Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 26.10.2020 | |
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Aktenzeichen | 9 UF 178/20 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:1026.9UF178.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1.
Der Antrag der Antragstellerin vom 28. September 2020 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Verteidigung im Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
2.
Der Antrag der Antragsgegnerin vom 09. Oktober 2020 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3.
Der Senat beabsichtigt die schriftliche Zurückweisung der Beschwerde gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG und gibt insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen.
A. Verfahrenskostenhilfe der Antragstellerin
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist zurückzuweisen, da sie keine Erklärung über ihre eigene Hilfebedürftigkeit eingereicht hat, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 115, 117 Abs. 1, Abs. 4 ZPO.
Soweit ihre Mutter eine Erklärung über die Hilfebedürftigkeit eingereicht hat, verhilft dies dem Antrag der Antragstellerin ebenso wenig zum Erfolg. Die Mutter hat die Erklärung nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, de facto ist die gesamte Erklärung unausgefüllt eingereicht worden. Der um Verfahrenskostenhilfe ersuchende Antragsteller muss aber eine vollständig ausgefüllte und belegte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einreichen, § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO (§ 76 Abs. 1 FamFG).
Der (ohne weitere Erklärungen) beigefügte ALG II-Bescheid der Mutter der Antragstellerin befreit von der eigenständigen Ausfüllung des Formulars nicht. Zwar ist gemäß § 2 Abs. 2 PKHVV ein Antragsteller, der nach dem SGB XII – Sozialhilfe – laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, zunächst nicht verpflichtet, die Abschnitte E bis J des Vordrucks auszufüllen, wenn der letzten Bewilligungsbescheid des Sozialamts beigefügt wird (darauf wird auch auf S. 2 oben des Vordrucks in Fettdruck hingewiesen). Diese Regelungen betrifft aber nur Sozialhilfeempfänger nach dem SGB XII und entbindet diese nur von der Pflicht zur Ausfüllung der Abschnitte E bis J, nicht aber der übrigen Abschnitte des Vordrucks. Auf ALG II-Empfänger ist diese Erleichterung nicht anzuwenden, weshalb diese den Vordruck in vollem Umfange auszufüllen haben (OLG Jena FamRZ 2015, 1919 Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 76 FamFG Rn. 26). Dies beruht auf der unterschiedlichen Einkommens- und Vermögensanrechnung des SGB XII gegenüber dem SGB II.
B. Verfahrenskostenhilfe der Antragsgegnerin
Für den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zunächst darauf hingewiesen, dass insoweit eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe angesichts der aktuellen Einkommensverhältnisse allein unter Festlegung einer monatlichen Rate von rund 150 € in Betracht käme.
Die genaue Berechnung lässt der Senat hier aber letztendlich dahinstehen, da dem Antrag insgesamt kein Erfolg zukommt. Die eingereichte Beschwerde ist ohne Erfolgsaussicht, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114, 119 Abs. 1 ZPO. Dafür wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.
C. Erfolgsaussichten
I. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um den Mindestunterhalt für die Antragstellerin.
Die Mutter der Antragstellerin und die Antragsgegnerin bildeten zunächst eine nichteheliche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft. Innerhalb dieser Beziehung bestand zumindest ein Kinderwunsch der Mutter der Antragstellerin, dem sich die Antragsgegnerin jedenfalls nicht verschloss. Im September 2014 fanden die Frauen über ein Samenspende-Internetportal Herrn M… G…, der sich nachfolgend als Samenspender zur Verfügung stellte.
Die Samenspende fand am 3. Dezember 2014 in der Wohnung der beiden Frauen statt (soweit im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen angefochtenen Beschlusses, aber auch in einer Vielzahl der Schriftsätze anstelle des Datums 3. Dezember 2014 sich das Datum 3. Dezember 2015 befindet, handelt es sich angesichts des gesamten Akteninhaltes und gerade auch angesichts des unstreitigen Geburtsdatums der Antragstellerin um einen offenkundigen Irrtum). Der Samenspender übergab seinen in einer Spritze befindlichen Samen den beiden Frauen. Nachfolgend nahm die Antragsgegnerin selbst die Befruchtung mit dem übergebenen Samen bei der Mutter der Antragstellerin vor, die daraufhin schwanger wurde.
