Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.01.2022 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 404/19 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0111.6K404.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 10 KAG BB, § 161 Abs 2 VwGO, § 60 WHG |
1. Die Erneuerung einer Anschlussleitung trägt im Grundsatz dem Umstand Rechnung, dass die Anschlussleitung dem Verschleiß unterliegt und deshalb eine zeitlich begrenzte Nutzungsdauer aufweist. Die Erneuerung stellt damit regelmäßig eine Ersetzung der nicht mehr oder nicht mehr ohne Bedenken funktionstüchtigen Anschlussleitung oder eines wesentlichen Teils von ihr nach ihrer verschließbedingten Abnutzung durch bestimmungsgemäße Nutzung oder infolge des durch nicht dem Einrichtungsträger zuzurechnende Umwelteinflüsse hervorgerufenen Verlustes der Funktionstüchtigkeit durch einen neuen Anschluss gleicher Ausdehnung und Ausbauqualität mit im Wesentlichen unverändertem Verlauf dar, um die bestimmungsgemäße Nutzung der Anschlussleitung wiederherzustellen.
2. Ein Erneuerungsbedarf ist jedenfalls dann gegeben; wenn ein privater Grundstücks- bzw. Hausanschluss aus nicht vom Einrichtungsträger zu vertretenden Gründen nachweisbar schadhaft ist und eine Sanierungspflicht, etwa gemäß § 60 Abs. 2 WHG, besteht, weil der Anschluss nicht mehr den Vorgaben des § 60 Abs. 1 WHG genügt.
3. Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück der Fall ist.
4. Sofern es sich um Maßnahmen der "Erneuerung" eines Grundstücksanschlusses handelt, ist entscheidend, wodurch die durchgeführten Maßnahmen veranlasst wurden und welchem Zweck sie dienen. Maßgebend ist die sich aus dem Anschluss- und Benutzungsverhältnis ergebende Aufgaben und Risikoverteilung.
5. Zu verneinen ist ein Sonderinteresse bzw. eine Erstattungsfähigkeit etwa dann, wenn (Haus-/Grundstücks-) Anschlussleitungen durch Baumwurzeln aus dem der Straßenbaulast des Einrichtungsträgers unterliegenden (öffentlichen) Straßengrund oder von durch diesen unmittelbar neben vorhandenen Anschlüssen gepflanzten Bäumen zerstört bzw. beschädigt werden und deshalb wiederhergestellt werden müssen.
6. Dabei entfällt der Kostenerstattungsanspruch des Einrichtungsträgers allerdings nur, wenn feststeht, dass dieser für die Ursache der Maßnahme verantwortlich ist. Bleibt die Verantwortlichkeit des Einrichtungsträgers unerweislich, trägt der Grundstückseigentümer hierfür die materielle Beweislast.
7. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG, die rechtssystematisch im Zusammenhang mit den in § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG vorgegebenen Methoden zur Ermittlung des Aufwands und der Kosten gesehen werden muss, betrifft nach ihrem Sinn und Zweck eine Vereinfachung der Ermittlung des Aufwands bzw. der Kosten in der Weise, dass dem einzelnen Anschluss fiktive Aufwendungen bzw. Kosten, die je nach der Lage der Straßenleitung die tatsächlich nach der in der Satzung festgelegten Ermittlungsmethode anzusetzenden Aufwendungen oder Kosten über- oder unterschreiten, zugeordnet werden. Die Fiktion der in der Straßenmitte verlaufenden Anschluss- bzw. Hauptwasserleitung soll ausschließen, dass die sich gegenüberliegenden Anlieger einer Straße unterschiedlich hohe Anschlusskosten zahlen müssen, nur weil der Straßenkanal bzw. die Leitung tatsächlich nicht in der Mitte, sondern an einer Seite der Straße verlegt worden ist.
8. § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG lässt allerdings keine Gleichbehandlung aller Anlieger der Straße, sondern nur der gegenüberliegenden Anlieger zu, also derjenigen Anlieger, die sich in der Situation einer nicht in der Straßenmitte verlaufenden Straßenleitung befinden.
9. Die Belastung der an einer Straße gegenüberliegenden Grundstückeigentümer ist darüber hinaus bei einer satzungsrechtlichen Mittenregelung nur dann vollständig gleich, wenn die Grundstücksanschlussleitungen der beiden gegenüberliegenden Grundstücke - von der (fiktiven) Mitte der Straße aus gerechnet - auch tatsächlich gleich lang sind. Dies bedeutet, das die Fiktion "In der Mitte der Straße" im Zweifelfall nur dann angewendet werden kann, wenn die Ausgangslage der tatsächlich sich gegenüberliegenden Grundstücke gleich ist, d. h. der (Grundstücks-)Anschluss vom
Hauptkanal rechtwinklig jeweils zu den Grundstücken führt und tatsächlich die Länge nur wegen der nicht mittigen Lage des Hauptkanals sich (nennenswert) unterscheidet.
10. Ob ein Satzungsgeber in seiner Satzung von der Möglichkeit der Fiktion nach § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG Gebrauch macht, bestimmt er nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Satzungsgeber kann auf eine Mittenregelung vollständig verzichten. Die Satzung kann aber von der Fiktion auch nur für einzelne Maßnahmen Gebrauch machen, z. B. nur für die Herstellung oder Beseitigung.
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenersatz für die Erneuerung einer Grundstücksanschlussleitung.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks S ...
