Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 19.11.2020 | |
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Aktenzeichen | 5 U 111/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:1119.5U111.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19. Juli 2019, Az. 1 O 150/10, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 150.207,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 132.755,14 € seit dem 11. Dezember 2008 bis zum 26. Januar 2010,
aus 114.755,14 € seit dem 27. Januar 2010 bis zum 1. Januar 2011,
aus 247.510,28 € seit dem 2. Januar 2011 bis zum 11. Februar 2011,
aus 229.510,28 € seit dem 12. Februar 2011 bis zum 14. Oktober 2015
und aus 150.207,33 € ab dem 15. Oktober 2015
abzüglich auf die Zinsen am 14. Oktober 2015 gezahlter 27.932,33 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 73% und der Beklagte 27% zu tragen, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin 64% und der Beklagte 36%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor seiner Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.
4. Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Parteien streiten um Ausgleichsansprüche nach § 9 Abs. 3 GBBerG.
Die Klägerin ist ein kommunales Wohnungsunternehmen und Eigentümerin der hier streitgegenständlichen Grundstücke in T..., die mit sog. Plattenbauten bebaut sind. Auf den Grundstücken befinden sich Leitungen und Anlagen der Abwasserbeseitigung. Der Beklagte ist ein kommunaler Zweckverband, zu dessen Verbandsmitgliedern auch die Stadt T... gehört. Er betreibt die Abwasserentsorgung. Zwischen den Parteien ist im Streit, ob und welche Abwasserleitungen auf den Grundstücken der Klägerin vom Beklagten betrieben, ob und in welchem Umfang beschränkte persönliche Dienstbarkeiten zugunsten des Beklagten entstanden sind, und in welcher Höhe sich hieraus Entschädigungsansprüche der Klägerin nach § 9 Abs. 3 GBBerG ergeben.
Die Klägerin hat ihre Ansprüche auf Entschädigung anhand einer Wertminderung der Grundstücke mit der Klageschrift zunächst mit 1.896.313,42 DM = 969,569,66 € beziffert. Sie hat mit der Klage die Zahlung der ersten Hälfte des Entschädigungsbetrages, fällig zum 1. Januar 2001 verlangt, dessen Höhe sie mit der Hälfte des vorgenannten Betrages abzüglich vom Beklagten gezahlter 19.150,- €, insgesamt also 465.634,83 € beziffert hat. Mit Klageerweiterung vom 25. August 2011 hat die Klägerin die zweite Hälfte des Entschädigungsbetrags, fällig zum 1. Januar 2011, verlangt und ihn mit 515.520,21 € beziffert.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die auf ihren Grundstücken befindlichen Entwässerungsanlagen seien bereits zum maßgeblichen Stichtag am 3. Oktober 1990 als öffentliche Anlagen der Abwasserbeseitigung genutzt worden. Am 1. Juli 1994 seien die Betriebe und Anlagen der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Abwasserbehandlung von der P... GmbH in Liquidation auf den Beklagten übergegangen. Die Entwässerungsanlagen seien am 11. Januar 1995 vom Beklagten betrieben worden.
Die Klägerin hat mit der dem Beklagten am 11. März 2010 zugestellten Klage beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1.
an die Klägerin 465.634,83 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 469.094,55 € ab dem 11. Dezember 2008 bis zur Rechtshängigkeit und sodann aus 465.634,83 € zu zahlen,
2.
an die Klägerin weitere 515.520,21 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2011
abzüglich der hierauf erbrachten weiteren Teilzahlungen in Höhe von 19.150,00 € am 10. Februar 2011 sowie in Höhe von 154.851,24 € vom 14. Oktober 2015, hiervon entfallend 126.916,56 € auf die Hauptforderung sowie weitere 27.932,33 € auf die Zinsen,
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass sich Umfang, Ausdehnung und Grenzen der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage aus seiner Entwässerungssatzung vom 21. September 2009 ergäben. Eine öffentliche Entwässerungsanlage liege nicht vor, wenn sich auf einem Grundstück mehrere Wohnblöcke befänden, aus denen Schmutzwasser über eine Leitung bis zum gemeinsamen Revisionsschacht geführt würde. Es handele sich um private Grundstücksentwässerungen. Dies gelte auch für die Mitbenutzung einer Grundstücksentwässerungsanlage eines Nachbargrundstücks. Soweit der Beklagte in erster Instanz die Anspruchshöhe im Hinblick auf Bodenwerte, Leitungslängen, Grad der Beeinträchtigung und Kürzungen wegen nebeneinander liegender Leitungen bestritten hat, ist dies in der Berufung nicht mehr im Streit.
Wegen der im Laufe des Rechtsstreits erfolgten Teilzahlungen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung mehrfacher schriftlicher Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. K... .
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Mit seinem Urteil vom 19. Juli 2019 hat das Landgericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 608.171,56 € abzüglich gezahlter 154.851,24 € sowie weiterer 38.300 € (also letztlich 415.020,32 €) nebst gestaffelter Zinsen verurteilt. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei als Eigentümerin zum maßgeblichen Zeitpunkt anspruchsberechtigt. Der Beklagte sei Versorgungsunternehmen. Eine Aufgabe oder ein Verzicht auf Leitungsrechte durch den Beklagten sei bis zum 30. Dezember 2010 nicht erfolgt. Der Entschädigungspflicht unterfielen Anlagen der öffentlichen Abwasserbeseitigung mit dem Ziel der überörtlichen Versorgung. Maßgeblich sei, ob die Leitungen zumindest auch eine Erschließungsfunktion für weitere Grundstücke hätten, mithin ihnen eine Drittentwässerungs- bzw. Durchleitungsfunktion für andere Grundstücke zukomme. Unter Berücksichtigung der Abwassereinleitungsbedingungen der damaligen DDR vom 20. Juli 1978, dort § 2 Abs. 3 Buchst. c, ende die Öffentlichkeit der Anlagen an der Einleitungsstelle. Diese sei bei volkseigenen und genossenschaftlichen Wohnungsbauten die Außenkante des Gebäudes. Die Versorgungsleitungen auf volkseigegen Grundstücken hätten in Volkseigentum gestanden. Die späteren Rechtsänderungen durch den DDR-Gesetzgeber hätten hierin nichts geändert. Gemäß § 2 Abs. 2 der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für den Anschluss an und für die Einleitung von Abwasser in öffentliche Abwasseranlagen (Abwassereinleitungsbedingungen) vom 22. Dezember 1987 seien öffentliche Abwasseranlagen Anlagen in der Rechtsträgerschaft der Versorgungsträger zur Ableitung und Behandlung von Abwasser gewesen. Versorgungsträger seien die VEB (X) gewesen oder die Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden. An dem Charakter der Abwasserbeseitigungsanlage habe sich am 3. Oktober 1990 nichts geändert. Auch die Satzung des Beklagten vermochte hieran nichts zu ändern. Ein für erforderlich gehaltener Widmungsakt könne darin gesehen werden, dass die Benutzung durch die Öffentlichkeit tatsächlich zugelassen sei oder eine entsprechende Zuordnung nach den Rechtsbestimmungen der DDR erfolgt sei. Die Satzung des Beklagten vom 9. September
2009 habe demgegenüber keinen rückwirkenden Wegfall der zum früheren Stichtag maßgeblichen Zuordnungen bewirkt. Ausgehend hiervon ergäben sich im Ergebnis der gutachterlichen Bewertung für näher aufgeführte Grundstücke die einzelnen Entschädigungsansprüche; wegen der Einzelheiten wird auf die tabellarische Übersicht Seite 19 bis 22 des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihm am 31. Juli 2019 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 19. August 2019 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die er nach entsprechender Fristverlängerung mit am 29. Oktober 2019 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Die Klägerin hat das Urteil nicht angegriffen.
Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, dass die Anlagen zum neben dem 11. Januar 1995 ebenfalls maßgeblichen Zeitpunkt am 3. Oktober 1990 nicht solche der öffentlichen Abwasserbeseitigung gewesen seien. Von § 9 Abs. 3 GBBerG seien nur Abwasserleitungen erfasst, die der öffentlichen Abwasserbeseitigung mit dem Ziel der überörtlichen Entsorgung dienten. Sie müssten zumindest auch eine Erschließungsfunktion für weitere Grundstücke haben. Dies ergebe sich jedoch nicht aufgrund der Abwassereinleitbedingungen der DDR vom 20. Juli 1978, da sie nur als Anordnung erlassen seien und ihnen daher die Qualität einer Rechtsnorm fehle. Sie könne daher höherrangigem Recht nicht entgegenstehen und sei nicht geeignet, die Zuordnung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990, des Wasserhaushaltsgesetzes und des Brandenburgischen Wassergesetzes zu regeln. Zudem sei ein Vermögensgegenstand nur dann öffentliche Einrichtung, wenn er hierfür gewidmet sei, wie sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2016 (Az. 7 B 3/15) ergebe; die bloße Nutzung reiche nicht. Der Beginn der Abwasserleitung an der Außenkante des Gebäudes reiche daher nicht, um sie als „öffentliche“ Abwasserleitung zu qualifizieren. Die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Abwasseranlage finde sich also aufgrund der erforderlichen Widmung in der Abwassersatzung. Der Beklagte sei nicht Rechtsnachfolger des VEB (Y). Dass dieser für die Indienststellung der streitgegenständlichen Leitungen eine konkrete Entscheidung getroffen habe, habe das Landgericht nicht geprüft. Die Anordnung über die Bildung der VEB (X) vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) habe dazu geführt, dass es keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr gegeben habe. Erst infolge des Einigungsvertrags seien Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der Kommunen geworden. Daher bestehe eine rechtliche Kontinuität nicht. Vielmehr seien die Anlagen erst durch Widmungsentscheidung des nach 1990 zuständigen kommunalen Aufgabenträgers in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden. Dass die streitgegenständlichen Schmutzwasserleitungen nach dem 17. Mai 1990 aber von der Stadt T... gewidmet worden seien, habe die Klägerin bisher nicht vorgetragen und das Landgericht nicht geprüft. Auch nach Gründung des Beklagten seien die Verbindungsleitungen zwischen dem Revisionsschacht an der Grundstücksgrenze und dem Gebäude nicht gewidmet worden.
Zudem fehle die Durchleitungsfunktion. Die erforderliche Drittentwässerungsfunktion könne nur für Grundstücke bestehen, die nicht im Eigentum der Klägerin stünden. Es sei nicht auf die Buchgrundstücke abzustellen, sondern im komplexen Wohnungsbau der DDR auf wirtschaftlich einheitliche Grundstücke. Demzufolge bestehe nur für die anhand der landgerichtlichen Tabelle nunmehr mit dem Buchstaben „F“ vermerkten Grundstücke eine Durchleitungsfunktion; wegen der Einzelheiten wird auf Seite 7 bis 9 der Berufungsbegründung verwiesen. Auf den übrigen Grundstücken dienten die verlegten Abwasserleitungen allein der Entwässerung der klägerischen Grundstücke. Auf die Frage, ob diese mit „H“ gekennzeichneten Hausanschlussleitungen als wesentliche Bestandteile der Grundstücke ebenfalls volkseigen waren, komme es nicht an.
Schließlich habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Beklagte für die Leitungen im Flurstück 201 der Flur 20 (lfd. Nummer 24 der Klage; vom Landgericht zugesprochen 126.509,33 €) bestritten habe, dass die Leitungen zum Stichtag 11. Januar 1995 in Betrieb gewesen seien. Eine technische Verbindung mit dem öffentlichen Schmutzwassernetz bestehe nicht, so dass Schmutzwasser nicht gesammelt und fortgeleitet werde.
Der Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 19. Juli 2019, Az. 1 O 150/10, aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Die Bestimmung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage ergebe sich, wie auch das Oberlandesgericht Dresden und das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern annähmen, aus den AEB 1972 und 1978. Sie seien zudem als Rechtsnorm einzuordnen. Auf dieser Grundlage sei das Landgericht zutreffend zu der Erkenntnis gelangt, dass die Öffentlichkeit der Anlage an der Einleitungsstelle ende. Dies sei bei den hier streitgegenständlichen Gebäuden deren
Außenkante. Die Anlagen seien daher vor dem 3. Oktober 1990 Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen. Die Anlage seien bereits durch ihre öffentliche Benutzung oder die AEB gewidmet, so dass es einer erneuten Widmung nicht bedurfte. Der Beklagte habe die Leitungen in seine Zuständigkeit übernommen. Eine Entwidmung vor dem Entstehen der Dienstbarkeit sei nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es nicht auf den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff, sondern den bürgerlich-rechtlichen an.
Entgegen dem Hinweis des Senats in dem Parallelverfahren 5 U 70/18 setze ein Anspruch nach § 9 Abs. 1 und 3 GBBerG nicht voraus, dass die Leitungen ein Grundstück schneiden müssten. Dies ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus deren Sinn und Zweck. Vielmehr sei unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen, dass ein angemessener Ausgleich für die Belastung des Eigentums erfolgen sollte.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat das Rechtsmittel zum Teil Erfolg.
Die Klägerin kann von dem Beklagten eine Ausgleichsleistung gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG in Höhe von (weiteren) 150.207,33 € verlangen; im Übrigen besteht der geltend gemachte Anspruch nicht.
1.
Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch aktiv legitimiert. Der Anspruch aus § 9 Abs. 3 S. 1 GBBerG steht dem Eigentümer des Grundstücks zu, welches zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift mit einem Leitungsrecht gemäß § 9 Abs. 1 GBBerG belastet war (BGH Urteil vom 7. November 2015, Az.: V ZR 250/13). Für die hier in Rede stehenden Abwasserleitungen war dies am 11. Januar 1995 mit Inkrafttreten der auf Grundlage des § 9 Abs. 9 GBBerG erlassenen Sachenrechts-Durchführungsverordnung vom 20. Dezember 1994 (SachR-DV). Unstreitig war die Klägerin am 11. Januar 1995 Eigentümerin der streitgegenständlichen Grundstücke.
2.
Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit für die Duldung und Unterhaltung einer Abwasserleitung entsteht nach §§ 9 Abs. 1, Abs. 9 S. 1 Nr. 1, § 1 SachR-DV GBBerG (außerhalb des Grundbuchs), wenn es sich um eine von einem Versorgungsunternehmen betriebene öffentliche Abwasseranlage handelt (hierzu nachfolgende Ziffer 3) und sie der Durchleitung von Abwasser durch das Grundstück des Eigentümers dient. Diese Voraussetzung liegt für die streitgegenständlichen Leitungen nur zum Teil vor.
a.
Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt § 9 Abs. 1 GBBerG die „Durchleitungsfunktion“ der Leitung voraus.
Der Wortlaut von § 9 Abs. 1 GBBerG erscheint nicht eindeutig. Hiernach werden beschränkte persönliche Dienstbarkeiten begründet für „Energieanlagen (Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas und Fernwärme, einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen)“. Als „Anlagen zur Fortleitung“ könnte damit bereits jede Leitung angesehen werden, da sie regelmäßig keinen anderen Zweck haben als (fort) zu leiten. Jedoch spricht die Auslegung des Begriffs „Fortleitung“ dafür, dass der Gesetzgeber hiermit lediglich Leitungen mit Durchleitungsfunktion erfassen wollte, die also an einer Stelle in das Grundstück hinein- und an anderer Stelle wiederum herausführen.
aa.
