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Entscheidung VG 3 L 251/21


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 13.01.2022
Aktenzeichen VG 3 L 251/21 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:0113.3L251.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2500,00 € festgesetzt.

3. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

A. Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Nrn. 1, 3 und 4 des Bescheides des Antragsgegners vom 4. Juni 2021 anzuordnen bzw. wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

I. Soweit der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Nr. 1 des Bescheides des Antragsgegners gerichtet ist, ist er bereits unstatthaft und deshalb unzulässig. Anders wäre es nur, wenn ihr diesbezüglicher Antrag die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 S. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ausgelöst hätte. Nach dieser Vorschrift gilt nämlich in Fällen, in denen ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt, der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Wird ein solcher rechtzeitig gestellter Antrag abgelehnt, endet die Fiktionswirkung. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist in einem solchen Fall statthaft, weil er im Erfolgsfall, also bei einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung zum Wiederaufleben der Fiktionswirkung, mithin dazu führt, dass der bisher bestehende Aufenthaltstitel als fortbestehend gilt. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels dagegen verspätet gestellt, tritt die angeführte gesetzliche Fiktionswirkung nicht ein.

So ist es hier.

Die der Antragstellerin am 8. November 2016 erteilte Aufenthaltserlaubnis war lediglich bis zum 7. November 2019 gültig. Noch vor diesem Zeitpunkt war sie mit einem Schreiben des Antragsgegners vom 26. August 2019 darauf hingewiesen worden, dass nach den auf einer Mitteilung des Ehemannes beruhenden Erkenntnissen der Ausländerbehörde die familiäre Lebensgemeinschaft der Antragstellerin mit ihrem Ehemann vor Ablauf von drei Jahren beendet worden sei und deshalb die Erteilung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für sie nicht in Betracht komme. Daraufhin meldete sich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin für sie mit einem Schriftsatz vom 4. September 2019, beantragte darin aber lediglich die Gewährung von Akteneinsicht, nicht aber, auch nicht sinngemäß, die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Antragstellerin erschien ausweislich eines diesbezüglichen Vermerks erst am 8. November 2019, also kurz, jedoch eindeutig nach Ablauf des erteilten Aufenthaltstitels (7. November 2019) beim Antragsgegner und kündigte die Stellung eines Erteilungsantrages an, welcher förmlich dann am 13. Januar 2020 beim Antragsgegner einging.

II. Der Antrag ist zudem insoweit unbegründet, im Übrigen (also abgesehen von der Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis) zulässig, jedoch unbegründet. Soweit die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis betroffen ist, gilt das unabhängig davon, ob man die Erfolgsaussichten ihres Antrages trotz der oben ausgeführten Bedenken am Maßstab des § 80 Abs. 5 VwGO misst, also in erster Linie danach fragt, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung bestehen oder – falls der Antrag in dieser Form nicht statthaft sein sollte – das Begehren in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO umzudeuten ist und es dann darauf ankäme, ob die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung hat, während über ihren Rechtsbehelf gegen die Ablehnung ihrer Aufenthaltserlaubnis entschieden wird und die vorläufige Gewährung dieses Rechts auch eilbedürftig ist. Denn die Antragstellerin hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch ist die weiter angegriffene Ausreiseaufforderung nebst Abschiebungsandrohung rechtlich zu beanstanden.

1. Allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage der vom Antragsgegner mit Nr. 1 des angegriffenen Bescheides abgelehnten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG. Soweit er an dieser Stelle zugleich den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung eines Daueraufenthaltsrechts abgelehnt hat, trägt auch sie nichts vor, was abgesehen von der genannten Vorschrift einen derartigen Anspruch begründen könnte. Nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzuges unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat.

Das war nicht der Fall.

a) Eine eheliche Lebensgemeinschaft wird im Sinne der genannten Vorschrift dann rechtmäßig geführt, wenn die Ehe rechtswirksam bestanden hat und der Aufenthalt beider Ehegatten rechtmäßig ist. Dieses Erfordernis bezieht sich mithin sowohl auf den Ausländer, welcher die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG begehrt und im Tatbestand der Vorschrift als "Ehegatte" bezeichnet wird, als auch auf die Person, zu der der Ehegattennachzug erfolgt ist. Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten muss dabei gerade zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilt worden sein (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. April 2014 – OVG 11 S 26.14 –, juris Rn. 5; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, http://beck-online.beck.de Rn. 32 f.).

An diesen Voraussetzungen gemessen hat die eheliche Lebensgemeinschaft der Antragstellerin nicht mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden.