Am ... Juni 2015 schlossen die Mutter der Antragstellerin und die Antragsgegnerin vor dem Standesbeamten des Standesamtes … die Lebenspartnerschaft (Urk.-Nr. …/2015). Am 15. August 2015 wurde die Antragstellerin geboren.
Mit notarieller Vereinbarung der Beteiligten vor dem Notar Dr. T… F… in B… vom 14. Januar 2016 (Urkundenrolle Nr. …/2016, Bl. 106 ff. d. A.) erklärten die Mutter der Antragstellerin und die Antragsgegnerin, beim Familiengericht Bernau zu beantragen, dass die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin als Kind angenommen werde. Die Mutter der Antragstellerin sowie zugleich der Samenspender willigten hierin unwiderruflich ein. Zu einer Antragstellung beim Familiengericht betreffend der beabsichtigten Adoption kam es nachfolgend nicht.
Spätestens zum 1. März 2016 trennten sich die Mutter der Antragstellerin und die Antragsgegnerin. Beim Amtsgericht Bernau bei Berlin ist ein Verfahren zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft anhängig (Az. 6 F 186/18), wird aber derzeit – soweit erkennbar – nicht betrieben.
Mit Schreiben vom 30. August 2018 ist die Antragsgegnerin durch die Antragstellerin aufgefordert worden, den gesetzlichen Mindestunterhalt zu zahlen.
Die Antragstellerin hat behauptet, ihre Mutter und die Antragsgegnerin seien sich darüber einig gewesen, dass die Antragsgegnerin in rechtlich verbindlicher Hinsicht ihre Mutter habe werden wollen und sollen. Sie hat behauptet, insoweit sei eine entsprechende Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin ihr gegenüber begründet worden.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, beginnend ab dem 1. September 2018 an sie zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin monatlichen Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Unterhaltstabelle des Brandenburgischen OLGs zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, eine wirksame rechtliche Vereinbarung zwischen ihr und der Antragstellerin bzw. deren Mutter sei nicht zustande gekommen, an einer rechtlichen Beziehung als solche fehle es insgesamt.
Mit dem am 11. Juni 2020 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht Bernau bei Berlin die Antragsgegnerin verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin zu zahlen
i ab dem 1. August 2020 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612a Abs. 1 BGB der jeweiligen Altersstufe, derzeit 1. Altersstufe, gemindert um das hälftige Kindergeld für ein erstes Kind, derzeit 102 €, damit derzeit 267 €
i rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit vom 1. September 2018 bis zum 31. Juli 2020 i.H.v. 5.927 €.
Zur Begründung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, zwischen der Mutter der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sei ein Vertrag zugunsten Dritter gem. § 328 BGB betreffs der Unterhaltsverpflichtung geschlossen worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. In Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens begehrt sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des gestellten Antrages sowie dafür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde sowie – ebenfalls in Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.
II. Beurteilung
Die gem. §§ 58 ff. FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine vertragliche Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin gemäß § 328 BGB begründet.
1. (Kein) Gesetzlicher Unterhaltsanspruch
Zutreffend hat das Amtsgericht zunächst ausgeführt, dass ein gesetzliches Unterhaltsverhältnis (§§1601 ff. BGB i.V.m. §§ 1591 ff. BGB) zwischen den hier Beteiligten nicht besteht. Denn die Antragsgegnerin ist weder die Mutter der Antragstellerin gem. § 1591 BGB noch ihr Vater gem. § 1592 BGB noch kommt ein anderweitiges gesetzliches Co-Mutterschaftsverhältnis analog §§ 1591 ff. BGB in Betracht.