Bereits die Verwendung des Begriffs der „Fortleitung“ spricht für dieses einschränkende Verständnis. In den damals gültigen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Fernwärme oder Gas, die der Gesetzgeber offenkundig im Blick hatte (vgl. § 9 Abs. 2 GBBerG), war das Recht der Grundstücksbenutzung jeweils in § 8 Abs. 1 für Leitungen zur „Zu- und Fortleitung“ geregelt. Die dort vorgenommene Unterscheidung von Zuleitung und Fortleitung hat der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 GBBerG nicht übernommen. Der Begriff der „Zuleitung“ ist zwanglos als versorgende Hausanschlussleitung zu verstehen. Weil der Gesetzgeber aber in § 9 Abs. 1 GBBerG den üblichen Begriff der Zu- und Fortleitung jedenfalls die „Zuleitung“ und damit die Hausanschlussleitungen nicht übernommen hat, sind diese grundsätzlich nicht von § 9 Abs. 1 GBBerG umfasst. Hierfür gab es nach Ansicht des Gesetzgebers auch keinen Anlass, weil die Nutzungsrechte nach den AVB gesichert waren (vgl. § 9 Abs. 2 GBBerG).
„Fortleitung“ im Sinne der AVB ist jedoch nicht (einzig) das „Zurück- oder Ableiten“ der Energie vom Hausanschluss in das öffentliche Netz. Gerade der Blick auf die AVB für die Versorgung mit Gas, bei der offenkundig keine Zurückleitung erfolgt, zeigt, dass „Fortleitung“ die Weiterleitung über ein in Anspruch genommenes Grundstück zu einem Dritten bedeutet.
bb.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber dem Begriff eine hiervon abweichende Bedeutung beigemessen hat. Vielmehr spricht auch die historische Auslegung für eine dingliche Sicherung lediglich der der Durchleitung dienenden Leitungen.
Die Regelung des § 9 Abs. 1 GBBerG bezog sich zunächst nur auf Energieanlagen (Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas und Fernwärme). Nachdem die Energieversorgungsunternehmen ihre Leitungsrechte im Beitrittsgebiet überwiegend durch Mitbenutzungsrechte gesichert hatten, war eine Neuregelung erforderlich, weil die Mitbenutzungsrechte nach Anl. II Kap. V Sachg. D Abschn. III Nr. 4 des Einigungsvertrages mit Ablauf des 31. Dezember 2010 erlöschen sollten. Der Gesetzgeber wollte durch die Begründung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten von Gesetzes wegen den Schwierigkeiten der Energieversorger Rechnung tragen, zur dinglichen Sicherung der Leitungsrechte Verträge über deren Bestellung mit den jeweiligen Grundstückseigentümern schließen zu müssen. Der Gesetzgeber sah für den erforderlichen Abschluss privatrechtlicher Vereinbarungen die praktische Schwierigkeit, für die ca. 3 Mio. betroffenen Grundstücke den jeweiligen Grundstückseigentümer aufzufinden. Er sah es aber auch als schwierig an, „das konkret überspannte, unterquerte oder sonst benutzte Grundstück festzustellen“ (BT-Drs 12/6228 S. 74). Nur „die überspannten und überquerten oder sonst in Anspruch genommenen Grundstücke“ sollten nach § 9 Abs. 1 S. 1 GBBerG belastet sein (a.a.O. S. 75). Für sie bestand das Bedürfnis der rechtlichen Absicherung (a.a.O. S. 75).
Bereits die in der Gesetzesbegründung wiederholt verwendeten Begriffe „überspannt“, „überquert“ und „unterquert“ machen hinreichend deutlich, dass der Gesetzgeber nur die Fälle regeln wollte, in denen das Grundstück geschnitten wird. „Sonst in Anspruch genommen“ erweitert lediglich die eingangs genannte beispielhafte Aufzählung, ohne inhaltlich abzuweichen. Nur für solchermaßen geschnittene Grundstücke hat der Gesetzgeber ein Bedürfnis der rechtlichen Absicherung gerade in Abgrenzung zu den Nutzungsrechten nach den AVB (vgl. § 9 Abs. 2 GBBerG) gesehen, weil diese Energiefortleitungsanlagen dem öffentlichen Interesse dienen (a.a.O. S. 75). So verweist der Gesetzgeber zur Begründung der Entgelthöhe in § 9 Abs. 3 GBBerG lediglich auf das Grundstück schneidende Leitungsverläufe: „Eine Leitung, die quer über ein Grundstück verläuft, schränkt seine Nutzung im größeren Umfang ein, als eine Leitung, die lediglich einen „Grundstückszipfel“ überspannt.“ Der Fall des „Hausanschlusses“ wird hier gerade nicht erwähnt.
cc.
Nichts anderes gilt auch für die hier streitgegenständlichen Abwasserleitungen. Dass für sie keine AVB existierten, ändert nichts an dem dargelegten Verständnis des Begriffs der „Fortleitung“.
Der Gesetzgeber hat bei Schaffung des § 9 GBBerG die Erstreckung einer Begründung von gesetzlichen Dienstbarkeiten auf Abwasserleitungen und –anlagen vorgesehen (§ 9 Abs. 9 GBBerG; vgl. BT-Drs a.a.O. S. 75 und 79). Hierbei ging er davon aus, dass das Regelungskonzept auch für Abwasseranlagen geeignet sei (BT-Drs. a.a.O. S. 79). Sollte demnach das vorstehend aufgezeigte Verständnis der Regelung in § 9 Abs. 1 GBBerG auch für Abwasserleitungen gelten, ist nichts dafür ersichtlich, dass Besonderheiten bei Abwasserleitungen das Regelungskonzept ändern sollten. Daher ergibt sich auch nicht, dass der Gesetzgeber von vornherein oder mit Erstrekkung auf die Abwasserleitungen den Begriff der „Fortleitung“ entsprechend der von der Klägerin herangezogenen Definition nach dem WHG als jedes Abführen des Abwassers durch Kanäle, Röhren oder Leitungen verstanden haben wollte.
dd.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich auch dem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Dezember 2018 (Az. 1 U 1066/16) nichts anderes. Vielmehr lagen dem dortigen Rechtsstreit Abwasseranlagen mit grundstücksübergreifender Durchleitungsfunktion zugrunde (a.a.O. Rn. 3), mit deren Leitungen mehr als ein Grundstück entwässert wird (a.a.O. Rn. 35).
b.
Zwar setzt nach dem Vorstehenden § 9 Abs. 1 GBBerG voraus, dass die (Abwasser-)Leitungen ein Grundstück schneiden. Allein der tatsächliche Leitungsverlauf genügt für das Entstehen der Dienstbarkeit jedoch nicht, ohne dass es letztlich auf die Frage ankommt, ob § 9 Abs. 1 GBBerG der buchmäßige Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts zugrunde zu legen ist oder der wirtschaftliche Grundstücksbegriff. Entscheidend ist, ob das in Anspruch genommene (Buch-)Grundstück der „Fortleitung“ im Sinne des § 9 Abs. 1 GBBerG dient. Dies ist nicht der Fall, wenn das in Anspruch genommene Grundstück im Eigentum desjenigen steht, dessen Grundstück durch die Leitung erschlossen wird.
Mit der gesetzlich entstehenden Dienstbarkeit sollten diejenigen Grundstücke belastet werden, die überspannt und überquert oder sonst in Anspruch genommen werden. Die Dienstbarkeit sollte die Energiefortleitungsanlagen sichern, die dem öffentlichen Interesse dienen (BT-Drs. a.a.O. S. 75; vgl. hierzu auch § 7 Abs. 3 SachenR-DV). Nach der erforderlichen historischen, teleologischen und systematischen Auslegung findet § 9 Abs. 1 GBBerG hiernach aber jedenfalls dann keine Anwendung, wenn das geschnittene Grundstück im Eigentum des gleichen Anschlussnehmers steht und die Leitung lediglich den Hausanschluss des (hinteren) Grundstücks darstellt.
