Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 13.01.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 11 B 1.18 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0113.OVG11B1.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 6 Abs 1 BImSchG, § 3 Abs 1 BImSchG, Nr 6.7 Abs 1 TA Lärm, Nr 6.7 Abs 2 TA Lärm, § 113 Abs 5 S 1 VwGO, § 113 Abs 5 S 2 VwGO |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Oktober 2017 geändert.
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Genehmigungsbescheides vom 4. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014 verpflichtet, über den Inhalt der Nebenbestimmungen II. 4.1 (während der Nachtzeit einzuhaltende Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten A, C und D) und 4.2 (während der Nachtzeit einzuhaltende Schalleistungspegel der Windkraftanlagen der Klägerinnen) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Soweit das Verfahren in die zweite Instanz gelangt ist, tragen die Klägerinnen ¼ und der Beklagte 3/4 der Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils vollstreckende Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über schallschutzrechtliche Bestimmungen einer der Klägerin zu 1. erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, in die die Klägerin zu 2. teilweise eingetreten ist.
Mit Bescheid vom 4. April 2012 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014 erteilte der Beklagte der Klägerin zu 1. auf ihren Antrag eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von sechs Windkraftanlagen (Standortbezeichnung: WKA 23, 24, 25, 28, 29 und 40) in 15326 Jacobsdorf.
In dem vorgenannten Bescheid heißt es u.a.:
Nebenbestimmung II. 4.1
Für den Betrieb der mit diesem Bescheid genehmigten Windkraftanlagen gelten die nachfolgend genannten gebietsbezogenen Immissionsrichtwerte an den nachfolgend genannten Immissionsorten (IO):
Immissionsort | IRW nachts [dB(A)] |
IO A, 1... | 42,5 |
IO C, 1... | 41,5 |
IO D, 1... | 42,5 |
Nebenbestimmung II. 4.2
Die in der Geräuschimmissionsprognose zugrunde gelegten Schallleistungspegel für die Windkraftanlagen dürfen im gesamten Arbeitsbereich – auch bei maximal zulässiger Nennlast – nachts nicht überschritten werden. Im Einzelnen gelten folgende Werte:
Bezeichnung | […] | LwA [dB(A)] |
WKA 23 | […] | 100,2 |
WKA 24 | […] | 100,2 |
WKA 25 | […] | 100,2 |
WKA 28 | […] | 102,8 |
WKA 29 | […] | 102,8 |
WKA 40 | […] | 100,2 |
Sie dürfen gegenüber der gutachterlichen Bewertung keine nachteilig veränderte Ton- oder Impulshaltigkeit aufweisen.
Gegen die vorgenannten sowie weitere Nebenbestimmungen des Bescheides vom 4. April 2012 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014 hat die Klägerin zu 1. Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 25. Oktober 2017 – bei teilweiser Einstellung des Verfahrens – unter Aufhebung der Nebenbestimmungen in Ziffer II. 4.1 bis 4.6 und 4.8 bis 4.10 des Genehmigungsbescheides vom 4. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014 verpflichtet, die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
In Bezug auf die Nebenbestimmungen II. 4.1 und 4.2 hat das Verwaltungsgericht die Entscheidung wie folgt begründet: Die mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage sei unzulässig, da es sich bei Ziffer II. 4.1 und 4. 2 der Sache nach um nicht isoliert anfechtbare Inhaltsbestimmungen handele. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage sei zulässig und begründet. Die Nebenbestimmungen II. 4.1 und II. 4.2 seien rechtwidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Klägerin habe für den Immissionsort A, der im allgemeinen Wohngebiet im Randbereich zum Außenbereich liege, Anspruch auf die Festsetzung eines Immissionsrichtwertes von 45 dB(A) statt der vom Beklagten verfügten 42,5 dB(A). Der Beklagte selbst habe angenommen, dass der Immissionsort zugunsten der Klägerin vermindert schutzwürdig sei, und den für allgemeine Wohngebiete nachts geltenden Immissionsrichtwert von 40 dB(A) um 2,5 dB(A) erhöht. Diese Erhöhung sei jedoch zu gering. Der Beklagte sei bei der Bildung des Zwischenwertes von einem arithmetischen Mittelwert ausgegangen, was ein unzutreffender Ansatz sei. Die Festlegung eines Zwischenwertes in Höhe der auch in Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm zum Ausdruck kommenden Kappungsgrenze von 45 dB(A) nachts sei umso eher möglich, als der Zwischenwert für den Rand eines weniger schutzwürdigen Gebietes gebildet werde. Im konkreten Einzelfall falle zugunsten der Klägerin ins Gewicht, dass die Bewohner des „Innenbereichsastes“, auf dem der Immissionsort A liege, schon immer mit Immissionen durch privilegierte Außenbereichsvorhaben von drei Seiten hätten rechnen müssen, weshalb nicht einleuchte, warum hier ein höherer Schutz der Wohnbebauung erforderlich sei als bei direkter Anwendung von Nr. 6.7 TA Lärm für den Fall des Aufeinandertreffens von Gewerbegebiet (50 dB(A) nachts) oder Industriegebiet (70 dB(A) nachts) einerseits und allgemeinem Wohngebiet (40 dB(A) nachts) andererseits, wenn insoweit keine besonderen Einzelfallgesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Ausgehend hiervon könne auch der Umstand, dass die Windkraftanlagen im Außenbereich erst seit dem Jahr 1998 hinzugetreten seien, hier nicht auf eine Erhöhung nur auf 42,5 dB(A) nachts führen.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehen – Abweisung (auch) der Klage gegen die Nebenbestimmungen Ziffer II. 4.1 und 4.2 – weiter. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Ein Zwischenwert von 42,5 dB(A) nachts berücksichtige die schützenswerten Interessen der Klägerin an ihren privilegierten Außenbereichsvorhaben in ausreichendem Maße, da diese zeitlich nach der Wohnbebauung beantragt und realisiert worden seien. Der Zwischenwert dürfe nur in Ausnahmefällen vollständig mit dem Immissionsrichtwert für die nächst höhere Gebietskategorie zusammenfallen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier indes nicht vor. Nach dem Stand derzeitiger Planungen müssten die Anwohner am Immissionsort A nur in einer – nämlich östlicher – Richtung mit dem Hinzutreten weiterer Windkraftanlagen rechnen. Anhaltspunkte dafür, dass in Abweichung hiervon auch nördlich und südlich des Immissionsortes A Windkraftanlagen zugelassen werden könnten, lägen nicht vor. Die in Ziffer II. 4.2 festgesetzten Schallleistungspegel entsprächen der von der Klägerin eingereichten Geräuschimmissionsprognose. Höhere Schallleistungspegel könne die Klägerin nur verlangen, wenn die Nebenbestimmung II.4.1 rechtwidrig sei.
Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 1. die Windkraftanlagen mit der Standortbezeichnung WKA 23, 24, 25 an die Klägerin zu 2. veräußert, die daraufhin - mit Zustimmung der Klägerin zu 1. und des Beklagten - dem Verfahren beigetreten ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Oktober 2017 hinsichtlich der Nebenbestimmungen zum Schutz vor Geräuschimmissionen in Ziffer II. 4.1. und 4.2 des Bescheides vom 4. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014 abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angegriffene Urteil. Die Berufung sei bereits unzulässig, da die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Die Berufung sei auch unbegründet, da das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Ordner und 1 Hefter) Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig (dazu unter I.), jedoch im Wesentlichen unbegründet (dazu unter II.).
I. Die bereits vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Die Berufungsbegründung genügt den hieran zu stellenden Mindestanforderungen. Gemäß § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten (Berufungsantrag) sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Berufungsbegründung muss als erforderliche, aber auch ausreichende Mindestanforderung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen, dass und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will, wobei die Anforderungen nicht überzogen werden dürfen (vgl. hierzu BeckOK VwGO/Roth, 59. Ed. 1.1.2021, VwGO § 124a Rn. 35 m.w.N. zur Rspr. des BVerwG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zwar macht der Beklagte seine Ausführungen in der Berufungsbegründung - im Ansatz unzutreffend - zur Darlegung eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO. Jedoch lässt sich der Begründung der Sache nach entnehmen, dass und weshalb der Beklagte das Berufungsverfahren durchführen will.
