Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 01.11.2021 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 2 VAs 8/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2021:1101.2VAS8.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
I.
Der Antragsteller befindet sich seit dem 4. Mai 2021 zur Verbüßung einer gegen ihn vom Amtsgericht Frankfurt (Oder) durch Urteil vom 11. April 2019 (rechtskräftig seit dem 30. Januar 2020) verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten in Strafhaft, derzeit in der Justizvollzugsanstalt …. Er wurde dem Justizvollzug nach seiner Festnahme am 4. Mai 2021 aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2020 zugeführt.
Durch Anwaltsschreiben vom 28. Mai 2021 hat er Beschwerde gegen den Haftbefehl eingelegt und ausgeführt, dass er nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 11. April 2019 unter einer bekannt gegebenen Anschrift wohnhaft und postalisch erreichbar gewesen sei und ihm rechtswidrig die Möglichkeit versagt worden sei, einer Ladung zum Haftantritt freiwillig Folge zu leisten. Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hat die Beschwerde am 19. August 2021 zurückgewiesen. Gegen diesen, ihm am 27. August 2021 zugegangenen Bescheid hat der Antragsteller auf gerichtliche Entscheidung angetragen und begehrt die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise den Ausspruch, dass die rechtlichen Voraussetzungen für dessen Erlass nicht vorlagen. Er macht geltend, dass die Justizvollzugsanstalt sich bei der Beurteilung der Frage, ob ihm als Selbststeller Hafterleichterungen zuzubilligen seien oder er als Flüchtiger zu behandeln sei, allein auf den Haftbefehl der Staatsanwaltschaft stütze, so dass ein Rechtsschutzinteresse für sein Begehren vorliege.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mangels berechtigten Interesses an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme als unzulässig zu verwerfen.
II.
Der Antrag ist statthaft und fristgerecht angebracht, dringt jedoch in der Sache nicht durch.
Nach Erledigung einer justizbehördlichen Maßnahme, zu deren Überprüfung wie hier der Rechtsweg gemäß §§ 23ff. EGGVG eröffnet ist, entscheidet das Gericht auf Antrag nachträglich über die Frage ihrer Rechtswidrigkeit, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme hat (§ 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG). Ein Vollstreckungshaftbefehl wird aufgrund seiner begrenzten Zweckbestimmung mit Überführung des Verurteilten in Strafhaft gegenstandslos. Die Vollstreckung der Strafe beruht auf dem zugrunde liegenden Urteil und nicht auf dem Vollstreckungshaftbefehl, so dass neben dem Gesichtspunkt der Freiheitsentziehung weitere Umstände vorliegen müssen, aufgrund derer als Folge der erledigten Maßnahme eine die gegenwärtigen persönlichen Interessen des Antragstellers berührende Sachlage gegeben wäre (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16. Juni 2003 – 2 VAs 2/03, zit. nach Juris; OLG habe NStZ 1982, 524). Umstände, die demgemäß ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG begründen würden, sind hier nicht gegeben.
Dass der Antragsteller infolge des Vollzugs des Vollstreckungshaftbefehls seitens der Justizvollzugsanstalt nicht als „Selbststeller“ gilt, vermag ein nachträgliches Feststellungsinteresse hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vollstreckungshaftbefehls regelmäßig nicht zu begründen (vgl. OLG Karlsruhe, aaO.). Strafgefangene, die aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls in Strafhaft gelangen, sind nicht automatisch von Lockerungen ausgeschlossen; bei der Gewährung und der Ausgestaltung von Vollzugslockerungen handelt es sich vielmehr um Ermessensentscheidungen, bei denen weitere gewichtige Gesichtspunkte einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen sind und die darüber hinaus auch einer Überprüfung durch die Vollstreckungsgerichte gemäß §§ 109ff. StVollzG zugänglich sind (OLG Karlsruhe, aaO.). Diese haben ggfs. auch über die Rechtmäßigkeit eines Vollstreckungshaftbefehls zu befinden, so dass der Antragsteller hier – vorrangige – andere Rechtsschutzmöglichkeiten hat, gegenüber denen der Rechtsweg nach §§ 23ff. EGGVG nachrangig ist und gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG zurücktritt (vgl. KG, Beschl. v. 19. Januar 2009 – 1 VAs 1/09, zit. nach Juris).
Darüber hinaus setzt das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Überprüfung im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG in Fallkonstellation wie der Vorliegenden auch voraus, dass ein am Maßstab des einfachen Rechts so eklatant fehlerhaftes Vorgehen eines Hoheitsträgers geltend gemacht werden kann, dass ein Fall objektiver Willkür naheliegt (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 252). Dies kommt zum Beispiel in Betracht, wenn die Vollstreckungsbehörde entgegen § 457 Abs. 2 StPO, § 27 StVollstrO davon absieht, den Verurteilten zum Strafantrag zu laden und sogleich einen Vollstreckungshaftbefehl erlässt (vgl. hierzu KG, aaO.). So liegt der Fall jedoch nicht.
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat vielmehr versucht, den Antragsteller gemäß Verfügung vom 22. Juli 2020 zum Strafantrag zu laden, wobei die Ladung unter einer aktenkundigen Anschrift nicht zugestellt werden konnte, eine Einwohnermeldeanfrage ergab, dass er dort nicht mehr gemeldet war, und auch eine Anfrage beim Verteidiger ausweislich dessen Auskunft vom 19. Oktober 2020 zunächst erfolglos blieb. Auch wenn der Verteidiger nachträglich am 2. November 2020 eine Wohnanschrift des Antragstellers mitgeteilt hat und sich aufgrund der Angaben der Bewährungshelferin ergab, dass er unter der Adresse seiner Mutter wohnhaft war, stellt sich der Vollzug des Vollstreckungshaftbefehls gleichwohl noch nicht als objektiv willkürlich dar. Der Antragsteller hat vielmehr ausweislich erneut eingeholter Auskünfte der Meldebehörden vom 13. November 2020 sowie 18. Dezember 2020 seinen Wohnsitz entgegen § 17 BMG nicht amtlich gemeldet und sich bis zu seiner Festnahme im Mai 2021 über einen geraumen Zeitraum trotz Kenntnis der zu verbüßenden Freiheitsstrafe auch nicht freiwillig an die Behörden gewandt. Bei dieser Sachlage liegt ein grob fehlerhaftes Vorgehen der Vollstreckungsbehörde insgesamt nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 36 Abs. 1 GNotKG.