Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 8 K 1044/16 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1208.8K1044.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 27 Abs 1 SGB 8, § 33 SGB 8, § 36a Abs 3 SGB 8, § 39 SGB 8, § 27 Abs 2a SGB 8 |
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016 verpflichtet, die der Klägerin für den Zeitraum ab dem 9. Juli 2015 durch die von ihr geleistete Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege entstandenen erforderlichen Aufwendungen in Höhe des Pflegegeldes nach § 39 SGB VIII zu übernehmen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Übernahme der Aufwendungen, die ihr seit dem Jahr 2015 durch die Vollzeitpflege ihrer Enkelin entstanden sind.
Die 1957 geborene Klägerin ist die Großmutter ihrer am 17. März 2014 geborenen Enkelin A... . Die Kindesmutter ist geistig behindert und zeigte sich trotz entsprechender Unterstützungsangebote des Jugendamtes des Beklagten nicht in der Lage, sich um ihr Kind zu kümmern; der Kindesvater ist verstorben. Auf Wunsch der Kindesmutter betreuten die Klägerin und ihr Ehemann A... seit dem 10. Juli 2014 in ihrem Haushalt, einer 87 m² großen Zwei-Zimmer-Wohnung, in der sie zu dieser Zeit mit ihrem jüngsten, 1999 geborenen Sohn zusammenlebten. Der Beklagte leistete den Pflegeeltern seitdem eine sog. „lose Betreuung nach dem SGB VIII“, die insbesondere im Rahmen von regelmäßigen Hausbesuchen durch den familienunterstützenden Dienst (FuD) des Jugendamtes erfolgte. Mit Beschluss vom 26. November 2014 – A... – übertrug das Amtsgericht B... – Familiengericht – der Klägerin die elterliche Sorge für A... mit Ausnahme des Aufgabenkreises Vaterschaftsfeststellung und Klärung von Unterhaltsansprüchen.
Am 9. Juli 2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Hilfe zur Erziehung.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2016 ab. Zwar erachte er eine Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für A... als geeignete Hilfeform, im Prüfungsverfahren des Pflegekinderdienstes sei jedoch festgestellt worden, dass die Großeltern nicht geeignet seien, diese Hilfe selbst zu leisten. Da keine Kindeswohlgefährdung bestehe und A... durch andere Sozialleistungen finanziell abgesichert sei, könne sie aber im Haushalt der Großeltern verbleiben.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. März 2016 erhob die Klägerin hiergegen unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. März 2012 – Az. 5 C 12.11 – Widerspruch, wonach ihr als Vormund Pflegegeld zustehe.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2016, der Klägerin zugestellt am 9. Juni 2016, zurück. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass es sich bei der hier vorliegenden Verwandtschaftspflege um ein Pflegeverhältnis handele, das nicht im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII erbracht werde. Daher sei zu prüfen gewesen, ob der Klägerin eine Pflegeerlaubnis gemäß § 44 SGB VIII erteilt werden könne. Im Ergebnis seiner Prüfung habe der Pflegekinderdienst jedoch festgestellt, dass die Klägerin als Pflegeperson nicht geeignet sei, da sowohl Mängel in der Strukturqualität als auch in der Leistungsqualität ersichtlich geworden seien. Die Großeltern seien nicht in der Lage, differenzierte Aussagen zum Entwicklungsstand des Kindes und zu möglichen Entwicklungserfordernissen zu treffen. Die Familie bedürfe der Unterstützung und sollte entsprechende ambulante Hilfen beantragen.