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2017 zog der Beklagte die Klägerin nach vorheriger Anhörung für das oben genannte Grundstück zur Erhebung eines Kostenersatzes für die Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung für Schmutzwasser in Höhe von 1.275,74 Euro heran. Zur Begründung führte er aus: Nach § 10 Kommunalabgabengesetz (KAG) könne die Gemeinde kraft Gesetzes Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse erheben. Der Verpflichtung zum Erlass einer entsprechenden Satzung sei die Stadtverordnetenversammlung der Stadt F ... nachgekommen. Der Aufwand für die Kosten würde gemäß § 2 der Kostenersatzsatzung in tatsächlicher Höhe ermittelt. Gemäß § 4 der Kostenersatzsatzung sei die Klägerin als Grundstückseigentümerin kostenersatzpflichtig. In der Bürgerinformation am 9. August 2011 sei unter anderem die Klägerin über die Kosten der Grundstücksanschlussleitung informiert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenersatzes die Abwasserabgabensatzung der Stadt F ... gewesen. In dieser Satzung sei unter anderem geregelt worden, dass der Aufwand für die Herstellung und Erneuerung einer Grundstücksanschlussleitung pauschal nach einem Einheitssatz in Höhe von 214 Euro pro laufenden Meter zu ersetzen sei. Da diese Satzung durch das Verwaltungsgericht Cottbus für rechtswidrig erklärt worden sei, habe die Stadt F ... in der Stadtverordneten Versammlung vom 31. November 2012 eine neue Kostenersatzsatzung beschlossen und rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt. Dem Bescheid war eine Aufschlüsselung der Kosten für die Schmutzwassergrundstücksanschlussleitung nach einzelnen Positionen beigefügt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 5. Januar 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Der Kostenersatz sei fehlerhaft berechnet. Der Beklagte habe fehlerhaft von der in § 2 Abs. 1 S. 2 der Kostenersatzsatzung in Verbindung mit § 10 Abs. 1 S. 3 KAG betroffenen sogenannten Mittenregelung keinen Gebrauch gemacht. Der Satzungs- der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung die Gleichbelastung aller im Anschlussgebiet betroffenen Grundstückseigentümer sicherstellen wollen. Danach hätten die Grundstücksanschlusskosten aller angeschlossenen Grundstücke durch die Zahl der angeschlossenen Grundstücke dividiert werden müssen, um den Kostenersatz je Grundstücksanschluss zu ermitteln. Dies sei fehlerhaft nicht geschehen. In der Detaildarstellung des spezifischen Nachweises seien zudem Positionen enthalten, die in der Praxis so nicht stattgefunden hätten. Es seien Positionen, die im ursprünglichen Zusammenhang mit dem technologischen Umbau (Reparatur durch Neuverlegung) der erst seit 1988 bestehenden Abwasserleitung im S ... durch Ersatz einer Druckleitung notwendig gewesen sein, berechnet worden. So seien die Positionen 3.1.1 bis 3.1.9 bereits mit der Neuverlegung der Hauptleitung erbracht worden. Die Positionen 3.4.2 bis 3.4.12 seien nach der fast völligen Zerstörung der Straße durch den Kanalbau sowieso notwendig gewesen. Die Positionen 3.4.31 sei als letzte Position vor dem Einbau des Asphalts für die Straße Bestandteil der ungeplanten Straßenentwässerung notwendig gewesen und nicht wegen der Hausanschlüsse. Der Anschluss der Grundstücke sei schließlich mit dem Bau der Abwasserleitung des S ... im Bereich S ... bis D ... 1988 in Betrieb genommen worden. Die Nutzungsdauer für solche Abwasserkanäle betrage laut Brandenburgischer Abschreibungstabelle 50 Jahre. Die im Jahre 2012 begonnenen und am 26. Juni 2013 beendeten Baumaßnahmen hätten eine innerbetriebliche technologische Erneuerung der Abwasserentsorgung im S ... beinhaltet, die erst die Hälfte ihrer Nutzungsdauer hinter sich gehabt habe. Eine Erneuerung der Hausanschlussleitungen wäre bei einer alternativen Reparatur gar nicht oder nur im geringen Umfang notwendig gewesen. Die Kosten derartiger innerbetrieblicher technologischer Maßnahmen könnten den Bürgern nur im Rahmen der Kostenkalkulation über die Gebühren auferlegt werden.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 zurück. Zur Begründung führte er aus: Wie durch die Klägerin richtig vorgetragen worden sei, gälten bei der Berechnung des Aufwandes für die Herstellung von Grundstücksanschlussleitungen entsprechend der Kostenersatzsatzung die Grundstücksanschlussleitungen, die nicht in der Straßenmitte verliefen, als in der Straßenmitte verlaufend. Im vorliegenden Fall sei aber nicht die erstmalige Herstellung der Grundstücksanschlussleitung erfolgt, sondern der vorhandene Grundstücksanschluss sei erneuert werden. Da in der Kostenersatzsatzung der Stadt F ... im § 2 Abs. 1 S. 2 die Mittenregelung nur für die Maßnahme der Herstellung einer Grundstücksanschlussleitung geregelt sei, könne somit im vorliegenden Fall eine Mittenregelung nicht zur Anwendung kommen. Der Einrichtungsträger verstoße nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wenn er von der durch § 10 Abs. 1 S. 3 KAG eingeräumten Befugnis der Mittenregelung keinen Gebrauch mache. Dies bestimme der Einrichtungsträger vielmehr nach pflichtgemäßen Ermessen. Die Satzung könne die Fiktion auch nur für einzelne Maßnahmen regeln. Ungeachtet dessen dürfe im Fall der Klägerin die Mittenregelung aber auch sonst nicht angewandt werden. Sinn und Zweck der Mittenregelung sei es, dass dem einzelnen Anschluss fiktive Aufwendungen bzw. Kosten, die je nach Lage der Hauptleitung die tatsächlichen, nach der Satzung festgelegten Kosten über- oder unterschritten, zugeordnet würden. Dies sei nur für gegenüberliegende Anschlussnehmer sowie rechtwinklig zum Hauptkanal liegende Leitungen möglich, das heißt, die Leitungen müssten, von der fiktiven Mitte aus gesehen, gleich lang sein. Es folge aus dem Gleichheitssatz eben nicht, dass bei allen verlegten Grundstücksanschlussleitungen annährend gleiche Kosten anfielen. Vielmehr entspreche es dem Gleichheitssatz, wenn wesentlich ungleiche Sachverhalte auch ungleich behandelt würden. Durch die Fiktion der Mittenregelung sei kein einheitlicher Erstattungsanspruch gegen alle Grundstücksanschlüsse in einer Straße oder gar im ganzen Geltungsbereich der Satzung möglich. Es gebe keinen Einheitspreis für alle Grundstücke in einer Straße. Soweit die Klägerin vortrage, dass in der Detaildarstellung der Kosten im Anhang zum Kostenersatzbescheid Positionen enthalten seien, die in der Praxis so nicht stattgefunden hätten, greife dies ebenfalls nicht durch. Die in der Detaildarstellung des spezifischen Kostennachweises enthaltenen Positionen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung. Kostenpositionen zum Bau der neuen Druckleitung und des neuen Schmutzwasserkanals seien nicht Bestandteil des Kostenersatzes. Die Positionen 3.1.1 bis 3.1.9 beträfen den Bereich der Grundstücksanschlussleitung vom neuen Schmutzwasserkanal bis zur Grundstücksgrenze. Die Position 3.1. 