Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 07.10.2021 | |
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Aktenzeichen | OVG 2 A 19.19 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2021:1007.OVG2A19.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1a Abs 3 BauGB, § 1 Abs 6 Nr 7a BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, § 2 Abs 3 BauGB, § 3 Abs 2 BauGB, § 9 Abs 1a BauGB, § 10 Abs 3 BauGB, § 18 BNatSchG |
Der Bebauungsplan Nr. 5... „Windfeld B...“ der Gemeinde S... vom 4.... Juni 2018, bekanntgemacht im Amtsblatt für das Amt B... (U...) vom 4.... Oktober 2018, wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Antragstellerin, ein Unternehmen aus der Windenergiebranche, wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 5... „Windfeld B...“ der Antragsgegnerin.
Dessen Plangebiet ist ca. 214 ha groß und liegt im zentralen Teil der naturräumlichen Region „U...“ im „U...“ südöstlich der Ortschaft B... und der Landesstraße L 2.... Es wird nach Süden durch die Gemarkung der Ortschaft G... begrenzt. Dort befindet sich unter anderem das Windfeld „G...“, wo neun Windkraftanlagen bereits errichtet bzw. genehmigt sind. Im Osten reicht das Plangebiet bis an die Bundesautobahn A 2..., im Westen liegen die Ortschaften W... und B.... Der Landschaftsraum wird überwiegend intensiv landwirtschaftlich genutzt, auch das Plangebiet ist im Wesentlichen eine großräumige Ackerfläche, gegliedert durch kleinflächige Gehölzstreifen und Feuchtgebietsinseln mit Gehölzsaum. Unterirdische Strom-, Gas- und Mineralölleitungen sowie Höchst- und Mittelspannungsfreileitungen queren das Plangebiet. In dessen östlichem Teil ist eine 380 kV-Höchstspannungsfreileitung der 5... genehmigt, die parallel zur Bundesautobahn A 2... verlaufen wird. Das Plangebiet liegt ca. 3 km südlich des Windfelds „U...“, wo bereits mehr als 95 Windenergieanlagen stehen.
Der Bebauungsplan setzt das Baugebiet als sonstiges Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Windkraftnutzung“ fest, innerhalb dessen die Errichtung und der Betrieb von Windkraftanlagen sowie der erforderlichen Nebenanlagen zulässig sowie die landwirtschaftliche Nutzung auf den nicht überbauten Flächen erlaubt ist (Festsetzung 1.1). Turm und Fundament der Windkraftanlagen dürfen nur innerhalb von fünf Baufenstern, die durch festgesetzte Baugrenzen gebildet werden, und innerhalb einer durch ein „Eignungsgebiet Windenergienutzung (Sachlicher Teilplan ‚W...‘, …)“ definierten Aufstellgrenze errichtet werden (Festsetzungen 3.1 und 3.4). Dabei geht das Sondergebiet „Windkraftnutzung“ ausweislich der Planzeichnung über das eingezeichnete Eignungsgebiet Windenergienutzung hinaus und umfasst den gesamten räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Planzeichnung verwiesen.
In der Planurkunde heißt es unter den Überschriften „Textliche Festsetzungen (gemäß §§ 9 und 12 BauGB sowie nach der BauNVO)“ und „4. Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 und § 9 Abs. 1a S. 2 BauGB) zu „4.2 Zuordnung von Kompensationsmaßnahmen“:
„Als Kompensationsmaßnahmen für die durch den Bebauungsplan vorbereiteten Eingriffe in Natur und Landschaft werden folgende Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dem SO-Gebiet „Windkraftnutzung“ zugeordnet. Die Umsetzung hat gemäß der Maßnahmenblätter aus dem Umweltbericht zu erfolgen:
M1 Abriss und Entwicklung, einschließlich Pflanzung von Strauchgruppen – Gemarkung L..., Flur 1..., Flurstück 2...
M2 Wiedervernässung B..., Entwicklung eines Feuchtbiotops – potentieller Brutplatz für Rohrdommel, Rohrweihe und Kranich – Gemarkung S..., Flur 2... und Gemarkung W... Flur 2...
M3 Umwandlung von Ackerfläche, Rückbau Verrohrung sowie Pflanzung von Strauchgruppen – Gemarkung K..., Flur 1... Flurstück 1...
M4 Abriss Gutshaus und umliegende bauliche Anlagen – Gemarkung K..., Flur 1... Flurstücke 9... und 3...“
Die Realisierung dieser Kompensationsmaßnahmen hat innerhalb von 18 Monaten nach Inbetriebnahme der geplanten Windkraftanlagen abgeschlossen zu sein (Festsetzung 4.3). Die Fertigstellungs- und Entwicklungspflege aller Pflanzungen ist mindestens über einen Zeitraum von 3 Jahren zu leisten (Festsetzung 4.4).