Am 8. Juli 2016 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
Sie ist der Auffassung, dass es absurd sei, wenn der Beklagte das Kind einerseits ihrer Familie zur Pflege übergebe, sie andererseits aber als zur Pflege ungeeignet bezeichne. Der Beklagte habe den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht angemessen ausgeübt, sondern pauschal auf die Stellungnahme des Pflegekinderdienstes verwiesen. Auch habe er nicht konkret dargelegt, welche materiellen Bedingungen er beanstande, die zudem deutlich verbessert wären, wenn die beantragten Mittel bewilligt würden. Ebenso wenig sei erkennbar, welche Defizite hinsichtlich der Abdeckung des erzieherischen Bedarfes von A... festgestellt worden seien, zumal auch insoweit Unterstützung zu leisten sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum ab dem 9. Juli 2015 die durch die geleistete Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege ihr entstandenen erforderlichen Aufwendungen in Höhe des Pflegegeldes gemäß § 39 SGB VIII zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und macht ergänzend im Wesentlichen geltend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Vollzeitpflege durch Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizites sein könne, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet seien. Zwar bedürften Großeltern keiner Pflegeerlaubnis, ihre persönliche Eignung sei jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet sei. Dessen Definition sei vom Begriff des Kindeswohls bzw. der Kindeswohlgefährdung im Sinne der §§ 1666 BGB, 42 SGB VIII zu unterscheiden. Hier fehle es jedoch nach jugendfachlicher Einschätzung an einer Eignung der Klägerin als Pflegeperson. Diese sei nicht nur nicht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für A... befugt, sondern zudem ebenso wie ihr Ehemann verschuldet, weshalb sie sich in Privatinsolvenz befänden. Daher sei fraglich, ob das Pflegegeld zweckentsprechend für das Pflegekind verwendet werden würde. Außerdem bestehe für A... , die im Wohn- und Schlafbereich der Großeltern schlafe, keine altersentsprechende Rückzugsmöglichkeit; ein zunächst geplanter Umzug in eine Wohnung, in der das Kind ein eigenes Zimmer hätte haben können, habe letztlich nicht stattgefunden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten in der Erfassung und Umsetzung behördlicher Angelegenheiten Schwierigkeiten und seien insofern selbst auf Hilfe angewiesen. Auch falle es der Klägerin mitunter schwer, Fragen zu verstehen und zu beantworten. Auf Nachfrage habe sie von sich aus keinen erzieherischen Bedarf A... benennen können. Pflegeeltern müssten jedoch in der Lage sein, differenzierte Aussagen zum Entwicklungsstand des Kindes und zu möglichen Entwicklungserfordernissen zu treffen. Sie benötigten eine hohe Reflektionsfähigkeit und selbständiges Handeln. Bei der Klägerin seien jedoch Mängel in der Struktur und in der Leistung der Pflegestelle erkennbar. Schließlich gehöre es zur Geeignetheit auch, dass die Pflegeperson zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten könne und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlasse und ggf. zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sei. Eine der Kooperation zugrundeliegende Vertrauensbasis sei hier jedoch zunehmend eingeschränkt gewesen, da die Klägerin und ihr Ehemann zu Gesprächen mit dem Pflegekinderdienst von einer juristischen Mitarbeiterin begleitet worden seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (2 Hefte) ergänzend Bezug genommen.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 9. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege, der sich nunmehr, da eine Hilfegewährung für die Vergangenheit tatsächlich unmöglich ist, gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) auf die Übernahme der erforderlichen Aufwendungen für die von ihr erbrachte Vollzeitpflege richtet.
Grundsätzlich trägt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Kosten einer Hilfe gemäß § 36a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplanes erbracht wird. Daran fehlt es vorliegend, da die Klägerin – und ihr Ehemann – den Erziehungshilfebedarf ihrer Enkelin bislang ohne vorherige positive Entscheidung des Beklagten als zuständigem öffentlichen Jugendhilfeträger gedeckt, die Hilfe in diesem Sinne also selbst beschafft haben. Gemäß § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist jedoch, wenn Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 der Regelung vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet, wenn die Leistungsberechtigten ihn vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt haben (Nr. 1), die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen (Nr. 2) und die Deckung des Bedarfes bis zu einer Entscheidung über die Gewährung der Leistung oder über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Gewährung der Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat (Nr. 3). In diesen Fällen des sog. Systemversagens, in denen der Jugendhilfeträger eine Leistung trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig erbringt, und die Leistungsberechtigten aufgrund der Dringlichkeit des Hilfebedarfs gleichsam gezwungen sind, selbst für die Bedarfsdeckung zu sorgen, wandelt sich der ursprüngliche Hilfeanspruch in einen nachträglichen Aufwendungsersatzanspruch (sog. Sekundäranspruch).