4 sei nicht kostenersatzrelevant. Die Position 3.4.2 bis 3.4.12 beträfen die Oberflächenbefestigung im Bereich der Trasse im Bereich der Grundstücksanschlussleitung. Diese Positionen enthielten Leistungen für den Aufbau der Zwischenverfüllung zur Herstellung der Befahrbarkeit und zur Wiederherstellung der Asphaltoberfläche nur im Bereich der Grundstücksanschlussleitung. Die Abrechnung stehe nicht im Zusammenhang mit der fast völligen „Zerstörung“ der Straße. Mängel, die über die Trasse der Grundstücksanschlussleitung hinausgingen, seien nicht Gegenstand der Kostenersatzermittlung. Auch bei einer nicht vollständigen, neu hergestellten Fahrbahnoberflächenbefestigung wären die Leistungen für diese Oberflächenbefestigung in die Kostenersatzermittlung eingeflossen. Die Position 3.4.31 sei ein Teil der Fahrbahnentwässerung. Sie ersetze die ursprünglichen Positionen 3.4.21 bis 3.4.24. Aufgrund der neuen Oberflächenbefestigung im Bereich der Fahrbahn sei das ehemals vorhandene Schnittgerinne aus Betonplatten durch Rasengitterplatten ersetzt worden. Die Position 3.4.31 betreffe insoweit nur den Bereich der Trasse der Grundstücksanschlussleitung. Schließlich sei auch dem Vortrag der Klägerin, eine Erneuerung der Anschlussleitung sei bei einer alternativen Reparatur gar nicht oder nur im geringeren Umfang notwendig gewesen, nicht zu folgen. Die Schmutzwasserableitung im S ... habe nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit nicht mehr den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i. V. m. § 75 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) entsprochen. Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik müssten Abwasseranlagen, wozu auch Grundstücksentwässerungsanlagen gehörten, mindestens drei grundlegende Anforderungen erfüllen. Sie müssten dicht, stand- und betriebssicher sein. Die im Vorfeld der Baumaßnahmen durchgeführten Zustandsuntersuchungen belegten eine Schadensklassifizierung hohen Umfanges, sodass die Anforderungen, dicht zu sein, nicht mehr erfüllt gewesen sei. Eine Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung sei somit unausweichlich gewesen. Mit einer Reparatur wäre diese Anforderung nicht zu erreichen gewesen beziehungsweise die Reparatur hätte die Ausmaße einer Erneuerung angenommen. Würden die gestellten Anforderungen an eine Abwasseranlage nicht erfüllt, so seien diese unabhängig von der in der brandenburgischen Abschreibungstabelle angegebene Nutzungsdauer zu erneuern. Der Einrichtungsträger entscheide in diesem Fall nach Ermessen, in welchem Umfang die Maßnahme durchgeführt würde. Der Gemeinde stehe bei der Entscheidung, ob und wann es im Falle des Verschleißes einer Erneuerung der Abwasseranlage bedürfe, ein Einschätzungsermessen zu, denn die Gemeinde sei verpflichtet, die Abwasseranlage und somit auch die Grundstücksanschlussleitungen in einem technisch einwandfreien Zustand zu halten, damit das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt werde und eine Störung der Ortsentwässerung vermieden würde. Weiterhin stehe der Gemeinde bei der Planung und Herstellung ihrer Abwasseranlage ein weites Organisationsermessen zu. Sie habe dabei insbesondere auch Überlegungen zur Finanzierbarkeit und Zumutbarkeit der finanzierenden Folgen für alle betroffenen Bürger und zur technischen Realisierbarkeit verschiedener Anlagenalternativen anzustellen. Diesen vielfältigen Interessen könne sie nur gerecht werden, wenn es ihr überlassen bleibe, wo und wie sie ihre Anlagen errichte.
Mit ihrer am 2. April 2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung stützt sie sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt sie aus: Die im Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 gemachten Darlegungen des Beklagten entsprächen dessen Rechtsauffassung, aber nicht den Realitäten. Allein die Auslegung des Ermessensspielraumes der Gemeinde für die Erneuerung von Abwasserleitungen ohne fachliche Berücksichtigung der Nutzungsdauer und des Kosten- Nutzungsverhältnisses zwischen Reparatur und Neubau sei abenteuerlich.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 18. November 2021 den Kostenersatzbescheid vom 11. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2018 aufgehoben hatte, soweit er einen Betrag von 1.269,93 Euro überstieg, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 erklärt, dass Sie ihre Klage in Höhe von (neu) 1.269,93 Euro aufrechterhalte. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2021 erklärt, dass er sich der teilweisen Erledigungserklärung anschließe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß)
den Kostenersatzbescheid vom 11. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2019 und des Aufhebungsbescheides vom 18. November 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Klage anzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei.
Zur Begründung stützt er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt er aus: Bereits im Widerspruchsbescheid sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass eine Mittenregelung, egal bei welcher Maßnahme, nicht grundsätzlich Anwendung finden dürfe. Sinn und Zweck einer solchen Regelung sei es vielmehr, dass dem einzelnen Anschluss fiktive Aufwendungen beziehungsweise Kosten zugeordnet würden. Dies sei nur für gegenüberliegende Anschlussnehmer sowie rechtwinklig zum Hauptkanal liegende Leitungen möglich, das heißt, die Leitungen müssten von der fiktiven Mitte aus gesehen, gleich lang sein. Durch die Fiktion der Mittenregelung sei kein einheitlicher Erstattungsanspruch gegen alle Grundstücksanschlüsse in einer Straße oder gar im gesamten Geltungsbereich der Satzung möglich. Es gebe keine Einheitssätze für alle Grundstücke in einer Straße. Auch die satzungsmäßige Festlegung, dass nur für die Herstellung einer Grundstücksanschlussleitung die Mittenregelung zur Anwendung kommen könne, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dies liege vielmehr im satzungsgeberischen Ermessen. Die von der Klägerin gegen die im einzelnen angesetzten Positionen vorgebrachten Einwendungen griffen nicht durch. Die Position 3.4.31 sei Teil der Wiederherstellung der Fahrbahn. Aus der Systematik der Nummerierung dieser Position lasse sich erkennen, dass es sich bei dieser nicht – wie von der Klägerin dargelegt - um einen nachträglich aufgenommenen Faktor handele, sondern um eine Hauptposition aus dem Leistungsverzeichnis, wie sich auch aus dessen Seite 56 ergebe. Die von der Klägerin vorgetragene Behauptung, diese Position sei nicht notwendig und Bestandteil der ungeplanten Straßenentwässerung gewesen, treffe nicht zu. Auch der Verweis auf den Beschluss SVV/0588//2011 sei irreführend. Die dazu herangezogene Formulierung „das Niederschlagswasser würde über die vorhandenen Straßenabläufe gefasst“ und „eine Erneuerung der Abwasserleitung sei nicht vorgesehen“, beziehe sich auf die im Zuge des Baus der Schmutzwasserableitung erfolgte Erneuerung der Niederschlagswasserableitung. Auch der Vortrag der Klägerin zur vermeintlichen Nutzungsdauer von Abwasserkanälen gemäß brandenburgischer Abschreibungstabelle greife nicht. Das Einzugsgebiet Pumpwerk S ... umfasse, resultierend aus der größeren