II. Die Berufung ist indes im Wesentlichen unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind ausgehend vom Berufungsantrag des Beklagten allein die Ziffern II. 4.1 und 4.2 des Genehmigungsbescheides vom 4. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2014. Zwar hat das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung auch die Bestimmungen in Ziffer II. 4.3 bis 4.6 und 4.8 bis 4.10 des vorgenannten Bescheides aufgehoben und den Beklagten (auch) insofern verpflichtet, die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen, und hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2017 ohne Einschränkung Berufung „gegen das … Urteil“ eingelegt. Die Grenzen, in denen der Rechtsstreit vor dem Berufungsgericht erneut zu verhandeln ist, werden jedoch grundsätzlich erst durch die Berufungsanträge bestimmt. Der Beklagte hat einen auf die Ziffern II. 4.1. und 4.2 beschränkten Berufungsantrag gestellt und überdies in seiner Berufungsbegründung selbst ausdrücklich klargestellt, dass das Berufungsverfahren allein die Ziffern II. 4.1 und 4.2 betrifft.
Wegen der Bindung an die teilweise eingetretene Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat hier nicht zu entscheiden, ob die klägerseits mit dem Hauptantrag verfolgte Anfechtungsklage gegen die Bestimmungen II.4.1. und 4.2 tatsächlich – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – unzulässig (oder jedenfalls unbegründet) ist und daher eine isolierte Aufhebung dieser Bestimmungen nicht in Betracht kommt. Denn diese Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit dem erstinstanzlichen Urteil abgewiesen. Die hierdurch allein belasteten Klägerinnen haben keine Berufung eingelegt, so dass das erstinstanzliche Urteil insofern rechtskräftig geworden ist. Aus dem gleichen Grund ist der Senat hier von vornherein gehindert, den Beklagten (unmittelbar) zur Festsetzung eines bestimmten (höher als 42,5 dB(A) nachts liegenden) Immissionsrichtwertes zu verpflichten. Denn das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der Bestimmungen Ziffer II 4.1. und 4.2 keinen Vornahmetenor i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ausgesprochen, vielmehr den Beklagten ausweislich des Tenors des erstinstanzlichen Urteils nur gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung verpflichtet („verpflichtet, (…) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen“) und die Klage im Übrigen – d.h. auch hinsichtlich des über die Verpflichtung zur Neubescheidung hinausgehenden Vornahmetenors i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO – zurückgewiesen. Auch hierdurch waren allein die Klägerinnen belastet, die indes – wie bereits dargelegt – keine Berufung eingelegt haben. Ausgehend von alledem hat der Senat hier nur zu prüfen, ob der Ausspruch des Verwaltungsgerichts zur Neubescheidung zu beanstanden ist, etwa weil der von dem Beklagten festgesetzte Wert rechtmäßig war und deshalb die Klage abzuweisen wäre oder weil die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, an die der Beklagte bei der Neubescheidung gebunden ist, rechtlich zu beanstanden sind.
Der Ausspruch des Verwaltungsgerichts zur Neubescheidung an sich ist nicht zu beanstanden, die insofern dargelegte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts überwiegend, aber nicht vollumfänglich zutreffend. Die Lärmschutzbestimmungen in Ziffer II. 4.1 und 4.2 des angegriffenen Bescheides sind rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten. Diese haben Anspruch auf Neufestsetzung der Immissionsrichtwerte für die Immissionsorte A, C und D auf einen Wert höher als 42,5 dB(A) nachts (dazu unter 1.), nicht jedoch auf einen Wert von 45 dB(A) nachts (2.). Den Klägerinnen steht überdies ein Anspruch auf Neufestsetzung höherer Schallleistungspegel zu (dazu unter 3.).
1. Das Verwaltungsgericht stellt – exemplarisch für den Immissionsort A – zutreffend fest, dass der Beklagte bei der Bildung des Zwischenwertes von einem methodisch unzutreffenden Ansatz ausgegangen und eine Festsetzung von nur 42,5 dB(A) nachts rechtswidrig ist, weil der Klägerin zu 1. – nunmehr auch der Klägerin zu 2., auf die die Genehmigung für die Windkraftanlagen 23, 24 und 25 übergegangen ist – die Genehmigung mit einem Immissionsrichtwert höher als 42,5 dB(A) nachts zusteht.
Gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG ist – dies ist eine gebundene Entscheidung (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, BImSchG § 6 Rn. 45 m.w.N. u.a. zur Rspr. des BVerwG) – die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass sich die aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und 2. andere öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass zur Gewährung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können.