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 36 a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII sind vorliegend gegeben.
1. Zum einen hatte der Beklagte Kenntnis vom Hilfebedarf (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII).
Hierfür ist nicht unbedingt ein förmlicher Antrag, aber jedenfalls eine eindeutige Willensbekundung der Leistungsberechtigten gegenüber dem zuständigen Jugendamt erforderlich, Hilfe zur Erziehung in Anspruch nehmen zu wollen. Der Hilfebedarf muss so an das Jugendamt herangetragen werden, dass daraus eine Pflicht zur Prüfung erwächst.
Dies ist hier mit dem Antrag der Klägerin vom 9. Juli 2015 der Fall, der insbesondere nicht lediglich auf finanzielle Leistungen – namentlich das Pflegegeld -, sondern ausdrücklich auf die Gewährung von Hilfe zur Erziehung gerichtet und damit geeignet war, den Beklagten zu einer fachlich-inhaltlichen Prüfung des Hilfebedarfes und z.B. auch der Eignung der Pflegeperson zu veranlassen. Dass A... zu dieser Zeit bereits seit etwa einem Jahr im Haushalt ihrer Großeltern lebte, steht insoweit nicht entgegen, beschränkt den Anspruch der Klägerin vielmehr lediglich auf den Zeitraum ab Antragstellung (vgl. Schmid-Oberkirchner in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 33 Rn. 31).
2. Die Voraussetzungen der Hilfegewährung lagen im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls vor, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII. Die diesbezügliche Ablehnungsentscheidung des Beklagten vermag einer rechtlichen Prüfung nicht standzuhalten.
Die Anspruchsgrundlage der begehrten Hilfe zu Erziehung in Form von Vollzeitpflege ergibt sich aus §§ 27, 33 SGB VIII.
Gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII haben Personensorgeberechtigte bei der Erziehung eines Kindes Anspruch auf Hilfe, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll nach § 33 Satz 1 SGB VIII entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.
Die Klägerin ist als Inhaberin der Personensorge anspruchsberechtigt nach §§ 27 ff. SGB VIII.
Dass die Vollzeitpflege für die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht einmal anderthalb Jahre alte Enkelin der Klägerin grundsätzlich eine geeignete Hilfeform darstellte, nachdem sich die alleinerziehende, geistig behinderte Kindesmutter trotz der ihr u.a. nach § 19 Abs. 1 SGB VIII gewährten Hilfe mit der Erziehung und Betreuung überfordert fühlte, unterliegt keinen rechtlichen Zweifeln und ist auch zwischen den Beteiligten nicht streitig. Durch den Ausfall der Kindeseltern und damit der Herkunftsfamilie A... bestand ein erzieherischer Bedarf im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB VIII, der namentlich auch nicht dadurch entfallen ist, dass die Klägerin und ihr Ehemann als Großeltern des Kindes dessen Betreuung im Einvernehmen mit der Kindesmutter freiwillig übernommen haben (vgl. § 27 Abs. 2a SGB VIII; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 15 f.).
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Vollzeitpflege durch die Großeltern nur dann ein geeignetes Mittel zum Ausgleich eines Erziehungsdefizites sein kann, wenn die Großeltern ihrerseits als Pflegepersonen geeignet sind, § 27 Abs. 2a, Halbsatz 2 SGB VIII. Dies setzt voraus, dass sie zum einen eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung gewährleisten können und sich zum anderen auf die Kooperation mit dem Jugendamt einlassen und ggf. zur Annahme unterstützender Leistungen bereit sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 19). Die Klägerin als Großmutter A... bedurfte zwar entgegen den Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid keiner Pflegeerlaubnis, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII; ihre persönliche Eignung ist jedoch anhand der Vorgaben des § 44 Abs. 2 SGB VIII und damit insbesondere daran zu messen, ob das Kindeswohl in der Pflegestelle gewährleistet ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 19; Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 6 B 322/16 –, juris Rn. 8).
Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung mehrerer Fachkräfte handelt, welcher nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Daraus folgt, dass die verwaltungsgerichtliche Überprüfung sich darauf zu beschränken hat, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und ob die Adressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Oktober 2013 – 12 C 13.1599 –, juris Rn. 32; Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 10. November 2015 – RO 4 K 15.287 –, juris Rn. 23; Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 6 B 322/16 –, juris Rn. 9).
Hier bestehen aus gerichtlicher Sicht keine begründeten Zweifel daran, dass die Klägerin als Pflegeperson für ihre Enkelin geeignet war. Die anderslautenden Feststellungen des Beklagten vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Vielmehr spricht Maßgebliches dafür, dass der Beklagte im Rahmen seiner Prüfung der Eignung der Klägerin den zugrundeliegenden Sachverhalt unzutreffend interpretiert und falsche rechtliche Maßstäbe angelegt hat.
Hierfür spricht zum einen schon der Vermerk vom 2. März 2015 über ein Gespräch zwischen der zuständigen Sozialarbeiterin vom Familienunterstützenden Dienst des Jugendamtes des Beklagten und der zuständigen Sachbearbeiterin vom Pflegekinderdienst, in dem diese einen als möglich erachteten Antrag der Großeltern A... auf Hilfe zur Erziehung und die dann erforderliche Prüfung der Geeignetheit erörtert haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit (eine) Ablehnung bezüglich (der) Nichtgeeignetheit als Pflegeperson zu erwarten“ sei. Dies stützt den Eindruck, dass sich die zuständigen Fallbearbeiterinnen bereits vorab – nämlich ca. vier Monate, bevor die Klägerin überhaupt die Hilfe beantragt hat und ohne umfassende Prüfung unter deren gebotener Einbindung – auf ein Ergebnis festgelegt und die nachfolgende Prüfung deshalb (unbewusst) nicht ergebnisoffen, sondern ablehnungsorientiert vorgenommen haben. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Feststellungen des Pflegekinderdienstes ohne ersichtliche eigene Prüfung und Bewertung gleichsam unkritisch in seine Entscheidung übernommen hat.
a) Soweit der Beklagte die „Leistungsqualität“, also die Fähigkeit der Klägerin zur Leistungserbringung bemängelt hat, unterliegt diese Feststellung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Im Rahmen seiner Prüfung zur Bestimmung der Notwendigkeit und Geeignetheit einer Hilfe zur Erziehung (Systemanalyse September 2015) hat das Jugendamt des Beklagten als Ziele der Hilfe das liebevolle und behütete Aufwachsen A... in stabilen, verlässlichen Tagesstrukturen und unter gesicherten Existenzbedingungen, ihre altersgerechte Förderung und Entwicklung und eine allumfassend sichergestellte Gesundheitsfürsorge sowie die Aufrechterhaltung des Kontaktes zur Herkunftsfamilie benannt. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass die Klägerin als Pflegeperson nicht geeignet wäre, eine diesen – das zu gewährleistende Kindeswohl konkretisierenden – Zielstellungen entsprechende Hilfe zu leisten.