Das Verfahren zur Planaufstellung verlief im Wesentlichen wie folgt:
Im Juli 2012 beschloss die Antragsgegnerin, den Bebauungsplan „Windfeld B...“ aufzustellen. Ziel war es, ein Sondergebiet für die Windkraftnutzung auszuweisen. Zu diesem Zweck beauftragte die Antragsgegnerin ein anderes Unternehmen aus der Windenergiebranche, die E..., mit der Planerstellung.
Währenddessen wurde der seit 2004 geltende sachliche Teilplan „W...“ der Regionalen Planungsgemeinschaft U... (Amtlicher Anzeiger des Landes Brandenburg Nr. 3... und Nr. 3...) fortgeschrieben.
Im Oktober 2016 trat der „neue“ Regionalplan U...“ als Satzung in Kraft (Amtsblatt für B... vom 1..., Nr. 4..., S. 1...). Dessen Ziel war es, raumbedeutsame Windenergieanlagen in festgelegten Eignungsgebieten zu konzentrieren und an anderer Stelle auszuschließen (vgl. Regionalplan „II. Ziele und Grundsätze 1. Windnutzung Z 1“, Amtsblatt S. 1...). Der Regionalplan wies für das Gemeindegebiet der Antragsgegnerin zwei Windeignungsgebiete aus. Das Plangebiet des streitgegenständlichen Bebauungsplans liegt im westlichen Teil des ca. 211 ha großen Windeignungsgebiets Nr. 1... „G...“.
Anlässlich der Fortschreibung des oben genannten Regionalplans stellte die Antragsgegnerin den sachlichen Teilflächennutzungsplan „W...“ gemäß § 5 Abs. 2b BauGB auf. Dieser wurde durch den Landkreis U... genehmigt und am 4... Oktober 2018 bekanntgegeben (Amtsblatt für das Amt B..., Ausgabe 1..., S. 5...). Mit ihm setzte die Antragsgegnerin in ihrem Gemeindegebiet acht Sondergebiete mit besonderer Zweckbestimmung „Windkraftnutzung“ als Art der baulichen Nutzung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) fest. Eines davon ist das Sondergebiet „S...“ mit einer Fläche von ca. 72 ha. Es liegt – wie der streitgegenständliche Bebauungsplan – im westlichen Teil des Windeignungsgebiets Nr. 1... „G...“.
Im Juni 2016 fasste die Antragsgegnerin den Beschluss, den Bebauungsplan Nr. 5... „W...“ neu aufzustellen, um ihn mit dem Windeignungsgebiet Nr. 1... „G...“ und dem Sondergebiet „S...“ in Einklang zu bringen. Nach öffentlicher Auslegung des von der E... erstellten Bebauungsplanentwurfs und Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen unter anderem der Antragstellerin beschloss die Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 5... „W...“ einschließlich Änderungen am 4... Juni 2018 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 4... Oktober 2018 bekanntgemacht (Amtsblatt für das Amt B..., Ausgabe 1..., S. 6...).
Die Antragstellerin schloss im Mai 2019 einen Nutzungsvertrag mit dem Eigentümer des Flurstücks 1... der Flur 1... der Gemarkung B.... Das Flurstück befindet sich vollständig im Plangebiet, aber nur teilweise im Windeignungsgebiet Nr. 1... „G...“ und Sondergebiet „S...“. Die Baufenster Nr. 1 und Nr. 2 liegen jeweils mit einem Teil auf dem Flurstück. Das Baufenster Nr. 1 befindet sich teilweise, das Baufenster Nr. 2 vollständig im Trassenkorridor der 380 kV-Höchstspannungsfreileitung der 5..., welche die ihr nach Festsetzung 6.3 vorbehaltene Zustimmung zur Errichtung einer Windkraftanlage verweigert.
Im Juli 2019 hat die Antragstellerin das Normenkontrollverfahren eingeleitet.