Schädliche Umwelteinwirkungen im vorgenannten Sinne sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Für den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen maßgeblich ist hier die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503), die auf Windenergieanlagen Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 4 CN 3/18 – juris, Rn. 20 m.w.N.). Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 4 C 8/11 – juris, Rn. 18 m.w.N. und Beschluss vom 25. Februar 2014 – 4 B 2/14 – juris, Rn. 4 m.w.N.).
Gemäß Nr. 3.2.1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umweltauswirkungen durch Geräusche (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 bis 5 sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nummer 6 nicht überschreitet. In Nr. 6.1 TA Lärm werden Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Abhängigkeit von der Lage der Immissionsorte in bestimmten Baugebieten bzw. zu bestimmten Einrichtungen festgesetzt. Nach Nr. 6.7 Abs. 1 TA Lärm können, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist (Satz 1), Dabei sollen die Immissionsrichtwerte für Kern-, Dorf- und Mischgebiete, also 45 dB(A) nachts (vgl. Nr. 6.1 d) TA-Lärm), nicht überschritten werden (Satz 2), wobei vorauszusetzen ist, dass der Stand der Lärmminderungstechnik eingehalten wird (Satz 3). Gemäß Nr. 6.7 Abs. 2 TA Lärm ist für die Höhe des Zwischenwertes nach Absatz 1 die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes maßgeblich (Satz 1). Wesentliche Kriterien sind die Prägung des Einwirkungsgebietes durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriebetriebe andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde (Satz 2). Ob der festgesetzte Zwischenwert „geeignet“ i.S.d. Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm ist, unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle (eine entsprechende Prüfung vornehmend: OVG Lüneburg, Urteil vom 14. Februar 2007 – 12 LC 37/07 – juris, Rn. 48; OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 – juris, Rn. 13 ff.; Hess.VGH, Urteil vom 24. September 2008 – 6 C 1700/07.T – juris, Rn. 114 f..; OVG Saarland, Beschluss vom 24. September 2014 – 2 A 471/14 – juris, Rn. 12 ff.; VGH BaWü, Beschluss vom 8. März 2011 – 10 S 161/09 – juris, Rn. 33).
Grenzt ein Wohngrundstück – wie hier unstreitig der Fall – unmittelbar an den planungsrechtlichen Außenbereich, ist zur Bestimmung des am Wohnhaus maßgeblichen Immissionsrichtwertes die Ziffer 6.7 der TA Lärm entsprechend anzuwenden. Zwar regelt Nr. 6.7 TA Lärm nicht die Fälle, in denen Wohngrundstücke in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet am Rande zum Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB liegen und den Geräuscheinwirkungen dort vorhandener Anlagen ausgesetzt sind, da der Außenbereich keine Gebietskategorie ist, für die in der TA Lärm Immissionsrichtwerte festgesetzt worden sind. Der Sache nach handelt es sich aber in diesen Fällen unechter Gemengelagen ebenfalls um konfligierende Grundstücksnutzungen im Nachbarschaftsverhältnis, für welche die vom Bundesverwaltungsgericht im sog. Tunnelofen-Urteil vom 12. Dezember 1975 – IV C 71.73 – entwickelten Grundsätze zum Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme gelten. Da diese Rechtsprechung in Nr. 6.7 TA Lärm ihren normativen Niederschlag gefunden hat, ist die Vorschrift auf Fälle der unechten Gemengelage entsprechend anzuwenden (vgl. Feldhaus/Tegeder, TA Lärm, Kommentar Nr. 6.7, Rn. 58a m.w.N. zur Rspr.; OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2016 – 8 B 866/15 – juris, Rn. 9 f.; Hess. VGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 – 6 B 2668/09 – juris, Rn. 13). Der zwischenzeitlich in Kraft getretene Bebauungsplan „Windpark Jacobsdorf“, der für das Gebiet der Windkraftanlagen der Klägerinnen ein Sondergebiet Windpark iSd. § 11 Abs. 2 BauNVO festsetzt, ändert an alledem nichts, da die TA Lärm auch hierfür keine Immissionsrichtwerte regelt.
