Gericht | VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 K 516/20 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2021:1210.2K516.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 24 Abs 1 SG |
Ein Soldat, der ein von der Bundeswehr angemietetes Fahrzeug für eine private (Schwarz-)Fahrt nutzt und dieses dabei durch einen verschuldeten Unfall beschädigt, kann für die von der Bundeswehr an den Vermieter geleisteten Reparaturkosten nicht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SG in Regress genommen werden.
Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2019 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 24. März 2020 wird aufgehoben, soweit die darin festgesetzte Forderung einen Betrag von 209,17 Euro übersteigt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der als Soldat im Dienst der Beklagten stehende Kläger wehrt sich gegen einen Leistungsbescheid, mit dem er zur Zahlung von 17.947,21 Euro aufgefordert wird.
Der Kläger befand sich im Jahr 2018 im Auslandseinsatz in Afghanistan. In der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2018 betrank er sich im Camp M ... , dem seinerzeit größten Feldlager der Bundeswehr außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, das auch den militärischen Teil des Regionalflughafens Stadt Masar-e-Scharif umfasste. Um 2:14 Uhr befuhr der Kläger ohne entsprechenden Fahrauftrag und im betrunkenen Zustand mit einem durch die Beklagte von der Firma „Mukhtar-Motors“ angemieteten Dienstfahrzeug vom Typ Toyota Hilux die Flughafenstraße Richtung Westen. Bei dem Versuch, einem Tier auszuweichen, kam der Kläger mit dem Fahrzeug von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug prallte im Anschluss daran zunächst gegen einen Betonpoller, touchierte dann einen Torpfeiler, beschädigte den Begrenzungszaun des Flughafengeländes und kam schließlich auf einem weiteren Betonpoller zum Liegen.
In dem zwischen Mukhtar-Motors und der Beklagten geschlossenen Bereitstellungsvertrag zur Anmietung von Fahrzeugen war unter anderem folgender Passus enthalten: „Durch Bundeswehrangehörige vorsätzlich herbeigeführte Schäden an den KfZ gehen zu Lasten des Auftraggebers.“ Ferner war in dem Vertrag die Anwendung der deutschen Rechtsbestimmungen vereinbart.
Wegen des Vorfalls wurde gegen den Kläger eine Disziplinarbuße in Höhe von 4.000 Euro verhängt.
Die Firma Mukhtar-Motors stellte über die Reparatur des Fahrzeugs unter dem 21. Februar 2018 eine Rechnung aus, die einen Gesamtbetrag in Höhe von 21.200 US-Dollar (= 17.738,04 Euro) und nur einen Rechnungsposten („Repairing Crashed Vehicle“) in dieser Höhe ausweist. Die Beklagte wies am 4. März 2019 eine entsprechende Zahlung an Mukhtar-Motors an.
Nach vorheriger Anhörung erließ die Beklagte am 28. Oktober 2019 den streitgegenständlichen Bescheid. Die Forderungshöhe von 17.947,21 Euro setzt sich aus dem vorbezeichneten Rechnungsbetrag und einen für die Reparatur des Zauns aufgewendeten Betrag in Höhe von 209,17 Euro zusammen. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, dass der Kläger gegen Dienstpflichten verstoßen und der Beklagten dadurch einen Schaden zugefügt habe. Die Schadenshöhe sei nicht zu beanstanden. Das Fahrzeug sei im Jahr 2013 zu einem Preis von 40.000 US-Dollar erworben worden und habe zum Unfallzeitpunkt eine Kilometerlaufleistung von ca. 25.000 km aufgewiesen. Das Fahrzeug sei bei dem Unfall so schwer beschädigt worden, dass der Schaden einem Totalschaden sehr nahe komme. Die Rechnung der Mietwagenfirma sei somit nachvollziehbar.
Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde, mit der er unzureichende Nachweise über die Schadenshöhe monierte, wies die Beklagte mit Beschwerdebescheid vom 24. März 2020 zurück, der dem Kläger am 30. April 2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Zur Begründung führte die Beklagte unter Vorlage einer weiteren Rechnung von Mukhtar-Motors vom 20. Dezember 2019 aus, dass die Schadenshöhe glaubhaft gemacht worden sei. In der Rechnung sind neben dem Gesamtbetrag nunmehr auch insgesamt 21 Rechnungsposten aufgezählt.
Am 13. Mai 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, die Forderung der Beklagten sei bezüglich des verunfallten Fahrzeugs nicht berechtigt. Die Beklagte habe keinen hinreichenden Nachweis über die Schadenshöhe geführt. Die geltend gemachte Schadenshöhe sei völlig unplausibel. Erst rund zwei Jahre nach der Rechnung vom 21. Februar 2018 habe die Beklagte eine spezifizierte Rechnung vorgelegt. Es sei nicht ersichtlich, anhand welcher Belege die Firma nachträglich diese Rechnung ausgestellt habe. Die Reparaturkosten seien auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil das Fahrzeug nach den Angaben der Beklagten bereits drei Tage nach dem Unfall nach Kabul verkauft worden sei. In dieser kurzen Zeit habe unter Berücksichtigung der Lieferzeiten für Ersatzteile keine solch umfassende Reparatur eines Fahrzeugs mit Totalschaden stattfinden können. Die Beklagte habe auch nicht die notwendigen Ermittlungen angestellt, um auf der Basis fiktiver Reparaturkosten abrechnen zu können. Im Übrigen betrage der Wiederverkaufswert für ein vergleichbares Fahrzeug in Deutschland nur 10.000 Euro. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei jedoch im Feld eingesetzt worden und folglich stark abgenutzt gewesen, sodass es allenfalls einen Bruchteil des Wertes eines vergleichbaren Fahrzeugs auf dem deutschen Markt aufweise. Realistisch sei allenfalls noch ein Wert von 1.000 Euro. Schließlich sei die Forderung auch verwirkt, weil die Beklagte gröblich gegen ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verstoßen habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Leistungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2019 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 24. März 2020 aufzuheben, soweit die darin festgesetzte Forderung einen Betrag von 209,17 Euro übersteigt.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Sie verteidigt ihre Bescheide und verweist hierzu im Wesentlichen auf deren Begründungen. Ergänzend trägt sie vor, dass der Wertverlust bei Fahrzeugen in Afghanistan viel geringer sei als in Deutschland.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
I. Der Berichterstatter kann anstelle der Kammer und ohne mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten sich damit eiverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO, § 101 Abs. 2 VwGO).
II. Die als (Teil-)Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.
Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2019 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 24. März 2020 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit er durch ihn für die von der Beklagten an Mukhtar-Motors geleisteten Reparaturkosten in Regress genommen wird.
1. Der Regress kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf den in ihren Bescheiden genannten § 24 Abs. 1 Satz 1 des Soldatengesetzes (SG) gestützt werden. Danach hat ein Soldat, der vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift stehen vorliegend zwar weder Art. 34 Satz 3 GG (a) noch § 2 Abs. 2 Satz 1 PflVG (b) entgegen. Es fehlt aber an einem Schaden der Beklagten im Sinne der Vorschrift (c).
