Gericht | VG Cottbus 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 13.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 1 L 369/21 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1213.1L369.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 S 2 VwGO, § 32 Abs 2 S 3 KomVerf BB, § 34 BGB |
1. Im Wege einer einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller weiterhin Mitglied der Antragsgegnerin ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, § 123 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), ist zulässig und begründet.
I. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller besitzt insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis für die verwaltungsgerichtliche Eilentscheidung.
Das sinngemäße Vorbringen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 26. November 2021 (S. 4 unter 4.), der Antragsteller habe seiner „Schadensminderungspflicht“ zuwider gehandelt, weil er vor Antragstellung bei Gericht auf der ordentlichen Fraktionssitzung am 18. November 2021 keine Bedenken gegen seinen Ausschluss aus der Fraktion vorgebracht habe, greift nicht.
Das Rechtsschutzbedürfnis würde dem Antragsteller in dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nur dann fehlen, wenn ihm der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung offensichtlich keinerlei rechtliche Vorteile bieten würde, insbesondere auch deshalb nicht, weil es für ihn eine einfachere Möglichkeit gibt, die befürchteten Rechtsnachteile abzuwenden (vgl. etwa Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2021, Vorb. § 40 Rn. 30, 38 m. w. N.). Für einen dahingehenden Missbrauch prozessualer Rechte anlog § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch den Antragsteller ist hier nichts ersichtlich und deren Voraussetzungen werden von der Antragsgegnerin auch nicht hinreichend dargelegt. Ihr Fraktionsvorsitzender hat den Antragsteller mit E-Mail vom 03. November 2021 lediglich „kurz über die Entscheidung der Kreistagsfraktion zu (seinem) … Ausschluss“ in Kenntnis gesetzt, jedoch weder die konkrete Entscheidung noch die Gründe hierfür oder ansonsten weitere Einzelheiten zu dem Fraktionsausschluss mitgeteilt. Schon diese Verfahrensweise deutet darauf, dass eine lösungsorientierte Aussprache zwischen dem Antragsteller und der Fraktion der AfD im Kreistag des Landkreises D ... nicht mehr möglich ist und sie lässt es als fernliegend erscheinen, dass dem Antragsteller am 18. November 2021 oder bei einer nachfolgenden Fraktionssitzung auch nur Zutritt, geschweige denn ein Rederecht gewährt worden wäre; vollends abwegig erscheint es anzunehmen, dass die Fraktion ihre Entscheidung revidiert hätte. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass der Antragsteller im Rats- und Bürgerinformationssystem des Landkreises bereits als Mitglied der Fraktion der AfD gelöscht ist und in der Rubrik „fraktionsloses Mitglied“ geführt wird.
Aus entsprechenden Gründen kann keine Rede davon sein, dass der Antragsteller durch sein Nichterscheinen in der Sitzung der Fraktion gezeigt habe, die Entscheidung über seinen Ausschluss zu akzeptieren (Antragserwiderung, S. 5 unter Punkt 5. sowie auf S. 6 unter 11.).
Die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 18. November 2021 scheitert schließlich nicht an einer, wie die Antragsgegnerin meint, "schuldhaft verzögerten" Antragstellung. Der Antrag nach § 123 VwGO ist nicht fristgebunden und es kann weder die Rede davon sein, dass der Antragsteller die behauptete Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung durch sein eigenes Verhalten widerlegt noch dass er sein Recht zur Geltendmachung seiner verfahrensmäßigen Rechte verwirkt habe; im Gegenteil bietet die Zeitspanne zwischen der (rudimentären) Information des Antragstellers über seinen Fraktionsausschluss und der gerichtlichen Antragstellung von etwa zwei Wochen unter Berücksichtigung der erforderlichen Überdenkens- und Vorbereitungszeit keine Veranlassung, ein Verwirkung prozessualer Rechte unter diesem Aspekt auch nur zu erwägen.
Schließlich würde das Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Eilentscheidung auch nicht zweifelhaft erscheinen, wenn der Antragsteller – was Presseberichte (vgl. etwa MAZ-online vom 19. Oktober 2021 „D ... : Nach Schwindel-Vorwurf – Ex-Afd-Mann will Ausschussvorsitz im Kreistag zurück“) nahelegen – bereits im Oktober 2021 aus der Partei Alternative für Deutschland ausgetreten sein sollte. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung der Fraktion der Alternative für Deutschland im Kreistag D ... Wahlperiode 2019 – 2024 (nachfolgend bezeichnet als: GeschäftsordnungAfD – GOAfD) bilden zwar die Partei- und Kreistagsmitglieder die Fraktion, nach § 2 Abs. 2 GOAfD ist die Fraktion allerdings befugt, auch Parteilose und sogar Mitglieder anderer Parteien, die dem Kreistag angehörig sind, „als vollständige Mitglieder aufzunehmen“.
