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Entscheidung 8 K 1357/20.A


Metadaten

Gericht VG Potsdam 8. Kammer Entscheidungsdatum 06.12.2021
Aktenzeichen 8 K 1357/20.A ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2021:1206.8K1357.20.A.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 50 AsylVfG 1992, § 60 AsylVfG 1992, § 88a AsylVfG 1992, AuslRZustV BB, AufnG BB

Leitsatz

Zuständig für die Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG im Fall der selbstständigen Sicherung des Lebensunterhalts ist die für die landesinterne Verteilung nach § 50 AsylG zuständige Landesbehörde, nicht die Ausländerbehörde, in deren Bezirk der Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist iranische Staatsangehörige und begehrt die Streichung der zu ihrer Aufenthaltsgestattung ergangenen Wohnsitzauflage.

Die Klägerin hat in Deutschland Asyl beantragt und Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Juli 2018 erhoben, welche beim Verwaltungsgericht Potsdam im nach § 77 Abs. 1 HS 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch anhängig ist

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 bei dem Beklagten einen „Antrag auf einen Umzug in eine eigene Wohnung nach Berlin“ gestellt, weil sie Arbeit in einem Café in Kreuzberg gefunden habe. Der Beklagte leitete diesen Antrag mit Schreiben vom 9. Oktober 2019 an das Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten (LABO) – Ausländerbehörde des Landes Berlin mit der Bitte um Entscheidung weiter.

Durch ihre damalige Prozessbevollmächtigte hat die Klägerin bei dem Beklagten am 24. Januar 2020 schriftlich beantragt, „die räumliche Beschränkung des Aufenthalts sowie die Wohnsitznahme (Wohnsitzauflage) meiner Mandantin im Landkreis P... gemäß § 61 Abs. 1 lit. d Satz 1, Satz 3 AufenthG, § 56 AsylG aufzuheben.“ Auf den schriftlichen Hinweis des Beklagten unter dem 24. Februar 2020, dass die Regelungen des § 61 Abs. 1 AufenthG nur bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer in Anwendung finde, beantragte die Klägerin unter dem 28. Februar 2020 „erneut“ die Streichung der Beschränkung der Wohnsitzaufnahme im Landkreis P... nach „§ 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG“. Mit Schreiben vom 23. April 2020 teilte der Beklagte der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass der Antrag als Antrag auf länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylG ausgelegt werde, weil die Zuweisung der Klägerin an den Landkreis P... bestandskräftig geworden sei.

Die Klägerin verfolgt ihr Anliegen mit ihrer am 8. Juni 2020 erhobenen Klage weiter. Sie sichere ihren Lebensunterhalt durch Ausübung einer unbefristeten Erwerbstätigkeit als Tresenkraft bei der mit einer monatlichen Bruttovergütung von 1.600 Euro. Daher habe sie Anspruch auf Streichung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die Wohnsitzauflage sei ohne Prüfung der Voraussetzungen der länderübergreifenden Umverteilung nach § 51 AsylG zu streichen, wenn der Lebensunterhalt ohne den Bezug von öffentlichen Mitteln gesichert sei.

Die Klägerin musste ihre Tätigkeit bei der beenden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die aufgrund der bis zum September 2020 befristeten Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die ebenso befristete Beschäftigungserlaubnis nach ihrem Ablauf nicht verlängert worden war. Auf einen Hinweis des Gerichts lehnte der Beklagte die Streichung der Wohnsitzauflage mit Bescheid vom 9. Oktober 2020 ab. § 61 AufenthG treffe Regelungen für vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, wozu die Klägerin nicht zähle. Auch unterliege sie keiner räumlichen Beschränkung. Die Zuständigkeit betreffend die Zuweisung nach Berlin obliege der Berliner Ausländerbehörde. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2020 teilte die Klägerin dem Gericht mit, dass an der Klage unter Einbeziehung des Ablehnungsbescheids vom 9. Oktober 2020 festgehalten werde. Am gleichen Tag beantragte sie erneut die Streichung der Wohnsitzauflage bei dem Beklagten.