Der Beklagte hat hierzu unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Pflegekinderdienstes ausgeführt, dass die Klägerin (und ihr Ehemann) nicht in der Lage sei, differenzierte Aussagen zum Entwicklungsstand des Kindes und zu möglichen Entwicklungserfordernissen zu treffen. Sie hätte Schwierigkeiten offenbart, Fragen zu verstehen und zu beantworten sowie den erzieherischen Bedarf A... zu benennen. Insbesondere bei behördlichen Angelegenheiten bedürfe die Familie selbst der (ambulanten) Unterstützung. Andererseits hat er in seiner Stellungnahme vom 26. November 2014 gegenüber dem Familiengericht B... erklärt, dass die Großeltern liebevolle und fürsorgliche (Pflege-)Eltern seien, deren Beziehungen eng und von Ehrlichkeit und Verständnis geprägt seien, was die Antworten auf Fragen zur Konfliktbewältigung und deren Strategien ergeben hätten. Konkrete Kenntnisse über die Versorgung und die Befriedigung von Bedürfnissen eines Neugeborenen seien ebenso vorhanden wie im Bedarfsfall die Unterstützung durch Verwandte und die (erwachsenen) Kinder. Der Umgang mit Behörden und Institutionen sei der Klägerin grundlegend gegeben; sie sei in die Lage versetzt, die erforderliche finanzielle Unterstützung für A... einzuwerben. Der Entwicklungsweg und –stand von A... würden allseits positiv gewürdigt. Entsprechend heißt es im Rahmen der Systemanalyse des Beklagten vom September 2015, dass A... , die eine gute Bindung an ihre Großeltern habe, von diesen verlässlich und liebevoll betreut und versorgt werde. Es bestünden gesicherte Tagesstrukturabläufe, u.a. besuche A... von 9 Uhr bis 15 Uhr eine Kindertageseinrichtung. Sie sei altersgerecht entwickelt und gesundheitlich stabil, zeige keine Auffälligkeiten. Die Gesundheitsfürsorge werde verlässlich wahrgenommen. Die gleichen Feststellungen finden sich auch in dem Prüfvermerk des Pflegekinderdienstes vom 1. Dezember 2015, in dem zudem vermerkt ist, dass es bei A... aus Sicht des Familienunterstützenden Dienstes des Jugendamtes des Beklagten keine besonderen Problemlagen gebe. Dies hat am 11. September 2015 schließlich auch die Kindertagespflegestelle bestätigt, in der A... betreut wurde und nach deren Einschätzung das Kind altersgerecht entwickelt sei und keine Auffälligkeiten zeige. A... habe immer ein gepflegtes, sauberes Erscheinungsbild und erhalte von zu Hause ausreichende (manchmal zuviel) Verpflegung. Die Zusammenarbeit mit der Klägerin funktioniere gut.
aa) Im Hinblick auf diese Feststellungen ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin als Pflegeperson nicht geeignet gewesen sein soll, eine das Kindeswohl A... gewährleistende Erziehung zu erbringen. Sie zeigte sich vielmehr ersichtlich in der Lage und bereit, die seelischen, körperlichen und sozialen Bedürfnisse des Kindes altersentsprechend zu erfüllen. Insofern hat der Beklagte, der sich offensichtlich einseitig auf die Einschätzung des Pflegekinderdienstes fokussiert hat, dass es den Pflegeeltern „mitunter schwer falle, die für eine Leistungserbringung erforderlichen fachlichen Inhalte zu verstehen“ und „differenzierte Aussagen zum Entwicklungsstand des Kindes und zu möglichen Entwicklungserfordernissen“ zu treffen, den festgestellten Sachverhalt nicht hinreichend ausgeschöpft und sich mit der Begründung seiner Ablehnungsentscheidung etwa zu seiner eigenen Einschätzung gegenüber dem Familiengericht in Widerspruch gesetzt (vgl. hierzu auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 12 C 13.1183 –, juris Rn. 20).