Bei der Berechnung der Ehebestandszeit bleibt ihr Aufenthalt in Deutschland vor ihrer (erneuten) Einreise nach Deutschland am 25. September 2016 außer Betracht. Sie ist zwar am 28. Juli 2010 erstmals nach Deutschland eingereist. Das dafür erteilte Visum war indes nicht auf einen Daueraufenthalt für einen Familiennachzug gerichtet. Vielmehr handelte es sich um ein Schengenvisum für einen kurzfristigen Aufenthalt mit einer Gültigkeitsdauer vom 28. Juli bis zum 25. Oktober 2010.

In der Zeit nach dem Ablauf ihres Visums hielt sich die Antragstellerin bis zu ihrer Ausreise nicht rechtmäßig in Deutschland auf. Von ihr gestellte Anträge auf Verlängerung der Gültigkeit ihres Visums bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurden durch Bescheide des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten des L ... vom 1. April 2011 bzw. 16. Oktober 2014 abgelehnt. Diese Bescheide sind bestandskräftig, denn dagegen gerichtete Rechtsbehelfe legte die Antragstellerin nicht ein. Antragsgemäß erhielt sie stattdessen Duldungen, weil ihr nach einem von ihr angezeigten Raub ihres Reisepasses das für eine Rückreise erforderliche Reisedokument fehlte. Die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts war damit nicht hergestellt, sondern lediglich ihre Abschiebung ausgesetzt. Erst nachdem die Antragstellerin einen Reisepass vorgelegt und der wegen ihres Umzuges inzwischen zuständig gewordene L ... seine Vorabzustimmung zur Erteilung eines Visums gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 der Aufenthaltsverordnung erteilt hatte, reiste sie im August 2016 zur Nachholung des Visumverfahrens in den Libanon zurück. Dieses Visum erhielt sie unter dem Datum des 23. September 2016 zum Zweck der Familienzusammenführung. Nach den von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellten Erkenntnissen des Antragsgegners reiste sie auf dieses Visum gestützt am 25. September 2016 erneut nach Deutschland ein. Antragsgemäß erteilte ihr der L ... unter dem Datum des 8. November 2016 daraufhin eine auf die Dauer von drei Jahren befristete Aufenthaltserlaubnis.

Die mit ihrer damaligen, nunmehr rechtmäßigen Einreise in Gang gesetzte dreijährige Frist des § 31 Abs. 1 Satz Nr. 1 AufenthG, die nach dem oben zitierten Norminhalt ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten vermitteln kann, war bis zur Trennung der Antragstellerin von ihrem deutschen Ehemann nicht verstrichen. Dieser teilte mit Schreiben vom 31. Juli 2019 mit, seine Ehefrau, die Antragstellerin, sei Mitte Januar 2019 unbekannt verzogen. Auch sie selbst datierte in einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ihre Trennung auf den 17. Juli 2019, mithin einen Zeitpunkt, zu dem die gesetzlich vorausgesetzte Ehebestandszeit noch nicht vollendet war.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sie auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2019 kein von ihrem Ehemann abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Die genannte Entscheidung begründet ein derartiges Aufenthaltsrecht für Familienangehörige von Unionsbürgern, setzt jedoch ebenfalls eine mindestens dreijährige Ehedauer vor der Scheidung voraus (vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU und dazu das von ihr zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – 1 C 9.18 –, juris Rn. 15).

b) Die Nichteinhaltung der genannten Anforderung ist auch nicht nach der Vorschrift des § 31 Abs. 2 AufenthG unbeachtlich. Danach ist von dem Erfordernis des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt dem Wortlaut der Vorschrift nach insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes.

Die Bestimmung ist dahin auszulegen, dass sie nicht alle im Falle einer Rückkehr drohenden Beeinträchtigungen erfasst, sondern nur solche, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft und ihrer Auflösung im Zusammenhang stehen. Das eigenständige Aufenthaltsrecht, welches die Vorschrift vorsieht, wird im Hinblick darauf gewährt, dass in den von der Norm umfassten Fällen die spezifische Erwartung enttäuscht wurde, die der Betroffene mit dem ehebezogenen Aufenthaltstitel verband. Der ausländische Ehegatte, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft war, soll gegenüber anderen Ausländern insoweit privilegiert werden, als ihm im Hinblick auf seine dem Schutzbereich von Art. 6 GG zuzuordnenden Erwartungen und Dispositionen erhebliche Beeinträchtigungen erwachsen. Sonstige, in keinem Zusammenhang mit der Ehe stehende inlands- bzw. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote sollen dagegen mit dieser Privilegierung nicht erfasst werden. Eine Härte im Sinne der Vorschrift ist deshalb nur dann anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Herkunftslandes über die damit naturgemäß immer verbundenen Probleme deutlich hinausgehen und damit den Ehegatten ungleich härter treffen, als andere Ausländer in derselben Situation (BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2009 – 1 C 11/08 –, juris Rn. 24, 28; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. April 2011 – OVG 3 S 31.11 –, Seite 2 EA; OVG Saarlouis, Beschluss vom 23. November 2005 – 2 W 31/05, BeckRS 2006, 20211, beck-online).

Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie sei seit 2011 ununterbrochen in Deutschland gemeldet, bleibt die Zeit bis zu ihrer Ausreise im August 2016 schon deshalb ohne durchgreifende Bedeutung, weil sie sich nicht erlaubt in Deutschland aufgehalten hat. Ihr weiterer Vortrag, sie habe im Libanon keine Wohnung oder sonstige Aufenthaltsmöglichkeit, soziale Bindungen dorthin fehlten ihr, die Familie lebe in Deutschland, handelt es sich um zielstaatsbezogene Aspekte, die mit ihrer Ehe oder deren Auflösung nicht im Zusammenhang stehen (ähnlich Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. April 2011 a. a. O.; OVG Saarlouis, Beschluss vom 23. November 2005 – 2 W 31/05, a. a. O.). Ihr diesbezüglicher Vortrag ist zudem unsubstantiiert. So hat sie in ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 5. Januar 2020 die Fragen nach ihren Eltern unbeantwortet gelassen.

c) Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dürfte ferner das Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegenstehen. Nach dieser Vorschrift setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt des jeweiligen Ausländers gesichert ist.

Diese Vorschrift findet auf den Antrag der Antragstellerin Anwendung. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Bestimmung des § 31 Abs. 4 S. 1 AufenthG, wonach die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht. § 31 Abs. 4 AufenthG regelt den Fall, dass eine zuvor bereits mindestens einmal verlängerte eigenständige Aufenthaltserlaubnis eines Ehegatten nochmals verlängert werden soll (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2018 – OVG 11 B 18.16 –, juris Rn. 20), lässt also das Erfordernis einer Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG für den Fall der erstmaligen Verlängerung nach dem Ende der Ehe unberührt.

Gesichert im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers dann, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, wobei die Inanspruchnahme der in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 7 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel unschädlich ist. Die Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens wie auch des Unterhaltsbedarfs richtet sich grundsätzlich nach den entsprechenden Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Der sich daraus ergebende voraussichtliche Unterhaltsbedarf ist mit den danach zu berücksichtigenden, nachhaltig zur Verfügung stehenden Mitteln zu vergleichen. Das in der erstgenannten Vorschrift zum Ausdruck kommende grundlegende staatliche Interesse an der Vermeidung neuer Belastungen öffentlicher Haushalte verlangt zudem die nachhaltige Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist. Das erfordert im Hauptsacheverfahren die Überzeugungsgewissheit, dass der Ausländer aufgrund realistischer Annahmen und konkreter Dispositionen dauerhaft nicht auf öffentliche Mittel angewiesen ist (vgl. insgesamt hierzu BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 10/12 –, juris Rn. 24; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2018 a. a. O., Rn. 27), im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine hinreichende diesbezügliche Glaubhaftmachung, welche eine an den Maßstäben eines solchen Verfahrens orientierte Prognose ermöglicht.

An diesen Voraussetzungen gemessen kann jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt nach der Trennung von ihrem Ehemann dauerhaft ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel wird bestreiten können. Ersichtlich ist sie jedenfalls während der Dauer ihrer Ehe keiner dauerhaften Arbeit nachgegangen. Denn ihr Ehemann hat in seinem Schreiben an die Ausländerbehörde vom 20. August 2019 behauptet, sie habe weder eine Ausbildung angestrebt noch sich bemüht, einer Arbeit nachzugehen. Die Antragstellerin selbst hat in ihrer als Anlage zu ihrem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eingereichten Stellungnahme (Bl. 119 VV) darauf hingewiesen, sie habe von ihrem Ehemann keine Hilfe bei der Arbeitssuche bekommen, was die Tatsache einer fehlenden Ausbildung oder Berufsausübung nicht infrage stellt. Ob vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage die Annahme des Antragsgegners im Bescheid vom 4. Juni 2021 überzeugen kann, der Lebensunterhalt der Antragstellerin sei wegen des seit dem 5. November 2019 bestehenden Arbeitsverhältnisses als Verkäuferin in einer Bäckerei gesichert, bedarf keiner Entscheidung. Denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht dieses Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht mehr. Die Antragstellerin beruft sich in ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe darauf, sie habe keinerlei eigene Einkünfte. Das Bestehen von Unterhaltsansprüchen behauptet sie – anders als Ansprüche aus einem Versorgungsausgleich – selbst nicht.