Die Begründung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kommt grundsätzlich nur für ein Buchgrundstück in Betracht. Eine katastermäßige Bezeichnung als eigenes Flurstück genügt hierfür nicht. Vielmehr ist erforderlich, dass die jeweilige räumlich abgegrenzte Bodenfläche (Flurstück) auf einem besonderen Grundbuchblatt für sich allein oder auf einem gemeinschaftlichen Blatt nach § 4 GBO unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke eingetragen ist (OLG Frankfurt Beschluss vom 17. April 2002, Az. 20 W 277/01 Rn. 2). Ein Grundstück kann aus mehreren Flurstücken bestehen (OLG Hamm Urteil vom 12. Mai 2000, Az 12 U 39/00 Rn. 7), ein Flurstück aber nicht aus mehreren Grundstücken (vgl. Palandt-Herrler BGB 79. Aufl. Vor§ 873 Rn. 1). Ob mehrere Flurstücke des gleichen Eigentümers aber in unterschiedlichen Grundbuchblättern, in einem Grundbuchblatt unter verschiedenen besonderen Nummern des Bestandsverzeichnisses oder unter einer gemeinsamen Nummer des Bestandsverzeichnisses geführt werden, hängt von Zufälligkeiten ab. Ebenso wäre es zufällige Folge, ob bei gleicher tatsächlicher Inanspruchnahme der betroffenen Flurstücke – in den beiden erstgenannten Fällen – eine Dienstbarkeit entstehen kann oder nicht – wie im drittgenannten Fall.
Eine Notwendigkeit, in jedem Fall dieser Zufälligkeit eine Dienstbarkeit nach § 9 Abs. 1 GBBerG entstehen zu lassen, hat der Gesetzgeber offenkundig nicht gesehen. Denn die hier zu betrachtenden Fälle betreffen die, in denen der jeweilige Grundstückseigentümer als Anschlussnehmer dem Versorgungsunternehmen bekannt ist. Lösen wollte der Gesetzgeber durch das gesetzliche Entstehen der Dienstbarkeit jedoch das Problem, dass dem Versorger das Auffinden der Grundstückseigentümer zum für erforderlich gehaltenen Abschluss von Verträgen Schwierigkeiten bereitet (BT-Drs. a.a.O. S. 74). Zudem stand für den Gesetzgeber im Vordergrund der Schutz von Fortleitungsanlagen, die dem öffentlichen Interesse dienen (BT-Drs. a.a.O. S. 75). Gerade bei der Inanspruchnahme des Grundstücks des Anschlussnehmers fehlt es hieran; dies gilt auch, wenn ein unmittelbar an das angeschlossene Grundstück angrenzendes (Buch)Grundstück des gleichen Eigentümers einzig für dessen Haus- oder Grundstücksanschluss in Anspruch genommen wird.
Dieser Wille des Gesetzgebers, in diesen Fällen von vornherein eine Dienstbarkeit nach § 9 Abs. 1 GBBerG nicht entstehen zu lassen, kommt auch durch die beabsichtigte Anpassung an die in den alten Bundesländern bestehende Situation (vgl. BT-Drs. a.a.O. S. 76) und die nicht über die nach den AVB hinausgehende Absicherung der Leitungen (Abs. 2) zum Ausdruck. § 8 Abs. 1 S. 1 der jeweiligen AVB sah eine Duldungspflicht eines Anschlussnehmers für die Inanspruchnahme der in seinem Eigentum befindlichen Grundstücke vor, wenn das betroffene Grundstück vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Versorgung eines angeschlossenen Grundstücks genutzt wird. Typischerweise fallen hierunter etwa landwirtschaftlich genutzte Flächen, die selbst nicht an das Netz angeschlossen sind, aber in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem angeschlossenen Hof stehen (Danner/Theobald/Hartmann/Blumenthal-Barby, 103. EL Oktober 2019, NAV § 12 Rn. 18), aber auch solche Grundstücke, die an das angeschlossene Grundstück angrenzen oder von diesem bewirtschaftet werden (Fricke in Hempel/Franke Recht der Energie- und Wasserversorgung 120. AL Nov. 2014 § 8 AVBFernwärmeV Rn. 25). Die oben geschilderten Zufälligkeiten, ob angrenzende und für die Versorgung des Anschlussnehmers in Anspruch genommene Grundstücke rechtlich selbständig sind, sind für diese Duldungspflichten ohne Belang. Dass der Gesetzgeber demgegenüber Dienstbarkeiten nach § 9 Abs. 1 GBBerG entstehen lassen wollte, ist nicht ersichtlich.
Dies bestätigt sich in der vom Gesetzgeber geschaffenen Entgeltpflicht nach § 9 Abs. 3 GBBerG. Mit ihr wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Nutzbarkeit eines Grundstücks durch die Dienstbarkeit nach Abs. 1 eingeschränkt wird (BT-Drs. a.a.O. S. 76). Die gesetzlich begründete Entgeltpflicht ist Ausfluss des gesetzgeberischen Willens, die Versorgungsunternehmen von dem Abschluss von Verträgen über die Grundstücksnutzung einschließlich einer Abfindung zu entbinden (BT-Drs. a.a.O. S. 74). Dient also die gesetzliche Folge des Abs. 3 offenkundig nicht dazu, dem Anschlussnehmer für die Durchführung seiner Hausanschlussleitung über sein an das hiervon profitierende versorgte Grundstück angrenzendes Grundstück ein Entgelt zu sichern, ergibt sich aus dem Gesamtkontext zwanglos der Wille des Gesetzgebers, dass diese Fälle nicht von § 9 Abs. 1 GBBerG erfasst sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht für Abwasserleitungen, für die, wie bereits ausgeführt, der Gesetzgeber das gleiche Regelungskonzept vorgesehen hat (vgl. BT-Drs. a.a.O. S. 79), zumal einerseits die Satzungen wie die des Beklagten in § 18 dem Regelungskonzept des § 8 AVB folgen, andererseits die mit § 9 Abs. 1 GBBerG notwendige Absicherung von Schmutzwasserleitungen durch den in Satzungen wie vorliegend des Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungszwangs (§ 5 der Satzung des Beklagten) verbunden mit der Duldungspflicht (§ 9 Abs. 3, § 12 der Satzung des Beklagten) auch für an das angeschlossene Grundstück angrenzende Grundstücke (wirtschaftlicher Grundstücksbegriff § 2 der Satzung des Beklagten) erfolgt und somit eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach Vorstellung des Gesetzgebers von vornherein nicht erforderlich war.
c.
Ausgehend hiervon ergibt sich für die vom Landgericht in seiner Übersicht Seite 19 bis 22 des Urteils aufgeführten Grundstücke nachfolgende Bewertung. Der Senat legt seiner Beurteilung die zeichnerische Darstellung der Grundstücke und Gebäude in den Gutachten Dr. K... vom 24. August 2012 (im Folgenden: GA I), 8. Oktober 2013 (im Folgenden: GA II) und vom 26. Februar 2019 (im Folgenden: GA III) zugrunde. Zu berücksichtigen sind die Zahlungen des Beklagten vom 26. Januar 2010 und 11. Februar 2011 in Höhe von jeweils 19.150,- €, die auf die im Schreiben des Beklagten vom 23. Dezember 2009 (Anlage K11) genannten Ansprüche (Grundstücke) erfolgt sind. Ferner ist die Zahlung vom 14. Oktober 2015 auf die im außergerichtlichen Schreiben vom 2. Oktober 2015 genannten Ansprüche (Grundstücke) zu berücksichtigen.
aa.
lfd. Nrn. 2 und 3 der Klage, Flur 12 Flurstücke 2066 und 2065 sowie 2067 und 2068
Plan GA I S. 64: Es liegen Fortleitungen vor.
