Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 10.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 11 S 80/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1210.11S80.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 VwGO, § 3 VwVG BB 2013, § 15 VwVG BB 2013 |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 25. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Juni 2021, mit dem dieses es abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Zwangsgeldfestsetzungs- und Zwangsgeldandrohungsbescheid vom 4. Januar 2021 anzuordnen, hat keinen Erfolg. Auf Grundlage des nach § 146 Abs. 4 VwGO maßgeblichen Beschwerdevorbringens ist eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht angezeigt.
In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Das sonst den Verwaltungsprozess prägende Amtsermittlungsprinzip tritt in diesem Bereich zurück und überantwortet allein dem Rechtsmittelführer die genaue Bestimmung und Abgrenzung des Überprüfungsauftrags des Oberverwaltungsgerichts. Die Beschwerdebegründung muss deshalb auf die tragenden rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts eingehen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss; dies erfordert, dass die Beschwerde mit schlüssigen Gegenargumenten die entscheidungstragenden Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses in Frage stellt. Die bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne ein Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts reicht deshalb grundsätzlich nicht aus. Der Beschwerdeführer darf in seiner Begründung den Fall auch nicht so unterbreiten, als ob das OVG nun erstmals zur Entscheidung berufen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich aus einem das erstinstanzliche Vorbringen zitierenden Beschwerdevorbringen das herauszusuchen, was als Erwiderung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts aufgefasst werden könnte.
St. Rspr. vgl. nur VGH BaWü, Beschluss vom 12. April 2002 - 7 S 653/02 -, juris Rn. 6; OVG Bremen, Beschluss vom 16. Februar 2009 - 2 B 598/08 -, juris Rn. 3; Hess. VGH, Urteil vom 16. Juni 2010 - 8 B 2764/09 -, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2012 - 8 B 1401/11 -, juris, Rn. 23; OVG RLP, Beschluss vom 6. Januar 2016 - 8 B 11060/15.OVG -, beck online Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 12. April 2016 - 10 CS 16.431 -, juris Rn. 16; OVG LSA, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 3 M 1/19 -, juris, Rn. 5.
Gemessen hieran liegt eine den Anforderungen entsprechende Darlegung der Gründe für die Einwände, denen zufolge
- die Frist für die Vornahme der mit dem Bescheid vom 3. Dezember 2018 angeordneten Wiederherstellung des früheren Zustands nach § 17 Abs. 8 BNatSchG unangemessen kurz,
- die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes zu beanstanden,
- die Zahlungsfrist unangemessen kurz und
- § 29 Abs. 3 VwVGBbg verletzt
sei, nicht vor. Das entsprechende, vom Verwaltungsgericht in seinem Beschluss jeweils gewürdigte Vorbringen auf den Seiten 7 bis 11 der Beschwerdebegründung vom 28. Juli 2021 stimmt wörtlich mit den Ausführungen auf den Seiten 5 bis 9 der Antragsschrift vom 28. Januar 2021 überein [jeweils aa) bis dd)].
Soweit der Antragsteller den gleichfalls bereits in erster Instanz angeführten Gesichtspunkt, an der Vollstreckung bestehe „kein Interesse“, weil der Antragsteller zwar der Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustands nicht nachgekommen sei, aber einen Antrag auf naturschutzrechtliche Genehmigung gestellt habe und „daher an der Legalisierung“ „arbeite[t]“, in seiner Beschwerdebegründung unter Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beschluss vertieft, genügt er den Darlegungsanforderungen, dringt mit seinem Einwand jedoch nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Zwangsgeldfestsetzung sei allein darauf abzustellen, ob der Betroffene einer vollziehbaren Verpflichtung (§ 3 VwVGBbg) zuwidergehandelt habe (§ 30 Abs. 1 VwVGBbg), ob die Festsetzung der Androhung entspreche (§ 28 VwVGBbg) und schließlich insbesondere, ob das Zwangsgeld verhältnismäßig sei (§ 29 f. VwVGBbg). Dies sei der Fall; vollstreckungsrechtliche Einwände lägen nicht vor. Neben der Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2018 sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 C 30/03 -, juris Rn. 15) deren Wirksamkeit und nicht deren Rechtmäßigkeit Voraussetzung für die Verwaltungsvollstreckung. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung könnten im – selbständigen – Verwaltungsvollstreckungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Die Ordnungsverfügung vom 3. Dezember 2018 sei aufgrund der entsprechenden Anordnung sofort vollziehbar. Die Bemühungen des Antragstellers im Wege des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO eine Änderung des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses (VG 4 L 259/19 bzw. OVG 11 S 80.19) zu erreichen, hätten außer Betracht zu bleiben. Gleiches gelte für das Vorbringen zur nunmehrigen Legalisierung der Heidelbeerplantage. Für eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Verfügung vom 3. Dezember 2018 lägen keine Anhaltspunkte vor.
Dagegen wendet der Antragsteller ein, das Verwaltungsgericht lasse in rechtsfehlerhafter Weise eine Auseinandersetzung mit den atypischen Umständen des Einzelfalls vermissen, was vorliegend zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des mit dem Zwangsmittel belegten Bürgers führe. Das Gericht habe, indem es den Genehmigungsantrag des Antragstellers nicht berücksichtigt habe, verkannt, dass es die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung „nicht gänzlich außen vor lassen“ könne. Der Beugecharakter eines Zwangsmittels entfalle, wenn der Verpflichtete den ihm auferlegten Pflichten nachkomme. Neue oder außergewöhnliche Umstände, wie z. B. ein teilweise rechtstreues Verhalten des Pflichtigen könnten im Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung zu berücksichtigen sein, wofür der Antragsteller auf einen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vom 30. März 2020 - 6 B 274/20 -, juris, Rn. 8) verweist.
Das greift nicht durch.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, ist die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit vorausgegangener Akte Bedingung für die Rechtmäßigkeit folgender Vollstreckungsakte. Dies gilt nicht nur für die Konstellation der zwangsweisen Durchsetzung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts, welche in der vom Verwaltungsgericht angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts inmitten stand. Auch dann kommt es nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit an, wenn der Vollstreckung ein noch nicht unanfechtbarer Verwaltungsakt zugrunde liegt, solange dieser sofort vollziehbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5/08 -, juris Rn. 12 m. w. N., u. a. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1998 - 1 BvR 831/89 -, juris Rn. 30). Aus der rechtsgestaltenden Wirkung des Verwaltungsakts, mit dem die generell-abstrakte Regelung des Gesetzes auf die individuell-konkrete Ebene transformiert wird, folgt, dass der Verwaltungsakt allein die Vollstreckung trägt, ohne dass es auf die materielle Berechtigung der Behörde zum Erlass ankäme (vgl. Lemke, in: Danker/Lemke, VwVG, 1. Aufl. 2012, § 6 Rn. 27). Das ergibt sich im Übrigen auch aus § 3 Nr. 2 VwVGBbg i. V. m. § 15 Satz 1 VwVGBbg, wonach Einwendungen gegen die Entstehung oder Höhe der Verpflichtung, deren Erfüllung erzwungen werden soll, außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln zu verfolgen sind.
Soweit der Antragsteller mit seinem Beschwerdevortrag im Kern ein nachträgliches Vollzugshindernis wegen Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen geltend macht, so stellt das die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Frage. Zwar entfällt die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts, wenn der Pflichtige dem Verwaltungsakt (in vollem Umfang) nachkommt (vgl. Mosbacher, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 12. Aufl. 2021, § 6 Rn. 16). Der Antragsteller hat hier aber, wie er in seiner erstinstanzlichen Antragsschrift selbst einräumt, „der Aufforderung zur Wiederherstellung der Flächen nicht Rechnung getragen“. Der mehr als zwei Jahre nach der ordnungsbehördlichen Verfügung vom 3. Dezember 2018 gestellte Antrag auf Genehmigung der Heidelbeeranlage stellt weder eine vollständige noch eine teilweise Erfüllung der auferlegten Verpflichtungen dar; er betrifft vielmehr, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der ordnungsbehördlichen Verfügung. Das Begehren wegen veränderter Umstände die aufschiebende Wirkung der Klage VG 14 K 519/19 gegen Ziffer 1 Nr. 1.) bis 3.) des Bescheids vom 3. Dezember 2018 wiederherzustellen – und damit die Vollziehbarkeit auszuschließen –, war vom Antragsteller (wie im Übrigen geschehen, vgl. VG 14 L 79/21 bzw. nachfolgend OVG 11 S 53/21) in den den Grundverwaltungsakt betreffenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, in Anlehnung an Nummer 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).