Zulauftiefe zum Pumpwerk folgende Straßen: S ... nördlicher Teil, F ..., G ... westlicher Teil (erster Abschnitt), D ..., W ... sowie den F ... südlicher Teil, G ... und die A ... . Das Gesamtvorhaben befinde sich teilweise in den Trinkwasserschutzzonen II und III des Wasserschutzgebietes für das Wasserwerk F ... Die Schutzzonen für das Wasserwerk seien im März 2009 festgesetzt worden. Das Gefährdungspotential für die Schutzzonen werde seitens der Unteren Wasserbehörde und des zum Zeitpunkt der Festsetzung zuständigen Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz als hoch eingeschätzt. Insofern trage der Aufgabenträger der Abwasserbeseitigung ein hohes Maß an Verantwortung zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung. Dieser Verantwortung Rechnung tragend, sei von der Stadt F ... ein Konzept zur nachhaltigen Schmutzwasserableitung erstellt worden, welches schrittweise umgesetzt worden sei und auch noch werde. Im Rahmen der Vorplanung für den ersten Abschnitt des Einzugsgebietes, der auch den S ... einschließe, seien die vorhandenen Kanäle mit TV-Befahrungen untersucht und die Schäden nach DWA-M 149 klassifiziert worden. Im ersten Abschnitt des Einzugsgebietes hätten die ehemaligen Kanäle zahlreiche Schadstellen in Form von Rissen, fehlenden Rohrstücken mit Wurzeleinwuchs und Scherbenbildung sowie Langabweichungen aufgewiesen, welche die Funktionstüchtigkeit stark eingeschränkt hätten. Die Folge seien häufige Schadensereignisse gewesen, die durch laufende Unterhaltungsmaßnahmen hätten beseitig werden müssen. Die Art der Schäden hätte gemäß DWA-M 149 die Einordnung in die folgenden Zustandsklassen erforderlich gemacht: Null – sofortige Schadensbeseitigung (6 Haltungen), 1 – kurzfristige Schadensbeseitigung (4 Haltungen) und 2 – mittelfristige Schadensbeseitigung (2 Haltungen). Da das Sohlgefälle der ehemals vorhandenen Kanäle mit bis zu 0,6 Promille ungenügend und die Kanaltiefen für das Gesamtvorhanden zu gering gewesen seien, sei der Neubau der Kanäle erforderlich gewesen. Eine Sanierung oder Reparatur der Kanäle sei in diesem Abschnitt nicht geeignet gewesen. Zum Teil seien die Kanäle in sehr geringer Tiefe (kleiner als 1,00 Meter) verlegt gewesen. Im Bereich des Anschlusses der Klägerin habe das Sohlgefälle 3,2 Promille betragen und die Überdeckung des Kanals bei 1,07 Meter gelegen. Der Wartungsaufwand sei überdurchschnittlich hoch gewesen. Es seinen Einfrierungen in Frostperioden aufgetreten. Bei den neuen Kanälen seien ein Kanalmindestgefälle von 5 Promille und Kanalanfangstiefen von 1,50 Meter eingehalten worden. Die drei Kriterien Dichtheit, Standsicherheit und Betriebssicherheit, die ein Kanal erfüllen müsse, seien bei diesen Kanälen nicht mehr gegeben gewesen. Eine Reparatur einzelner Schadstellen sei bei einem solchen Zustand nicht das Mittel der Wahl. Aus den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten habe sich der Beklagte für die umgesetzte Variante, also die Erneuerung der Kanäle als für die Allgemeinheit am geeignetsten entschieden. Mit der Erneuerung der Schmutzwasserkanäle sei auch eine Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung der Klägerin unumgänglich gewesen, da diese das Kriterium der Dichtheit ebenfalls nicht (mehr) erfüllt habe. Aus der eingereichten Anschlussleitungsgrafik S ... Nummer 7 vom 16. September 2011 sei zu entnehmen, dass bei der Stationierung 1,30 Meter eine Lageabweichung und bei den Stationierungen 4,20 Meter und 5,20 Meter jeweils ein Wurzeleinwuchs vorhanden gewesen sei. Dies sei ein untrüglicher Beweis, dass die Leitung nicht dicht (gewesen) sei. Insoweit werde auf den Anschlussleitungs-Bildbericht bei Stationierung 4,20 Meter verwiesen. Der von der Klägerin vorgetragene Verweis auf die in der brandenburgischen Abschreibungstabelle enthaltene Nutzungsdauer von Abwasserkanälen von 50 Jahren sei unzutreffend. Diese Abschreibungstabelle sei eine Anlage zum Bewertungsleitfaden Brandenburg, der bei der Erfassung und Bewertung des kommunalen Vermögens bei der Umstellung des kameralen Rechnungswesens auf die Doppik eine Unterstützung für die Kommunen darstelle. Aus dem Begriff „Leitfaden“ leite sich ab, dass die Nutzungszeiten nur Richtwerte seien. Die Kommune beziehungsweise der jeweilige Aufgabenträger setze anhand von Erfahrungswerten die jeweilige Nutzungsdauer für die einzelnen Wirtschaftsgüter fest. Im Falle einer Grundstücksanschlussleitung betrage diese in der Stadt F ... 40 Jahre. Entsprächen jedoch Anlagegüter aufgrund ihres Zustandes nicht einem normgerechten Zustand und sei zu befürchten, dass von diesen eine Gefahr für die Umwelt und im konkreten Fall für das Grundwasser ausgehe, müsse diese Leitung erneuert werden. Der Austritt von Abwasser in den Boden und somit auch in das Grundwasser sei aufgrund des Schadensbildes aus der Anschlussleitungsgrafik nicht auszuschließen gewesen. Da es sich nicht um einen Einzelschaden, sondern um mehrere auch verschiedene Schäden handelt habe, sei eine alleinige Reparatur der Fahrstellen zur Herstellung der gesetzlichen Anforderungen an die Dichtheit der gesamten Abschlussleitung nicht ausreichend gewesen. Somit sie eine vollständige Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung unumgänglich gewesen. Der Ausgabenträger habe insoweit bei der Ausgestaltung seiner Abwasseranlage eine Vielzahl objektiver Gegebenheiten wie die technische Realisierbarkeit der geplanten Maßnahme, die Bodenverhältnisse, die Topographie, die Straßen- und Leitungsverläufe, aber auch ein Geflecht widerstreitender öffentlicher und privater Interessen zu berücksichtigen. Diesen vielfältigen Interessen könne er nur gerecht werden, wenn es ihm überlassen bleibe, wo und wie er seine Abwasseranlagen baue. Im stehe bei der Planung und Herstellung der Abwasseranlage ein weites Organisationsermessen zu.
Die Kammer konnte gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege des schriftlichen Verfahrens durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Dies gilt insoweit, als der Beklagte den Kostenersatzbescheid vom 11. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2019 aufgehoben hat, nämlich dieser einen Betrag von 1.269,93 Euro übersteigt. Die Kammer legt insoweit die Erklärung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 2021, sie „halte ihre Klage gegen den Kostenersatz in Höhe von (neu) 1.269,93 Euro aufrecht“ als teilweise Erledigungserklärung aus. Dies entspricht dem wohlverstandenen Interesse und Rechtsschutzziel der Klägerin, da ihre Klage ansonsten im Umfang der Teilaufhebung als teilweise unzulässig anzusehen wäre. Soweit die Klägerin in ihrem vorgenannten Schriftsatz weiter erklärt hat, „die Angelegenheit“ sei „in der Hauptsache nicht erledigt“, erklärt sich dies offensichtlich damit, dass der Beklagte, der Auffassung der Klägerin zur Rechtmäßigkeit des Kostenersatzes in der Sache nicht gefolgt ist. Insoweit war im Umfang der Teilaufhebung nur noch gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. insoweit unten die Begründung der Kostenentscheidung).
