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Entscheidung DG 6/17


Metadaten

Gericht Dienstgericht Cottbus Entscheidungsdatum 23.07.2021
Aktenzeichen DG 6/17 ECLI ECLI:DE:LGCOTTB:2021:0723.DG6.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen die „Oktroyierung von Botentätigkeit“.

Der Antragsteller ist Richter am Sozialgericht in ... .

Unter dem 23.02.2017 forderte der Direktor des Sozialgerichts ... den Antragsteller auf, das Lagern von Akten und Gerichtsentscheidungen und sonstigem Schriftverkehr auf den Aktentransportwagen auf den Fluren des Sozialgerichts ab sofort zu unterlassen. Die Transportwagen seien ausschließlich für den unverzüglichen Aktentransport bestimmt. Für Botentätigkeiten stünden die Verwaltungsbeschäftigten des Gerichts nicht zur Verfügung. Hintergrund der Aufforderung seien Feststellungen des Direktors des Sozialgerichts Cottbus und der dortigen Datenschutzbeauftragten, dass der Antragsteller Gerichtsakten und –entscheidungen auf den Aktentransportwagen vor seinem Arbeitszimmer abgelegt habe, um sie auf diese Weise den Geschäftsstellen zur weiteren Veranlassung zur Verfügung zu stellen. Dadurch werde die Möglichkeit geschaffen, dass Unbefugte in der Zwischenzeit Einsicht in die Akten und Schriftstücke nehmen könnten.

Mit Schreiben vom 28.02.2017 wandte sich der Antragsteller an die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg und teilte mit, dass er eine unverzügliche Ermöglichung amtsangemessener Tätigkeit sowie Maßnahmen gegen den Direktor des Sozialgerichts und die Datenschutzbeauftragte wegen der von ihnen vorgenommenen Ausspähung fremder Daten bzw. Zuständigkeitsanmaßung sowie Verleumdung/übler Nachrede gegen ihn erwarte.

Das Schreiben vom 28.02.2017 wertete die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg als Antrag auf eine Ausstattung des Arbeitsplatzes, insbesondere der Einrichtung eines Botendienstes und wies diesen mit Bescheid vom 17.08.2017 zurück. Sie führte aus, die Einrichtung eines Botendienstes für den Transport der vom Antragsteller zu bearbeitenden Gerichtsakten sei nicht beabsichtigt. Bei der Gründung der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg sei die Organisationsentscheidung getroffen worden, keinen Zu- bzw. Abtrag von Gerichtsakten durch Boten vorzusehen. Das System der Serviceeinheiten sehe diesen Arbeitsschritt nicht vor. Vielmehr sei den Richtern hierfür ein Aktentransportwagen zur Verfügung gestellt. Der Dienstherr sei nur im Rahmen des haushaltrechtlich Möglichen verpflichtet, die vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel zuzuteilen.

Der Antragsteller erhob unter dem 08.09.2017 Widerspruch.

Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Bescheid vom 10.10.2017 zurück. Der Antragsteller habe lediglich Anspruch darauf, dass er bei Zuteilung der vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel ermessensfehlerfrei berücksichtigt werde. Dem sei Rechnung getragen.

Der Antragsteller hat am 24.10.2017 seinen Antrag beim Dienstgericht gestellt.

Der Antragsteller führt aus, jedenfalls in Anbetracht der vieljährigen meist exorbitanten Überlastungssituation könne ein Aktentransport durch ihn nicht mehr geschultert werden. Es dürften Disziplinarverfahren unvermeidbar sein. Der Botendienst obliege einer eigens eingerichteten und entlohnten Berufsgruppe. Der Antragsteller selbst sei hierfür nicht ausgebildet. Die Botentätigkeit hindere ihn mangels hinreichender Arbeitskapazität daran, sich mit den Sachanliegen der Kläger zu befassen. Dies verletze ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Die Organisationsentscheidung sei offensichtlich rechtswidrig. Dies gelte jedenfalls unter Berücksichtigung der Überlast. Dies werde bestätigt durch die gleichheitssatzgemäße Betrachtung der Organisation sämtlicher weiterer Gerichtsbarkeiten sowie des Landessozialgerichts.

Der Antragsteller beantragt,

die Maßnahme vom 17.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Nichteinrichtung eines Botendienstes und generelle Abwälzung dieser Tätigkeit bei zumal vieljähriger, exorbitanter Überlastung auf die Richter die richterliche Unabhängigkeit verletze.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag bleibt erfolglos.

1. Der Rechtsweg zu den Richterdienstgerichten ist eröffnet. Der Begriff „Maßnahme der Dienstaufsicht" im Sinne des § 26 Abs. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) ist nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes im Interesse eines wirkungsvollen Schutzes der richterlichen Unabhängigkeit weit zu fassen. Es genügt jede Einflussnahme der Dienstaufsicht führenden Stelle, die sich auch nur mittelbar auf die Tätigkeit des Richters auswirkt. Erforderlich ist lediglich, dass ein konkreter Bezug zu der Tätigkeit des Richters besteht (BGH, Urteil vom 25. September 2002, RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 16. November 1990 - RiZ(R) 2/90, BGHZ 113, 36, 38 f.; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 241).