2. Vertraglicher Unterhaltsanspruch
Jedoch folgt aus den Regelungen des § 328 BGB (i.V.m. den §§ 1601 ff. BGB), dass die Antragstellerin aufgrund eines zwischen ihrer Mutter und der Antragsgegnerin geschlossenen Vertrages zugunsten Dritter unterhaltsrechtlich berechtigt ist.
a. Einwilligung in die heterologe Insemination in der Ehe
Nach der zur (Schein-)Vaterschaft des Ehemanns ergangenen Rechtsprechung des BGHs enthält eine Vereinbarung zwischen Eheleuten, mit welcher der Ehemann sein Einverständnis zu einer heterologen Insemination erteilt, regelmäßig zugleich einen von familienrechtlichen Besonderheiten geprägten berechtigenden Vertrag zugunsten des aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kindes, aus dem sich für den Ehemann dem Kind gegenüber die Pflicht ergibt, für dessen Unterhalt wie ein ehelicher Vater zu sorgen (BGH FamRZ 1995, 861, 862). Bei der mit Einwilligung des Ehemanns vorgenommenen heterologen Insemination handelt es sich aus seiner Sicht um die Übernahme der Elternschaft (der Scheinvaterschaft) durch Willensakt. Insofern ist aus der Sicht des Ehemanns das Einverständnis mit der heterologen Insemination einer Adoption (§§ 1741 ff. BGB) ähnlich. Anders als bei der Adoption handelt es sich allerdings nicht um die Übernahme der Elternschaft für ein bereits gezeugtes oder geborenes Kind, durch den Willensakt soll vielmehr die Entstehung des Kindes erst ermöglicht werden (BGH FamRZ 1995, 861, 862; vgl. auch BGH FamRZ 2013, 1209; Coester-Waltjen NJW 1983, 2059). Wenn der Ehemann auf diese Weise zu der Geburt eines Kindes durch seine Ehefrau beiträgt, gibt er damit zu erkennen, dass er für das Kind wie ein ehelicher Vater sorgen will. Das Verhalten des Ehemanns kann aus der Sicht seiner Ehefrau nur dahin interpretiert werden, dass er eine Unterhaltspflicht unabhängig davon übernehmen will, ob die gesetzliche Unterhaltspflicht, deren Voraussetzungen an sich nicht gegeben sind, (fort-)besteht (BGH FamRZ 1995, 861, 862).
b. Nichtehelicheliche Partner
Diese die ehelich geborenen Kinder betreffende Rechtsprechung des BGHs ist auf die von nicht verheirateten Wunscheltern vereinbarte Zeugung eines Kindes durch heterologe Insemination zu übertragen (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 21). Die Tatbestände der konsentierten heterologen Befruchtung sind - abgesehen von der abstammungsrechtlichen Anknüpfung der Vaterschaft - nicht wesentlich verschieden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass es später u.U. nicht zu einer rechtlichen Vaterschaft des zustimmenden Partners kommt. Dass dann, wenn der konsentierende nicht verheiratete Wunschvater später die Vaterschaft nicht anerkennt und der Schutz des nichtehelichen Kindes gegenüber dem ehelichen, für das eine Vaterschaft des Ehemanns nur in seltenen Ausnahmefällen scheitern dürfte, demzufolge unvollkommen bleibt, zeigt allenfalls eine Unvollständigkeit der bestehenden Gesetzeslage auf (vgl. auch Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1600 Rn. 71, 75 m.w.N.), gibt indessen keinen Grund, das nichteheliche Kind im Hinblick auf den Unterhalt schlechter zu behandeln als das eheliche (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 21).
c. Gleichgeschlechtliche Partner
Der Anwendung dieser Grundsätze steht nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall eine zwischen zwei Frauen geschlossene Lebenspartnerschaft betroffen ist.