II. Das Gericht entspricht dem Antrag auch in der Sache. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO liegen vor.
Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung kommt danach nur in Betracht, wenn der Rechtsschutzsuchende die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht (Anordnungsgrund) und einen materiellen Anspruch auf Erlass der begehrten Regelung (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).
1. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Sein Ausschluss aus der Fraktion erweist sich auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten und der von ihnen vorgelegten Unterlagen schon aus formellen Gründen – und losgelöst von der materiell-rechtlichen Frage, ob der hierfür erforderliche wichtige Grund gegeben wäre – als offensichtlich unwirksam, vgl. § 125 S. 1 BGB.
Es obliegt primär der kommunalen Fraktion selbst, ihre fraktionsinternen Rechtsbeziehungen zu regeln, sofern diese Regelungen den demokratischen und rechtsstaatlichen Mindeststandard wahren, vgl. § 32 Abs. 2 S. 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg
(BbgKVerf). Fehlt es an fraktionsinternen Regelungen, ist in Anlehnung an Rechtsvorschriften, die das persönliche Zusammenwirken in Dauerrechtsverhältnissen regeln, etwa das bürgerlich-rechtliche Vereinsrecht nach §§ 32 ff. BGB, zu klären, welche demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen bei dem Ausschluss eines Fraktionsmitgliedes zu wahren sind.
Die Geschäftsordnung AfD sieht als Ordnungsmaßnahme bei Mitgliedern, „die den Vorschriften dieser Satzung zuwiderhandeln“, unter anderem den Ausschluss aus der Fraktion vor, § 15 Abs. 1 lit. b) GOAfD. Nach § 15 Abs. 2 GOAfD entscheidet über Ordnungsmaßnahmen die Fraktionsversammlung – die aus den Fraktionsmitgliedern im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 GOAfD besteht, § 5 Abs. 1 S. 2 GOAfD – im Grundsatz mit der (einfachen) Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, § 15 Abs. 2 S. 1 GOAfD; ein Ausschluss aus der Fraktion bedarf eines schriftlichen begründeten Antrages, der vorherigen Anhörung des Auszuschließenden und einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder, § 15 Abs. 2 S. 2 GOAfD.
Die letztgenannte Vorschrift entspricht damit weitgehend den Anforderungen der Rechtsprechung, wonach dem Ausschluss eines Fraktionsmitglieds dessen Anhörung vorausgehen muss und zu der Sitzung, in der über die Ausschließung befunden werden soll (in Anlehnung an die Regelung des Vereinsrechts, § 32 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach es zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich ist, dass der „Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird“), sämtliche Fraktionsmitglieder eine Ladung unter Benennung dieses Punktes der Tagesordnung erhalten müssen (etwa: OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26. Februar 2018 – 15 B 19/18 –, juris Rn. 11 unter Verweis auf Beschl. v. 20. Juli 1992 – 15 B 1643/92 –, juris Rn. 17; Bayerischer VGH, Beschl. v. 10. April 2018 – 4 CE 17.2450 –, juris Rn. 30; Bayerischer VGH, Beschl. v. 24. November 1988 – 4 CE 88.2620 –, juris [nur LS] und NVwZ 1989, 494 ff.). Nur wenn den Fraktionsmitgliedern die Beratungsgegenstände rechtzeitig mitgeteilt werden, ist gewährleistet, dass sie – insbesondere aber das vom bevorstehenden Ausschluss betroffene Mitglied selbst – entscheiden können, ob sie im Hinblick auf die Bedeutung des Ausschlusses an der Sitzung teilnehmen wollen. In der Literatur und Rechtsprechung zum Vereinsrecht ist daher anerkannt, dass der Ausschluss eines Mitglieds bei Fehlen besonderer Satzungsbestimmungen nur zulässig ist, wenn bei der Einberufung der Sitzung der Tagesordnungspunkt hinreichend genannt ist, wobei “Verschiedenes” nicht genügt, wohl aber (ohne Namensnennung) “Ausschluss eines Mitglieds" (Bayerischer VGH, Beschl. v. 24. November 1988 – 4 CE 88.2620 –, juris [nur LS] und NVwZ 1989, 494 ff.).