bb) Im Übrigen hat der Beklagt insoweit auch einen unzutreffenden Maßstab angelegt und die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes überschritten. Besondere gesetzliche Anforderungen hinsichtlich einer fachlichen Qualifikation der Pflegeperson bestehen nicht (vgl. ebenso Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 14. September 2011 – 2 K 5592/10.GI –, juris Rn. 21). Ohnehin ist schon nicht hinreichend ersichtlich, welche Aussagen zum Entwicklungsstand und möglichen Entwicklungserfordernissen in Bezug auf A... er vermisst hat bzw. das mangelnde Verstehen welcher fachlichen Inhalte der Leistungserbringung hier zu bemängeln war. Konkrete Angaben hierzu hat der Beklagte weder in seinen Bescheiden noch im Klageverfahren gemacht, auch dem Prüfvermerk des Pflegekinderdienstes sowie dem Bewerberfragebogen und dem Protokoll des Bewerbungsgespräches vom 2. November 2015 sind diesbezüglich keine begründeten Anhaltspunkte zu entnehmen. Soweit der Pflegekinderdienst darauf verweist, dass die Privatinsolvenz der Klägerin und ihres Ehemannes im Fragebogen verschwiegen und die Tatsache verneint worden sei, dass diese bei der Erziehung ihrer eigenen Kinder Hilfe zur Erziehung beansprucht haben, steht dies ersichtlich in keiner Beziehung zu der bemängelten Fähigkeit, Aussagen zum Entwicklungsstand A... und den diesbezüglichen Erfordernissen zu treffen oder die fachlichen Inhalte der Leistungserbringung zu verstehen. Im Übrigen findet sich im Bewerberfragebogen keine Stelle, an der hiernach überhaupt gefragt worden ist, zumal es sich um Umstände handelt, die dem Beklagten aus der Zusammenarbeit mit der Familie bereits bekannt gewesen sind.
Letztlich finden die zur Begründung der Ablehnungsentscheidung herangezogenen Mängel in der Leistungsqualität ersichtlich nur in dem Gesprächsvermerk des Beklagten vom 27. August 2015 eine Grundlage. Soweit sich diesem Vermerk die Feststellung entnehmen lässt, dass die Klägerin und ihr Ehemann „von sich aus keinen erzieherischen Bedarf benennen“ können, steht dies der persönlichen Eignung der Klägerin als Pflegeperson jedoch nicht entgegen. Vielmehr spricht Maßgebliches dafür, dass diese Feststellung ihrerseits auf einer Verkennung der Sachlage und der rechtlichen Maßstäbe beruht. Denn ausweislich der von der Klägerseite gefertigten und vorgelegten und von dem Beklagten auch nicht bestrittenen Protokolle über die Gespräche der Familie mit den zuständigen Sachbearbeiterinnen des Familienunterstützenden Dienstes und des Pflegekinderdienstes am 27. und 31. August 2015 haben die Sachbearbeiterinnen des Jugendamtest des Beklagten die Pflegeeltern wiederholt dazu befragt, welcher Erziehungsbedarf als Voraussetzung für die beantragte Hilfe zur Erziehung bestehe, wofür – neben Grundsicherung, Kindergeld und „BuT-Leistungen“ - das Pflegegeld benötigt werde, welche konkreten Probleme A... habe, was sie „nicht könne“. Dabei haben sie gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass allein der Umstand, dass A... nicht bei ihrer Herkunftsfamilie – namentlich bei ihrer Mutter – aufwachsen könne, nicht genüge, vielmehr müssten „mehrere Bedarfe“ vorliegen, Hilfe zur Erziehung würde bei konkreten Problemen oder Bedarfen geleistet, die die Pflegeeltern benennen mögen. Gleichzeitig wurde die Auffassung geäußert, dass es schwierig sei, im Nachhinein einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung zu stellen, nachdem die Großeltern sich schon vor mehr als einem Jahr bereit erklärt hätten, dass A... bei ihnen bleibe, zumal sie für das Kind unterhaltspflichtig seien.