Die vorangestellten Ausführungen des BGHs sind – wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – allgemein gehalten und beziehen sich in ihrem Kern darauf, dass ein Partner gegenüber dem anderen die Verpflichtung, für ein nicht zwischen den Partnern gezeugtes Kind aufzukommen, übernimmt. Diese Verpflichtung kann innerhalb jeglicher nichtehelichen Lebensgemeinschaft begründet werden und setzt daher zwangsläufig nicht eine heterosexuelle Beziehung voraus.
Soweit die Antragsgegnerin vor allem im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung ausführt, dass eine Gleichstellung der Vaterschaftsregelung von mit einer Kindesmutter verheirateten Männern und der mit einer Kindesmutter verheirateten oder lebenspartnerschaftlich verbundenen Frauen ausdrücklich nicht erfolgen soll und dies entsprechend gesetzgeberisch stets betont worden sei, trägt es nicht. Zum einen hat sie dafür nicht einmal entsprechende Fundstellen oder Belege angeführt, eine derart allgemeine Aussage ist dem Senat jedenfalls nicht bekannt. Zum anderen – was wesentlicher ist – hat dies vorliegend nichts mit einer statusrechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau gegenüber Frau und Frau zu tun, vielmehr geht es hier allein darum, ob eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung für ein von einem anderen abstammendes Kind übernommen wird. Auch aus der Sicht des gleichgeschlechtlichen Partners ist das Einverständnis mit der heterologen Insemination einer Adoption (§§ 1741 ff. BGB) ähnlich, zumindest weil im vorliegenden Fall die Adoption auch tatsächlich beabsichtigt war. Eine unterhaltsvertragliche Verpflichtung kann zudem im Grundsatz jedermann eingehen, dafür bedarf es nicht einmal einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
d. Rechtsbindungswillen der Antragsgegnerin
Ebenso wenig bestehen Bedenken daran, dass die Antragsgegnerin einen entsprechenden Rechtsbindungswillen zum Abschluss der Vereinbarung gem. den §§ 328, 1601 ff. BGB gehabt hat.
aa. Willenserklärung
Die Willenserklärung der Antragsgegnerin besteht in der Einwilligung in die künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten (hier ausdrücklich als sog. „Becherspende“). Die Einwilligung richtet sich - wenigstens mittelbar - auf die Begründung einer der Mutter-/Vaterschaft entsprechenden Verantwortung und ist eine Willenserklärung (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 11; vgl. auch BGH FamRZ 1995, 861; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1150; OLG Oldenburg FamRZ 2015, 67; Roth DNotZ 2003, 805, 809 f.). Die Einwilligung setzt ihrem Inhalt nach voraus, dass der Einwilligende die Stellung eines Elternteils übernehmen will und ein entsprechender Rechtsbindungswille besteht. Ein solcher ist im Zweifel gegeben, wenn die Durchführung der heterologen Insemination im beiderseitigen Einvernehmen der Partner erfolgt ist. Die bloße Kenntnis von der heterologen Insemination stellt dagegen noch keine Willenserklärung dar und kann als solche keine Rechtsfolgen auslösen (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 12). Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt zudem die Abgabe der Erklärung gegenüber der (ebenfalls einwilligenden) Mutter voraus (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 123.