Hiervon ausgehend ist über das Begehren, den Antragsteller von der Mitgliedschaft in der Fraktion der Alternative für Deutschland im Kreistag des Landkreises D ... auszuschließen, in der Fraktionssitzung vom 01. November 2021 offensichtlich verfahrensfehlerhaft befunden worden.
Zwar war die Fraktion in ihrer Sitzung am 01. November 2021 beschlussfähig, weil mit vier Fraktionsmitgliedern in jedem Fall mehr als die Hälfte der Fraktionsmitglieder anwesend waren, § 13 Abs. 2 GOAfD, ohne dass es auf die von den Beteiligten problematisierte Frage ankäme, ob die Fraktion zu diesem Zeitpunkt aus sechs, oder – mit Blick auf eine Aufnahme des Kreistagsmitglieds J ... in der Fraktionssitzung vom 08. Oktober 2021 – bereits sieben Fraktionsmitgliedern bestand. Die „Wiederholung der Abstimmung zur Formfehlerheilung“ („Ergebnisprotokoll“ der Sitzung vom 01. November 2021, S. 2/3) über den Ausschluss des Antragstellers aus der Fraktion am 01. November 2021 hat ebenfalls die nach § 15 Abs. 2 S. 2 GOAfD erforderliche qualifizierte Mehrheit gefunden, weil alle vier anwesenden Fraktionsmitglieder für den Ausschluss des Antragstellers votierten.
Die Antragsgegnerin hat nach derzeitigem Sachstand jedoch bereits gegen das von ihr selbst gesetzte Recht verstoßen, weil der Ausschluss des Antragstellers am 01. November 2021 entgegen § 15 Abs. 2 S. 2 GOAfD nicht auf Grund eines schriftlichen begründeten Antrags erfolgte.
Die von Seiten des Antragstellers und der Antragsgegnerin, diese auf die gerichtliche Verfügung vom 30. November 2021, vorgelegten Unterlagen (vgl. Bl. 69 des Klageverfahrens VG 1 ... ) belegen, dass auch der Sitzung der Antragsgegnerin vom 01. November 2021 der Antrag auf Ausschluss des Antragstellers vom 08. Oktober 2021 zu Grund lag. Dieses Dokument genügt den Anforderungen an einen schriftlichen begründeten Antrag nach § 15 Abs. 2 S. 2 GOAfD selbst dann nicht, wenn die Kammer davon ausginge, dass die Begründung dem Antragsteller noch hinreichend die Möglichkeit bot, sich mit möglichen Vorwürfen oder Bedenken auseinander zu setzen, um einem entsprechenden Antrag entgegentreten zu können (VG Gera, Beschl. v. 12. Januar 2021 – 2 E 1869/20 Ge –, juris Rn. 31).
Jedenfalls für die entscheidende Fraktionssitzung am 01. November 2021 fehlte es an einem „schriftlichen, begründeten Antrag“. Die Abstimmung vom 08. Oktober 2021 auf den Antrag vom selben Tag ergab nicht die von § 15 Abs. 2 S. 2 GOAfD geforderte qualifizierte Mehrheit und die dem Gericht vorliegenden Unterlagen lassen jedenfalls – und losgelöst von der Frage, ob der einmal abgelehnte Antrag ohne Weiteres erneut zur Abstimmung gestellt werden kann – nicht hinreichend deutlich erkennen, dass der Antrag vom 08. Oktober 2021 auch für die Fraktionssitzung am 01. November 2021 rechtserheblich sein würde. Insbesondere ist eine sachliche Beziehung zwischen den Rubriken „nächster Termin“ und „Anlagen“ in dem stichwortartigen „Ergebnisprotokoll“ vom 08. Oktober 2021 nicht hinreichend ersichtlich und die Tagesordnung für die Sitzung der Fraktion am 01. November 2021 verzeichnet einen entsprechenden Tagesordnungspunkt nicht.