2. Soweit der Antragsgegner die Antragstellerin unter Nr. 3 und 4 des Bescheides aufgefordert hat, die Bundesrepublik Deutschland bis zum 31. Juli 2021 zu verlassen und ihr die Abschiebung angedroht sowie unter Nr. 5 die sofortige Vollziehung der erstgenannten Entscheidung angeordnet hat, ist das im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Gesonderte diesbezügliche Beanstandungen werden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich. Der Bescheid bedarf allerdings der Auslegung. Soweit die darin enthaltene Aufforderung, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, für sich betrachtet wird, handelt es sich bei sachgerechter Auslegung nicht um einen Verwaltungsakt. Da nämlich der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch den Antragsgegner abgelehnt worden und ihr hiergegen gerichteter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den oben genannten Gründen erfolglos geblieben ist, besitzt sie den für einen Aufenthalt in Deutschland erforderlichen Aufenthaltstitel nicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) und hat sie das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Die Ausreiseaufforderung selbst hat deshalb für sich betrachtet keine darüber hinausgehende, das Gesetz konkretisierende Regelungswirkung (Bergmann in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Aufl. 2021, § 50 Rn. 1; Fleuß in: BeckOK Ausländerrecht, 31. Edition, § 50 Rn. 5, beide zitiert nach http://beck-online.beck.de).

Die im Zusammenhang mit der Ausreiseaufforderung erwähnte Frist ist vor diesem Hintergrund der Sache nach nicht jener Entscheidung, sondern der Abschiebungsandrohung zuzuordnen. Das ergibt sich aus dem vom Antragsgegner in der Begründung der Ausreiseaufforderung gewählten Begriff der "Ausreisefrist", der üblicherweise mit einer Regelung nach § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG verbunden ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 – 1 C 12/11 –, juris Rn. 17). Nach dieser Vorschrift, derzufolge die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen ist, ist bei einer Abschiebungsandrohung – anders als bei der Ausreiseaufforderung – eine Fristsetzung erforderlich. Schließlich handelt es sich auch sonst um ein naheliegendes Verständnis in Fällen, in denen eine sofort wirksam werdende Handlungspflicht im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden soll, die Fristbestimmung der Zwangsmittelandrohung und nicht dem Grundverwaltungsakt zuzuordnen. Denn es drängt sich auf, dass dann die von Gesetzes wegen oder kraft Anordnung der sofortigen Vollziehung sofort bestehende Verhaltenspflicht nicht doch noch aufgeschoben werden soll, sondern die Frist dahin zu verstehen ist, dass während ihres Laufs Maßnahmen der Zwangsvollstreckung noch abgewendet werden können (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 18. August 1998 – 4 A 176/96 –, juris Rn. 38).

So verstanden bedurfte es im vorliegenden Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Ausreiseaufforderung schon deshalb nicht, weil diese kein Verwaltungsakt ist. Entsprechendes gilt für die damit verbundene Setzung der Ausreisefrist, weil diese der Abschiebungsandrohung zuzuordnen ist und deshalb deren Charakter einer Maßnahme im Vollstreckungsverfahren teilt, bei der ein Rechtsbehelf gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg keine aufschiebende Wirkung hat, sofern es sich – wie hier – um die Vollstreckung des Verwaltungsakts einer Landesbehörde handelt (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Dezember 2020 – OVG 2 S 47/20 –, juris Rn. 3). Schließlich ist aus diesen Gründen auch nicht zu prüfen, ob die unter Nr. 5 des Bescheides getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO genügt.

Die Abschiebungsandrohung hat ihre Rechtsgrundlage in der bereits zitierten Vorschrift des § 59 AufenthG. Gesonderte Bedenken sind insoweit nicht geltend gemacht oder ersichtlich; die der Antragstellerin gesetzte Ausreisefrist überschreitet zu ihren Gunsten den sich aus der einschlägigen Vorschrift für den Regelfall ergebenden Rahmen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.

C. Der Antrag der Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat keinen Erfolg, weil er aus den oben ausgeführten Gründen nicht die gemäß § 166 VwGO, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) für eine Bewilligung erforderliche Erfolgsaussicht hat.