Diese seitens der Sachbearbeiterinnen des Jugendamtes geäußerten Auffassungen sind jedoch rechtlich nicht haltbar. Wie oben bereits dargelegt, bestand ein hinreichender erzieherischer Bedarf im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB VIII schon aufgrund des Umstandes, dass A... nicht bei ihren Eltern aufwachsen konnte, sondern ihre Betreuung, Erziehung und Förderung also außerhalb der Herkunftsfamilie erfolgen musste. Dass die Klägerin und ihr Ehemann als Großeltern ihre Betreuung im Einvernehmen mit der Kindesmutter freiwillig übernommen haben, lässt diesen Bedarf nicht entfallen (vgl. § 27 Abs. 2a SGB VIII; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 15 f.). Das Vorliegen darüberhinausgehender (Entwicklungs- oder Erziehungs-)Probleme ist – auch wenn dies in Fällen, in denen eine Vollzeitpflege außerhalb der Herkunftsfamilie erforderlich ist, häufig der Fall sein wird – nicht Voraussetzung der Hilfegewährung. Da A... nach allen Einschätzungen altersgerecht entwickelt war und keine Auffälligkeiten zeigte, bestand ihr erzieherischer Bedarf ersichtlich einzig in der kindgerechten Begleitung und Unterstützung ihres Aufwachsens. Diesen vermochte die Klägerin auch zu benennen, etwa wenn sie über das von ihr unterstützte Erlernen des Essens mit dem Löffel, des Zähneputzens und der Töpfchenbenutzung, des Sprechens, selbständigen Laufens, Treppensteigens und Schuhebindens berichtete. Dass A... bei ihren Großeltern „gut aufgehoben“ war und es ihr dort „gut ging“, haben die Sachbearbeiterinnen des Jugendamtes zwar selbst ausdrücklich festgestellt, wurde aber bei der Entscheidung über den Antrag der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt.
cc) Auch soweit ein eigener Hilfebedarf der Großeltern bei behördlichen Angelegenheiten als Grund für die von dem Beklagten angenommene mangelnde persönliche Eignung der Klägerin herangezogen wurde, hat der Beklagte einen unzutreffenden Maßstab angelegt, zumal er sich auch mit dieser Feststellung zu seiner eigenen Einschätzung gegenüber dem Familiengericht vom 26. November 2014 in Widerspruch gesetzt hat.
Soweit es im Prüfvermerk des Pflegekinderdienstes vom 1. Dezember 2015 hierzu heißt, die Großeltern seien wegen ihrer Probleme in der Erfassung und Umsetzung behördlicher Angelegenheiten auf Hilfe angewiesen und erhielten diesbezüglich Unterstützung seitens des Familienunterstützenden Dienstes des Jugendamtes des Beklagten in Form einer sog. losen Betreuung, ist zum einen darauf zu verweisen, dass diese lose Betreuung ausweislich des Abschlussprotokolls vom 14. August 2014 im Zuge der Aufnahme von A... in den Haushalt ihrer Großeltern gleichsam in Fortsetzung der zuvor für die Kindesmutter geleisteten Hilfe installiert worden ist und damit ersichtlich nicht im Hinblick auf eine eigene Bedarfslage der Großeltern, sondern als Unterstützungsangebot für den weiteren Entwicklungsweg des Kindes. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine eher niedrigschwellige Hilfe in Form von Gesprächen im Rahmen der regelmäßigen Hausbesuche, telephonischer Beratung und der Vermittlung an zuständige Stellen wie etwa die Schuldnerberatung oder das Sozialamt handelte. Dabei zeigten sich die Großeltern ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Beklagten jederzeit kooperativ sowie bereit und fähig, die Unterstützungsleistungen anzunehmen und angemessen umzusetzen; dass sie „hilfeannehmend“ seien, findet sich auch im Rahmen der Systemanalyse des Beklagten vom September 2015 vermerkt. Insgesamt ist nicht ersichtlich, dass der festgestellte Unterstützungsbedarf der Großeltern sowohl von seinem Ausmaß als auch den konkreten Auswirkungen im Alltag her derart erheblich war, dass hieraus eine mangelnde Eignung der Klägerin zur Gewährleistung einer dem Kindeswohl entsprechenden Erziehung resultierte. Die Bereitschaft zur Annahme unterstützender Leistungen gehört im Übrigen zum Eignungsprofil im Sinne von § 27 Abs. 2a Satz 1, Halbsatz 2 SGB VIII (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 19).