Seit dem 15. November 2021 ist die Klägerin als Servicekraft in der Küche bei der Firma in Berlin bei einem Monatslohn von 1.900 Euro brutto beschäftigt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Beklagten zu verpflichten, die Beschränkung der Wohnsitznahme im Landkreis P... (Wohnsitzauflage) unter Aufhebung des Bescheides der Ausländerbehörde des Beklagten vom 9. Oktober 2020 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, die Klägerin habe mehrfach die Umverteilung nach Berlin beantragt und auch ihre mehrfachen Anträge auf Streichung der Wohnsitzauflage stets mit dem Umzug nach Berlin wegen der Aufnahme einer unbefristeten beruflichen Tätigkeit begründet. Der Beklagte habe daher von einem Antrag auf länderübergreifende Umverteilung nach § 51 AsylG ausgehen müssen und diesen Antrag unverzüglich an die nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AsylG zuständige Berliner Ausländerbehörde weitergeleitet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine länderübergreifende Umverteilung nach Berlin. Soweit eine Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht erlassen bzw. aufrechterhalten werden könne, weil der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert sei, erfolge die Prüfung der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 2 Satz 2 durch die Ausländerbehörde des Zuzugsortes.

Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragt worden. Insoweit wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Hefter) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.

Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. Aufhebung der zu ihrer Aufenthaltsgestattung ergangenen Verpflichtung, im Landkreis P... ihren Wohnsitz zu nehmen, gegen den Beklagten. Die Klage ist gegen den falschen Beklagten gerichtet, weil dieser nicht der nach materiellem Recht Verpflichtete ist. Die Passivlegitimation ist eine Frage der Begründetheit (vgl. nur Happ, in: Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 78 Rn. 3).

Sachlich zuständig und damit passivlegitimiert für eine Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG – das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes ist nach dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 anwendbar, soweit nicht das AsylG inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthält, was vorliegend nicht der Fall ist – ist diejenige Behörde, welche im Zeitpunkt des Antrags auf Wiederaufgreifen für den Erlass des infrage stehenden Verwaltungsaktes zuständig ist (vgl. Falkenbach, in: BeckOK VwVfG, Stand 1. Oktober 2021, § 51 Rn. 62; Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 51 Rn. 16). Gleiches gilt im Ergebnis für die neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens zulässige (vgl. § 51 Abs. 5 VwVfG) Rücknahme (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) bzw. den Widerruf (§ 49 Abs. 1 VwVfG) der Wohnsitzauflage. Die besonderen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in § 48 Abs. 5, § 49 Abs. 5 und § 51 Abs. 4 VwVfG kommen im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil der Beklagte bereits sachlich nicht zuständig für den Erlass bzw. die Aufhebung der Wohnsitzauflage ist. Die Frage der örtlichen Zuständigkeit stellt sich daher nicht.

Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Wohnsitzauflage ist § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach wird ein Ausländer, der nicht oder – wie die Klägerin – nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, verpflichtet, an dem in der Verteilerentscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylG genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Die Wohnsitzauflage stellt eine selbstständig anfechtbare Nebenbestimmung nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwVfG dar (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Dokumentstand 1. August 2020, § 60 AsylG Rn. 36).

Zuständig für die Verfügung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG – eine gebundene Entscheidung („wird verpflichtet“) – ist die für die landesinterne Verteilung nach § 50 AsylG zuständige Landesbehörde (§ 60 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Wohnsitzauflage soll mit der Zuweisungsentscheidung verbunden werden (§ 60 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Im Land Brandenburg ist für die Verteilung von Personen nach § 1 Abs. 1 des Asylgesetzes im Rahmen des Erstaufnahmeverfahrens die Zentrale Ausländerbehörde zuständig (§ 5 Satz 2, § 6 Gesetz über die Aufnahme von Flüchtlingen, spätausgesiedelten und weiteren aus dem Ausland zugewanderten Personen im Land Brandenburg sowie zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes [Landesaufnahmegesetz – LAufnG] vom 15. März 2016 [GVBl.I/16, Nr. 11], im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18. Dezember 2020 [GVBl. I/20, Nr. 42], zudem § 3 Nr. 3 Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerrecht [Ausländerrechtszuständigkeitsverordnung - AuslRZV] vom 9. Juli 2019 [GVBl.II/19, Nr. 51] geändert durch Verordnung vom 3. September 2020 [GVBl.II/20, Nr. 79]).