Die Klage im Übrigen hat als statthafte und auch sonst zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) keinen Erfolg. Der Kostenersatzbescheid des Beklagten vom 11. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2019 ist, soweit er nicht vom Beklagten aufgehoben worden ist, rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Er findet seine rechtliche Grundlage in § 10 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. der Satzung der Stadt F ... über die Erhebung von Kostenersatz für Grundstücksanschlüsse (Kostenersatzsatzung) vom 30. November 2012 (Kostenersatzsatzung - KES 2012) in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 25. Januar 2012, welche nach Maßgabe von § 15 der – ihrerseits keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegenden - Hauptsatzung der Stadt F ... vom 18. November 2005 ordnungsgemäß im Amtsblatt für die Stadt F ... vom 14. Dezember 2012 veröffentlicht wurde. Formelle oder materielle Wirksamkeitsbedenken gegen die Kostenersatzsatzung 2012 hat die Klägerin weder geltend gemacht noch sind solche sonst ersichtlich. Ob die in § 10 KES 2012 getroffene Regelung, wonach die Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft tritt, einer rechtlichen Überprüfung standhält, bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn dies zu verneinen, die in Rede stehende Vorschrift unwirksam und die Kostenersatzsatzung 2012 daher erst mit ihrer Veröffentlichung am 14. Dezember 2012 oder am Tage danach in Kraft getreten wäre, würde die Satzung nicht nur den angefochtenen Bescheid, sondern auch die nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten im Jahre 2012 begonnenen und – was entscheidend ist - im Jahre 2013 beendeten Baumaßnahmen in zeitlicher Hinsicht erfassen (vgl. zu diesen Notwendigkeiten: Kluge in: Becker u.a., KAG Bbg, Komm., § 10 Rn. 53 ff. m.w.N.).
Die satzungsmäßigen und gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Kostenersatzes liegen vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 KES 2012 sind der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung einer Grundstücksanschlussleitung an die jeweilige öffentliche Abwasseranlage der Stadt in der tatsächlich geleisteten Höhe zu ersetzen. Der Grundstücksanschluss ist gemäß § 2 Abs. 7 lit. a) Satz 1 der Abwasserbeseitigungssatzung der Stadt F ... vom 16. Dezember 2005 (Abwasserbeseitigungssatzung- ABS 2005) die Leitung vom öffentlichen Sammler bis zur Grenze des öffentlichen Bereiches vor dem anzuschließenden Grundstück. Zur zentralen öffentlichen Abwasseranlage gehört er nicht, § 2 Abs. 7 lit. a) Satz 4 ABS 2005.
Aus diesen Regelungen ergeben sich keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Da die gesamte Grundstücksanschlussleitung in den Jahren 2012/2013 ausgetauscht worden ist, handelt es sich um eine Erneuerung des Anschlusses. Hierzu gilt im Einzelnen folgendes:
Die Erneuerung einer Anschlussleitung trägt im Grundsatz dem Umstand Rechnung, dass die Anschlussleitung dem Verschleiß unterliegt und deshalb eine zeitlich begrenzte Nutzungsdauer aufweist. Die Erneuerung stellt damit regelmäßig eine Ersetzung der nicht mehr oder nicht mehr ohne Bedenken funktionstüchtigen (Anschluss-)Leitung oder eines wesentlichen Teils von ihr und der sonstigen wesentlichen Bestandteile des Anschlusses nach ihrer/seiner verschleißbedingten Abnutzung durch bestimmungsgemäße Nutzung durch einen neuen Anschluss gleicher Ausdehnung und - unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts – Ausbauqualität mit im Wesentlichen unverändertem Verlauf dar, um die bestimmungsgemäße Nutzung der Anschlussleitung bzw. des Anschlusses wiederherzustellen (vgl. VG Potsdam, Urt. vom 13.11.2015 – 8 K 2294/12 -, juris; Kluge, a.a.O., § 10 Rn. m.w.N.; Rn. 66 ff.; zum dortigen Landesrecht OVG RP, Urt. vom 29.6.2017 – 6 A 11639/16 –, KStZ 2017 S. 213; OVG LSA, Beschl. vom 2.9.2009 – 4 L 279/08 –, KStZ 2009 S. 197, 198; Urt. vom 21.10.2004 – 1 L 85/04 und 1 L 83/04 –, juris; Urt. vom 24.6.2003 – 1 L 523/02 –, juris; OVG NRW, Beschl. vom 27.2.2018 – 15 A 329/17 -, juris: Axialverschiebung bei einer Abwasserleitung;VG Minden, Urt. vom 30.7.2008 – 11 K 696/08 –, juris). Eine Erneuerung ist mithin zum einen gekennzeichnet durch die Ersetzung der Leitung, sei es ganz, sei es zu einem nicht unerheblichen Teil (vgl. VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012 – 8 K 1055/10 -, juris; Kluge, a.a.O.; zum dortigen Landesrecht HessVGH, Beschl. vom 24.10.1996 – 5 ZU 3507/96 –, NVwZ 1998 S. 428; Beschl. vom 1.8.2012 – 5 A 1295/12. Z –, juris, Rn. 4). Eine Erneuerung setzt also grundsätzlich voraus, dass die vorhandene Anschlussleitung in ihrer gesamten oder doch wesentlichen Ausdehnung ausgetauscht und durch eine neue Leitung gleicher Länge ersetzt wird. Wird hingegen nur ein Teilstück einer Grundstücksanschlussleitung – etwa wegen einer Beschädigung – ersetzt, so handelt es sich nicht um eine Erneuerung, sondern allenfalls um eine Unterhaltungsmaßnahme in Gestalt einer Reparatur (vgl. OVG LSA, Urt. vom 21.10.2004 – 1 L 83/04 –, a. a. O.). Weiter ist grundsätzlich erforderlich, dass die Erneuerung nach Ablauf der Nutzungszeit durchgeführt wird, die bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Anschlusses zu erwarten ist. Unter den Begriff der Erneuerung fallen daher grundsätzlich keine Ersetzungsmaßnahmen, die ihre Ursache in anderen Gründen haben als dem Verschleiß durch bestimmungsgemäße Nutzung bzw. dem altersbedingten bzw. durch nicht dem Einrichtungsträger zuzurechnende besondere Umwelteinflüsse hervorgerufenen (vgl. dazu noch unten) Verlust der Funktionstüchtigkeit (vgl. Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 66 ff.; zum dortigen Landesrecht OVG RhPf, Urt. vom 29.6.2017, a. a. O.; OVG LSA, Urt. vom 24.6.2003, a. a. O.).
Ob und wann eine Erneuerung infolge Verschleißesbzw. infolge des altersbedingt hervorgerufenen Verlustes der Funktionstüchtigkeit gerechtfertigt ist, richtet sich insoweit regelmäßig nach einer am Stand der Wissenschaft und Technik orientierten Prognose, die insbesondere die Beschaffenheit, das Material und die Belastung des Anschlusses berücksichtigt. Bei der Entscheidung, ob und wann eine Reparatur – im Sinne einer Unterhaltungsmaßnahme – ausreicht, der Anschluss verändert oder aufgehoben werden soll oder eine Erneuerung geboten ist, steht dem Einrichtungsträger insoweit ein Einschätzungsermessen zu, das sich daran orientieren kann, wann nach den Regeln der Ver- bzw. Entsorgungstechnik verschleißbedingte Schäden an den Grundstücksleitungen und Störungen im Versorgungs- bzw. Entwässerungssystem zu erwarten sind und das gerichtlich nur darauf überprüft werden kann, ob die Beurteilung der Erneuerungsbedürftigkeit auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht und nicht sachfremd und willkürlich ist (wie hier VG Potsdam, Urt. vom 14.5.2019 – 8 K 819/16 –, juris, Rn. 32; vgl. zum dortigen Landesrecht OVG NRW, Urt. vom 3.5.1974 – 2 A 10/73 –, KStZ 1974 S. 234; Urt. vom 8.2.1990 – 22 A 2053/88 –, juris; HessVGH, Beschl. vom 24.10.1996 – 5 ZU 3507/96 –, HSGZ 1997 S. 246; NdsOVG, Beschl. vom 13.10.2000 – 9 L 1629/00 –, NVwZ-RR 2001 S. 26; VGH BW, Urt. vom 26.11.1981 – 2 S 2227/80 –; VG Minden, Urt. vom 30.7.2008 – 11 K 696/08 –, juris; VG Magdeburg, Urt. vom 20.10.2010 – 9 A 347/09 –, juris; OVG LSA, Urt. vom 21.10.2004, a. a. O. und Urt. vom 8.8.2002 – 1 L 428/01 – spricht von Beurteilungsspielraum).