Die Bildung eines arithmetischen Mittels zwischen dem nach Nr. 6.1 Satz 1 lit e) TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwert von 40 dB(A) einerseits und der Kappungsgrenze von 45 dB(A) andererseits, wie sie der Beklagte hier eigenen Angaben zufolge vorgenommen hat, ist methodisch unzutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Anwendung der Nr. 6.7 TA Lärm ausdrücklich klargestellt, dass der danach zu bildende Zwischenwert nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte ist, da die Lärmberechnung nicht auf arithmetischen, sondern auf logarithmischen Vorgaben beruht und bei der Bestimmung des Zwischenwertes zudem die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 – 7 B 24/07 – juris, Rn. 4 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 1984 – 7 B 149.84 –). Zwar war in dem grundlegenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1975 – IV C 71.73 – noch von einer „Art von Mittelwert“ die Rede. Der Begriff „Zwischenwert“ in Ziffer 6.7 TA Lärm macht aber deutlich, dass es sich nicht um eine mathematische Mittelwertbildung handelt, sondern um einen geeigneten Wert zwischen den Immissionsrichtwerten der aneinandergrenzenden Gebiete unterschiedlicher Kategorien (vgl. Feldhaus/Tegeder, a.a.O., Nr. 6.7 Rn. 61 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 – 4 C 20.94 –; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 7 B 4.10 – juris, Rn. 32 in Bezug auf Geruchsimmissionen).
Der vom Beklagten festgesetzte Zwischenwert ist auch im Ergebnis zu beanstanden, weil der Beklagte die für die Bildung des Zwischenwertes zur Verfügung stehende Spanne unterschätzt und den Zwischenwert mit 42,5 dB(A) nachts zu niedrig festgesetzt hat:
Aus dem Ansatz des Beklagten, der arithmetische Mittelwert betrage 42,5 dB(A) folgt zwingend, dass dieser davon ausgegangen ist, für die Festsetzung des Zwischenwerts stehe von vornherein nur ein Rahmen von 40-45 dB(A) zur Verfügung (vgl. die Ausführungen im Schriftsatz vom 30. Dezember 2016, S. 5, wo die Kappungsgrenze von 45 dB(A) als Immissionsrichtwert für den Außenbereich bezeichnet worden war). Dies trifft indes nicht zu. Unabhängig davon, dass die Grenze nach Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm lediglich nicht überschritten werden „soll“ und damit ohnehin nicht absolut ist, regelt Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm lediglich eine Kappungsgrenze für den Fall, dass die sonst maßgebenden Kriterien zu einer Zwischenwertbildung oberhalb der für Kern-, Dorf- und Mischgebiete vorgesehenen und damit als für die Wohnnutzung noch als verträglich anzusehenden Immissionsrichtwerte führen würde. Denn etwa bereits für die Bildung eines Zwischenwertes zwischen einem allgemeinen Wohngebiet und einem Gewerbegebiet wäre grundsätzlich von einem Rahmen auszugehen, der (nachts) von 40 bis 50 dB(A) reicht. Dementsprechend kann in dem hier vorliegenden Fall einer sogenannten unechten Gemengelage, die dadurch geprägt ist, dass es für den an das Wohngebiet angrenzenden Außenbereich keine Immissionsrichtwerte gibt, erst recht nicht von einer Begrenzung des Rahmens durch 45 dB(A) ausgegangen werden, wie der Beklagte sie angenommen hat.
Ist die für die Bildung des Zwischenwertes maßgebliche Spanne mithin größer als vom Beklagten angenommen, stellt nur die Festsetzung eines höheren Immissionsrichtwertes als 42,5 dB(A) nachts hier einen geeigneten Zwischenwert i.S.d. Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm (analog) dar. Dafür spricht bereits, dass Nr. 6.1 TA Lärm einem allgemeinen Wohngebiet eine gegenüber einem reinen Wohngebiet generell verminderte Schutzwürdigkeit zuerkennt. Überdies hat die hier betroffene Wohnbebauung nur einen geringen Umfang. Auch stellt sie sich dem Außenbereich nicht etwa als geschlossene Front gegenüber; vielmehr ist sie von mehreren Seiten durch Außenbereich umschlossen. Dabei mussten die Bewohner im Randbereich zum Außenbereich im Sinne einer Vorbelastung schon immer mit Immissionen durch etwaig entstehende privilegierte Außenbereichsvorhaben rechnen. Zwischenzeitlich dürfte eine durch den gewachsenen Windpark verursachte Geräuschkulisse auch ortsüblich sein, zumal der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung selbst vorträgt, dass der Bebauungsplan „Windpark Jacobsdorf II“ das Plangebiet in südöstlicher Richtung noch erweitere.
