Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 01.02.2022 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 N 130/21 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0201.OVG3N130.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 53 Abs 1 AufenthG, § 54 Abs 1 Nr 1 AufenthG, § 55 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 86 Abs 1 VwGO, § 98 VwGO, § 373 ZPO, § 414 ZPO, § 404 ZPO, § 86 Abs 2 VwGO, § 54 Abs 1 Nr 1a AufenthG |
Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Juni 2021 und auf Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird unter Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtsstufen auf jeweils 5.000,00 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO maßgebliche Begründung des Zulassungsantrags legt weder einen Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO noch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hinreichend dar.
Das Zulassungsvorbringen rügt eine Verletzung der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge. Damit ist ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), nicht dargetan.
Die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags verstößt nur dann gegen die Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 86 Abs. 1 und 2 VwGO) und dem Antragsteller rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu gewähren, wenn die Ablehnung - auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts - im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. März 2020 - 3 B 24.19 - juris Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - juris Rn. 10). Das ist bei keinem der Beweisanträge der Fall.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung zunächst beantragt, die den Kläger in der Einrichtung betreuende Sozialpädagogin Frau D. „zur Frage der guten Sozialprognose zu hören“ (Schriftsätze vom 2. Juni und vom 14. Juni 2021). Das Verwaltungsgericht hat diesen Beweisantrag im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, er sei unsubstantiiert, weil es an der Benennung einer konkreten Tatsache fehle. Die Sozialprognose sei eine durch das Gericht anzustellende Bewertung. Im Übrigen sei nicht dargelegt, warum Frau D. eine bessere oder andere Einschätzung zur Entwicklung des Klägers und einer Abstinenz geben könne als die vorliegenden Stellungnahmen des Krankenhauses des Maßregelvollzugs, zumal sich der Kläger erst seit kurzem (Mai 2021) in der Einrichtung aufhalte. Mit dem Zulassungsantrag macht der Kläger geltend, der Beweisantrag sei hinreichend konkretisiert, weil die als Zeugin zu vernehmende Frau D. „täglichen und engen Kontakt zu dem Kläger“ gehabt habe, so dass sie „sachverständige Angaben zu der Sozial- und Legalprognose machen“ könne. Das ändert indessen nichts daran, dass der gestellte Beweisantrag entgegen § 98 VwGO i.V.m. § 373 ZPO keine konkrete Tatsache benennt, die Frau D. aus eigener Wahrnehmung hätte bekunden sollen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10. Juni 2021 - 8 A 4158/19 - juris Rn. 23 unter Hinweis auf § 244 Abs. 2 und Abs. 3 StPO). Nicht um konkrete Tatsachen, sondern um Einschätzungen zur Gefahr weiterer Straftaten, deren Beurteilung Sache des Verwaltungsgerichts ist, geht es auch, soweit es in dem Beweisantrag vom 14. Juni 2021 heißt, „sie“ - unklar bleibt, ob Frau D. oder die Mitarbeiterin im Maßregelvollzug, Frau S., oder beide - werde bekunden, dass dem Kläger bereits jetzt eine gute Sozialprognose gestellt werden könne, dass er weiter abstinent sei, dass er aufgrund der Therapie die nötige Einsicht erlangt habe, suchtkrank zu sein, und dass er Strategien erarbeitet habe, die es ihm ermöglichten, künftig ohne Alkohol zu leben.
Eine Vernehmung von Frau D. als sachverständige Zeugin (§ 98 VwGO i.V.m. § 414 ZPO) kam ebenfalls nicht in Betracht. Ein sachverständiger Zeuge bekundet sein Wissen von bestimmten vergangenen Tatsachen oder Zuständen, zu deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war und die er nur kraft dieser besonderen Sachkunde ohne Zusammenhang mit einem gerichtlichen Gutachtenauftrag wahrgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 6 B 26.10 - juris Rn. 5; OVG Münster, Beschluss vom 10. Juni 2021 - 8 A 4158/19 - juris Rn. 24). Derartige konkrete Tatsachen waren hier - wie ausgeführt - nicht unter Beweis gestellt. Um die Abgabe eines - gesondert beantragten - Sachverständigengutachtens geht es in dem auf „Anhörung“ der Frau D. gestellten Beweisantrag ebenso wenig, wobei die Auswahl des Sachverständigen ohnehin Sache des Gerichts wäre (§ 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 6 B 26.10 - juris Rn. 5).