Die normale Nutzungsdauer hängt von verschiedenen Umständen ab. Hilfsmittel für die Ermittlung der durchschnittlichen Nutzungsdauer können Erfahrungswerte über die technische Lebensdauer von Rohrleitungen sein, wie sie sich früher aus den Richtlinien für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken vom 31.5.1976 - Wertermittlungs- Richtlinien 1976 (BAnz Nr. 146 vom 6.8.1976, S. 3) ergaben und nunmehr aus den bauaufsichtlichen Richtlinien Abwasser, Arbeitshilfen zu Planung, Bau und Betrieb von abwassertechnischen Anlagen in Liegenschaften des Bundes (abrufbar unter www.bfr-abwasser.de/html/index.html – Downloads – BFR Abwasser) ergeben. Nach letzteren beträgt die normale Nutzungsdauer für Rohrleitungen für Schmutzwasser aus Beton/Stahlbeton 30-50 Jahre, für Regenwasser aus Beton/Stahlbeton 40-60 Jahre, für Leitungen aus Steinzeug 80-100 Jahre, für Leitungen aus Ortbeton mit Innenauskleidung 100 Jahre und für solche aus Kunsstoff 40-50 Jahre sowie für Schächte aus Beton 60 bis 80 Jahre und für solche aus Kanalklinker 80 bis 100 Jahre. Die Richtlinien beinhalten jedoch keine starren Vorgaben oder Bindungen für den Einzelfall, sondern liefern nur Anhaltspunkte (wie hier VG Potsdam, Urt. vom 14.5.2019, a. a. O., Rn. 32; vgl. zum dortigen Landesrecht OVG LSA, Urt. vom 24.6.2003, a. a. O.; Urt. vom 21.10.2004, a. a. O.). Deshalb kann eine Erneuerung im Hinblick auf die konkreten Umstände, wie auf die Anschlussleitung einwirkende besondere Umwelteinflüsse, z. B. aufgrund eines besonders aggressiven Bodenumfeldes oder von Erschütterungen einer vielbefahrenen Hauptstraße und damit einhergehende Beanspruchungen des Straßenkörpers über das übliche Maß hinaus, oder vorzeitige Materialermüdung o. Ä., bereits vor Ablauf dieser sich aus den o. g. Richtlinien ergebenden Zeitspanne für die mutmaßliche Lebens-/Nutzungsdauer von Entwässerungs- bzw. Wasserversorgungsanlagen gerechtfertigt sein (vgl. OVG NRW, Urt. vom 8.2.1990 – 22 A 2053/88 –, OVG LSA, Urt. vom 21.10.2004, a. a. O.; VG Minden, Urt. vom 30.7.2008, a. a. O.; VG Neustadt, Urt. vom 9.2.2017 – 4 K 883/16 -, juris; Queitsch, a. a. O., § 10 Rn. 17; ders., KStZ 2019 S. 201). Hierfür ist grundsätzlich der Einrichtungsträger darlegungs- und beweispflichtig. Lässt sich der Zustand eines entsorgten Leitungsstücks – etwa mangels hinreichender Fotodokumentation – nicht mehr beweissicher feststellen, geht dies in Anlehnung an die Grundsätze der Beweisvereitelung zu Lasten des Einrichtungsträgers (vgl. VG Arnsberg, Urt. vom 2.7.2015 – 5 K 50/14 -, juris; vgl. zur Beweislast aber noch unten). Demgegenüber sind buchhalterische bzw. kalkulatorische Betrachtungen zur mutmaßlichen Abschreibungsdauer von Leitungen entgegen der Auffassung der Klägerin für die Beurteilung der Erneuerungsbedürftigkeit unerheblich, da insoweit allein die Funktionstüchtigkeit der Abwasserentsorgung bzw. Wasserversorgung inmitten steht.
Ein Erneuerungsbedarf ist hiernach jedenfalls im Bereich der Abwasserentsorgung dann gegeben, wenn ein privater Grundstücks- bzw. Hausanschluss aus nicht vom Einrichtungsträger zu vertretenden Gründen nachweisbar schadhaft ist und eine Sanierungspflicht, etwa gemäß § 60 Abs. 2 WHG, besteht, weil der Anschluss nicht mehr den Vorgaben des § 60 Abs. 1 WHG genügt (so zutreffend OVG NRW, Beschl. vom 27.2.2018 – 15 A 329/17 –, juris; VG Düsseldorf, Urt. vom 25.2.2015 – 5 K 7702/14 –, juris).
Unter Zugrundelegung vorstehender Ausführungen steht vorliegend eine Erneuerungsbedürftigkeit der Anschlussleitung außer Zweifel, auch wenn diese die nach o.g. Richtlinien maßgebliche Nutzungsdauer für Rohrleitungen aus Steinzeug noch nicht erreicht hatte.
Denn der Beklagte hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgetragen, dass im Rahmen der Vorplanung für den ersten Abschnitt des Einzugsgebietes, der auch den S ... eingeschlossen habe, die vorhandenen Kanäle mit TV-Befahrungen untersucht und die Schäden nach DWA-M 149 klassifiziert worden seien. Im ersten Abschnitt des Einzugsgebietes hätten die ehemaligen Kanäle zahlreiche Schadstellen in Form von Rissen, fehlenden Rohstücken mit Wurzeleinwuchs und Scherbenbildung sowie Langabweichungen aufgewiesen, welche die Funktionstüchtigkeit stark eingeschränkt hätten. Die Folge seien häufige Schadensereignisse gewesen, die hätten beseitig werden müssen. Die Art der Schäden hätte gemäß DWA-M 149 die Einordnung in die folgenden Zustandsklassen erforderlich gemacht: Null – sofortige Schadensbeseitigung (6 Haltungen), 1 – kurzfristige Schadensbeseitigung (4 Haltungen) und 2 – mittelfristige Schadensbeseitigung (2 Haltungen). Da das Sohlgefälle der ehemals vorhandenen Kanäle mit bis zu 0,6 Promille ungenügend und die Kanaltiefen für das Gesamtvorhanden zu gering gewesen seien, sei der Neubau der Kanäle erforderlich gewesen. Eine Sanierung oder Reparatur der Kanäle sei in diesem Abschnitt nicht geeignet gewesen. Zum Teil seien die Kanäle in sehr geringer Tiefe (kleiner als 1,00 Meter) verlegt gewesen. Im Bereich des Anschlusses der Klägerin habe das Sohlgefälle 3,2 Promille betragen und die Überdeckung des Kanals bei 1,07 Meter gelegen. Der Wartungsaufwand sei überdurchschnittlich hoch gewesen. Es seinen Einfrierungen in Frostperioden aufgetreten. Die drei Kriterien Dichtheit, Standsicherheit und Betriebssicherheit, die ein Kanal erfüllen müsse, seien bei diesen Kanälen nicht mehr gegeben gewesen. Eine Reparatur einzelner Schadstellen sei bei einem solchen Zustand nicht das Mittel der Wahl gewesen. Aus den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten habe sich der Beklagte für die umgesetzte Variante, also die Erneuerung der Kanäle als für die Allgemeinheit am geeignetsten entschieden. Mit der Erneuerung der Schmutzwasserkanäle sei – und das ist vorliegend entscheidend - auch eine Erneuerung der Grundstücksanschlussleitung der Klägerin unumgänglich gewesen, da diese das Kriterium der Dichtheit ebenfalls nicht (mehr) erfüllt habe, was eine TV- Inspektion ergeben habe. Aus der eingereichten Anschlussleitungsgrafik S ... Nummer 7 vom 16. September 2011 sei zu entnehmen, das bei der Stationierung 1,30 Meter eine Lageabweichung und bei den Stationierungen 4,20 Meter und 5,20 Meter jeweils ein Wurzeleinwuchs vorhanden gewesen sei. Dies sei ein untrüglicher Beweis, dass die Leitung nicht dicht sei. Insoweit werde auch auf den Anschlussleitungs-Bildbericht bei Stationierung 4,20 Meter verwiesen.