Dass die Antragsgegnerin für die Antragstellerin wie eine (weitere) Mutter einstehen wollte, ergibt sich aus dem gesamten Geschehen bis hin zur Trennung der Lebenspartnerinnen. Unstreitig ist, dass beide Lebenspartnerinnen bei dem entsprechenden Samenspenderportal nach einem Samenspender gesucht haben. Aus dem von der Mutter der Antragstellerin eingereichten E-Mail-Verkehr der Antragsgegnerin mit dem Samenspender geht hervor, dass die Antragsgegnerin aktiv und offenbar sogar federführend an der Suche nach einem Samenspender beteiligt war. Nach Auffinden des Samenspenders hat die Antragsgegnerin eine Vielzahl von Mailkontakten mit diesem gehabt. Die von der Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung geschilderten eigenen Bedenken an der eigenen Quasi-Mutterschaft (Sorge..., für ein Kind zu alt zu sein und/oder die tatsächliche Verantwortung für ein Kind nicht tragen zu können - vgl. Bl. 134 d.A.) gehen aus dem gesamten vorgelegten Schriftverkehr nicht hervor. Vielmehr geht aus allem hervor, dass sie sich selbst auf die entsprechende Mutterschaft ihrer Lebenspartnerin gefreut und dies aktiv und willentlich unterstützt hat. Beispielhaft dafür seien aus den vorgelegten E-Mails der Antragsgegnerin an den Samenspender angeführt
i 31. Oktober 2014 (Bl. 71 d.A.) – unseren Babywunsch;
i 20. November 2014 (Bl. 70 d.A.) von unserem gewünschten Zweiohr-Häschen;
i 26. Dezember 2014 (Bl. 73 d.A.) – Dein Geschenk an uns.
Vergleichbares zeigt auch der Inhalt der schriftlichen Stellungnahme des Samenspenders vom 29. Februar 2020 (Bl. 76 d.A.) auf, aus der sich ergibt, dass jedenfalls beide Lebenspartnerinnen sich das Kind wünschten.
Ferner hat die Antragsgegnerin am Tag der Zeugung (3. Dezember 2014) die Spritze mit dem Samen der Mutter der Antragstellerin eigenhändig eingeführt. Nach der Schwangerschaft haben beide Partnerinnen an ihrer nichtehelichen Beziehung festgehalten und diese durch Eingehung der Lebenspartnerschaft verfestigt. Gleichermaßen hat die Erstellung und der Abschluss der notariellen, auf eine Adoption der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin abzielende Vereinbarung auf besondere Initiative der Antragsgegnerin stattgefunden.
Aus diesen gesamten Umständen und den darin enthaltenen Erklärungen der Antragsgegnerin geht zweifelsfrei hervor, dass sie sowohl im Zusammenhang mit der Zeugung des Kindes als auch dem weiteren Fortgang einen Rechtsbindungswillen dahingehend, für das Kind künftig wie ein Elternteil einzustehen, besaß. Die Mutter der Antragstellerin hat die Erklärung spätestens dadurch angenommen, dass sie mit Rücksicht auf die erklärte Einwilligung und mit Kenntnis der Antragsgegnerin die künstliche Befruchtung durchführen ließ, welche zur Geburt der Klägerin führte. Spätestens am 3. Dezember 2014 (Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung) ist die entsprechende Vereinbarung daher zustande gekommen.
b. Ungeborenes Kind
Der Annahme eines Vertrages zugunsten Dritter auch gegenüber der Antragstellerin steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin zu dem Zeitpunkt, in dem das Einverständnis mit der heterologen Insemination erklärt wurde, noch nicht gezeugt war. Zwar beginnt die Rechtsfähigkeit des Menschen erst mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB). Es ist aber allgemein anerkannt, dass auch dem noch nicht erzeugten Kind für den Fall seiner Lebendgeburt Rechte zugewendet werden können, insbesondere auch durch einen Vertrag zugunsten Dritter (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 19; BGH FamRZ 1995, 861, 863).
c. Formfreiheit
Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen schriftlichen Fixierung darüber, dass ein Vertrag zugunsten Dritter bezogen auf eine Unterhaltsverpflichtung für die Antragstellerin zustande gekommen ist. Eine solche Vereinbarung kann aber, wie der BGH ausdrücklich ausgeführt hat, auch formlos geschlossen werden (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 14 ff.).