Mit am selben Tag per Telefax an die Antragsgegnerin übersandtem Schreiben vom 4... Oktober 2019 hat die Antragstellerin in formeller Hinsicht die mangelnde Bestimmtheit des Plangebiets sowohl in der Auslegungs- als auch in der Schlussbekanntmachung moniert, weil die betroffenen (Teil-) Flurstücke jeweils weder genannt noch erkennbar seien. Dasselbe gelte für die festgesetzten Ausgleichsflächen. Somit sei der Anstoßfunktion des § 3 Abs. 2 BauGB bzw. dem Hinweiszweck des § 10 Abs. 3 BauGB nicht genügt. Außerdem sei die Auslegungsbekanntmachung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB fehlerhaft, weil bei einigen umweltbezogenen Informationen nur der Autor genannt sei, inhaltliche Stichworte aber fehlten. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 9 Abs. 8 BauGB vor, weil dem Bebauungsplan ausweislich des Verwaltungsvorgangs nur ein Entwurf der Begründung beigefügt gewesen sei. Materiell verstoße der Plan gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB, denn es handele sich um eine Konkurrenzausschlussplanung zugunsten der planerstellenden E... und zulasten der Antragstellerin. Zudem sei das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verletzt. Denn die Antragsgegnerin habe die Anzahl und Lage der Baufenster ohne eigene Abwägung von der E... übernommen. Der Belang, die Flächen zur Nutzung der Windenergie optimal auszunutzen, sei nicht mit dem nötigen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Die Darstellung von nur fünf Baufenstern sei nicht nachvollziehbar. Die Abwägungsentscheidung zur Platzierung des Baufensters Nr. 2 sei defizitär, weil die Errichtung einer Windenergieanlage im Trassenkorridor der 380 kV-Höchstspannungsleitung mangels Zustimmung der 5... nicht möglich sei. Schließlich verstoße die Planung gegen § 15 BNatSchG als höherrangiges Recht. Denn die Ausgleichsmaßnahme M 4 (Abriss eines Gutshauses und der umliegenden Anlagen) könne mangels denkmalschutzrechtlicher Genehmigung nicht umgesetzt werden, sodass der gesetzlich geforderte Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft nicht gewährleistet sei. Dies sei der Antragsgegnerin auch bekannt gewesen, wie sich aus einer Anmerkung in der „Zusammenfassenden Erklärung gemäß § 10 Abs. 4 BauGB“ ergebe.
Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr Vorbringen aus dem Rügeschreiben.
Die Antragstellerin beantragt,
den am 4... Juni 2018 von der Antragsgegnerin beschlossenen und am 4... Oktober 2018 im Amtsblatt B..., Ausgabe 1..., bekanntgemachten Bebauungsplan Nr. 5... „W...“, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie meint, der angegriffene Bebauungsplan sei ordnungsgemäß aufgestellt und bekanntgemacht worden. Insbesondere führe die fehlende Einbeziehung der Ausgleichsflächen nicht zur Fehlerhaftigkeit der Bekanntmachung des Plans. Denn die Ausgleichsmaßnahmen seien den Eingriffen im Plan lediglich zugeordnet worden. Verbindliche Festsetzungen auf externen Flächen seien nicht Gegenstand der Planung. Der Bebauungsplan verfüge über eine Begründung. Bei dem Wort „Entwurf“ auf dem Deckblatt handele es sich erkennbar um ein redaktionelles Versehen. Der Plan sei auch materiell nicht zu beanstanden. Das Planerfordernis sei gegeben, eine Gefälligkeits- oder Konkurrenzausschlussplanung liege nicht vor. Vielmehr profitierten drei Unternehmen von den fünf Baufenstern. Beachtliche Abwägungsfehler lägen nicht vor. Der Bebauungsplan sei im Einklang mit dem Regionalplan aufgestellt worden. Die Belange der Antragstellerin seien berücksichtigt, ihre Vorhabenstandorte geprüft worden. Die Ausweisung der fünf Baufenster beruhe auf fachlichen Erwägungen, insbesondere der Standsicherheit und Schutzabständen zu Versorgungsleitungen. Die Errichtung einer Windenergieanlage im Trassenkorridor der 380 kV-Freileitung sei keineswegs von vornherein ausgeschlossen. Der behauptete Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor. Denn zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abwägungsentscheidung sei für die Antragsgegnerin nicht erkennbar gewesen, dass die Denkmalbehörde das Gutshaus, dessen Abriss als Kompensationsmaßnahme M 4 geplant sei, für schützenswert erachtet. Es sei zudem nicht sicher, ob für die Maßnahme aufgrund des Zustandes des Gebäudes nicht noch eine entsprechende denkmalrechtliche Erlaubnis erteilt werden könne.
Mit Urteilen vom 2... 2021 (OVG 1...) hat der 1... Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg den Regionalplan U__, Sachlicher Teilplan „Windnutzung, Rohstoffsicherung und -gewinnung“ wegen Bekanntmachungsfehlern und Ausfertigungsmängeln für unwirksam erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum angegriffenen Bebauungsplan (2 Leitzordner Verwaltungsvorgang nebst einem Ordner Satzungsexemplar, 3 Leitzordner Aufstellungsvorgänge) sowie zum sachlichen Teilflächennutzungsplan (2 Leitzordner Verwaltungsvorgang nebst einem Ordner Satzungsexemplar) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Die einjährige Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt. Der im Juli 2019 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Normenkontrollantrag ist rechtzeitig gestellt worden, da der streitgegenständliche Bebauungsplan am 4... Oktober 2018 im Amtsblatt für das Amt B... bekanntgemacht worden ist.