Diesem überzeugenden, durch Vorlage entsprechender Unterlagen untersetzten Vorbringen des Beklagten, wonach eineSanierungspflicht gemäß § 60 Abs. 2 WHG bestand, weil der Anschluss nicht mehr den Vorgaben des § 60 Abs. 1 WHG genügte, ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Auch in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 2021 hat sie sich auf die bloße pauschale Behauptung beschränkt, die „Angaben des Beklagten über Mängel in den Hausanschlussleitungen“ seien „zweifelhaft und in keinen Fall ein Grund für eine notwendige Erneuerung“.
Als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches allerdings darüber hinaus voraus, dass die Maßnahme im "Sonderinteresse" des Erstattungspflichtigen lag, was nur bei einer konkreten, aktuellen Nützlichkeit der Maßnahme für das Grundstück der Fall ist. Denn die Vorschrift des § 10 KAG regelt einen besonderen öffentlich- rechtlichen Aufwendungsersatzanspruch zum Ausgleich von Aufwendungen und Kosten für eine vorangegangene spezielle Leistung des Einrichtungsträgers, die gerade dem Pflichtigen zugutekommt (vgl. Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 83 ff., Rn. 91 ff. m.w.N.; VG Potsdam, Urt. vom 17.10.2012, a.a.O., Rn. 30 ff.).
Sofern es sich - wie hier - um Maßnahmen der "Erneuerung" eines Grundstücksanschlusses handelt, ist entscheidend, wodurch die durchgeführten Maßnahmen veranlasst wurden und welchem Zweck sie dienen. Maßgebend ist die sich aus dem Anschluss- und Benutzungsverhältnis ergebende Aufgaben- und Risikoverteilung (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 18.5.1993 - 22 A 2169/91 -, KStZ 1995, 118; Urt. vom 17.1.1996 - 22 A 3091/93 -, NVwZ-RR 1996, 389; Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 67, Rn. 91 ff.). Bei einer "Erneuerung" von Grundstücksanschlüssen - wie im vorliegenden Fall - ist deshalb zu differenzieren: Grundsätzlich liegt - sofern diese, wie hier nach dem Ausgeführten der Fall, nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehören - die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Zustand des Grundstücksanschlusses beim Grundstückseigentümer. Tritt z.B. bei Beschädigungen des Anschlusses Abwasser aus oder ist dies zu besorgen, liegen hierauf gerichtete Reparaturmaßnahmen im Sonderinteresse des Grundstückseigentümers, weil sie der ordnungsgemäßen Erfüllung der Benutzungspflicht dienen. Zu diesem Zweck muss er die Leitung in einem gebrauchsfähigen Zustand erhalten (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, Urt. vom 18.5.1993, a.a.O.; VG Minden, Urt. vom 30.7.2008 – 11 K 889/08 -, juris, Rn. 33 ff.). |
Dem Anschlussnehmer sind nach § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG die nach Einheitssätzen oder – wie hier - tatsächlichen Leistungen ermittelten Aufwendungen bzw. Kosten für den zu seinem Grundstück verlegten Grundstücks- bzw. Hausanschluss aufzuerlegen. Dies kann in dem Fall, dass die Straßenleitungen bzw. -kanäle nicht in der Mitte der Straße liegen, vor allem bei einer Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand dazu führen, dass die Anschlussnehmer, deren Grundstücke an der von der Straßenleitung bzw. dem Straßenkanal entfernteren Straßenseite liegen, auch bei im Übrigen gleichen Gegebenheiten höhere Anschlusskosten zu zahlen haben als diejenigen Anschlussnehmer, deren Grundstücke sich an der Straßenseite befinden, an der bzw. zu der hier die Straßenleitung verlegt worden ist. Dies ist grundsätzlich hinzunehmen, da ein Anspruch auf Verlegung der Hauptleitung in der Straßenmitte nicht besteht. Die Entscheidung, in welchem Bereich der Straße der Kanal oder die Leitung verlegt wird, liegt vielmehr im planerischen Ermessen des Einrichtungsträgers. Der Grundstückseigentümer hat keinen Einfluss auf den Bau der öffentlichen Einrichtung und ihrer technischen Einzelheiten (vgl. Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 106 m.w.N.). Um hier etwaigen Spannungen aufgrund empfundener Ungerechtigkeit Rechnung zu tragen, ist der Satzungsgeber gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG befugt, in der Satzung – im Sinne einer Fiktion – zu bestimmen, dass bei der Ermittlung des Aufwandes und der Kosten Versorgungs- und Abwasserleitungen, die nicht in der Mitte der Straße verlaufen, als in der Straßenmitte verlaufend gelten. Dabei ist unter Straßenmitte die Mittelachse der Straße im jeweiligen Anschlusspunkt zu verstehen (vgl. NdsOVG, Urt. vom 23.10.1991 – 9 L 90/90 –, GemHH 1993 S. 38 f.).
Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz3 KAG, die rechtssystematisch im Zusammenhang mit den in § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG vorgegebenen Methoden zur Ermittlung des Aufwands und der Kosten gesehen werden muss, betrifft nach ihrem Sinn und Zweck eine Vereinfachung der Ermittlung des Aufwands bzw. der Kosten in der Weise, dass dem einzelnen Anschluss fiktive Aufwendungen bzw. Kosten, die je nach der Lage der Straßenleitung die tatsächlich nach der in der Satzung festgelegten Ermittlungsmethode anzusetzenden Aufwendungen oder Kosten über- oder unterschreiten, zugeordnet werden (vgl. Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 107 m.w.N.). Die Fiktion der in der Straßenmitte verlaufenden Anschluss- bzw. Hauptwasserleitung soll ausschließen, dass die sich gegenüberliegenden Anlieger einer Straße unterschiedlich hohe Anschlusskosten zahlen müssen, nur weil der Straßenkanal bzw. die Leitung tatsächlich nicht in der Mitte, sondern an einer Seite der Straße verlegt worden ist. Durch die Mittenregelung ist eine gleichmäßigere Belastung der sich gegenüberliegenden Anschlussnehmer einer Straße ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Verlauf der Straße möglich (vgl. NdsOVG, Urt. vom 23.10.1991 – 9 L 90/90 –, GemHH 1993 S. 38).