Diese hat die Klägerin mit Zuweisungsentscheidung, welche auf den 3. Dezember 2018 datiert, aber offenbar bereits am 13. November 2018 ergangen ist, dem Landkreis P... zugewiesen. Diese Zuweisung umfasst auch die Verpflichtung der Klägerin nach § 60 Abs. 1 S. 1 AsylG, im Landkreis P... Wohnsitz zu nehmen. Zwar ist anzumerken, dass die Zuweisungsentscheidung diese Verpflichtung nicht ausdrücklich formuliert, sondern lediglich die Verpflichtung der Klägerin enthält, sich unverzüglich zu dem angegebenen Übergangswohnheim in zu begeben. Die Formulierung „werden Sie (…) dem Landkreis P... zugewiesen“ ist vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen in § 60 Abs. 3 Satz 2 AsylG und § 50 Abs. 3 AsylG sowie der gerichtsbekannten ständigen Verwaltungspraxis der Zentralen Ausländerbehörde beim Erlass von Zuweisungsentscheidungen aber dahingehend auszulegen, dass sie auch die Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Landkreis P... begründet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist für die Streichung bzw. Änderung der Wohnsitzauflage nicht das Berliner Landesamt für Einwanderung nach § 60 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 AsylG zuständig, weil die Klägerin die länderübergreifende Umverteilung nach Berlin beantragt hat. Die Berliner Ausländerbehörde wäre im Falle einer Umverteilung der Klägerin zuständig, welche bislang aber nicht erfolgt ist. Die Klägerin hat jedoch spätestens in ihrem Antrag vom 24. Januar 2020 sowie dem darauffolgenden Verwaltungsverfahren hinreichend deutlich gemacht, dass sie die Streichung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG unabhängig von der länderübergreifenden Umverteilung begehrt, weil nach ihrer Auffassung ihr Lebensunterhalt aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit gesichert sei und daher die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage nicht mehr erfüllt seien. Unabhängig von der vorliegend nicht mehr entscheidungserheblichen Frage, ob der Lebensunterhalt der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) prognostisch hinreichend und dauerhaft gesichert ist, ist jedenfalls die Rechtsauffassung der Klägerin zutreffend, dass bei einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts die tatbestandliche Voraussetzung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG, dass der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, nicht mehr vorliegt und daher im Regelfall ein Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage bestehen dürfte, der unabhängig von einem Begehren nach landesinterner oder länderübergreifende Umverteilung verfolgt werden kann (vgl. Neundorf, in: BeckOK AuslR, Stand 1. Januar 2021, AsylG § 60 Rn. 21; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 60 Rn. 15).