Entsprechendes gilt für den weiteren Beweisantrag, die Mitarbeiterin des Krankenhauses des Maßregelvollzuges, Frau S., die im Übrigen die vom Gericht herangezogenen Stellungnahmen zur Fortdauer der Unterbringung vom 28. Dezember 2020 und vom 8. April 2021 mitunterzeichnet hat, „zur Frage des weiteren Vollzugsverlaufes und der Legal- und Sozialprognose“ (Schriftsatz vom 2. Juni 2021) bzw. „zur Frage der guten Sozialprognose“ (Schriftsatz vom 14. Juni 2021) zu hören. Auch insoweit handelt es sich weder um einen Antrag auf Vernehmung der Frau S. als (sachkundige) Zeugin noch um einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Das Zulassungsvorbringen zeigt nicht mit Erfolg auf, dass die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines Gutachtens durch einen Sachverständigen für Psychiatrie zu der Frage, „ob der Kläger eine ausreichende psychische Stabilität erlangt hat, dass zu erwarten ist, dass künftig auch in Belastungsfällen sowie großen Enttäuschungen kein Rückfall in die alten Muster kommt und insbesondere der Alkohol und Drogenmissbrauch ausgeschlossen werden kann“ im Prozessrecht keine Stütze findet. Wie der Zulassungsantrag selbst ausführt, entspricht es bei Ausweisungen ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht die Gefahrenprognose aus eigener Kompetenz treffen kann, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen, und dass sich die Tatsachengerichte bei der für eine Aufenthaltsbeendigung erforderlichen Gefahrenprognose regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es daher nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 1 B 74.19 - juris Rn. 5). Zwar steht hier mit der Alkoholsucht des Klägers eine (auch) psychische Erkrankung im Raum. Auch dann hängt es indessen von den Umständen des Einzelfalls ab, wie konkret das Gericht seine eigene Sachkunde nachweisen muss und inwieweit sich diese aus dem Gesamtinhalt der Entscheidungsgründe und der verarbeiteten Erkenntnisquellen ableiten lässt. Schöpft das Gericht seine besondere Sachkunde aus vorhandenen Gutachten oder Erkenntnisquellen, und ist nicht erkennbar, dass in diesen Erkenntnisquellen keine, ungenügende oder widersprüchliche Aussagen zur Bewertung der aufgeworfenen Tatsachenfragen enthalten sind, steht die Einholung eines (weiteren) Gutachtens bzw. einer (weiteren) Auskunft auch dann im Ermessen des Gerichts (s.a. § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO), wenn die Erkenntnisquellen, aus denen das Gericht seine eigene Sachkunde schöpft, nicht in dem jeweiligen Verfahren eingeholt worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 2019 - 1 B 74.19 - juris Rn. 6; Beschluss vom 17. September 2019 - 1 B 43.19 - juris Rn. 45 f.).
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, von dem Kläger gehe weiterhin eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr der Wiederholung von Straftaten aus, die mit den Anlassstraftaten - eine Vielzahl von Straftaten gegen Eigentum und körperliche Unversehrtheit, davon viele begangen unter Anwendung von Drohungen mit Gefahren für Leib und Leben Dritter, namentlich seiner damaligen Lebensgefährtin und ihrer beider Tochter - vergleichbar sind. Es hat sich für diese Einschätzung neben dem Hinweis darauf, dass der Kläger nach den Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten mehrfach bewährungsbrüchig sei, bei Begehung der Taten teils unter Haftverschonung gewesen sei bzw. kurz zuvor Untersuchungshaft verbüßt habe, und ein hohes Potential zu erheblichen Gewalttaten zeige, vor allem auf den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 11. Juni 2021, die Fortdauer der Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt anzuordnen, und die Stellungnahmen des Krankenhauses des Maßregelvollzugs gestützt (UA S. 11 f.). Das Krankenhaus hat noch in seinen - auch von Frau S. unterzeichneten - Stellungnahmen vom 28. Dezember 2020 und vom 8. April 2021 trotz nachgewiesener Abstinenz und therapeutischer Fortschritte weiterhin die Fortdauer der Unterbringung empfohlen, weil noch nicht erwartet werden könne, dass der Kläger keine erheblichen rechtswidrigen Handlungen mehr begehe. Dem ist die Strafvollstreckungskammer gefolgt. Auch wenn es in den Gründen des Beschlusses heißt, bei gleichbleibend positivem Verhalten und weiter zunehmenden Therapiefortschritten sei es angezeigt, den Kläger nach Ablauf von vier Monaten erneut anzuhören und ein Sachverständigengutachten zur Frage des Fortbestehens der Gefahr der Begehung weiterer rechtswidriger Taten einzuholen, ändert das nichts daran, dass die Strafvollstreckungskammer zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung - vier Tage vor der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - auf der Grundlage der Stellungnahmen des Krankenhauses zur Einschätzung gelangt ist, es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde, ohne für ihre Entscheidung die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich zu halten. Dies durfte das Verwaltungsgericht - wie geschehen (UA Seite 14) - berücksichtigen und die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens ablehnen.