Die Fraktionsmitglieder sind darüber hinaus nicht den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechend geladen worden, weil die Einladung der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden vom 25. Oktober 2021 nicht ansatzweise erkennen lässt, dass in der anstehenden Fraktionssitzung am 01. November 2021 nochmals über den Ausschluss des Antragstellers aus der Fraktion befunden werden sollte. Anders als die Antragsgegnerin möglicherweise annimmt, kann § 11 Nr. 1 GOAfD, wonach die Fraktionsversammlung vor Eintritt die Sitzung beschließen kann, die Tagesordnung unter anderem zu ändern und zu erweitern, im Falle eines Fraktionsausschlusses mit Blick auf dessen herausragende Bedeutung keine Anwendung finden. Auch trägt die Auffassung der Antragsgegnerin, eine „erneute Aufnahme als Tagesordnungspunkt“ sei nicht erforderlich gewesen, weil der Antragsteller bereits am 08. Oktober 2021 von seinem Anhörungsrecht Gebrauch gemacht habe, nicht. Unabhängig davon, dass auch die Tagesordnung vom 05. Oktober 2021 für die Fraktionssitzung am 08. Oktober 2021 („Sachstand und weiterer Umgang mit R ... “) nicht hinreichend konkret erkennen ließ, dass auch ein Ausschluss des Antragstellers beschlossen werden könnte – was zu diesem Zeitpunkt auch nicht der Fall war, weil der Antrag selbst vom 08. Oktober 2021 datiert –, stehen die rechtsstaatlichen Anforderungen an eine Tagesordnung und an eine Anhörung des betroffenen Fraktionsmitglieds selbstständig nebeneinander.
Dem Antragsteller ist hierdurch zugleich das rechtliche Gehör versagt worden, weil er nicht (nochmals) nach § 15 Abs. 2 S. 2 GO angehört wurde. Vielmehr konnte der Antragsteller seiner unbestrittenen Behauptung nach an diesem Tag aus gewichtigen persönlichen Gründen an der Sitzung nicht teilnehmen und sich zu dem Fraktionsausschluss auch nicht erklären. Eine eventuelle Anhörung des Antragstellers in der Fraktionssitzung vom 08. Oktober 2021 war schon deshalb nicht hinreichend, weil der Antrag auf Ausschluss des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheit gefunden hatte und nicht ersichtlich war, dass die Fraktion dieses Ziel weiter verfolgen würde.
Die Beschlussfassung am 01. November 2021 war, darauf ist angesichts der Antragserwiderung hinzuweisen, auch dann formell fehlerhaft, wenn der Antragsteller (und ggf. weitere Personen) an diesem Tag von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen wäre(n).
Zwar trägt die Auffassung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe einem kommunalrechtlichen Mitwirkungsverbot für ehrenamtlich Tätige nach § 22 BbgKVerf unterlegen, schon deshalb nicht, weil die Verbote der Absätze 1 und 2 nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 BbgKVerf nicht bei Beschlüssen über die „Berufung oder Abberufung“ ehrenamtlich Tätiger – der Ausschluss aus der Fraktion aber wäre ein Beschluss „über die Abberufung“ – gelten (zum Hintergrund Grünewald in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und Kommunales Finanzrecht in Brandenburg, Juli 2018, § 22 BbgKVerf Rn. 38 und Schumacher in: Schumacher/Benedens/Erdmann, etc., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Juli 2009, Nr. 6.2); wohl aber könnte sich – ohne dass es vorliegend einer abschließenden Entscheidung dazu bedürfte – ein Mitwirkungsverbot aus dem entsprechend anwendbaren § 34 BGB ergeben, wonach das Mitglied eines Vereins nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft (so zumindest explizit zum Fraktionsausschluss: Bayerischer VGH, Beschl. v. 10. April 2018 – 4 CE 17.2450 –, juris Rn. 25; demgegenüber: Mansel in: Jauernig, BGB, 18. Aufl. 2021, § 34 Rn. 2 unter Verweis auf RG, Urt. v. 14. März 1922 – II 472/21 –, juris [§ 34 BGB verbietet nicht das Mitstimmen des Mitglieds bei eigener Wahl/Abwahl]; ebenso: Dörner in: Schulze, BGB, 11. Aufl. 2021, § 34 Rn. 1; allg. zur Anwendbarkeit auf Körperschaften des öffentlichen Rechts, etwa Jagdgenossenschaften, und Gemeinderatsfraktionen: Notz in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Beck/OK BGB, 01. Juli 2019, § 34 BGB m. w. N.; Leuschner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 34 Rn. 2; vgl. auch: ArbG Kiel, Urt. v. 17. April 2014 – 1 Ca 1872 c/13 –, juris Rn. 18 [Kündigung einer Fraktionsgeschäftsführerin]).
Ein etwaiges Mitwirkungsverbot für das von einem Ausschluss bedrohte Fraktionsmitglied stand dessen Recht auf Teilnahme an der betreffenden Fraktionssitzung allerdings selbstverständlich nicht entgegen und befreite die Antragsgegnerin ebenfalls nicht davon, die vorausgehenden rechtsstaatlichen formellen Anforderungen eines Fraktionsausschlusses einzuhalten.