a) Nach Art. 34 Satz 3 GG darf für den Rückgriff des Dienstherrn gegenüber seinem Amtsträger der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Anders als bei unmittelbarer Schädigung des Dienstherrn durch den Beamten (dies wäre hier der Fall gewesen, wenn die Beklagte Eigentümerin und nicht nur Mieterin des beschädigten Fahrzeugs gewesen wäre) kann der Dienstherr den Rückgriff wegen Fremdschäden nicht mit dem spezifisch hoheitsrechtlichen Durchsetzungsmittel eines Bescheides, sondern nur im ordentlichen Rechtsweg geltend machen. Die Entscheidung über den Rückgriff ist von Verfassung wegen den ordentlichen Gerichten vorbehalten, weil der Amtswalter (hier: der Kläger) beim Innenregress bei einer Beitreibung im Wege der Verwaltungsvollstreckung schlechter gestellt wäre, als wenn er dem Geschädigten (hier: Mukhtar Motors) unmittelbar gehaftet hätte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Dezember 2010 – 6 A 338/09 –, juris, Rn. 12 m.w.N.; vgl. auch bereits BVerwG, Urteil vom 6. Mai 1964 – VIII C 394.63 –, juris, Rn. 16). Allerdings erfasst Art. 34 Satz 3 GG nur den Rückgriff wegen solcher Schäden, die der Amtsträger in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes unter Verletzung einer ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht diesem Dritten zugefügt hat (vgl. Art. 34 Satz 1 GG). Daran fehlt es, wenn - wie hier - ein Soldat eine private (Schwarz-)Fahrt mit einem Dienstfahrzeug unternimmt und dabei einen Unfall mit Fremdschaden verursacht (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1968 – III ZR 18/68 –, VersR 1969, 185).
b) Auch § 2 Abs. 2 Satz 1 PflVG sperrt einen Rückgriff der Beklagten gegen den Kläger nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SG hier nicht.
Danach haben die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 PflVG von der Versicherungspflicht befreiten Fahrzeughalter, sofern nicht auf Grund einer von ihnen abgeschlossenen und den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Versicherung Haftpflichtversicherungsschutz gewährt wird, bei Schäden der in § 1 PflVG bezeichneten Art für den Fahrer und die übrigen Personen, die durch eine auf Grund dieses Gesetzes abgeschlossene Haftpflichtversicherung Deckung erhalten würden, in gleicher Weise und in gleichem Umfang einzutreten wie ein Versicherer bei Bestehen einer solchen Haftpflichtversicherung. Die Beklagte kann hiernach wegen der Leistungen an einen geschädigten Dritten regelmäßig keinen Rückgriff gegen einen Soldaten nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 1984 – 6 C 199/81 –, juris, Rn. 24). Dieser Schutz greift hier aber unabhängig von der Frage, ob das PflVG im Auslandseinsatz der Bundeswehr überhaupt Anwendung findet, nicht ein. Zwar dürfte die Beklagte wohl als Halterin des verunfallten Kraftfahrzeugs anzusehen sein. Sie ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 PflVG auch von der Versicherungspflicht befreit. Allerdings sind Schäden am Fahrzeug des Halters nicht von § 1 PflVG umfasst. Zudem wäre die Beklagte hier von ihrer Eintrittspflicht gegenüber dem Kläger befreit, weil auch ein Versicherer von der Leistung befreit ist, wenn ein unberechtigter Fahrer das Fahrzeug gebraucht hat, worunter auch der Fall fällt, dass ein Soldat ohne oder in Abweichung von dem ihm erteilten Fahrbefehl das Fahrzeug gebraucht hat (vgl. BVerwG, a.a.O., ebd.).
c) Ist § 24 Abs. 1 Satz 1 SG sonach im vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar, so fehlt es jedoch an einem Schaden der Beklagten im Sinne dieser Vorschrift.
Die Vorschrift differenziert nicht danach, ob der Soldat seinen Dienstherrn unmittelbar oder mittelbar schädigt. Sie erfasst demnach auch sog. Regressschäden (vgl. auch § 24 Abs. 2 und 3 SG). Kennzeichen des sog. Regressschadens ist, dass der Dienstherr ihn nicht unmittelbar durch die pflichtwidrige Handlung des Soldaten erleidet, sondern erst mittelbar durch die Schädigung eines Dritten, für welche der Dienstherr aus Rechtsgründen einzustehen hat (vgl. (May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Kommentar, Stand: Oktober 2021, § 48 BeamtStG Rn. 52).
Eine solche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber Mukhtar-Motors bestand hier nicht.
Soweit der Soldat - wie hier (s.o.) - nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig geworden ist, haftet der Dienstherr außenstehenden Dritten gegenüber bei der Verletzung vertraglicher Pflichten nach den §§ 89, 31 BGB (falls der Schädiger als satzungsmäßiger Vertreter anzusehen ist) oder nach § 278 BGB und bei unerlaubten Handlungen nach den §§ 89, 31 i.V.m §§ 823 ff. BGB (falls der Schädiger die Stellung eines satzungsmäßigen Vertreters hat) oder nach § 831 BGB i.V.m §§ 823 ff. BGB (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 9 Rn. 6).
Hier kommt zwar eine Haftung der Beklagten sowohl wegen einer Verletzung von Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem zwischen ihr und Mukhtar-Motors geschlossenen Mietvertrag als auch wegen einer unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB in Betracht. Eine Haftung der Beklagten gegenüber Mukhtar-Motors nach diesen Vorschriften ist auch nicht etwa bereits deshalb ausgeschlossen, weil deutsches Recht hier überhaupt nicht anwendbar gewesen wäre. Denn die Beklagte und Mukhtar-Motors haben ausdrücklich die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung [EG] Nr. 593/2008 [Rom I-VO] war folglich deutsches Recht auf das Vertragsverhältnis anwendbar. Dies galt nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 (Rom II-VO) somit auch für unerlaubte Handlungen mit Schadensfolge an den gemieteten Fahrzeugen.
Eine Haftung der Beklagten wegen unerlaubter Handlung scheidet hier aber aus, weil ihr das schuldhafte Verhalten des Klägers nicht nach §§ 89, 31 BGB zuzurechnen ist und sie auch nicht für eigenes Verschulden nach § 831 BGB haftet. Der Kläger war kein satzungsmäßiger Vertreter der Beklagten im Sinne der §§ 89, 31 BGB, weil darunter im hoheitlichen Bereich nur die Leiter oberster Dienstbehörden und sonstige Behörden- und Dienststellenleiter, denen eine gewisse Selbstständigkeit nach außen eingeräumt ist, fallen (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, a.a.O., ebd.). Der Unfall ereignete sich auch nicht in Ausführung einer Verrichtung im Sinne des § 831 BGB, weil es sich um eine Schwarzfahrt des Klägers handelte (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1968 – III ZR 18/68 –, VersR 1969, 185).
Die Beklagte haftete auch nicht aus Vertrag für den Unfallschaden. Eine Zurechnung des Verhaltens des Klägers nach §§ 89, 31 BGB kommt auch insoweit aus den soeben dargelegten Gründen nicht in Betracht. Eine Zurechnung nach § 278 BGB scheitert daran, dass ein Mieter nach dieser Vorschrift nur für das Verhalten Dritter einzustehen hat, denen er den Besitz der Mietsache überlassen hat, sodass diese die Mietsache mit seinem Wissen und Wollen benutzen. Er haftet hingegen nicht für Dritte, die ohne sein Zutun mit der Mietsache in Berührung kommen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 14. März 2011 – 12 U 1528/09 –, juris, Rn. 51 m.w.N.). So verhält es sich vorliegend, weil der Kläger die maßgebliche Fahrt mit dem Fahrzeug eigenmächtig, also ohne Wissen und Wollen der Beklagten angetreten hatte.
Nach alledem leistete die Beklagte an Mukhtar-Motors nur vermeintlich auf eine eigene Schuld. Tatsächlich leistete sie nach § 267 Abs. 1 BGB auf eine Verbindlichkeit des Klägers, der allein Mukhtar-Motors gegenüber nach § 823 Abs. 1 BGB tatsächlich haftete. Dieser Rechtsirrtum begründet aber keinen Schaden im Sinne des § 24 Abs. 1 SG.
2. Der angegriffene Bescheid kann, soweit er angefochten ist, auch nicht auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden.
Die Verwaltungsgerichte haben zwar im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Das kann, aber es muss nicht deshalb zu verneinen sein, weil die Regelung durch die Rechtsgrundlage, die die Behörde angegeben hat, nicht gedeckt wird. Das zur Entscheidung über die Anfechtungsklage berufene Verwaltungsgericht muss dann vielmehr (zusätzlich) prüfen, ob der angefochtene Bescheid kraft einer anderen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist, vorausgesetzt nur, dass die Heranziehung dieser anderen Rechtsgrundlage Ausdruck der - den Verwaltungsgerichten obliegenden - schlichten Rechtsanwendung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1988 – 8 C 114/86 –, juris, Rn. 22).
In der vorliegenden Fallkonstellation kommt allein noch eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 684 BGB analog) oder der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als Rechtsgrundlage für den angegriffenen Bescheid in Betracht.
Ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag steht der Beklagten allerdings bereits deshalb nicht zu, weil nach § 687 Abs. 1 BGB die Vorschriften der §§ 677 bis 686 BGB keine Anwendung finden, wenn jemand ein fremdes Geschäft in der Meinung besorgt, dass es sein eigenes sei. So verhält es sich vorliegend, weil die Beklagte offensichtlich davon ausging, dass sie selbst Mukhtar-Motors gegenüber für das Verhalten des Klägers haftet und demnach durch die Zahlung an Mukhtar-Motors allein eine (vermeintlich) eigene Verbindlichkeit tilgen wollte.
Bei dem allgemeinen öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch handelt es sich um ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (vgl. etwa § 12 BBesG), denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812 ff. BGB) entsprechen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2007 – 9 B 36/07 –, juris, Rn. 12). Er kann jedenfalls im Beamten- bzw. Soldatenverhältnis auch durch einen Leistungsbescheid geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. September 1967 – II C 37.67 –, juris, Rn. 12) und wäre hier nicht deshalb gesperrt, weil die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 SG nicht vorliegen, weil insoweit Anspruchskonkurrenz besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. November 2007, ebd.).
Das Gericht kann den angegriffenen Bescheid aber nicht allein durch bloße Rechtsanwendung auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen, sodass ihm ein entsprechender Austausch der Rechtsgrundlage verwehrt ist. Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
Da es sich auch aus der maßgeblichen Empfängersicht von Mukhtar-Motors bei der streitgegenständlichen Zahlung um eine Leistung der Beklagten und nicht des Klägers handelte, könnte sie den Kläger nur dann im Wege des Bereicherungsausgleichs in Anspruch nehmen, wenn sie ihre Tilgungsbestimmung nachträglich dahingehend ändert, dass ihre irrtümliche Eigenleistung als für den Kläger gem. § 267 BGB erbracht gelten soll. Unabhängig davon, inwieweit eine solche nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung überhaupt zulässig ist (vgl. hierzu grundlegend: BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 – VII ZR 274/85 –, juris, Rn. 8 ff.), fehlt es hier bisher an einer solchen Änderung.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass Bereicherungsansprüche dem Billigkeitsrecht angehören und daher in besonderem Maße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 – IV ZR 35/96 –, juris, Rn. 25; BAG, Urteil vom 8. November 2017 – 5 AZR 11/17 –, juris, Rn. 41). Für den spezialgesetzlich geregelten Fall des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist dementsprechend ausdrücklich eine Billigkeitsentscheidung geregelt. Sie soll eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 4/11 –, juris, Rn. 18). Ein Rückforderungsbescheid darf nicht ergehen, ohne dass eine solche Billigkeitsentscheidung getroffen worden ist (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 23). Der Rechtsgedanke einer vorherigen Billigkeitsentscheidung ist über § 242 BGB auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragbar (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 22. Januar 1997 – 1 A 91/94 –, juris, Rn. 38), zumal in einem durch besondere Fürsorgepflichten des Dienstherrn geprägten Beamten- bzw. Soldatenverhältnis. Auch an einer Billigkeitsentscheidung der Beklagten fehlt es bisher aber.
III. Die gerichtliche Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird gem. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 17.738,04 Euro festgesetzt.