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Entscheidung 13 UF 121/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 10.11.2021
Aktenzeichen 13 UF 121/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2021:1110.13UF121.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 26.08.2021 - 29 F 143/21 - und das Verfahren, auf dem er beruht, aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Strausberg zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Übertragung des Rechts zur alleinigen Ausübung der Schulwahl.

Sie sind die getrennt lebenden Eltern der siebenjährigen L… H… und üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. L… wird von beiden Eltern im paritätischen Wechselmodell betreut und hat ihren Wohnsitz im Haushalt des Vaters in … . Die Antragstellerin wohnt in … (…). Zur erfolgreichen Anmeldung des Mädchens an der von der Mutter favorisierten (X) Grundschule bedarf es einer Wohnsitzbegründung im dortigen Einzugsgebiet (Bl. 29). L… besucht seit Beginn des Schuljahres 2021/2022 die erste Klasse der Grundschule am … in …, in deren Einzugsgebiet der Wohnsitz des Vaters liegt.

Die Beteiligten sind darüber uneinig, ob dies die richtige Schule für das Kind ist.

In einem seit Mai 2021 beim Amtsgericht Strausberg anhängigen Hauptsacheverfahren umgekehrten Rubrums (29 F 103/21) hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.08.2021 die wechselseitigen Anträge der Eltern auf Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die Schulwahl abgewiesen. Der Senat hat mit Beschluss vom 05.11.2021 (13 UF 122/21) jene Entscheidung und das Verfahren, auf dem sie beruht, auf die Beschwerde der Mutter aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil erstinstanzlich die Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind unterblieben war.

Mit verfahrenseinleitendem Antrag vom 04.08.2021 (Bl. 1) hat die Antragstellerin unter Hinweis auf eine im erstinstanzlich anhängigen Hauptsacheverfahren (29 F 103/21) auf den 26.08.2021 und damit auf einen Zeitpunkt nach Beginn des Schuljahrs terminierte persönliche Anhörung der Beteiligten die Entscheidung über die Alleinentscheidungsbefugnis betreffend des Melderechts und der Schulwahl im Wege der einstweiligen Entscheidung beantragt.

Sie hat beantragt (Bl. 1),

ihr die Entscheidungsbefugnis betreffend des Melderechts sowie der Schulwahl für das Schuljahr 2021/2022 für das gemeinsame Kind L… H…, geboren am … 2014, wegen besonderer Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung zu übertragen.

Der Antragsgegner hat beantragt (Bl. 51),

die Anträge abzuweisen.

Er hat auf die erfolgreich erfolgte Einschulung des Mädchens in der Grundschule am … verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 26.08.2021 (Bl. 55) hat das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung der Beteiligten (Bl. 54) den Antrag unter Hinweis auf die im Parallelverfahren zum Aktenzeichen 29 F 103/21 erfolgte Entscheidung in der Hauptsache abgewiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde (Bl. 60) beantragt die Antragsgegnerin der Sache nach die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahingehend, dass die Alleinentscheidungsbefugnis über die Schulwahl und die Ummeldung einstweilen auf sie übertragen werde.

Der Antragsgegner beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Strausberg (Blatt 83). Er beruft sich im Übrigen auf die Kindeswohldienlichkeit der getroffenen Schulwahl.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG). Zur Beurteilung des dem Amtsgericht unterlaufenen Verfahrensfehlers, der zur Zurückverweisung der Sache führt, reicht der schriftliche Vortrag der Beteiligten aus. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Entscheidungsgrundlage durch mündliches Verhandeln verbessern könnte.

II.

Die gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise erhobene Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Das Verfahren des Amtsgerichts leidet an wesentlichen Mängeln, und zur Behebung dieser Fehler wird ein erheblicher Aufklärungsaufwand zu betreiben sein (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).

Das Amtsgericht hat verfahrensfehlerhaft gegen seine Pflicht zur Bestellung eines geeigneten Verfahrensbeistands für das Kind verstoßen. Gemäß § 158 FamFG hat das Gericht einem Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Dies ist vorliegend in Ansehung der Schulwahl, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist (vgl. Senat, NJW-RR 2019, 453; OLG Rostock, FamRZ 2020, 102), der Fall, weil das Interesse des Kindes hier jedenfalls zu einem seiner beiden gesetzlichen Vertreter in erheblichen Gegensatz steht, § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG (vgl. zu § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in der bis zum 30.06.2021 geltenden Fassung: Senat, NJW-RR 2019, 453; OLG Saarbrücken, NZFam 2018, 1041; OLG Oldenburg, NZFam 2017, 1161; Zöller/Lorenz, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 158 FamFG Rn. 4).

Auch die Entscheidung über die Begründung des Wohnsitzes ist, da dies vorliegend eine Voraussetzung für die Ausübung des Schulwahlrechts darstellt, eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind und - anders als etwa bei steuerlichen Beweggründen eines Elternteils für eine Ummeldung (OLG Koblenz, FamRZ 2019, 1696) - damit Gegenstand der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB (vgl. Amend-Traut in BeckOGK BGB Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand 01.08.2021 § 1628 BGB Rn. 39).

Unabhängig davon, dass auch bei Eilbedürftigkeit von der Bestellung eines Verfahrensbeistands bei Vorliegen eines Regelbeispiels nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen abgesehen werden soll (Senat, NJW-RR 2019, 453), besteht nach § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG für das Absehen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands eine Begründungspflicht (vgl. MüKoFamFG/Schumann, 3. Aufl. 2018, FamFG § 158 Rn. 14). Wird von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes in den in § 158 Abs. 3 Satz 1 FamFG aufgeführten Regelfällen abgesehen, ist dies nach Abs. 3 Satz 2 dieser Bestimmung in der Endentscheidung nachprüfbar zu begründen. Wird das Absehen von der Bestellung nicht oder nur unzureichend begründet, liegt darin ebenso wie in dem Unterbleiben der Beistandsbestellung selbst ein wesentlicher Verfahrensverstoß, der im Beschwerdeverfahren zur Aufhebung der Hauptsacheentscheidung führen kann (vgl. Zorn in: Bork/Jakobi/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 158 FamFG Rn. 17 m.w.N.).

Hier hat es das Amtsgericht - neben der fehlenden Bestellung eines Verfahrensbeistands (§ 158 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 FamFG) - entgegen § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG unterlassen, die fehlende Bestellung zu begründen.

Dies und die unterlassene Bestellung eines Verfahrensbeistands führt, wie vom Beschwerdegegner beantragt, und um den Beteiligten keine Tatsacheninstanz zu entziehen, zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, damit dieses die notwendigen, einer Beweiserhebung i.S. § 69 Abs. 1 S 3 FamFG hier gleichstehenden (vgl. MüKoFamFG/Ansgar Fischer FamFG, 3. Aufl. 2018, § 69 FamFG Rn. 86; Zöller/Feskorn, a. a. O., § 69 FamFG, Rn. 10 m.w.N.), Ermittlungen (§ 26 FamFG) durch dessen Bestellung und Anhörung nachholt.

III.

Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 6. Aufl., § 69, Rn. 29 m.w.N.).

Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Nr. 2, 41 FamGKG.

Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 70 Abs. 4 FamFG.