2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, denn sie macht geltend, im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch die Satzung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu werden.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder verletzt zu werden. An die Geltendmachung der Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen, als sie für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten. Die Antragsbefugnis fehlt nur, wenn subjektive Rechte der Antragstellerin offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die angegriffene Norm in einem subjektiven Recht verletzt wird (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 30. April 2004 – 4 CN 1.03 –, juris Rn. 9 und vom 4. November 2015 – 4 CN 9.14 –, juris Rn. 12). Ein Unternehmen, welches die ernsthafte Absicht und die gesicherte zivilrechtliche Möglichkeit dargetan hat, in dem von der streitgegenständlichen Norm betroffenen Gebiet ein Vorhaben durchzuführen, welches durch die streitgegenständliche Norm beeinträchtigt oder verhindert werden würde, ist antragsbefugt (BVerwG, Beschluss vom 20. August 2014 – 4 BN 23.14 –, juris Rn. 3).
Daran gemessen ist die Antragstellerin antragsbefugt.
Sie hat eine zivilrechtliche Nutzungsberechtigung zur Errichtung, Betrieb und Wartung von Windenergieanlagen für ein Flurstück innerhalb des Plangebiets, nämlich das Flurstück 1... der Flur 1... in der Gemarkung B...st, nachgewiesen. Die Errichtung von Windenergieanlagen auf diesem Flurstück wird durch die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans beeinträchtigt. Denn sie ist nur in den durch Baugrenzenfestsetzungen (§ 23 Abs. 1 und 3 BauNVO) geschaffenen Baufenstern Nr. 1 und Nr. 2, die jeweils nur zu einem kleinen Teil auf das Flurstück entfallen, möglich. Das Baufenster Nr. 1 liegt zudem teilweise, das Baufenster Nr. 2 vollständig im Bereich der genehmigten 380 kV-Höchstspannungsleitung der 5..., der gemäß der Festsetzung 6.3 des Bebauungsplans ein Zustimmungsvorbehalt zusteht, den sie bislang geltend macht.
Unschädlich ist, dass die Antragstellerin die zivilrechtliche Nutzungsberechtigung erst im Laufe des Normenkontrollverfahrens nachgewiesen hat. Denn für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (Sächsisches OVG, Urteil vom 30. August 2019 – 4 C 13/15 –, juris Rn. 22).
II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der angegriffene Bebauungsplan leidet jedenfalls an zwei formellen Fehlern (dazu 1.) und einem materiellen Fehler (dazu 2.), die jeweils beachtlich sind und zu seiner Gesamtunwirksamkeit führen.
1. Der Bebauungsplan weist beachtliche Verfahrensfehler nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 BauGB (dazu a.) und nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Var. 3 i. V. m. § 10 Abs. 3 BauGB (dazu b.) auf, denn sowohl die Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung als auch die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses erfolgten nicht ordnungsgemäß.
a. Die Bekanntmachung der Auslegung war fehlerhaft, weil ihr nicht zu entnehmen war, dass auf Flächen, die von dem Plangebiet, auf dem die Eingriffe stattfinden sollen, weit entfernt liegen, Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. In der Bekanntmachung sind weder die davon betroffenen Grundstücke noch deren Lage bezeichnet. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um die von § 3 Abs. 2 BauGB geforderte Anstoßfunktion zu erreichen.
Die an die Bezeichnung des Plangebietes zu stellenden Anforderungen haben sich an der Zielsetzung des § 3 Abs. 2 BauGB auszurichten. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB ist bei der Bekanntmachung der Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen darauf hinzuweisen, dass Stellungnahmen während der Auslegungsfrist abgegeben werden und dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der Beschlussfassung über den Bauleitplan unberücksichtigt bleiben können. Hieraus folgt, dass die Bekanntmachung in einer Weise zu erfolgen hat, die geeignet ist, dem an der beabsichtigten Bauleitplanung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung durch Anregung und Bedenken bewusst zu machen und dadurch eine gemeindliche Öffentlichkeit herzustellen. Der gewählte Inhalt der Bekanntmachung muss diese spezifische „Anstoßfunktion“ auslösen können (BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 – 4 C 22/80 –, juris Rn. 15 ff. zur Vorgängerregelung in § 2 Abs. 6 Satz 2 BBauG). Werden Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle als dem Eingriffsplangebiet festgesetzt, so muss die Auslegungsbekanntmachung auch aufzeigen, dass und wo diese Ausgleichsmaßnahmen erfolgen sollen. Denn nur dann ist für den interessierten Bürger hinreichend erkennbar, welches Planungsvorhaben in welchem Gebiet betrieben wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 S 2159/18 –, juris Rn. 26 f.; Hessischer VGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – 4 C 2399/15.N –, juris Rn. 40 ff.).
