherung zu Versicherungsnummer …. nicht durch die unter dem 3.6.2016 seitens der Beklagten erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung von Anfang an nichtig ist und fortbesteht

und

2. die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 32.644,21 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.6.2016 an die Klägerin zu zahlen

Sowie

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 1.708,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.6.2017 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen

und außerdem den Antrag angekündigt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Dem Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand tritt die Beklagte entgegen.

II.

1. Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Wiedereinsetzungsgründe gemäß § 233 ZPO zur Seite. Es lässt sich nicht ausschließen, dass ihr Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden der Klägerin zuzurechnen ist (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO), die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung ursächlich verschuldet hat.

Ein Rechtsanwalt hat durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen auszuschließen (BGH, Beschluss vom 16.7.2019, VIII ZB 71/18, Rn. 11).

Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Der Rechtsanwalt muss die Rechtsmittelschrift deswegen vor der Unterzeichnung auf deren Vollständigkeit überprüfen, darunter auch die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts (BGH, a.a.O., Rn. 12). Entsprechendes gilt für die Fertigung eines Fristverlängerungsantrages, wenn nur durch diesen eine Notfrist gewahrt werden kann.

Stellt der Rechtsanwalt (erst) im Zusammenhang mit der Überprüfung einer von ihm bereits unterschriebenen Rechtsmittelschrift - hier des Fristverlängerungsantrages - fest, dass sie (er) nicht an das richtige Berufungsgericht adressiert ist, genügt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, wenn er - eine zuverlässige Bürokraft anweist, eine neue richtig adressierte Berufungsschrift zu erstellen, ihm zur Unterschrift vorzulegen, er diese (nunmehr richtig adressierte) Berufungsschrift unterzeichnet und der Mitarbeiterin zur Übersendung übergibt. Entsprechendes gilt, wenn der Rechtsanwalt erst nach Unterzeichnung der falsch adressierten Rechtsmittelschrift - oder hier des Fristverlängerungsantrages - die falsche Adressierung feststellt. Mit einer solchen Anweisung stellt der Rechtsanwalt sicher, dass er selbst die zutreffende Adressierung der Rechtsmittelschrift an das zuständige Gericht überprüft. Darauf, dass die als zuverlässig erwiesene Bürokraft die Weisung, die so erstellte richtige (und nicht die falsch adressierte) Rechtsmittelschrift übermittelt, darf sich der Anwalt ohne weitere Vorkehrungen verlassen. Einer eigenhändigen Vernichtung oder Unkenntlichmachung des falsch adressierten Schriftsatzes durch den Anwalt bedarf es nicht. Ebenso wenig bedarf es einer ausdrücklichen Anweisung, den falsch adressierten Schriftsatz zu vernichten. Denn in dem Auftrag, einen neuen, hinsichtlich der Adresse korrigierten Schriftsatz zu erstellen und diesen zu versenden, liegt gleichzeitig die konkludente Weisung, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten. Ebenso wenig ist ein der Partei zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten daraus herzuleiten, dass dieser zunächst den falsch adressierten Schriftsatz unterzeichnet hatte, wenn dieser das Versehen bemerkt und dadurch korrigiert, dass er einen neuen Schriftsatz an das Berufungsgericht hat erstellen lassen, den er sodann auch unterschrieben und seiner Mitarbeiterin zur Weiterleitung an das Berufungsgericht übergeben hat (BGH, a.a.O., Rn. 13 f., 16).

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegen diese Sorgfaltspflicht nicht verstoßen hat, so hat die Klägerin dennoch einen Wiedereinsetzungsgrund nicht schlüssig dargelegt. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nämlich nicht entnehmen, was mit dem von ihrem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten korrekt an das Brandenburgische Oberlandesgericht adressierten Fristverlängerunsantrag geschehen ist, den sie im Übrigen nicht einmal ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beigefügt hat. Danach bleibt offen, was mit diesem Antrag geschehen ist und ob entweder dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin selbst oder einem seiner Mitarbeiter hätte auffallen müssen, dass der korrekt adressierte Fristverlängerungsantrag noch nicht versandt worden war. Ein eigenes Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entweder in seiner Person oder durch fehlerhafte Büroorganisation kann danach nicht ausgeschlossen werden. Das geht zu Lasten der Klägerin.

2. Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, weil die Klägerin die Frist zur Berufungsbegründung versäumt hat. Ihm ist das angefochtene Urteil am 1.10.2020 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der Berufung lief am 1.12.2020 ab (§ 222 Abs. 2 ZPO). Die Berufung ist erst am 22.12.2020 begründet sowie außerdem ein Fristverlängerungsantrag gestellt worden.

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Maßgeblich ist die von der Klägerin geltend gemachte Beschwer. Das sind für den Zahlungsanspruch 32.644,21 € sowie für den Feststellungsantrag 32.000,00 € (20 % der versprochenen maximalen Versicherungsleistung in Höhe von der Versicherungssumme zum Neuwert von 80.000,00 € sowie der Ertragsausfallversicherung zum Neuwert von 80.000,00 €, vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2000, IV ZR 279/99, Rn. 9 f. für eine Berufsunfähigkeitsversicherung).