Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 03.01.2022 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 195/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0103.13WF195.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde der Antragstellerin im Übrigen wird Ziffer 1. des Beschlusses des Amtsgerichts Senftenberg vom 11.10.2021 – 32 F 174/21 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst :
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.
3. Der Wert der Beschwerde wird auf 70,- € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die in einem Verfahren zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis in einer schulischen Angelegenheit ergangene Kostenentscheidung.
Die Antragsbeteiligten sind die seit August 2017 getrennt lebenden Eltern des betroffenen Kindes L… J…. Sie üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Seit der Trennung lebt das Mädchen im mütterlichen Haushalt.
Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 19.07.2021 (Bl. 1) hat die Antragstellerin die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Regelung einer schulischen Angelegenheit, nämlich der Bestimmung der zweiten Fremdsprache ab Klasse 7, für ihre Tochter auf sich allein beantragt. Die Bestimmung der von L...J... favorisierten zweiten Fremdsprache bedürfe der bis zum 08.08.2021 der Schule nachzuweisenden Zustimmung beider Sorgeberechtigter. Hierüber habe sie den Antragsgegner am 28.06.2021 per SMS informiert. Der Antragsgegner habe einen von ihr für eine einvernehmliche Absprache zu diesem Thema vorgeschlagenen Termin am 15.07.2021 abgesagt.
Im Anhörungstermin 06.08.2021 (Bl. 18) in dem einstweiligen Anordnungsverfahren zum Aktenzeichen 32 F 170/21, das aufgrund des von der Antragstellerin zum selben Verfahrensgegenstand beantragten Erlasses einer einstweiligen Anordnung eingeleitet worden ist, hat die Antragstellerin die Erledigung des Verfahrens sowohl in hiesiger Hauptsache als auch im dortigen einstweiligen Anordnungsverfahren erklärt. Der Antragsgegner hat sich den jeweiligen Erledigungserklärungen angeschlossen.
Der Antragsgegner hatte am 21.07.2021 per Email gegenüber L...J... Schule und am 27.07.2021 per SMS gegenüber L...J... seine Zustimmung zu der favorisierten zweiten Fremdsprache erteilt.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 11.10.2021 (Bl. 22) hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt und festgestellt, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Angesichts der offenkundigen Eilbedürftigkeit des Verfahrensgegenstands sei die Beantragung einer Entscheidung in der Hauptsache zeitgleich mit der Veranlassung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens mutwillig.
Mit ihrer Beschwerde vom 28.10.2021 (Bl. 31) wendet sich die Antragstellerin gegen die Auferlegung der Gerichtskosten und trägt vor, der verfahrensgegenständliche Hauptsacheantrag sei nicht mutwillig gewesen, da mit der zugleich beantragten einstweiligen Anordnung nur eine vorläufige Regelung hätte erzielt werden können. Allein der Antragsgegner habe das vorliegende Verfahren notwendig gemacht.
Sie beantragt sinngemäß (Bl. 42R),
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen,
hilfsweise, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
Der Antragsgegner tritt der Kostenbeschwerde unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach unnötige Antragstellung in der Hauptsache entgegen (Bl. 48).
II.
Die Kostenbeschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 und 65 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden. Da es sich bei der zugrundeliegenden Kindschaftssache um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist das Rechtsmittel unabhängig vom Erreichen der Mindestbeschwer von über 600,- € (§ 61 Abs. 1 FamFG) zulässig (BGH FamRZ 2013, 1876; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Beschl. v. 29.03.2021, 9 WF 3/21, juris; OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2015, 523; Weber in BeckOK FamFG, Hahne/Schlögel/Schlünder, 40. Ed. Stand 01.07.2021 § 81 FamFG Rn. 40).
Die Beschwerde ist in der Sache erfolgreich.
Bei einer Erledigung des Verfahrens auf sonstige Weise oder aufgrund einer Rücknahme des Antrags sind die Verfahrenskosten gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil aufzuerlegen. Die vom erstinstanzlichen Gericht auf der Grundlage dieser Vorschrift getroffene Entscheidung ist dabei nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr ist das Beschwerdegericht zu einer eigenständigen Ermessensausübung berufen (BGH FamRZ 2013, 1876; OLG Frankfurt, BeckRS 2018, 41133).