§ 10 Abs. 1 Satz 3 KAG lässt allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin keine Gleichbehandlung aller Anlieger der Straße, sondern nur der gegenüberliegenden Anlieger zu, also derjenigen Anlieger, die sich in der Situation einer nicht in der Straßenmitte verlaufenden Straßenleitung befinden. Maßstab ist die tatsächlich vorhandene Anschlussleitung. Damit ist es nicht Sinn und Zweck der Vorschrift, die auf unterschiedlichen Straßenbreiten und Umwegstrecken von Anschlüssen beruhenden unterschiedlichen Anschlusskosten auf alle Eigentümer der Straße zu verteilen und untereinander auszugleichen: Durch die Fiktion der Mittenregelung ist kein einheitlicher Erstattungsanspruch gegen alle Grundstücksanschlüsse in einer Straße oder gar im gesamten Geltungsbereich der Satzung möglich, weil die Straßen, etwa – bei in der Straßenmitte verlaufenden Leitungen – unterschiedlich breit sind. Es gibt keinen „Einheitspreis“ für alle Grundstücke in einer Straße, soweit sich diese nicht in der beschriebenen Situation einer nicht in der Straßenmitte verlaufenden Leitung befinden (wie hier VG Cottbus, Urt. vom 15.12.2011 – 6 K 651/09 –, S. 14 des E. A.; NdsOVG, Urt. vom 23.10.1991 – 9 L 90/90 –, GemHH 1993 S. 38, 40; VG Dessau, Urt. vom 15.3.2005 – 4 A 25/04 –, juris, Rn. 23). Die Belastung der an einer Straße gegenüberliegenden Grundstückseigentümer ist darüber hinaus bei einer satzungsrechtlichen Mittenregelung nur dann vollständig gleich, wenn die Grundstücksanschlussleitungen der beiden gegenüberliegenden Grundstücke – von der (fiktiven) Mitte der Straße aus gerechnet – auch tatsächlich gleich lang sind. Das ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Grundstücksanschlussleitungen in unterschiedlichen Winkeln von der Straßenmitte aus zu den betreffenden Grundstücken hin verlaufen. Dies bedeutet, dass die Fiktion „in der Mitte der Straße“ im Zweifelfall nur dann angewendet werden kann, wenn die Ausgangslage der tatsächlich sich gegenüberliegenden Grundstücke gleich ist, d. h. der (Grundstücks-)Anschluss vom Hauptkanal rechtwinklig jeweils zu den Grundstücken führt und tatsächlich die Länge nur wegen der nicht mittigen Lage des Hauptkanals sich (nennenswert) unterscheidet (vgl. Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 108 m.w.N.).
Die Klägerin hat unter Zugrundelegung vorstehender Ausführungen schon insoweit nicht aufgezeigt, dass in Bezug auf ihr Grundstück die satzungsmäßige Mittenregelung Anwendung finden müsste. Vielmehr hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, der neue Kanal verlaufe in etwa in der Mitte der Straße.
Ungeachtet dessen sieht § 2 Abs. 1 Satz 2 KES 2012 die Mittenregelung nur bei der Herstellung, nicht aber bei der – wie hier – Erneuerung von Grundstücksanschlüssen vor.
Ob ein Satzungsgeber in seiner Satzung von der Möglichkeit der Fiktion nach § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG Gebrauch macht, bestimmt er insoweit nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Satzungsgeber kann auf eine Mittenregelung vollständig verzichten. Die Satzung kann aber von der Fiktion auch nur für einzelne Maßnahmen Gebrauch machen, z. B. nur für die Herstellung oder Beseitigung. Ein Einrichtungsträger verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin weder gegen § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er von der durch § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG eingeräumten Befugnis keinen oder nur für einzelne satzungsmäßig vorgesehene Maßnahmen Gebrauch macht. Berechnet ein Einrichtungsträger nämlich ohne die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG den Aufwand – sei es nach Einheitssätzen, sei es – wie hier - nach tatsächlichen Aufwendungen – nach der tatsächlichen Länge der Anschlussleitung, so bewegt er sich nicht nur innerhalb der Bemessungsvorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG, sondern behandelt auch nicht – im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG – Gleiches ungleich, sondern Ungleiches nach seiner Eigenart ungleich, nämlich entsprechend der unterschiedlichen Länge der Anschlussleitungen (vgl. OVG NRW, Urt. vom 25.8.1987 – 22 A 1932/86 –; VG Düsseldorf, Urt. vom 9.10.1975 – 5 K 4083/74 –, KStZ 1976 S. 218). Die sich dadurch ergebende höhere Belastung des Grundstückseigentümers beruht auf der konkreten Situationsgebundenheit des Grundstücks, die dessen Eigentümer zu vertreten hat, und begründet deshalb grundsätzlich auch keine unbillige sachliche Härte im Sinne der §§ 163, 227 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, Nr. 5 Buchst. a KAG bzw. i. S. des § 12c Abs. 2 KAG, die eine Billigkeitsentscheidung des Einrichtungsträgers erforderlich machen könnte (wie hier Queitsch, a. a. O., Rn. 29 zu § 10 KAG NRW; Unkel, a. a. O., § 10 Rn. 47).
Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Erhebung des Kostenersatzes liegen vor. Der Ersatzanspruch entsteht – soweit hier von Interesse - mit der Beendigung der Maßnahme (§ 3 KES 2012 i.V.m. § 10 Abs. 2 KAG). Diese erfolgte nach dem Vortrag der Klägerin im Jahre 2013, also vor Erlass des angefochtenen Bescheides. Ersatzpflichtig ist, soweit hier relevant, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Kostenerstattungsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist (§ 3 Abs. 1 KES 2005 i.V.m. §§ 10 Abs. 1 Satz 4, 8 Abs 2 Satz 2 KAG). Dies war nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten die Klägerin.
Soweit der Kläger die Höhe der Gesamtbaukosten und der Planungskosten für die abgerechneten Grundstücksanschlüsse pauschal bestreitet, ist dieses Vorbringen (erneut) unsubstantiiert, ja offensichtlich „ins Blaue hinein“ und daher nicht geeignet, weitere gerichtliche Ermittlungen auszulösen. Denn dies liefe auf eine auf vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht gedeckte Fehlersuche, die ihrerseits „ins Blaue“ hinein erfolgen würde, hinaus. |
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Insoweit entspräche es zwar grds. billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, da dieser sich durch die teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides selbst in die Rolle des Unterlegenen begeben und die Klägerin insoweit klaglos gestellt hat. Im Sinne einer einheitlichen Kostenentscheidung waren der Klägerin indes unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen, da die Aufhebung des Kostenersatzbescheides nur einen ganz geringfügigen Betrag betrifft.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. |