Angesichts der verfahrensfehlerfreien Ablehnung der Beweisanträge auf Anhörung von Frau D. und Frau S. und Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Bestehens einer Wiederholungsgefahr kann dahinstehen, ob das angefochtene Urteil auf dieser Ablehnung schon deshalb nicht beruhen kann, weil das Verwaltungsgericht seine Bejahung eines aktuellen Ausweisungsinteresses selbstständig tragend („zudem“) auf generalpräventive Erwägungen gestützt hat.
In der Ablehnung des weiteren in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags, die Verfahrensbeiständin des jüngsten, 2019 geborenen Kindes des Klägers in dem vor dem Kammergericht geführten Umgangsrechtsverfahren, Frau Ö., „zur Frage des Kinderwohls“ zu hören, liegt ebenfalls kein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Eine Vernehmung als (sachverständige) Zeugin kam nicht in Betracht, weil es, wie das Verwaltungsgericht in den zum Protokoll genommenen Gründen für die Ablehnung des Beweisantrags zutreffend ausführt, an der Benennung konkreter Tatsachen fehlt, zu denen Frau Ö. als Zeugin hätte vernommen werden sollte. Das Zulassungsvorbringen bestreitet dies nicht substantiiert, sondern wendet sich gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es sei nicht entscheidungserheblich, ob Frau Ö. einen Umgang zwischen dem Kläger und dem Kind befürworte. Unabhängig von der noch anzusprechenden Frage, ob das Zulassungsvorbringen insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darlegt, findet danach die Ablehnung des Beweisantrags ihre Stütze in § 98 VwGO i.V.m. § 373 ZPO. Dass, warum und unter welchen Bedingungen („unbedingt von einer professionellen Fachkraft begleitet“, unter Einrichtung einer Umgangspflegschaft für mindestens ein Jahr) Frau Ö. sich in dem familiengerichtlichen Verfahren für einen Umgang zwischen Vater und Sohn eingesetzt hat, ergibt sich im Übrigen aus ihrer vom Kläger eingereichten schriftlichen Stellungnahme vom 21. April 2021, mit der das Verwaltungsgericht sich in dem angefochtenen Urteil auseinandergesetzt hat (UA S. 13).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind ebenfalls nicht dargelegt. Das Zulassungsvorbringen stellt weder einen entscheidungstragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.
Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das auf spezial- und generalpräventive Gründe gestützte Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1, 1a AufenthG überwiege das Bleibeinteresse des Klägers wird durch den Hinweis des Zulassungsantrags, es fehle „an einer individualisierten Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die Kriminalität des Klägers zum Zeitpunkt der Entscheidung vier Jahre zurückliegt“, bereits deshalb nicht ernsthaft in Frage gestellt, weil der Kläger seit Dezember 2018 in Untersuchungshaft war, aus der er im April 2019 in das Krankenhaus des Maßregelvollzugs entlassen wurde. Die letzte der den Urteilen des Landgerichts Berlin vom 15. April 2019 und des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. Dezember 2018 zu Grunde liegenden Straftaten hatte er am 15. August 2018, während laufender Bewährungszeit hinsichtlich einer früheren Verurteilung und eines Haftbefehls, begangen. Von den bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts vergangenen drei Jahren hat der Kläger lediglich drei Monate nicht im (Straf- bzw. Maßregel-)Vollzug verbracht. Wenn er unter den Bedingungen das (Maßregel-)Vollzugs straffrei geblieben ist, ist dies nicht so bemerkenswert, dass es einer gesonderten Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung bedürfte.
Die weitere Rüge des Zulassungsvorbringens, es fehle „an einer ernsthaften Berücksichtigung des Umstands, dass der 28-jährige Kläger seit 12 Jahren in Deutschland lebt und - auch im Hinblick auf das Erreichen des Schulabschlusses und der erfolgreich beendeten Ausbildung als faktischer Inländer betrachtet werden muss“, überzeugt ebenfalls nicht. Dass der Kläger als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, hat das Verwaltungsgericht gesehen und als besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse berücksichtigt (UA S. 7). Es hat indessen darauf hingewiesen, dass er kaum Integrationsleistungen sozialer, wirtschaftlicher oder kultureller Art erbracht habe und trotz Hauptschulabschlusses und Berufsausbildung seit Abschluss der Ausbildung Sozialleistungen beziehe. Auch angesichts des mehr als zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sei davon auszugehen, dass der Kläger sich in seinem Heimatland, in dem er bis zu seinem 16. Lebensjahr gelebt habe, wieder integrieren könne. Diese Wertung wird nicht dadurch schlüssig in Frage gestellt, dass der Zulassungsantrag - unzutreffend - meint, der Kläger müsse (allein wegen) der Dauer seines Aufenthalts und der Berufsausbildung als faktischer Inländer angesehen werden. Zur Feststellung, ob ein durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiertes Privatleben nur noch im Bundesgebiet geführt werden kann, bedarf es vielmehr einer gewichtenden Gesamtbewertung sämtlicher Lebensumstände (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2020 - 2 BvR 690/19 - juris Rn. 20 f.). Die aktuelle, erst seit kurzer Zeit (Mai 2021) bestehende Tätigkeit des Klägers bei einem Sicherheitsdienst hat das Verwaltungsgericht zu Recht noch nicht als nachhaltige Integrationsleistung angesehen (UA S. 17). Dass er Unterhalt an seine Kinder zahle, behauptet der Zulassungsantrag, ohne dies zu belegen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger nur angegeben, er habe Kontakt zur Unterhaltsvorschusskasse aufgenommen und es sei besprochen worden, dass er zahle, sobald die ersten Lohnzahlungen eingingen.