Dies erfüllt die Auslegungsbekanntmachung nicht.
aa. In der Auslegungsbekanntmachung ist zwar das Eingriffsplangebiet (Sondergebiet „W...“) hinreichend deutlich bestimmt. Das Schlagwort „Windfeld B...“ in Verbindung mit den textlichen Beschreibungen über die in den vier Himmelsrichtungen nächstgelegenen Ortschaften B..., G..., W..., die westlich angrenzende Bundesautobahn A 2... und das südlich angrenzende Windfeld „G...“, auf dem seit Jahren mehrere Windenergieanlagen stehen, bezeichnet das Eingriffsplangebiet nach den oben genannten Anforderungen bereits hinreichend. Hinzu kommt der angehängte Übersichtslageplan, der das Eingriffsplangebiet im Zusammenhang mit markanten lokalen Einrichtungen wie dem Windeignungsgebiet Nr. 1... „G...“, der um das Plangebiet liegenden Wohnbebauung (B..., G..., H... und M...), die diese Ortschaften verbindenden Straßen, die Landesstraße L 2... und die Bundesautobahn A 2... sowie den B... See und den G... See, weitere kleinere Gewässer und Feuchtbiotope sowie das südlich an das Plangebiet angrenzende Windfeld „G...“ zeigt.
bb. Der Auslegungsbekanntmachung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass nach Punkt 4.2 des Bebauungsplanentwurfs vier Ausgleichsmaßnahmen auf Flächen außerhalb des oben beschriebenen Eingriffsplangebiets festgesetzt werden.
Der Plangeber hat beim Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a) BauGB bezeichneten Bestandteilen verschiedene Handlungsoptionen (vgl. Spannowsky in: BeckOK BauGB, Stand: August 2020, § 9 BauGB Rn. 120-130; Mitschang in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand: November 2019, § 1a BauGB Rn. 270-280; Reidt in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 764-780). Nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB erfolgt der Ausgleich im Rahmen von Bebauungsplänen durch geeignete Festsetzungen nach § 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Nach Maßgabe des § 1a Abs. 3 Satz 3 BauGB kann eine solche Festsetzung sowohl auf dem Eingriffsgrundstück (1. Option) als auch an anderer Stelle als an dem Ort des Eingriffs erfolgen. Soweit der Plangeber einen Ausgleich durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan an anderer Stelle durchführen will als auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, kann er diese Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1a Satz 1 BauGB sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Eingriffsbebauungsplans (2. Option) als auch in einem anderen Bebauungsplan, dem sogenannten Ausgleichbebauungsplan (3. Option), vornehmen. Anstelle von Festsetzungen können gemäß § 1a Abs. 3 Satz 4 BauGB vertragliche Vereinbarungen nach § 11 BauGB (4. Option) oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen (5. Option) getroffen werden.
Anders als die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Wortwahl zu Punkt 4.2. in der Planurkunde („Zuordnung von Kompensationsmaßnahmen“ bzw. „Als Kompensationsmaßnahmen werden … zugeordnet“) geltend macht, handelt es sich bei den Punkten 4.2 bis 4.4 des Bebauungsplans nach der Überzeugung des Senats nicht um lediglich nachrichtliche Hinweise auf Zuordnungen von Ausgleichsflächen, sondern um verbindliche Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1a Satz 1 Var. 1 i. V. m. § 1a Abs. 3 BauGB (nach der obigen Darstellung: 2. Option; vgl. zu vergleichbaren Fallgestaltungen: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. August 2019 – 7 D 5/18.NE –, juris Rn. 66, Urteil vom 5. Juli 2018 – 7 D 11/16.NE –, juris Rn. 31 und 35; Urteil vom 8. März 2018 – 7 D 60/16.NE –, juris Rn. 44, 48 und 51; Urteil vom 11. Oktober 2017 – 7 D 51/15.NE –, juris Rn. 28-30).
Dies ergibt sich bereits aus der systematischen Stellung unter der Überschrift „Textliche Festsetzungen“ und der ausdrücklichen Verweisung auf die Festsetzungen ermöglichende Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB in der Planurkunde. Seinem Inhalt nach enthält Punkt 4.2 des Plandokuments die verbindliche Vorgabe der Durchführung von vier im Einzelnen konkret benannten Kompensationsmaßnahmen, nämlich den Abriss und die Entwicklung einschließlich der Pflanzung von Strauchgruppen auf einer Fläche in der Gemarkung L... (M1), die Wiedervernässung B... und die Entwicklung eines Feuchtbiotops als potentieller Brutplatz für Rohrdommel, Rohrweihe und Kranich auf Flächen in den Gemarkungen S... und W... (M2), die Umwandlung von Ackerfläche, den Rückbau einer Verrohrung sowie die Pflanzung von Strauchgruppen auf einer Fläche in der Gemarkung K... (M3) sowie den Abriss eines Gutshauses und der umliegenden baulichen Anlagen auf einer Fläche in der Gemarkung K... (M4), und bestimmt, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen gemäß der Maßnahmenblätter aus dem Umweltbericht zu erfolgen hat. Dies wird flankiert durch die Anweisungen der Punkte 4.3 und 4.4, wonach die Ausgleichsmaßnahmen innerhalb von 18 Monaten nach Inbetriebnahme der geplanten Windkraftanlagen abgeschlossen sein müssen und die Fertigstellung sowie Entwicklung der Pflanzungen über einen Zeitraum von drei Jahren zu gewährleisten ist. Die Verbindlichkeit dieser Regelungen wird durch die Planbegründung bestätigt. Dort heißt es zum Punkt 8. „Umweltverträglichkeit“, dass die formulierten Kompensationsmaßnahmen als Zuordnungsfestsetzungen in den Bebauungsplan übernommen werden und mit Satzungskraft Rechtsverbindlichkeit erlangen (Planbegründung S. 14-15). In dem Umweltbericht werden die Ausgleichsmaßnahmen ebenfalls als Festsetzungen verstanden (Umweltbericht S. 61 und 64). In der Abwägungstabelle geht die Antragsgegnerin in ihrem Abwägungsvorschlag und der fachlichen Erläuterung durchgehend davon aus, dass die Kompensationsmaßnahmen im Bebauungsplan verbindlich textlich festgeschrieben werden (vgl. S. 874, 881 und 884 des Verwaltungsvorgangs).