d. Inhalt der Unterhaltsvereinbarung
Zutreffend hat das Amtsgericht insoweit festgestellt, dass aufgrund der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung hier der Mindestunterhalt gem. den §§ 1601 ff., 1612 a BGB geschuldet wird, den das Amtsgericht sodann rechnerisch zutreffend (auch unter Beachtung des § 1613 Abs. 1 BGB) zuerkannt hat. Der Inhalt der vertraglichen Unterhaltspflicht entspricht der Erklärung, die Stellung gleich einem Elternteil übernehmen zu wollen. Der hieraus entstehende Unterhaltsanspruch des Kindes bestimmt sich dann hinsichtlich der grundlegenden Voraussetzungen (Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit und Anspruchshöhe) entsprechend der gesetzlichen Regelung zum Verwandtenunterhalt (insbesondere §§ 1602, 1603, 1610, 1612 a, 1612 b BGB; vgl. auch BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 23).
3. (Kein) Entfallen der Unterhaltsverpflichtung
Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Beschwerde darauf abstellt, dass ein eventuelles Festhalten an einer solchen Vereinbarung jedenfalls deshalb ausscheide, weil es nachfolgend zur Trennung der Lebenspartnerinnen und nicht mehr zur Adoption gekommen ist, geht dies fehl.
a. Widerruf
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein Widerruf der Erklärung eines solchen Vertrages zugunsten Dritten grundsätzlich lediglich noch in Betracht zu ziehen ist, wenn der Zeugungsakt noch nicht stattgefunden hat. Bis die zur Schwangerschaft führende künstliche Befruchtung durchgeführt worden ist, kann die Zustimmung der Mutter gegenüber im Grundsatz frei widerrufen und auf diese Weise die mit der Zustimmung verbundene Vereinbarung gekündigt werden. Nach der Befruchtung kann dagegen weder durch eine einseitige Erklärung noch durch eine Vereinbarung mit der Mutter die dem Kind gegenüber übernommenen Verpflichtungen aufgelöst werden (BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 20; BGH FamRZ 1995, 861, 863 f. BGH FamRZ 1995, 1272, 1273 f.).
b. Wegfall der Geschäftsgrundlage
Nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB), die auch für eine vertragliche Vereinbarung wie die vorliegende Anwendung finden (vgl. allg. dazu BGH FamRZ 2015, 2134 – Rn. 20 a.E.), kommt eine gänzliche oder teilweise Freistellung der Antragsgegnerin von der vertraglichen Unterhaltsverpflichtung nicht - jedenfalls derzeit nicht - in Betracht.
aa. Quasi-Elternstellung
Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluß bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsschließenden oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen einer Vertragspartei vom Fortbestand oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut. Ändert sich die Geschäftsgrundlage derart, dass das Festhalten an der vereinbarten Regelung der betroffenen Partei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, so kommt - gerade auch bei Unterhaltsverträgen - eine Anpassung der Vereinbarung an die veränderten Verhältnisse in Betracht (BGH FamRZ 1995, 861 – Rn. 29; BGH FamRZ 1986, 790, 791), die unter Umständen auch darin bestehen kann, dass die Unterhaltsverpflichtung ganz entfällt.
Im vorliegenden Fall hatten die Antragsgegnerin und die Mutter der Antragstellerin bei Abschluss der Vereinbarung vom 3. Dezember 2014 erkennbar die Vorstellung, die persönlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen der Antragsgegnerin und dem aus der heterologen Insemination hervorgehenden Kind würden sich so entwickeln, als sei die Antragsgegnerin ihre (weitere) Mutter. Es ist davon auszugehen, dass zumindest die Antragsgegnerin ohne diese Vorstellung die Vereinbarung nicht getroffen und von einer heterologen Insemination abgesehen hätte.
Diese Geschäftsgrundlage ist nicht schon deshalb entfallen, weil – nach derzeitigem Stand – die Lebenspartnerschaft der Mutter der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin gescheitert ist und die Antragstellerin deshalb nicht in einer Hausgemeinschaft mit der Antragsgegnerin aufwachsen wird. Eine solche Entwicklung hätte genauso eintreten können, wenn die Antragsgegnerin die biologische Mutter der Antragstellerin wäre (vergleichbare Ausführungen zur Vaterschaft finden sich bei BGH FamRZ 1995, 861 – Rn. 30).
bb. Adoption
Ebenso wenig kommt eine Freistellung der Antragsgegnerin deshalb in Betracht, weil eine Adoption der Antragstellerin durch sie nicht mehr möglich wäre.