Das Zulassungsvorbringen macht ohne Erfolg geltend, das Verwaltungsgericht würdige die Beziehung des Klägers zu seinen Kindern nicht hinreichend und berücksichtige deren Wohl nicht. Für die drei älteren, 2012, 2015 und 2016 geborenen Kinder, geht das Verwaltungsgericht auf Grund der Stellungnahme des Jugendamts vom 29. April 2019 davon aus, dass der Umgang wegen massiver Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen ist. Dies bestreitet der Zulassungsantrag nicht, sondern beruft sich darauf, dass der Umgangsabbruch als direkte Folge der Straftaten seinen Grund wie diese in dem Alkoholmissbrauch habe, so dass mit der Bekämpfung der Alkoholabhängigkeit auch die Gründe für den Umgangsabbruch wegfielen. Unabhängig von der - vom Verwaltungsgericht mit überzeugenden Gründen verneinten - Frage, ob die bisherigen Therapieerfolge eine solche positive Sozialprognose rechtfertigen, berücksichtigt dieses Vorbringen nicht die von den Kindern nach Angaben des Jugendamts erlittenen Traumatisierungen, aufgrund derer die älteste Tochter sogar mehrfach vollstationär in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden musste. Unter diesen Umständen greift es zu kurz, wenn das Zulassungsvorbringen meint, mit (erfolgreicher) Bekämpfung der Alkoholabhängigkeit seien Gründe für den Ausschluss des Umgangs nicht mehr gegeben. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, ihm fehle trotz einer im Maßregelvollzug gewonnenen Krankheitseinsicht weiterhin das Unrechtsbewusstsein für die Schäden, die er anderen - insbesondere seinen Kindern - zugefügt habe (UA S. 12 f.).
Hinsichtlich des jüngsten, 2019 geborenen Sohnes, für den allein der Kläger sich im familiengerichtlichen Verfahren um ein Umgangsrecht bemüht, ergibt sich schon aus der vorgelegten Stellungnahme der Verfahrensbeiständin Frau Ö., dass das Kind keine negativen Erfahrungen mit dem Vater gemacht habe, weil die Eltern bei seiner Geburt nicht mehr in einer gemeinsamen Wohnung gelebt hätten, dass es seinen Vater nur selten gesehen habe, und daher zwischen beiden keine gewachsene Bindung bestehe. Angesichts dessen kommt es nicht auf die im Zulassungsantrag referierten Ausführungen dazu an, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft weder häusliche Gemeinschaft noch Sorgerecht oder ähnlich intensiven Kontakt erfordere, sondern eine persönliche Verbundenheit. Nach der Stellungnahme von Frau Ö. ist weder ein Kontakt noch eine sonstige persönliche Verbundenheit gegeben, vielmehr gehe es für das Kind darum, seinen Vater kennenzulernen, positive Erfahrungen mit ihm zu machen und eine persönliche Beziehung erst aufzubauen. Von einer auch nur in Ansätzen entwickelten emotionalen Bindung des Kindes zum Kläger kann danach nicht die Rede sein, sondern allenfalls von einem Interesse des Klägers, der damit nach der Stellungnahme der Frau Ö. „u.a. sein Bleiberecht in Deutschland sichern will“, an der Herstellung einer - bisher nicht existierenden - persönlichen Bindung zu einem Kind, das ihn bisher noch nicht kennengelernt hat. Hiernach spricht im Rahmen der Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG) nichts dafür, dass Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK die Annahme eines überwiegenden Bleibeinteresses gebieten könnten und ist auch der Vorwurf des Zulassungsvorbringens nicht berechtigt, das Verwaltungsgericht berücksichtige entgegen Art. 3 der Kinderrechtskonvention „mit keinem Wort das Wohl des Kindes des Klägers“, das eine Chance haben müsse, „seinen Vater als Vater kennen zu lernen“.
Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG, soweit die erstinstanzliche Festsetzung geändert wird, in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).