Die vom Landgericht angesetzten Flächen und der daraus resultierende Ausgleichsbetrag von 8.938,52 DM und 25.533,38 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 35.885,44 DM + 13.956,38 DM = 49.841,82 DM gezahlt, davon je 3.600,- € am 26. Januar 2010 und 10. Februar 2011.
bb.
lfd. Nr. 1 der Klage, Flur 12 Flurstück 2407
Plan GA I S. 64: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss und dienen nicht der Fortleitung.
cc.
lfd. Nrn. 4 bis 9 der Klage, Flur 12 Flurstücke 2408, 1132, 1125 und 1121
Plan GA I S. 68: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss für die klägerischen Gebäude der Hausnummern 3A bis 3E sowie 1A bis 1E. Eine Fortleitung im oben aufgezeigten Sinne liegt nicht vor.
Soweit die Klägerin mit ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. November 2020 behauptet, die Leitungen dienten (auch) dem Anschluss der nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke G…-Str. 5a bis 5e, ist dieser Vortrag nach § 296a ZPO bereits nicht zu berücksichtigen. Er widerspricht im Übrigen den Darstellungen der Leitungen in den Plänen des Sachverständigen. Weder im Plan GA I S. 68 noch GA II S. 37 noch GA III S. 25 sind Leitungen ersichtlich, die den nunmehrigen Vortrag der Klägerin stützen könnten.
dd.
lfd. Nrn. 27 bis 37 der Klage, Flur 12 Flurstücke 2403, 2404 und 2405
Plan GA I S. 72 und 74: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss für die klägerischen Gebäude der Hausnummern 4A bis 4C, 6A bis 6C sowie 8A bis 8D. Beginnend mit der Schmutzwasserentwässerung des letztgenannten Gebäudes auf dem ehemaligen Flurstück 277 handelt es um Hausanschlüsse der klägerischen Gebäude. Eine Fortleitung im oben aufgezeigten Sinne liegt nicht vor.
ee.
lfd. Nr. 26 der Klage, Flur 12 Flurstück 2403 (ehemals 265)
Plan GA I S. 72: Etwas anderes gilt lediglich für die Teilfläche von 196 qm auf dem ehemaligen Flurstück 265. Die hier verlaufende Schmutzwasserleitung entwässert von der S…-Straße und dient damit der Fortleitung. Die vom Landgericht angesetzte Fläche und der daraus resultierende Ausgleichsbetrag von 47.123,75 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 55.413,- DM gezahlt, davon je 700,- € am 26. Januar 2010 und 10. Februar 2011.
ff.
lfd. Nr. 39 der Klage, Flur 12 Flurstück 1146
Plan GA I S. 78: Es liegt zumindest auch eine Fortleitung von der K.-Straße vor.
Die vom Landgericht angesetzte Flächen und der daraus resultierende Ausgleichsbetrag von 71.662,12 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 65.104,54 DM gezahlt.
gg.
lfd. Nrn. 40 und 41 der Klage, Flur 12 Flurstücke 1149 (=2046) und 1150
Plan GA I S. 78: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss und dienen nicht der Fortleitung.
Soweit die Klägerin mit ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. November 2020 erstmals behauptet, das Grundstück K.-Str. 6a bis 6c (Flurstück 1150) sei von den anderen beiden Grundstücken (Flurstücke 1146 und 1149 = 2406) durch eine öffentliche Straße getrennt, ist sie nach § 296a ZPO hiermit ausgeschlossen. Dieser Vortrag ist zudem nicht mit den Plänen des Sachverständigen in Einklang zu bringen, da die J…-Straße entlang der Grundstücke 1150 und 1149 (= 2406) verläuft, das Flurstück 1146 sich auf der dieser Straße gegenüber liegenden Seite des Flurstücks 1150 befindet (vgl. Plan GA I S. 78).
hh.
lfd. Nrn. 15 und 11 der Klage, Flur 20 Flurstücke 42, 43, 194 und 195
Pläne GA I S. 81 und GA III S. 46:
Jedenfalls die auf den Flurstücken 42 und 43 in nord-südlicher Richtung verlaufende Schmutzwasserleitung, die von der I...straße ausgehend durch die Grundstücke verläuft, dient der Fortleitung. Die die Grundstücke 194, 197 und 42 durchziehende Schmutzwasserleitung mag zwar auch der Entwässerung der Gebäude I...straße 13A bis 13E dienen. Sie führt jedoch ausgehend von dem Flurstück 51 durch die klägerischen Grundstücke und dient daher zumindest auch der Fortleitung. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das letztgenannte Grundstück im Eigentum der Klägerin steht und daher das Merkmal der Fortleitung fehlen könnte.
Die vom Landgericht angesetzte Flächen und der daraus resultierende Ausgleichsbeträge von 56.308,12 DM, 6.967,81 DM, 41.964,23 DM und 8.255,36 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 4.192,54 DM + 8.456,14 DM = 12.648,68 DM gezahlt, davon je 1.620,- € (die Hälfte aus 840,- € plus 2.400,- €) am 26. Januar 2010 und 10. Februar 2011.
ii.
lfd. Nr. 19 der Klage, Flur 20 Flurstücke 45, 188 und 186
Plan GA II S. 54: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss der Gebäude I...straße 15A bis 15E und dienen nicht der Fortleitung.
Auf den im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. November 2020 neuen Vortrag der Klägerin, dass der zusammenhängend dargestellte Baukörper unterschiedliche postalische Adressen und Aufgänge habe, kommt es nicht an.
jj.
lfd. Nr. 19 der Klage, Flur 20 Flurstück 45 und Flur 21 Flurstück 57
Pläne GA I S. 81 und GA II S. 51 und 54:
Im Bereich des Grundstücks 45 führt in nord-südlicher Richtung eine Schmutzwasserleitung von der I...straße (vgl. oben Flurstück 43) über Flurstücke 184 und 185 kommend über das Grundstück 45. Diese Leitung dient damit nicht ausschließlich der Entwässerung der
klägerischen Grundstücke und somit der Fortleitung. Das Landgericht hat diesen Teil ausgehend von den Darstellungen des Sachverständigen Dr. K... mit insgesamt 132 qm (121 qm + 11 qm) von insgesamt 324 qm angesetzt. Der für diese Gesamtfläche ermittelte Ausgleichsbetrag von 16.616,41 DM wird vom Beklagten nicht angegriffen. Aufgrund einer vom Senat nach § 287 ZPO vorzunehmenden quotalen Schätzung ergibt sich ein Ausgleichsbetrag von 6.769,65 DM.
Plan GA I S. 83: Die durch das Grundstück Flur 21 Flurstück 57 führende Leitung dient der Fortleitung. Die vom Landgericht angesetzte Fläche und der daraus resultierende Ausgleichsbetrag von 27.630,63 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 13.943,90 DM + 29.630,- DM = 43.573,90 DM gezahlt, davon je 5.910,- € (die Hälfte aus 2.220,- € plus 9.600,- €) am 26. Januar 2010 und 10. Februar 2011.
kk.
lfd. Nrn. 15 und 22 der Klage, Flur 21 Flurstücke 42 und 44
Plan GA I S. 85:
Die auf dem Flurstück 42 verlaufende Schmutzwasserleitung dient der Fortleitung. Eine (ausschließliche) Entwässerung der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke oder Gebäude ist nicht ersichtlich.
Auch die auf dem Flurstück 44 verlaufenden Leitungen dienen jedenfalls auch der Fortleitung von den benachbarten Grundstücken mit den Gebäuden Hausnummern 2A bis 2E und 1E. Dass sie damit ausschließlich der Entwässerung im Eigentum der Klägerin stehender Grundstücke oder Gebäude dienen, ist nicht ersichtlich.
Die vom Landgericht angesetzten Flächen und die daraus resultierende Ausgleichsbeträge von 7.589,86 DM, 80.431,97 DM, 37.509,29 DM und 92.608,28 DM werden vom Beklagten nicht angegriffen.
Hierauf hat der Beklagte – unter Berücksichtigung von in der Klage angeführten Zahlungen - ausweislich seines außergerichtlichen Schreibens vom 2. Oktober 2015 (Bl. 1019 d.A.) bereits 4.761,02 DM + 27.002,80 DM = 31.763,82 DM gezahlt, davon je 6.170,- € am 26. Januar 2010 und 10. Februar 2011.
ll.
lfd. Nr. 25 der Klage, Flur 21 Flurstück 46
Plan GA I S. 90: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss und dienen nicht der Fortleitung.
Auf die im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. November 2020 vorgenommene Einordnung der Klägerin, dass der Baukörper über fünf Hauseingänge mit unterschiedlichen Hausnummern verfügen, kommt es nicht an.
mm.
lfd. Nr. 28 der Klage, Flur 02 Flurstück 108
Plan GA I S. 94: Die Schmutzwasserleitungen bilden einen Hausanschluss und dienen nicht der Fortleitung.
Soweit die Klägerin erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 4. November 2020 vorträgt, die Leitung verlaufe von der B… Straße in das Flurstück 108, ist sie hiermit nach § 296a ZPO nicht zu hören. Ihre nunmehrige Behauptung deckt sich nicht mit den Darstellungen in den Plänen des Sachverständigen, in denen eine Fließrichtung nicht vermerkt ist. Jedoch ist der nunmehrige Vortrag der Klägerin nicht mit ihrem Vorbringen in der Klageschrift in Einklang zu bringen. Ausweislich der von ihr als Anlage K3 eingereichten Leitungspläne (Blatt 23 der Akte) ist die Fließrichtung vom Flurstück 108 in Richtung Straße vermerkt, so dass bis dato auch für die zeichnerischen Darstellungen des Sachverständigen von einer Entwässerung anzugehen ist.
nn.
lfd. Nr. 24 der Klage, Flur 20 Flurstück 201
Plan GA I S. 92
Die Parteien streiten darüber, ob die Leitung zum maßgeblichen Stichtag am 11. Januar 1995 vom Beklagten betrieben wurde.
Mit Schriftsatz vom 15. November 2010 (Bl. 166 d.A., in der Berufung fälschlich datiert auf „15.10.2010“) hat der Beklagte behauptet, dass die Leitungen durch Betonverschlüsse vom Netz getrennt seien und vom Beklagten seit seiner Gründung im Jahr 1992 zu keinem Zeitpunkt für die Ableitung von Schmutzwasser genutzt worden seien. Hierzu hat er Zeugenbeweis angeboten. Dem ist die Klägerin durch Bestreiten mit Nichtwissen entgegen getreten. Die Klägerin verweist in der Berufungserwiderung darauf, dass sie die Bestandspläne vom Beklagten erhalten habe. Zudem sei bei Ortsterminen festgestellt worden, dass die Schächte Nrn. 10 und 12 geöffnet seien. Daher habe der Sachverständige Dr. K... in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Parteien sich von der Existenz der Leitung überzeugen konnten. Gleichwohl hat, wie die Klägerin in der Berufungserwiderung ebenfalls darstellt, der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 26. Februar 2019 auch ausgeführt, dass er über den früheren Betrieb der Leitungen keine Aussagen treffen könne.
Das Landgericht hat hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, sondern diese Leitung lediglich in seine tabellarische Berechnung eingestellt.
Grundsätzlich ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet für die Tatbestandsvoraussetzungen des von ihr geltend gemachten Anspruchs. Somit hätte sie zu beweisen, dass diese Leitung am 11. Januar 1995 vom Beklagten betrieben worden ist. Beweis hierfür hat die Klägerin nicht angetreten. Selbst wenn man annehmen würde, dass den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast trifft, weil der Klägerin ein Einblick in den Betrieb des Beklagten nicht möglich ist, verbleibt die Beweislast gleichwohl bei der Klägerin. Einer eventuellen sekundären Darlegungslast hat der Beklagte genügt. Er hat behauptet, dass die Schmutzwasserleitung auf beiden Seiten durch Beton verschlossen worden sei; er habe die Leitung nach 1992 niemals betrieben. Mögen auch angesichts der von ihm an die Klägerin übergebenen Pläne oder auch den Ausführungen der Klägerin zum Ortstermin mit dem Sachverständigen geringe Zweifel an dieser Darstellung bestehen können, genügt es nicht, die Darstellung des Beklagten zu erschüttern, um den der Klägerin obliegenden Vollbeweis zu erbringen. Insbesondere aber auch den ihr zumutbaren Sachverständigenbeweis, dass die Leitung jedenfalls nicht zum Stichtag verschlossen war, hat sie nicht angeboten.
Die Ausführungen der Klägerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. November 2020 bieten keinen Anlass, von dem Tatbestandsmerkmal des Betreibens in § 9 Abs. 1 S. 1 GBBerG (“...die jeweilige Anlage bei Inkrafttreten dieser Vorschrift betreibt,...“) abzusehen.
3.
Die vorstehend dargestellten Schmutzwasserleitungen, soweit sie der Fortleitung dienen, sind Anlagen der vom Beklagten betriebenen öffentlichen Abwasserbeseitigung (§ 9 Abs. 1 GBBerG). Für das Betreiben einer Abwasserleitung ist kein aktives Tun erforderlich, die Verbindung mit dem Leitungsnetz des Beklagten genügt. Vielmehr ist entscheidend – was der Beklagte ebenfalls in Abrede stellt –, ob es sich um öffentliche Abwasserleitungen handelt, ohne dass es sich hierbei um eine „öffentliche Einrichtung“ handeln muss (§ 9 Abs. 9 S. 1 Nr. 1 GBBerG in Verbindung mit § 1 SachenR-DV). Das ist vorliegend der Fall.
a.
Nach der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für den Anschluss von Grundstücken und für die Einleitung von Abwasser in die öffentlichen Abwasseranlagen – Abwassereinleitungsbedingungen – vom 10. Januar 1972, Gesetzblatt der DDR 1972, Teil II S. 85 (im Folgenden AEB 1972) handelte es sich um öffentliche Abwasseranlagen. Änderungen durch die AEB 1978 vom 20. Juli 1978 (dort § 21 Abs. 4) bzw. AEB 1987 vom 22. Dezember 1987 (dort § 26 Abs. 2) ergaben sich nicht.
Hiernach sind die der Allgemeinheit dienenden Anlagen zur Ableitung und Behandlung häuslicher Abwässer bis zur Einleitungsstelle öffentliche Abwasseranlagen (§ 2 Abs. 2 AEB 1972). Einleitungsstelle ist der erste an der öffentlichen Straße gelegene Revisionsschacht und ohne solchen die der öffentlichen Straße nächstgelegene Außenkante des Gebäudes. Lagen diese Voraussetzungen vor, gehörten die Leitungen zur öffentlichen Aufgabe der Schmutzwasserentsorgung, ohne dass es auf die Parzellierung der Grundstücke ankam (vgl. hierzu auch OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 10. April 2019, Az. OVG 9 S 1.19).
b.