Für die Immissionsorte C und D ergibt sich hier nichts anderes. Auch diese liegen im allgemeinen Wohngebiet auf einem sog. „Innenbereichsast“ mit dreiseitiger (Immissionsort D) bzw. wenigstens zweiseitiger (Immissionsort C) Außenbereichsberührung (vgl. Verwaltungsvorgang Band II, Blatt 533). Auch hier ist der Beklagte von einem arithmetischen Mittelwert von 42,5 dB(A) nachts ausgegangen, wobei er diesen für den Immissionsort C unter Verweis darauf, es handele sich hier um ein Mehrfamilienhaus, dessen Schutzanspruch im Verhältnis zu den sonst gegebenen Einzelhäusern höher sei, um 1 dB(A) auf 41,5 dB(A) reduziert hat. Auch dieser Abschlag ist indes nicht gerechtfertigt. Der bloße Umstand, dass es sich beim Immissionsort C um ein Mehrfamilienhaus handelt, erhöht die Schutzwürdigkeit des Gebietes nicht, da ein Mehrfamilienhaus allein zu keiner – insoweit maßgeblichen – „Prägung des Einwirkungsgebietes“ (vgl. Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm) führt.
2. Die – exemplarisch für dem Immissionsort A – getroffene Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass klägerseits ein Anspruch auf Festsetzung eines Immissionsrichtwertes von 45 dB(A) nachts bestehe, trifft hingegen nicht zu. Einer pauschalen Festsetzung des Zwischenwertes auf die Kappungsgrenze von 45 dB(A) nachts steht hier schon entgegen, dass selbst eine Wohnnutzung im Außenbereich einen entsprechenden Schutzstatus genießt (vgl. hierzu OVG NRW Urteil vom 18. November 2002 – 7 A 2127/00 –, juris Rn. 32 ff. und Urteil vom 16. Dezember 2014 – 7 A 2623/13 – juris Rn. 62). Überdies ist hier zu berücksichtigen, dass die zu schützende Wohnbebauung bereits vor Errichtung der streitgegenständlichen Windkraftanlagen und offenbar auch vor Errichtung der schon zuvor vorhandenen Windkraftanlagen entstanden ist.
3. Hat der Beklagte die Immissionsrichtwerte der Ziffer II. 4.1 des angegriffenen Bescheides – wie unter II.1. dargelegt – zu niedrig festgesetzt, sind, was der Beklagte in seiner Berufungsbegründung selbst einräumt, auch die in Ziffer II.4.2 festgesetzten mittleren maximalen Schallleistungspegel rechtswidrig und zugunsten der Klägerinnen neu festzusetzen. Zwar ist eine unmittelbare Korrelation nur bezogen auf die Windkraftanlagen mit der Standortbezeichnung WKA 23, 24, 25 und 40 erkennbar, weil nur diese im gedrosselten Betrieb fahren müssen, um die Nachtrichtwerte einzuhalten, wohingegen dies für die WKA 28 und 29 nicht zutrifft. Die Nebenbestimmung II. 4.2 ist jedoch als Einheit zu betrachten. Denn es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte in der Folge einer Neufestsetzung der Immissionsrichtwerte an den Immissionsorten A, B und C im Rahmen der Neufassung der Nebenbestimmung II. 4.2 eine Neuordnung vornimmt, die auch die WKA 28 und 29 einbezieht und für diese zu abweichenden Schallleistungspegeln führt. Ausgehend hiervon war die Pflicht zur Neubescheidung nicht auf die WKA 23, 24, 25 und 40 zu beschränken, wenngleich eine Erhöhung der Schallleistungspegel für die WKA 28 und 29 vom Senat nicht erwartet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Frage, wie ein Zwischenwert im allgemeinen Wohngebiet in unmittelbarer Randlage zum Außenbereich zu ermitteln ist, lässt sich bereits aus der TA-Lärm und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ableiten. Im Übrigen ist die Bestimmung des hier einschlägigen Zwischenwertes eine Frage des Einzelfalls ohne fallübergreifende Bedeutung.