Bei der Billigkeitsentscheidung ist der allgemeine Grundsatz zu berücksichtigen, dass in familiengerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten ist. Daraus folgt, dass die Gerichtskosten in der Regel zwischen den Eltern zu teilen und außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 29.03.2021, 9 WF 3/21, juris; 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2015, 523). Der Gesetzgeber hat sich mit der Regelung der Kostenverteilung auf der Grundlage einer Billigkeitsentscheidung bewusst dagegen entschieden, ausschließlich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zum Maßstab der Kostenverteilung zu machen. Damit wird in Kindschaftssachen dem Umstand Rechnung getragen, dass die Eltern bei der gerichtlichen Durchsetzung ihres Begehrens jedenfalls auch das Kindeswohl im Auge haben. Derartige Verfahren sind regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass die Beteiligten subjektiv sehr unterschiedliche Sichtweisen haben, was erhebliches Konfliktpotential birgt und gerichtliche Auseinandersetzungen verursacht. Die eindeutige Verantwortlichkeit nur eines Beteiligten dafür, dass es zu dem Verfahren und damit zu Kosten gekommen ist, lässt sich regelmäßig nicht feststellen.
Vorliegend sind keine Umstände dafür ersichtlich, abweichend vom oben dargestellten Grundsatz der Zurückhaltung in Familiensachen die Gerichtskosten der Antragstellerin oder dem Antragsgegner allein aufzuerlegen. Eines der Regelbeispiele des § 81 Abs. 2 FamFG liegt jeweils nicht vor.
Nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn dieser durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat. Grobes Verschulden, das Vorsatz oder eine Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss (OLG Schleswig, BeckRS 2016, 16097; BeckOK FamFG/Weber FamFG § 81 Rn. ), voraussetzt, ist vorliegend nicht erkennbar. Auch liegt kein Fall einer auf grobem Verschulden der Antragstellerin beruhenden Prozessführung, § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, vor. Danach muss der Antrag zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv erkennbar aussichtslos gewesen sein, was der Antragsteller erkennen musste. Die Aussichtslosigkeit muss anhand des Einzelfalls in einer ex-ante-Betrachtung beurteilt werden (MüKo FamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 46).
Ein derartiges grobes Verschulden der Antragstellerin ist nicht erkennbar. Zum Zeitpunkt der Antragstellung, die ausweislich der Antragsschrift vom 19.07.2021 in der Sache hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, war der Verlauf des parallel betriebenen einstweiligen Anordnungsverfahrens und insbesondere die - erst nach Antragstellung erfolgten - Zustimmungserklärungen des Antragsgegners gegenüber der Schule und dem Kind L...J... - nicht vorhersehbar. Dem Akteninhalt ist auch nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin in vorwerfbarer Weise eine zu einem früheren Zeitpunkt erfolgende Zustimmung des Antragsgegners zur Anwahl der Fremdsprache verunmöglicht haben könnte.
Die gleichzeitige Verfolgung eines Antrags in der Hauptsache und im Wege der einstweiligen Anordnung stellt kein vorwerfbares Verhalten dar. Da die Verfolgung eines Antrags in der Hauptsache parallel zum einstweiligen Anordnungsverfahren deckungsgleichen Inhalts verfahrensrechtlich die Regel ist, § 50 Abs. 1 FamFG (OLG Stuttgart, BeckRS 2010, 10567; Keidel/Giers, 20. Aufl. 2020, FamFG § 50 Rn. 4), kommt eine Verpflichtung, vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens den Ausgang eines einstweiligen Anordnungsverfahrens abzuwarten, nicht in Betracht.
Umstände für ein vorwerfbares Verhalten des Antragsgegners, das die Antragstellung durch die Antragstellerin veranlasst haben könnte, sind nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen, so dass eine Auferlegung der Gerichtskosten auf den Antragsgegner ebenfalls nicht in Betracht kommt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens hat sich am Wert der Kosten der 1. Instanz zu orientieren, die der Antragstellerin auferlegt worden sind, nämlich die Gerichtskosten in Höhe von 70,- € (0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 1310 VV FamGKG).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.