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Entscheidung DG 3/16


Metadaten

Gericht LG Cottbus Dienstgericht Entscheidungsdatum 23.07.2021
Aktenzeichen DG 3/16 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0723.DG3.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anforderung von Akten und Kopiermaßnahmen.

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ... In einer der Kammern, denen der Antragsteller vorsaß, waren die Verfahren S 18 KR 69/12 und S 18 KR 69/15 anhängig. Die Beteiligten dieser Verfahren führten im Zusammenhang mit diesen Verfahren auch ein Eilverfahren unter dem Aktenzeichen S 18 KR 222/15 ER, das ebenfalls in der Kammer, der der Antragsteller vorsaß, anhängig war. Mit Beschluss vom 14.10.2015 entschied der Antragsteller über das Eilverfahren. Die Antragsgegnerin des dortigen Verfahrens legte gegen den Beschluss des Antragstellers am 17.11.2015 Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein. Das dortige Beschwerdeverfahren wurde unter dem Aktenzeichen L 1 KR 496/15 B ER geführt.

Der für das Beschwerdeverfahren zuständige Berichterstatter des 1. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Herr Richter am Landessozialgericht ... bat das Sozialgericht Cottbus mit Verfügung vom 25.11.2015, die Akten der Verfahren S 18 KR 69/12 und S 18 KR 69/15 dem Landessozialgericht zu übersenden. Der Antragsteller als Vorsitzender der für die Verfahren zuständigen Kammer fragte daraufhin beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg an, auf welcher Rechtsgrundlage die Aktenanforderung beruhe. Daraufhin wies der Berichterstatter des Landessozialgerichts mit Verfügung vom 16.12.2015 auf Art. 35 des Grundgesetzes hin. Mit Verfügung vom 08.01.2016 bat er noch einmal um Übersendung der Akten und stellte für den Fall der Nichtübersendung die Bemühung der Dienstaufsicht in Aussicht. Daraufhin übersandte der Antragsteller die Anfrage, ob eine Einverständniserklärung der Beteiligten mit der Übersendung der Akten an das Landessozialgericht bestehe, an dieses.

Der Antragsteller erhob unter dem 14.01.2016 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Herrn Richter am Landessozialgericht ... . Der Vizepräsident des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg bestätigte gegenüber dem Antragsteller unter dem 19.01.2016 den Eingang der Dienstaufsichtsbeschwerde und bat um Übersendung der streitigen Akten. Nachdem die Akten der Verfahren S 18 KR 69/12 und S 18 KR 69/15 an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg übersandt worden waren, ließ der Vizepräsident des Landessozialgerichts Kopien der Akten fertigen und gab die Kopien an Herrn Richter am Landessozialgericht ... zur weiteren Bearbeitung des Beschwerdeverfahrens. Dies teilte der Vizepräsident des Landessozialgerichts dem Antragsteller mit Schreiben vom 16.02.2016 mit.

Der Antragsteller erhob am 08.03.2016 Widerspruch gegen die Anforderungen der Akten zu den Verfahren S 18 KR 69/12 und S 18 KR 69/15 durch Herrn Richter am Landessozialgericht ... und gegen die Fertigung von Kopien der Akten durch die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg. Er bezog sich zur Begründung auf seine Dienstaufsichtsbeschwerde, in der er im Wesentlichen ausgeführt hatte, dass weder seine Berechtigung noch Verpflichtung zur Aktenübersendung dargetan sei. Die angegebene Amtshilfe sei nicht geeignet, datenschutzrechtliche Bedenken zu zerstreuen oder der Gefahr eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit zu begegnen.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Bescheid vom 06.05.2016 zurück.

Der Antragsteller hat am 13.05.2016 seinen Antrag beim Dienstgericht gestellt.

Der Antragsteller führt aus, RiLSG ... habe apodiktisch Gerichtsakten angefordert, für die er, wie es den Anschein habe, nicht zuständig sei. Eine Einverständniserklärung der Beteiligten sei dem Antragsteller nicht vorgelegt worden. RiLSG ... maße sich mit dienstaufsichtsrechtlichen Maßnahmen eine Machtfülle an, die ihm nicht zukomme. Die Anforderungen seien nichtig. Jedenfalls aber sei durch die verwerfliche Vorgehensweise in den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit eingegriffen worden. Die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe es abgelehnt gegen den RiLSG ... vorzugehen und dessen richterliche Unabhängigkeit hochgehalten, die des Antragstellers aber ausgeblendet. Eine Ablehnung des Dienstherren, gegen das Verhalten des RiLSG ... einzuschreiten, sei nichtig, aufzuheben bzw. rechtswidrig. Der Antragsteller habe mit Verfügung vom 22.12.2015 Einverständniserklärungen der Beteiligten angefordert. Er habe daher nicht erst am 15.01.2016 Datenschutzbedenken geltend gemacht.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Anforderungen des RiLSG ... in den Sachen S 18 KR 69/12 und S 18 KR 69/15 u.a. vom 11.01.2016 sowie die (Kopier-)Maßnahme der PräsinLSG in Person von ... laut Schreiben vom 16.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2016 nichtig sind,

hilfsweise, die Maßnahmen aufzuheben,

hilfsweise, festzustellen, dass die Maßnahmen rechtswidrig sind und den Antragsteller in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner führt aus, eine Maßnahme der Präsidentin des Landessozialgerichts vom 11.01.2016 existiere nicht. Es dürfte sich dabei um die Aktenanforderung des Berichterstatters des 1. Senats des Landessozialgerichts handeln.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag bleibt erfolglos.

1. Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist eröffnet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).

Gegen sie kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren entscheidet, vgl. § 65 Nr. 4 lit. f des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG).

Die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte beschränkt sich auf die Frage, ob die angegriffene Maßnahme der Dienstaufsicht die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (§ 26 Abs. 3 DRiG). Die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit anderen Gesetzen und Rechtsvorschriften, insbesondere datenschutzrechtlichen Bestimmungen nachzuprüfen, ist den - vom Antragsteller ebenfalls angerufenen - Verwaltungsgerichten vorbehalten (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 – RiZ (R) 3/83 –, BGHZ 90, 41, 48 ff.; BGH, Urteil vom 14. Januar 1991 - RiZ (R) 5/90, NJW 1992, 46, 47 = DRiZ 1991, 288, 290; BVerwG, Urteil vom 09. Juni 1983 – 2 C 34/80 –, BVerwGE 67, 222-234; BGH, Urteil vom 24. November 1994 – RiZ (R) 4/94 –, Rn. 17, juris).

Die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers ist nicht verletzt.

Bei den Maßnahmen handelt es sich bereits nicht um Maßnahmen der Dienstaufsicht i.S.d. § 26 Abs. 2 DRiG. Soweit Herr Richter am Landessozialgericht ... die Bemühung der Dienstaufsicht in Aussicht gestellt hat, ergibt sich ohne Weiteres, dass dies keine Maßnahme der Dienstaufsicht sein kann. Zum einen führt der Richter am Landessozialgericht ... nicht die Dienstaufsicht über den Antragsteller. Zum anderen hat er gerade deren Befassung mit dem Verhalten des Antragstellers erst in Aussicht gestellt. Für die Anforderung der Akten gilt dies erst Recht. Auch das Kopieren der Akten und das Bereitstellen dieser Kopien sind keine Maßnahmen der Dienstaufsicht.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, ist die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers durch keine dieser Maßnahmen verletzt. Der Antragsteller ist nicht Kraft seiner richterlichen Unabhängigkeit berechtigt, der Beschwerdeinstanz die zur Entscheidung über das Rechtsmittel gegen seinen eigenen Beschluss notwendigen Akten vorzuenthalten. Dass die Akten vorliegend für die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg notwendig waren, ergibt sich unschwer daraus, dass der Antragsteller in seinem eigenen Beschluss auf diese Bezug genommen hatte und diese im Wesentlichen zu dem im Beschwerdeverfahren anhängigen Eilverfahren zugehörige Hauptsacheverfahren waren, auf die auch die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens selbst Bezug genommen hatten. Danach war für die datenschutzrechtlichen Erwägungen des Antragstellers ersichtlich keinerlei Raum. Auch seine richterliche Unabhängigkeit war nicht im Ansatz beeinträchtigt. Diese würde etwa dann Platz greifen, wenn der Antragsteller selbst die Akten zur Bearbeitung benötigt hätte und etwa diese deshalb nicht an das Landessozialgericht hätte übersenden können oder wollen. Eine solche Entscheidung wäre von seiner richterlichen Unabhängigkeit ohne Weiteres umfasst. So lag es aber nicht. Denn zum einen behauptet dies nicht einmal der Antragsteller selbst, zum anderen scheidet dies auch deshalb aus, weil der Antragsteller offenbar keine Bedenken hatte, die Akten doch an das Landessozialgericht zu senden: nämlich um seine gegen Richter am Landessozialgericht ... eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde bearbeiten zu lassen. Schließlich hätte dem Antragsteller in dem Fall, dass er die Akten auf absehbare Zeit selber benötigt, der Weg offen gestanden, dem Landessozialgericht eine Kopie der Akte zu übersenden, wie es letztlich ja auch durch den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts erfolgte.

Soweit der Antragsteller insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf eine etwaige psychische Drucksituation durch die Aktenanforderung verweist, greift dies nicht durch. Unter objektiven Gesichtspunkten diente die Anforderung der Akten durch Herrn Richter am Landessozialgericht ... allein der Bearbeitung des Beschwerdeverfahrens. Dadurch wird keinerlei realer Druck auf den Antragsteller in den Hauptsacheverfahren ausgeübt, auch nicht etwa, weil die Rechtsmittelinstanz dadurch einen „Vorabeinblick“ in die Bearbeitung der etwaig später durch sie ebenfalls zu prüfenden Verfahren erhält. Das ist im Übrigen mit jeder Aktenübersendung durch einen Richter verbunden. Selbst wenn man dem Antragsteller allerdings insoweit folgen wollte – was das erkennende Gericht ausdrücklich nicht tut – ist das Verhalten eines Berichterstatter an einem Rechtsmittelgericht, der offensichtlich keinerlei dienstaufsichtsrechtliche Befugnisse hat, kein tauglicher Gegenstand eines Prüfungsverfahrens nach § 26 Abs. 3 DRiG.

Der Antragsteller war danach sowohl aus Amtshilfe als auch aus prozessualen Gründen zur Vorlage der Akten an die Beschwerdeinstanz verpflichtet. Seine richterliche Unabhängigkeit ist danach weder durch deren Anforderung, noch durch die Kopie dieser Akten – mit der der Vizepräsident des Landessozialgerichts seiner eigenen Pflicht zur Amtshilfe nachkam – verletzt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.