Anders als die Klägerin offenbar meint, besitzt der Beklagte als für die Klägerin grundsätzlich zuständige örtliche Ausländerbehörde keine Zuständigkeit für den Erlass oder die Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wie sich aus der klaren Zuständigkeitsregelung des § 60 Abs. 3 Satz 1 AsylG ergibt. Die Zuständigkeit für die Aufhebung der Wohnsitzauflage bei einer selbständigen Sicherung des Lebensunterhalts geht auch nicht nach Erlass der Zuweisungsentscheidung durch die Zentrale Ausländerbehörde auf den Beklagten als Kreisordnungsbehörde (§ 1 Nr. 1 AuslRZV) über. Insbesondere wird die fortdauernde Verpflichtung der Klägerin zur Wohnsitznahme im Landkreis P... , welche bei jeder erneuten Bescheinigung ihrer Aufenthaltsgestattung (§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 AsylG) von dem Beklagten wieder als Nebenbestimmung aufgenommen wird, dadurch nicht zu einer Auflage des Beklagten nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 Satz 5 AsylG. Die Verpflichtung, im Landkreis P... Wohnsitz zu nehmen, stellt keine Verpflichtung zum Wohnen in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 AsylG) dar. Auch begehrt die Klägerin keine Änderung der Wohnsitzauflage im Rahmen einer landesinternen Umverteilung (§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG), sondern die ersatzlose Aufhebung derselben. Die streitgegenständliche Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG bleibt auch bei jeder erneuten Aufnahme in die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung durch den Beklagten als (örtliche) Ausländerbehörde eine Auflage der für die Verteilentscheidung nach § 50 AsylG zuständigen Zentralen Ausländerbehörde. Dafür spricht auch die Regelung des § 63 Abs. 3 Satz 3 AsylG, wonach Auflagen und Änderungen der räumlichen Beschränkung sowie deren Anordnung auch von der Behörde vermerkt werden können, die sie verfügt hat. Im Umkehrschluss wäre die Zentrale Ausländerbehörde daher auch befugt, die auf der von dem Beklagten als Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung vermerkte Wohnsitzauflage zu streichen.

Eine landesrechtliche Übertragung der Zuständigkeit für die Streichung der Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die (örtliche) Ausländerbehörde ist nicht ersichtlich und wäre nach § 88a AsylG auch nicht zulässig.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hält sich der Beklagte auch nicht selbst für zuständig für die Streichung der streitgegenständlichen Wohnsitzauflage, weil er diese mit Bescheid vom 9. Oktober 2020 abgelehnt hat. In diesem Bescheid hat der Beklagte die Streichung einer Wohnsitzauflage auf der Grundlage von § 61 Abs. 1d AufenthG mit der Begründung abgelehnt, dass diese Regelung für die Klägerin nicht anwendbar sei, da sie nicht vollziehbar ausreisepflichtig sei. Der Bescheid wurde zudem auf den unzutreffenden Hinweis des Gerichts vom 11. September 2020 erlassen, dass die Entscheidung über die Streichung der Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 1, Satz 3 AufenthG weiterhin bei dem Beklagten liege, da es sich um ein von dem Antrag nach § 51 AsylG zu unterscheidendes Begehren handele.

Damit bleibt die Zentrale Ausländerbehörde auch nach Erlass der Zuweisungsentscheidung nach § 50 AsylG zuständig für die Aufhebung einer Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist (im Ergebnis ebenso Neundorf, in: BeckOK AuslR, Stand 1. Januar 2021, AsylG § 60 Rn. 21; Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AsylG § 60 Rn. 15). Dieses Ergebnis dürfte wenig praxisgerecht sein, weil der Ausländer, der zudem zum Wohnen in einer bestimmten Gemeinschaftsunterkunft nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG verpflichtet ist, im Falle der eigenständigen Sicherung seines Lebensunterhalts zwei Anträge bei zwei verschiedenen Behörden stellen muss, um die Aufhebung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Bezirk der Ausländerbehörde sowie der Verpflichtung zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft zu erreichen. Die sowohl nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG als auch nach § 60 Abs. 2 Satz 1 AsylG erforderliche Prognose, ob die dem Ausländer zur Verfügung stehenden und normativ zu berücksichtigenden Mittel seinen Bedarf dauerhaft zu decken versprechen (vgl. Eichenhofer, in: BeckOK AuslR, Stand 1. Oktober 2021, AufenthG § 2 Rn. 10) wird dann von zwei unterschiedlichen Behörden mit möglicherweise divergierenden Ergebnissen angestellt. Angesichts der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 60 Abs. 3 AsylG kann dieses wenig sachgerecht Ergebnis jedoch nur durch den Bundesgesetzgeber korrigiert werden.

Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG im Falle der Klägerin in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt vorliegen, ist nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.