2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht, wobei offen bleiben kann, ob insoweit maßgeblich auf die subjektiven Rechte des Fraktionsmitglieds oder angesichts des kommunalverfassungsrechtlichen Organstreitverfahrens auf innerorganisatorische Kompetenzen abzustellen ist, die dem Antragsteller als Fraktionsmitglied im Interesse des Landkreises zugewiesen sind, § 131 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 32 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf (vgl. auf der einen Seite etwa: VG Osnabrück, Beschl. v. 17. Oktober 2008 – 1 B 27/08 –, juris Rn. 29; VG Lüneburg, Beschl. v. 08. August 2005 – 5 B 34/05 –, juris Rn. 11; auf der anderen Seite etwa: VG Düsseldorf, Beschl. v. 18. Dezember 2017 – 1 L 5127/17 –, juris Rn. 8; VG Bayreuth, Beschl. v. 24. November 2017 – B 5 E 17.872 –, juris Rn. 28).
Von der Verhinderung der Teilnahme an der Fraktionsarbeit abgesehen, werden dem bisherigen Fraktionsmitglied auch maßgebliche Informations- und Einflussmöglichkeiten nach brandenburgischem Kommunalverfassungsrecht genommen. So ist etwa nach § 131 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 34 Abs. 2 BbgKVerf u. a. lediglich eine Fraktion befugt, eine unverzügliche Einberufung des Kreistages zu verlangen und nach § 131 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf und § 4 Abs. 1 S. 3 der Geschäftsordnung für den Kreistag des Landkreises D ... in ihrer Fassung vom 08. September 2021 sind in die Tagesordnung der Sitzung des Kreistages die Anträge aufzunehmen, die entweder von mindestens einem Zehntel der gesetzlichen Anzahl der Kreistagsabgeordneten oder einer Fraktion schriftlich vorgelegt werden.
Vorliegend kommt hinzu, dass der Fraktionsausschluss für den Antragsteller seiner unbestrittenen Behauptung nach den Verlust des Sitzes im Ausschuss des Kreistages für Gesundheit und Soziales zur Folge hatte. Alles zusammengenommen hat der Antragsteller durch den offensichtlich formell fehlerhaften Ausschluss aus der Fraktion eine erhebliche Einschränkung seiner kommunalpolitischen Wirkungsmöglichkeiten hinzunehmen, so dass es im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist, die Hauptsache bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren für eine begrenzte Zeit vorwegzunehmen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 10. April 2018 – 4 CE 17.2450 –, juris Rn. 20/21; VG Bayreuth, Beschl. v. 24. November 2017 – B 5 E 17.872 –, juris Rn. 25 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 13. Dezember 1989 – 6 TG 3175/89 –, juris Rn. 4; VG Stade, Beschl. v. 04. Januar 2018 – 1 B 3431/17 –, juris Rn. 84 ff.).
3. Das Gericht erlässt die einstweilige Anordnung mit dem von dem (rechtskundigen) Antragsteller in der Antragsschrift vom 16. November 2021 ausdrücklich vorgegebenen Feststellungsbegehren. Zwar hat das Gericht im Rahmen einer einstweiligen Anordnung Ermessen, welche Anordnung es zur Erreichung des Zweckes als erforderlich ansieht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO, so dass im Grundsatz auch ein der Vollstreckung zugänglicher Verpflichtungsausspruch des Gerichts in Betracht gekommen wäre (vgl. den vom Antragsteller selbst in Bezug genommenen Beschl. d. Bayerischer VGH v. 10. April 2018 – 4 CE 17.2450 –, juris ). Ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller einen Feststellungsausspruch für ausreichend erachtet und der Akteninhalt Anderweitiges nicht nahelegt, sieht sich das Gericht auch an das vorgegebene Rechtsschutzziel des Antragstellers in Anlehnung an § 88 VwGO gebunden (vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO; 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 111 m. w. N.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Das für die Streitwertbemessung maßgebliche Interesse des Antragstellers sieht die Kammer in Anlehnung an Ziffer 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (u. a. bei Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, Anh. § 164 Rn. 14) mit einem Wert von 10.000,00 € als angemessen bewertet an. Dieser Wert war im Eilverfahren zu halbieren.
IV. Über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu befinden, weil sich der hier am 30. November 2021 eingegangene Antrag vom 26. November 2021 sowohl dem Anschreiben als auch der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach ausdrücklich nur auf das Klageverfahren VG 1 ... bezieht. Darüber hinaus hat sich eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe angesichts der Kostenlastentscheidung erübrigt.