Dafür müsste die Antragsgegnerin als erstes substantiiert darstellen, dass die Adoption der Antragstellerin durch sie tatsächlich Grundlage des Rechtsgeschäftes mit der Mutter der Antragstellerin war. In dem gesamten vorgelegten Schriftverkehr (E-Mails usw.) ist eine solche Grundlage, die zwischen den Vertragspartnerinnen zudem einvernehmlich getroffen werden müsste, allerdings nicht enthalten. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Einstandspflicht bzw. ihre Einwilligung in die heterologe Insemination schon bei Vertragsschluß (3. Dezember 2014) an eine Adoption der Antragstellerin geknüpft hat. Ein bloßer innerer Vorbehalt der Antragsgegnerin wäre dagegen unbeachtlich (vgl. auch § 116 S. 1 BGB).
Letzten Endes kann dies nach derzeitigem Stand sogar dahinstehen. So kann jeder Ehegatte das Kind seines Ehegatten allein annehmen (§ 1741 Abs. 1 S. 2 BGB, sog. Stiefkindadoption). Bereits mit Wirkung vom 1. Januar 2005 sind die Regelungen über die Stiefkindadoption auf die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft übertragen worden, jedenfalls soweit dies ein biologisches Kind eines Lebenspartners betrifft (§ 9 Abs. 7 LPartG vgl. auch Kemper FamRB 2020, 408, 409).
Den entsprechenden Adoptionsantrag hat die Antragsgegnerin beim Familiengericht bislang noch nicht gestellt. Dieser ist – solange die Lebenspartnerschaft noch besteht – nicht von vornherein aussichtslos, weil jedenfalls die notwendigen Einwilligungserklärungen der Mutter und des Samenspenders in unwiderruflicher Form vorliegen und daher fortbestehen. Da die Antragstellerin für etwa ein halbes Jahr innerhalb der Beziehung der beiden Lebenspartnerin lebte, ist eine sozial familiäre Beziehung zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Es ist daher nach derzeitigem Stand offen, wie ein eventuelles Adoptionsverfahren ausgehen würde. Zudem ist es angesichts des derzeit wohl nicht betriebenen Verfahrens zur Aufhebung der Lebenspartnerschaft offen, ob die Lebenspartnerschaft tatsächlich aufgelöst wird. Vor endgültiger (rechtskräftiger) Auflösung derselben kommt daher ein Wegfall der Geschäftsgrundlage von vornherein nicht in Betracht.
Vorsorglich wird noch auf Folgendes hingewiesen:
Sofern dagegen die Antragsgegnerin selbst nicht mehr die Adoption wünscht bzw. soweit sie die Aufhebung der Lebenspartnerschaft ihrerseits begehrt, scheidet ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichsam aus. In diesem Falle wäre es der Antragsgegnerin vielmehr zuzumuten, die eingetretene Störung hinzunehmen. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse selbst (mit)bewirkt hat bzw. mitträgt, aus dem dadurch herbeigeführten Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Rechte herleiten (BGH NJW-RR 1993, 880, 881). Dies gilt auch für die eine vertragliche Vereinbarung wie die vorliegende (vgl. auch BGH FamRZ 1995, 861 – Rn. 33).
Von daher bedarf es auch nicht des Abwartens – wie dies die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung wünscht – eventueller gesetzgeberischer Vorhaben für neue Regeln über eine Mutterschaft zweier Frauen usw. Im vorliegenden Fall besteht jedenfalls zumindest für die Fortdauer der Lebenspartnerschaft unzweifelhaft eine vertragliche Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin.