Gericht | OLG Brandenburg Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 27.01.2022 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 230/21 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 25.11.2021 – 20 F 3/21 – wie folgt abgeändert:
Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf 12.957,54 € festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
I.
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers beanstandet die erstinstanzliche Wertfestsetzung nach Verfahrensbeendigung, die sie für untersetzt hält.
Im zugrunde liegenden Verfahren machte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin, seiner geschiedenen Ehefrau, mit Antragschriftsatz vom 28.12.2020 (Bl. 1) einen Anspruch auf Zustimmung zur Geltendmachung einer Unterhaltsleistung und als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (begrenztes Realsplitting) für den Veranlagungszeitraum 2018 und 2019 gegenüber dem zuständigen Finanzamt geltend. Er führte weiter aus (Bl. 7), aufgrund einer Berechnung seines Steuerberaters erwarte er im Jahr 2018 eine Ersparnis in Höhe von 11.212,54 € und im Jahr 2019 in Höhe von 5.745,- € und gehe von einer Ausgleichsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin von knapp 4.000,- € aus.
Mit Anerkenntnisbeschluss vom 06.10.2021 (Bl. 52) verpflichtete das Amtsgericht die Antragsgegnerin zur Abgabe der beantragten Erklärungen und zur Übernahme der Verfahrenskosten.
Durch die angefochtene Entscheidung vom 25.11.2021 (Bl. 66) hat das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 5.000,- € festgesetzt und dies auf § 42 Abs. 3 FamGKG gestützt. Die vom Antragsteller erwartete Steuerersparnis sei nicht plausibel im Verhältnis zu der zugrunde liegenden Trennungsunterhaltszahlung in vergleichbarer Höhe. Die Höhe der Ausgleichsverpflichtung sei nicht konkret belegt und möglicherweise deutlich höher als vom Antragsteller erwartet. Mangels valider Anhaltspunkte komme eine Schätzung nicht in Betracht.
Mit ihrer im eigenen Namen erhobenen Beschwerde vom 02.12.2021 (Bl. 71) macht die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers geltend, das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der Zustimmung habe zum Zeitpunkt seiner Antragstellung seiner Erwartung entsprechend 12.957,54 € betragen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 73).
II.
Die von der Verfahrensbevollmächtigten aus eigenem Recht erhobene Beschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 RVG statthaft. Die den Zulässigkeitsanforderungen nach § 59 Abs. 1 FamGKG unterliegende Beschwerde (vgl. OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2007, 2000) ist vorliegend in zulässiger Weise erhoben.
Sie ist auch begründet.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts bei der Geltendmachung einer Zustimmung zum sogenannten Realsplittings bemisst sich nach § 42 FamGKG, da besondere Wertvorschriften gemäß § 43 FamGKG nicht vorhanden sind (OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, NZFam 2017, 860; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2017, 112519).
Nach § 42 Abs. 1 FamGKG ist der Verfahrenswert, soweit er sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit nicht aus den Vorschriften des Gesetzes ergibt und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nur wenn für eine sinnvolle Ermessensausübung keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte bestehen, ist nach § 42 Abs. 3 FamGKG von dem Auffangwert von 5.000,- € auszugehen; der Auffangwert kommt deshalb – insbesondere bei der Wertermittlung vermögensrechtlicher Angelegenheiten - nur in Ausnahmefällen zum Ansatz (BeckOK KostR/Schindler, 35. Ed. 1.10.2021, FamGKG § 42 Rn. 24).
Bei der Wertbestimmung nach billigem Ermessen gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG ist, wenn es um die Zustimmung zur Geltendmachung einer Unterhaltsleistung und als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EstG (begrenztes Realsplitting) geht, der Wert mit 100 % des damit verbundenen Steuervorteils anzusetzen, wobei die dem Zustimmungspflichtigen zu ersetzenden Nachteile abzuziehen sind (OLG Brandenburg, NZFam 2017, 860; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2017, 112519 Schneider NZFam 2016, 472).