Dem Einwand der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, eine Festsetzung anzunehmen, scheide aus, weil die Ausgleichsmaßnahmen M1, M3 und M4 auf Flächen außerhalb des Gemeindegebiets vollzogen würden, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die für die Ausgleichsmaßnahmen vorgesehenen Grundstücke zum Gemeindegebiet der Antragsgegnerin gehören. Denn ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan finden die „Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs, jedoch innerhalb des Gemeindegebiets“ statt (vgl. S. 7 der Planbegründung). Hierauf hat der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Außerdem ergibt sich aus der Planzeichnung und der Begründung des sachlichen Teilflächennutzungsplans „W...“, aus dem der streitgegenständliche Bebauungsplan entwickelt wurde und der insoweit Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, eindeutig, dass im Jahr 2001 die ehemals selbständigen Gemeinden S... und L... mit den dazugehörenden Ortsteilen W..., D..., K... und B... fusionierten (vgl. Planbegründung S. 3 im Halbhefter Satzungsexemplar Sachlicher Teilflächennutzungsplan „W...“). Im Übrigen verfinge der Einwand selbst dann nicht, wenn er sachlich zuträfe. Denn es bliebe dabei, dass jedenfalls die Ausgleichsmaßnahme M2 auf dem Gemeindegebiet liegt. Selbst wenn die Maßnahmen M1, M3 und M4 auf gemeindefremdem Gebiet vorgesehen wären, änderte die mögliche Rechtswidrigkeit dieser Planvorgabe nichts an ihrer Verbindlichkeit.
Die fehlende Verdeutlichung der außerhalb des Eingriffsplangebiets liegenden Ausgleichsflächen ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich. Einer der internen Unbeachtlichkeitsgründe der Vorschrift greift nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 S 2159/18 –, juris Rn. 28; Hessischer VGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – 4 C 2399/15.N –, juris Rn. 43). Die Antragstellerin hat diesen Fehler mit der binnen Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB bei der Antragsgegnerin eingegangenen Rügeschrift auch rechtzeitig geltend gemacht. Der Fehler erfasst den gesamten Plan und führt zu dessen Unwirksamkeit.
b. Die Schlussbekanntmachung ist ebenfalls fehlerhaft, weil auch ihr nicht zu entnehmen ist, dass der Bebauungsplan Festsetzungen für Grundstücke trifft, die außerhalb des Eingriffsplangebiets liegen.
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden. Die Verkündung ist Geltungsbedingung dieser Rechtsnormen. Die Ersatzverkündung eines Bebauungsplans nach § 10 Abs. 3 BauGB bedarf eines Hinweises, der geeignet sein muss, das Inkrafttreten neuen Bebauungsrechts in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets dem Normadressaten gegenüber bewusst zu machen und denjenigen, der sich über den genauen räumlichen und gegenständlichen Regelungsgehalt des Bebauungsplans informieren will, zu dem richtigen – bei der Gemeinde ausliegenden – Plan zu führen (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 4 CN 2/19 –, juris Rn. 16 m. w. N.).