Die Überleitung in bundesdeutsches Recht zum 3. Oktober 1990 hat den Charakter und Status der öffentlichen Abwasseranlage zunächst nicht geändert (vgl. OVG Greifswald Beschluss vom 1. Oktober 2014, Az. 3 L 138/11). Die zuvor betriebenen Anlagen befanden sich nicht in kommunaler Trägerschaft, weil die zunächst auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorhandenen kommunalen Abwassereinrichtungen durch die Anordnung über die Bildung der VEB (X) vom 23. März 1964 (GBl. III Nr. 20 S. 206) den Kommunen entzogen und die Anlagen den VEB (X) (W…) übertragen wurden (OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 12. April 2001, Az. 2 D 73/00.NE, S. 14 f. UA.) mit der Folge, dass es auf dem Gebiet der damaligen DDR - rechtlich - keine kommunalen Wasser- bzw. Abwasseranlagen mehr gab. Erst infolge des Einigungsvertrages sind Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wieder zu Aufgaben der durch die DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 neu konstituierten Kommunen geworden, so dass öffentliche Einrichtungen der Kommunen in diesem Aufgabenbereich neu entstehen konnten. Eine rechtliche Kontinuität der kommunalen Einrichtungen besteht daher selbst insoweit nicht, wie eine Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist. Vielmehr sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand. Für die Eingliederung ist nicht notwendig, dass die Kommunen das Eigentum an den technischen Anlagen erlangt haben. Es genügt eine - nicht formgebundene - Widmung, durch die die Kommune die Zweckbestimmung der jeweiligen Anlage bzw. Anlagenteile und ihre öffentlich-rechtliche Sachherrschaft zum Ausdruck bringt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2012, OVG 9 S 9.12, Rn. 3 - 4, juris). Die als Landesrecht fortgeltenden Vorschriften des Wassergesetzes der DDR (Art. 9 Abs. 1 S. 1 EV in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 GG; vgl. BVerwG Beschluss vom 13. Januar 2016, Az. 7 B 12/15) wurden im Land Brandenburg durch das Wassergesetz vom 13. Juli 1994 abgelöst, nach dessen § 66 Abs. 1 BbgWG die Gemeinden die Aufgaben haben, Abwasser zu entsorgen und die hierfür erforderlichen Anlagen zu betreiben.
Die VEB (X) (im Folgenden: VEB (W…) sind nach § 11 Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 (DDR-GBl. I. S. 300) in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt worden. An diesen privatrechtlichen Gesellschaften waren die Kommunen nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 Kommunalvermögensgesetz vom 6. Juli 1990 (DDR-GBl. I S. 660) beteiligt und hielten deren Anteile. Beispielsweise im Freistaat Thüringen wurde dieses Auseinanderfallen in der Weise beendet, dass auf Grundlage der am 30. Dezember 1992 geschlossenen sog. „Bockschen Verträge“ zum 31. Dezember 1992 in der Regel zweckverbandsbezogene Teilbetriebe gebildet wurden. Diese wurden zum 1. Januar 1993 unmittelbar auf die zuvor gebildeten Zweckverbände übertragen (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 24. August 2017 – 4 KO 391/14 –, Rn. 55, juris). Der 2. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2019 – 2 U 66/17 –, Rn. 18, juris) hat festgestellt, dass im Land Brandenburg die Eigentumsübertragung bzgl. der Anlagen auch durch (Notar-)Vertrag erfolgte.
Die Stadt T... gehörte ehemals zum DDR-Bezirk Potsdam. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat im Urteil vom 09. April 2008 (Az. – 8 K 1336/03 –, Rn. 28 - 30, juris) festgehalten:
Im ehemaligen DDR-Bezirk Potsdam führte die P (2)unternehmen GmbH (im Folgenden: P2) als Treuhandgesellschaft die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung in der Nachfolge des VEB (Y) bis zur Kommunalisierung des Anlagenbestandes und Neuorganisation der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung fort. In der Gesellschafterversammlung der P2 am 17. Juni 1993 wurde die Auflösung der P2 GmbH mit Wirkung zum 30. Juni 1993 beschlossen. Bestandteil des Auflösungsbeschlusses ist die Begründung:
„Dieser Beschluss wird zur Entflechtung der P2 gefasst und zur Übertragung der Betriebe und Anlagen der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung auf die Zweckverbände, Städte und Gemeinden. Die Betriebe und Anlagen sollen als lebende Einrichtung bis zur Übertragung so weitergeführt werden, wie dies dem Interesse der Bürger entspricht.“
Mit notariellem Übertragungsvertrag vom 8. April 1993 war bereits zuvor die Eigentümergemeinschaft Wasser/Abwasser Havelland e. V. anstelle der Treuhandanstalt alleinige Gesellschafterin der P2 geworden (vgl. Kähler, a.a.O., S. 212 ff.). Die Eigentümergemeinschaft ihrerseits bestand aus sämtlichen Städten und Gemeinden im Gebiet des ehemaligen Bezirks Potsdam mit einer Einwohnerzahl von mindestens 10.000 (vgl. Kähler, a.a.O. S. 216) und war nach § 2 ihrer Vereinssatzung verpflichtet, Organisationskonzepte für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu erarbeiten, die die Ver- und Entsorgungssicherheit gewährleisten (Kähler, a.a.O. S. 189 f.). Dabei hatte sich die Eigentümergemeinschaft von dem Ziel der Stärkung einer eigenverantwortlichen gemeindlichen Aufgabenerfüllung unter Berücksichtigung interkommunaler Kooperationsformen leiten zu lassen. Die Eigentümergemeinschaft sollte Grundsätze für eine Aufteilung des Vermögens auf ihre Mitglieder erarbeiten. Sie hatte die Umsetzung genehmigter Organisationskonzepte zu bewirken und das Vermögen der Gesellschaft durch Übertragung auf die Gemeinden und von diesen gemeinsam gebildeten Aufgabenträgern zu entflechten.
Demgegenüber trägt der Beklagte nichts vor, das gegen eine Übertragung der ehemals dem VEB (Y) zugeordneten streitigen Leitungen auf ihn sprechen könnte. Vielmehr ist auch nach Ansicht des Beklagten das Leitungsnetz jedenfalls in Teilbereichen von dem privatrechtlichen Nachfolger des VEB (Y) auf ihn übergangen. Diesen privatrechtlichen Übergang hat der Beklagte lediglich pauschal und nicht so konkret dargelegt, dass festgestellt werden könnte, dass für das hier maßgeblichen Gebiet nicht sämtliche zuvor dem VEB (Y) und dessen Rechtsnachfolger zugeordneten Leitungsnetze auf ihn übergegangen sind. Die Satzung des Beklagten genügt hierfür nicht, da er als Zweckverband den Bestand des Leitungsnetzes aus seinen (Gründungs-)Mitgliedern übernommen hat und in Betracht kommt, dass privatrechtlich die Stadt T... das Leitungsnetz von der P2 Potsdam übernommen und vollständig in den Beklagten eingebracht hat. Des Weiteren ist nichts dafür ersichtlich, dass nur Teilbereiche aus dem Rechtsnachfolger des VEB (2) privatrechtlich auf den Beklagten oder die Stadt T... übertragen und andere - die streitgegenständlichen Leitungen - bei dem (später liquidierten) Rechtsnachfolger des VEB (2) verblieben sind. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung auf die Klägerin behauptet der Beklagte nicht.
Auch wenn somit - rechtlich - keine Anlagenidentität oder -kontinuität bestand und Wasserversorgung bzw. Abwasserbeseitigung schon vor der Neuentstehung der öffentlichen Einrichtung technisch gewährleistet worden ist, sind die alten technischen Anlagen in die neuen rechtlichen Einrichtungen eingegliedert worden und bildeten deren Anfangsbestand (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. November 2013 – OVG 9 B 35.12 –, Rn. 25, juris). Obliegt der Gemeinde eine bestimmte gemeindliche Aufgabe – wie vorliegend die der Schmutzwasserentsorgung – und verfügt die Gemeinde über eine Anlage, durch deren Zurverfügungstellung die Gemeinde diese Aufgaben erfüllen kann, so besteht eine Widmungsvermutung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2013, Az. OVG 9 S 1.13).
Zum maßgeblichen Stichtag 3. Oktober 1990 ist daher von einer öffentlichen Anlage der Abwasserentsorgung auszugehen. Zutreffend geht der Beklagte in seiner Berufung davon aus, dass der Stadt T... jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Abwasserentsorgung als Selbstverwaltungsaufgabe oblag. Infolge der Widmungsvermutung handelte es sich um eine öffentliche Abwasserentsorgungsanlage der Stadt T.... Letztlich geht auch der Beklagte von einer solchen (konkludenten) Widmung aus, weil er grundsätzlich in seiner Gründung die Übertragung des öffentlichen Abwassernetzes von der Stadt T... auf sich erblickt; der Beklagte geht lediglich von einem geringeren Umfang des öffentlichen Leitungsnetzes aus, ohne dass hierdurch die (konkludente) Widmung an sich in Frage gestellt wird.
c.
Hiervon ist auch für den weiteren maßgeblichen Stichtag am 11. Januar 1995 auszugehen. Durch den Beitritt der Stadt T... zum Beklagten als dessen Gründungsmitglied mit Wirkung zum 5. September 1992 hat sich an dem Charakter der zuvor öffentlichen Abwasserentsorgung nichts geändert; sie wird seitdem lediglich vom Beklagten betrieben, ohne dass ersichtlich ist, dass die Stadt T... einen Teil des öffentlichen Abwassernetzes selber weiter betreiben wollte und tatsächlich betreibt. Anhaltspunkte für eine Entwidmung durch die Stadt T... oder den Beklagten bestehen nicht (vgl. hierzu und zum Vorstehenden auch: OLG Dresden Urteil vom 5. Dezember 2018, Az. 1 U 1066/16, Rn. 31 ff.). Insbesondere erfolgt auch durch die Satzung des Beklagten keine Entwidmung der streitgegenständlichen Leitungen. Soweit die Satzung des Beklagten jedenfalls Teile des Leitungsnetzes ausdrücklich umfasst – um diese Leitungen geht es im vorliegenden Rechtsstreit nicht –, könnte von einer Widmung ausgegangen werden. Dass im Übrigen mit der Nichtaufnahme der Leitungen eine Endwidmung erfolgen sollte, lässt sich der Satzung des Beklagten nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen (vgl. OLG Dresden a.a.O.).
Wegen der – hier nicht entscheidungserheblichen – eigentumsrechtlichen Wirkung der Satzung verweist der Senat auf den Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 10. September 2018 (Az. OVG 9 A 1.18). Auf die Eigentumsverhältnisse an den einzelnen Teilen der Anlage kommt es für die Frage, ob es sich um eine öffentliche Abwasseranlage handelt, grundsätzlich nicht an (vgl. BVerwG Beschluss vom 13. Januar 2016, Az. 7 B 3/15).
4.
Der Höhe nach ergeben sich hieraus folgende Ansprüche.
Nr. | lfd. Nr. der Klage | Flur | Flur- | Anspruch in DM | Zahlung vom 26.01.2010 (Anlage K11) | Zahlung vom 10.02.2011 | Zahlung insgesamt DM (Bl. 1019/1021) | durch Zahlung erloschen (in DM) | offener Anspruch |
Summe in DM | 519.292,97 | 258.345,76 | 225.512,97 | 293.780,00 | |||||
Summe in € | 265.510,28 € | 18.000,00 € | 18.000,00 € | 115.302,95 € | 150.207,33 € | ||||
aa. | 2 und 3 | 12 | 2065 bis 2068 | 8.938,52 | 3.600,00 € | 3.600,00 € | 13.956,38 | 8.938,52 | 0,00 |
25.533,38 | 35.885,44 | 25.533,38 | 0,00 | ||||||
bb. | 1 | 12 | 2407 | 0,00 | |||||
cc. | 4 bis 9 | 12 | 2408 etc. | 0,00 | |||||
dd. | 27 bis 37 | 12 | 2403 bis 2405 | 0,00 | |||||
ee. | 26 | 12 | ehe. 265 | 47.123,75 | 700,00 € | 700,00 € | 55.413,00 | 47.123,75 | 0,00 |
ff. | 39 | 12 | 1146 | 71.662,12 | 65.104,54 | 65.104,54 | 6.557,58 | ||
gg. | 40 bis 41 | 12 | 1149 bis 1150 | 0,00 | |||||
hh. | 15 u. 11 | 20 | 42, 43, 194, 195 | 56.308,12 | 1.620,00 € | 1.620,00 € | 4.192,54 | 4.192,54 | 52.115,58 |
6.967,81 | 6.967,81 | ||||||||
41.964,23 | 8.456,14 | 8.456,14 | 33.508,09 | ||||||
8.255,36 | 8.255,36 | ||||||||
ii. | 19 | 20 | 45, 188, 186 | 0,00 | |||||
jj. | 19 | 20 | 45 | 6.769,65 | 1.110,00 € | 1.110,00 € | 13.943,90 | 6.769,65 | 0,00 |
21 | 57 | 27.630,63 | 4.800,00 € | 4.800,00 € | 29.630,00 | 27.630,63 | 0,00 | ||
kk. | 15 u. 22 | 21 | 42 u. 44 | 7.589,86 | 6.170,00 € | 6.170,00 € | 4.761,02 | 4.761,02 | 2.828,84 |
80.431,97 | 27.002,80 | 27.002,80 | 53.429,17 | ||||||
37.509,29 | 37.509,29 | ||||||||
92.608,28 | 92.608,28 | ||||||||
ll. | 25 | 21 | 46 | 0,00 | |||||
mm. | 28 | 2 | 108 | 0,00 | |||||
nn | 24 | 20 | 201 | 0,00 |
Insgesamt ergibt sich hieraus, dass der Klägerin Ansprüche in Höhe von insgesamt 519.292,97 DM (= 265.510,28 €) zustanden. Hierauf hat der Beklagte insgesamt 225.512,97 DM (= 115.302,95 €) gezahlt hat, so dass klägerischen Ansprüche in Höhe von weiteren 150.207,33 € bestehen. Soweit die Rechtsaufassung des Senats dazu führen kann, dass geltend Ansprüche der Klägerin für einzelne Leitungen/Flurstücke nicht bestehen und der Beklagte gleichwohl Zahlungen hierauf geleistet hat, führt dies nicht zu einer anderen Verrechnung. Nach Erklärung des Beklagten im Schreiben vom 2. Oktober 2015 ist die Zahlung für einzeln bezeichnete Flurstücke, für die jeweils ein gesonderter Ausgleichsanspruch im Rechtssinne bestand, erfolgt; es handelt es sich nicht lediglich um Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs.
5.
Die Zinsentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 288 Abs. 2 a.F., 286 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs aus § 9 Abs. 3 GBBerG war am 1. Januar 2011 kalendermäßig bestimmt (vgl. Schmidt-Ränsch, ZfIR 2011 S. 703).
Nach Fälligkeit der ersten Hälfte des Zahlungsanspruchs aus § 9 Abs. 3 GBBerG in Höhe von 132.755,14 € und Mahnung standen der Kläger am dem 11. Dezember 2008 entsprechende Verzugszinsen zu. Mit der Zahlung vom 26. Januar 2010 in Höhe von 18.000,- € sind sie nur noch aus dem dann noch offenen Betrag von 114.755,14 € zu berechnen. Mit Fälligkeit der zweiten Hälfte am 1. Januar 2011 berechnete sich der Zinsanspruch folglich aus einem Betrag von 247.510,28 €, mit Zahlung weiterer 18.000,- € am 11. Februar 2011 aus 229.510,28 € und nach der Zahlung vom 14. Oktober 2015 aus dem tenorierten Betrag. Der Beklagte hat auf die Zinsen einen Betrag gezahlt, der bei der Tenorierung der Zinsen als Abzug zu berücksichtigen ist.
6.
Soweit die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 4. November 2020 ihre Ansprüche erneut bewertet und deren Höhe auch unter Berücksichtigung der Zahlungen darstellt, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Gründe für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO bestehen nicht.
7.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 1, 91a, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit infolge Zahlung des Beklagten teilweise für erledigt erklärt haben, waren die Kosten anteilig dem Beklagten aufzuerlegen.
8.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 534 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu, weil er den aufgeworfenen Rechtsfragen zu § 9 GBBerG grundsätzliche Bedeutung zumisst.
9.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 415.020,32 € (entspricht Verurteilung durch das Landgericht: 608.171,56 € abzgl. gezahlter 154.851,24 € sowie 2 x 19.150,00 €).