Da sich der Zeitpunkt der Wertberechnung in Antragsverfahren aus § 34 Satz 1 FamGKG bestimmt, ist für die Wertbestimmung nach § 42 Abs. 1 FamGKG das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers zum Zeitpunkt des Eingangs seines Antrags bei Gericht maßgeblich (Schneider/Volpert/Fölsch/N. Schneider, FamGKG, 3. Aufl. 2019 § 42 FamGKG Rn. 48; BeckOK KostR/Schindler FamGKG § 34 Rn. 3). Die Wertbestimmung für die Zustimmung zum sogenannten begrenzten Realsplitting hat aufgrund einer Schätzung zu erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Steuerbescheide vorliegen (OLG Frankfurt BeckRS 2017, 112519). Für eine derartige Schätzung sind die Umstände zu berücksichtigen, die sich aus dem Sachvortrag und der Interessenlage des Antragstellers ergeben (BeckOK KostR/Schindler FamGKG § 42 Rn. 9).
Durch die Bezugnahme des Antragstellers auf die Berechnung seines Steuerberaters, einer Steuerersparnis von 16.957,54 € entgegen zu sehen und eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe von rund 4.000,- € zu erwarten, sind hinreichende Umstände vorhanden, aus denen sich das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers zum Zeitpunkt der Antragstellung im Wege der Schätzung und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermitteln lässt. Anders als das Amtsgericht meint, steht einer derartigen Wertermittlung nicht entgegen, dass der Antragsteller möglicherweise, worauf die Gegenseite hinweist, wegen einer Spitzensatzbesteuerung mit einer deutlich niedrigen Steuererstattung zu rechnen haben könnte. Derartige Erwägungen sind, ebenso wie die Annahme des Amtsgerichts, der vom Antragsteller erwartete Erstattungsbetrag könnte unrealistisch hoch und der Ausgleichsbetrag zu niedrig sein, bei der Wertermittlung zu berücksichtigen, geben indes keinen Anlass, auf den Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG zurückzugreifen.
Bei nicht bezifferten vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist für die Wertfestsetzung des Gerichts ein vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzter Wert weder bindend noch maßgeblich. Vielmehr muss der Verfahrenswert auf der Grundlage des Beteiligtenvorbringens bei Einleitung des Rechtszugs im Wege einer Schlüssigkeitsprüfung bestimmt werden (BeckOK KostR/Schindler a. a. O. FamGKG § 34 Rn. 22). Dem Akteninhalt sind indes keine Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach der Antragsteller in den Jahren 2018 und 2019 einer Besteuerung unterlegen haben könnte, die in objektiver Hinsicht eine deutlich geringere Steuererstattung für die Jahre 2018 und 2019 erwarten lassen musste, als vom Antragsteller angenommen. Da die vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bescheinigung seines Steuerberaters vom 17.01.2022 (Bl. 86) darüber hinaus die Festsetzung einer den erwarteten Beträgen nahezu identischen Steuererstattung für die Jahre 2018 und 2019 durch das zuständige Finanzamt ergibt, ist der verfahrensgegenständliche Steuervorteil des Antragstellers zunächst mit 16.957,54 € zu bemessen. Die hiervon in Abzug zu bringende Ausgleichszahlung hat der Antragsteller in schlüssiger Weise mit 4.000,- € beziffert; Anhaltspunkte dafür, dass diese Zahlung deutlich höher sein könnte, hat die Antragsgegnerin nicht substantiiert vorgetragen und sind dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Nach Abzug von 4.000,- € verbleibt ein Betrag in Höhe von 12.957,54 €, der – mangels Vorliegens entgegen stehender Umstände – dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers bei Antragseingang entspricht und deshalb nach § 42 Abs. 1 FamGKG festzusetzen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG (vgl. OLG Brandenburg, NZFam 2017, 860).
Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht angreifbar.