Zwar enthält die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses eine schlagwortartige Kennzeichnung und textliche Umschreibung des Eingriffsplangebiets, die entgegen der Auffassung der Antragstellerin hinreichend sind. Die Ausgleichsmaßnahmen werden jedoch wiederum nicht erwähnt. Dies genügt nicht. Denn in einem Fall, in dem der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplans einschließlich der Ausgleichsflächen aus mehreren nicht verbundenen, sich über mehrere Gemarkungen des Gemeindegebiets erstreckenden Gebieten besteht, muss die Bekanntmachung des Bebauungsplans nach § 10 Abs. 3 BauGB auf alle Teile des Geltungsbereichs abstellen, um der gemeindlichen Öffentlichkeit eine verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht in einem näheren Bereich des Gemeindegebiets zu vermitteln (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 S 2159/18 –, juris Rn. 29-31; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. August 2019 – 7 D 5/18.NE –, juris Rn. 56-67; Urteil vom 5. Juli 2018 – 7 D 11/16.NE –, juris Rn. 27-40; Urteil vom 8. März 2018 – 7 D 60/16.NE –, juris Rn. 40-52; Urteil vom 11. Oktober 2017 – 7 D 51/15.NE –, juris Rn. 22-31; Hessischer VGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – 4 C 2399/15.N –, juris Rn. 44-47; vgl. auch Mitschang in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, Stand: November 2019, § 1a BauGB Rn. 273).
Dieser Fehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Var. 3 BauGB ohne Weiteres beachtlich, im Übrigen von der Antragstellerin aber auch fristgemäß gerügt worden, und führt zur Unwirksamkeit des gesamten Plans (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. August 2019 – 7 D 5/18.NE –, juris Rn. 67; Urteil vom 5. Juli 2018 – 7 D 11/16.NE –, juris Rn. 40; Urteil vom 11. Oktober 2017 – 7 D 51/15.NE –, juris Rn. 31).
2. Darüber hinaus weist der Bebauungsplan jedenfalls einen materiellen Fehler auf. Es liegt ein beachtlicher Abwägungsmangel in Form eines Ermittlungsfehlers hinsichtlich der Durchführbarkeit der Kompensationsmaßnahme M4 vor mit der Folge, dass die Eingriffs- und Ausgleichsbilanz der Antragsgegnerin fehlerhaft ist.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist (erst) verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Soweit die Ermittlung und Bewertung der Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, in § 2 Abs. 3 BauGB nunmehr auch als verfahrensbezogene Pflicht ausgestaltet worden ist, ergeben sich hieraus keine inhaltlichen Änderungen gegenüber den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Abwägungsgebot entwickelten Anforderungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 – 4 CN 1.07 –, juris Rn. 18). Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend.
Gemäß § 18 Abs. 1 BNatSchG hat die Gemeinde bei prognostisch zu erwartenden Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 14 Abs. 1 BNatSchG) durch die praktische Umsetzung einer von ihr betriebenen Bauleitplanung über Vermeidung, Ausgleich und Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zu entscheiden. § 1a Abs. 3 BauGB verlangt insoweit eine Bewältigung dieser naturschutzrechtlichen Eingriffsproblematik im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz und das dortige fachliche Verständnis, was einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt und wie er zu kompensieren ist, bilden damit die methodische Grundlage für die planerische Eingriffsregelung (Hessischer VGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – 4 C 2399/15.N –, juris Rn. 66).
Daran gemessen liegt ein Verstoß gegen das Ermittlungsgebot aus § 2 Abs. 3 BauGB vor. Denn die Antragsgegnerin hat den Abriss des Gutshauses als Kompensationsmaßnahme M4 in ihre Eingriffs- und Ausgleichsbilanz eingestellt, ohne hinreichend zu ermitteln, ob der Abriss möglich sein wird. Nach dem Inhalt der Aufstellungsvorgänge stand zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht fest, dass das Gebäude abgerissen werden konnte. Hiergegen spricht, dass es unter Denkmalschutz steht. Dies wird durch die Anmerkung der Antragsgegnerin in ihrer „Zusammenfassenden Erklärung gemäß § 10 Abs. 4 BauGB“ bestätigt, wonach „im Nachgang des Verfahrens […] der Gemeinde mitgeteilt [worden sei], dass das Gebäude unter Denkmalschutz [stehe] und nicht abgerissen werden [könne]“ (vgl. S. 4 dieser Erklärung im Ordner Satzungsexemplar).
Der Antragsgegnerin hätte sich aufdrängen müssen, dass vor der Abwägungsentscheidung und dem Satzungsbeschluss (weitere) Ermittlungen zum Baudenkmalwert des Gutshauses erforderlich waren, um beurteilen zu können, ob die vorgesehene Kompensationsmaßnahme M4 wird realisiert werden können.