Gegen sie kann mit der - nachvollziehbaren - Behauptung, sie verletze die richterliche Unabhängigkeit, das Richterdienstgericht angerufen werden, das darüber im Prüfungsverfahren entscheidet (Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 06. August 2020 – DG 4/19 –, Rn. 17 - 18, juris), vgl. § 65 Nr. 4 lit. f des Richtergesetzes des Landes Brandenburg (BbgRiG).

2. Es mag dahinstehen, ob der Antrag (noch) zulässig ist, nachdem aufgrund des Gesundheitszustandes des Antragstellers zwischenzeitlich jedenfalls teilweise ein Botendienst zu seinen Gunsten eingerichtet worden ist.

3. Die Weigerung des Antragsgegners, für die Sozialgerichtsbarkeit einen Botendienst einzurichten, ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Antragsteller nicht in seiner richterlichen Unabhängigkeit. Der Antragsteller hat materiell keinen Anspruch darauf, dass ein solcher Botendienst eingerichtet wird.

Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit kommt durch Maßnahmen in Betracht, die dazu bestimmt oder geeignet sind, die richterliche Rechtsfindung durch psychischen Druck oder auf andere Weise unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen. Ausgehen kann ein solcher Einfluss auch von Anordnungen der Dienstaufsicht im Zusammenhang mit der Benutzung von Geräten und Hilfsmitteln, die der Richter für seine Arbeit benötigt. In den Schutzbereich der richterlichen Unabhängigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes nämlich nicht nur die Endentscheidung, sondern alle der Rechtsfindung auch nur mittelbar dienenden - vorbereitenden und nachfolgenden - Sach- und Verfahrensentscheidungen einbezogen (BGH, Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731; Urteil vom 10. Januar 1985 - RiZ(R) 7/84, BGHZ 93, 238, 234 mwN; Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 3/83, BGHZ 90, 41, 45). So hat das Dienstgericht des Bundes (Urteil vom 24. November 1994 - RiZ(R) 4/94 aaO) entschieden, dass Maßnahmen der Dienstaufsicht, die einen Richter veranlassen können, sein Diensttelefon zur Erledigung seiner Aufgaben nicht in dem von ihm für sachgerecht gehaltenen Umfang zu benutzen, die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen können. Gleiches gilt, wenn durch die Dienstaufsicht auf den Richter psychologischer Druck ausgeübt wird, den Inhalt des Protokolls mit einem Aufnahmegerät vorläufig aufzuzeichnen, statt für die Protokollierung einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zuzuziehen (BGH, Urteil vom 21. April 1978 - RiZ(R) 4/77, NJW 1978, 2509).

Der Antragsteller wird durch die angegriffene Weigerung nicht dergestalt beeinflusst. Das Dienstgericht des Bundes hat bereits ausgesprochen, dass ein Richter keinen Anspruch gegen die Justizverwaltung auf Schaffung und Bereitstellung der sachlichen, institutionellen und personellen Ausstattung hat, die er zur Ausschöpfung seiner richterlichen Unabhängigkeit für erforderlich und wünschenswert hält (BGH, Urteil vom 3. November 2004 - RiZ(R) 2/03, NJW 2005, 905). Es besteht lediglich ein Anspruch des Richters darauf, dass er bei der Zuteilung der vorhandenen, für die Arbeit erforderlichen personellen und sächlichen Mittel in ermessensfehlerfreier Weise berücksichtigt wird (BGH, Urteil vom 25. September 2002 - RiZ(R) 2/01, NJW 2003, 282; BGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 – RiZ (R) 5/09 –, Rn. 22, juris; Brandenburgisches Dienstgericht für Richter, Beschluss vom 06. August 2020 – DG 4/19 –, Rn. 31 - 35, juris).

So liegt es indes hier, denn der Antragsgegner sieht in der Sozialgerichtsbarkeit allgemein keinen Botendienst vor. Diese Organisationsentscheidung ist unter dem allein zu prüfenden Gesichtspunkt der richterlichen Unabhängigkeit nicht zu beanstanden. Dass der Antragsteller dann wie alle Richter der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Brandenburg entsprechend dieser Organisationsgrundentscheidung behandelt wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Das gilt auch bei der vom Antragsteller – vom Dienstgericht nicht weiter zu prüfenden – etwaigen „vieljährigen, exorbitanten Überbelastung“. Diese verschafft dem Antragsteller keinen im Wege des dienstgerichtlichen Verfahrens durchsetzbaren Anspruch auf eine bestimmte Ausstattung. Ob der Haushaltsgesetzgeber die Justizgewährleistungspflicht des Rechtsstaats dadurch verletzt, dass er die Justizverwaltung nicht mit ausreichenden Mitteln versorgt, ist vom Richterdienstgericht nicht zu entscheiden. Beurteilungsgrundlage für das Dienstgericht ist allein, ob eine Maßnahme der Dienstaufsicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreift (Dienstgericht Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2002 – DG 1/02 –, juris). Eine unzureichende haushaltsmäßige Ausstattung der Justiz durch den Haushaltsgesetzgeber stellt keine "Maßnahme der Dienstaufsicht" dar (BGH, Urteil vom 03. November 2004 – RiZ (R) 2/03 –, juris). Soweit der Antragsteller sich nicht amtsangemessen ausgestattet oder beschäftigt sieht, muss er dieses Anliegen vor die Verwaltungsgerichte tragen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 80 BbgRiG i.V.m. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.