Zwar hat die Antragsgegnerin, der die Existenz des Gutshauses bekannt gewesen ist, auch wenn dieses seit 25 Jahren leer gestanden haben mag, im Aufstellungsverfahren das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologische Landesmuseum als zuständige Fachbehörde beteiligt. Sie hat sich insoweit nicht nur an die Abteilung „Bodendenkmalpflege“, sondern auch an die Abteilung „(Bau)Denkmalpflege“ des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum gewandt. Aus dem weiteren Verlauf durfte sie aber nicht schließen, dass baudenkmalpflegerische Aspekte der Umsetzbarkeit der Kompensationsmaßnahme M4 nicht entgegenstehen werden. Stellung genommen hat nämlich nur die Abteilung „Bodendenkmalpflege“. Diese wies auf verschiedene Bodendenkmale hin, unter anderem im Bereich der Kompensationsmaßnahme M4. Abschließend erklärte sie in ihrem Schreiben, dass die Stellungnahme in Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse der Denkmalfachbehörde für Bodendenkmale erfolgt sei und erteilte folgenden Hinweis: „Da bei dem Vorhaben auch Belange der Baudenkmalpflege berührt sein können, erhalten Sie aus unserem Hause gegebenenfalls eine weitere Stellungnahme.“ Vor diesem Hintergrund, insbesondere angesichts des vorgenannten Hinweises, erlaubte allein der Umstand, dass eine Stellungnahme von der Abteilung „(Bau)Denkmalpflege“ nicht eingegangen war, der Antragstellerin nicht den Schluss, dass aus Sicht der Baudenkmalpflege keine Beeinträchtigung zu befürchten sei (vgl. Urteil des Senats vom 12. Mai 2021 – OVG 2 A 34.18 –, juris Rn. 58). Die Antragsgegnerin, die in einer tabellarischen Auflistung den Eingang der Stellungnahme der Bodendenkmalpflege vermerkt hat und für die gesondert gelistete „(Bau)Denkmalpflege“ eingetragen hat, keine Stellungnahme erhalten zu haben (S. 708 des Verwaltungsvorgangs), wäre vielmehr, sofern sie nicht selbst in der Lage war, zu beurteilen, ob und ggf. inwieweit die Umsetzung der Planung baudenkmalrechtlich zulässig war, gehalten gewesen, an die Abteilung „(Bau)Denkmalpflege“ heranzutreten und eine entsprechende Stellungnahme anzufordern (vgl. Urteil des Senats vom 12. Mai 2021 a. a. O.).
Der aus dem Ermittlungsdefizit folgende Abwägungsmangel stellt einen nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB erheblichen Abwägungsfehler dar. Nach dieser Vorschrift ist ein Mangel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist.
Der fragliche Fehler ist offensichtlich, da er sich unmittelbar aus den Unterlagen zur Planaufstellung ergibt. Er ist auch von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen. Mängel im Abwägungsvorgang sind im Sinne der oben genannten Vorschrift „auf das Abwägungsergebnis von Einfluss“ gewesen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 BN 47/03 –, juris Rn. 4).
Dies ist hier der Fall.
Denn ohne die Kompensationsmaßnahme M4 ist der Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft nach der Konzeption der Antragsgegnerin nicht gewährleistet. Nach ihrer Eingriffs-/Ausgleichsbilanzierung werden die vier Kompensationsmaßnahmen den durch Bau und Betrieb der Windkraftanlagen entstehenden Eingriffen in das Landschaftsbild und in den Naturhaushalt nicht einzeln zugeordnet, sondern insgesamt gegenübergestellt (S. 63 ff. des Umweltberichts). Dabei werden die Eingriffe in das Schutzgut „Boden“ nach der Berechnung der Antragsgegnerin nur durch die Entsiegelung auf allen vier Kompensationsflächen ausgeglichen. Der verbleibende Puffer von 2 065 m² aus der Maßnahme M3 reicht nicht aus, um das (fehlende) Kompensationspotenzial der Maßnahme M4 von 4 223 m² zu egalisieren (S. 65-66 des Umweltberichts). Unabhängig davon dienen alle Maßnahmen auch dem Ausgleich der Eingriffe in das Landschaftsbild. Dies hat die Antragsgegnerin als nicht im Einzelnen quantifizierbar erachtet mit der Folge, dass wiederum nur alle vier Kompensationsmaßnahmen gemeinsam den Ausgleich herbeizuführen vermögen. Fällt eine Kompensationsmaßnahme – wie hier – aus, wird die Gesamtbilanz fehlerhaft. Bei dieser Sachlage spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin, wenn sie erkannt hätte, dass die Kompensationsmaßnahme M4 nicht durchführbar ist, entweder andere oder weitere Ausgleichsmaßnahmen in die Planung einbezogen oder versucht hätte, den durch die Planung ausgelösten Eingriff entsprechend zu verringern. In beiden Fällen hätte sich eine andere Planung ergeben.
Der Hinweis der Antragsgegnerin darauf, dass der Abriss denkmalrechtlich genehmigt werden könnte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Hierauf könnte es allenfalls dann ankommen, wenn die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung eine entsprechende Prognose angestellt und diese ihrer Abwägung zugrunde gelegt hätte. Daran fehlt es jedoch.
Der Abwägungsmangel ist nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BauGB nachträglich unbeachtlich geworden. Denn er ist von der Antragstellerin fristgerecht geltend gemacht worden. Auch er führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, da er den gesamten Plan betrifft.
Angesichts der festgestellten Fehler bedarf keiner Entscheidung, ob der angegriffene Bebauungsplan im Übrigen den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.