b) Ebenso wenig rechtfertigen die von dem Beklagten diagnostizierten Mängel in der „Strukturqualität“ eine Ablehnung der beantragten Hilfe. Weder die insoweit in Bezug genommene Wohnsituation der Familie noch deren Verschuldung genügen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, um von einer mangelnden Eignung der Klägerin als Pflegeperson auszugehen.
aa) Die Familie der Klägerin einschließlich des 1999 geborenen Sohnes lebte im Zeitpunkt der Aufnahme A... in einer 87 m² großen Zwei-Zimmer-Wohnung. Ausweislich seiner Stellungnahme gegenüber dem Familiengericht B... vom 18. November 2014 schätzte der Beklagte den individuellen Wohnraum für A... als durch die Doppelnutzung eines Zimmers zunächst angemessen gewährleistet ein, wobei das Kind mittelfristig ein eigenes Zimmer benötige. Ein Umzug war ausweislich der vorliegenden Verwaltungsvorgänge geplant und auch versucht worden, zuletzt vermerkte der Beklagte hierzu am 2. März 2016, dass auf dem Markt kein (entsprechend passender) Wohnraum verfügbar sei.
Beengte Wohnverhältnisse stellen für sich genommen keinen hinreichenden Grund für die Ablehnung einer Vollzeitpflege dar (vgl. etwa den Sachverhalt in Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Oktober 2013 – 12 C 1599 –, juris Rn. 13), auch das Vorhandensein eines eigenen Zimmers für jedes in der Familie lebende Kind ist keine zwingende Voraussetzung. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, inwieweit sich die konkrete Wohnsituation auf das Wohl des Kindes auswirkt, namentlich ob dessen Bedarf an gesunden Lebensverhältnissen sowie Geborgenheit und Privatsphäre altersentsprechend gewährleistet sind. Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass A... im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung erst ein Jahr und knapp vier Monate alt gewesen ist und damit in einem Alter, in denen Kinder regelmäßig keine „Rückzugsmöglichkeit“ im engeren Sinne benötigen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem Wohl des Kindes in dieser eher kontakt- und bindungsbezogenen Lebensphase auch dadurch angemessen genügt war, dass es seinen Schlafplatz im großen Wohn- und Schlafzimmer seiner Großeltern hatte. Ausweislich der Feststellungen des Pflegekinderdienstes vom Dezember 2015 hatte das Kind dort sein durch einen Vorhang optisch und räumlich abgegrenztes „kleines Reich“, was dafürspricht, dass bei der Klägerin das Bewusstsein und die Bereitschaft vorhanden waren, den Belangen A... trotz der ungünstigen Raumsituation Rechnung zu tragen und ihr für die Schlafenszeit die nötige Ruhe und Abgeschiedenheit zu schaffen.
bb) Soweit der Beklagte die Auffassung geäußert hat, dass sich aus dem Umstand, dass beide Großeltern verschuldet waren und sich in Privatinsolvenz befanden, Zweifel ergäben, ob das Pflegegeld zweckentsprechend für das Pflegekind verwendet würde, finden sich hierfür keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte. Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge hat der Beklagte insoweit schon den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, da sich – trotz von der Klägerin und ihrem Ehemann erteilter Schweigepflichtsentbindungserklärung – namentlich keinerlei Feststellungen zur konkreten Höhe und den Umständen der Verschuldung finden, die aber erforderlich wären, um den Sachverhalt in Bezug auf die nunmehrigen Verhältnisse sachgerecht würdigen zu können (vgl. etwa auch Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 14. September 2011 – 2 K 5592/10.GI –, juris Rn. 25 f.). Vernachlässigt hat der Beklagte zudem, dass das von den Großeltern mithilfe einer Schuldnerberatungsstelle eingeleitete und offensichtlich auch ordnungsgemäß betriebene Privatinsolvenzverfahren gerade dazu diente, Ordnung in den finanziellen Verhältnissen zu schaffen. Dass aufgrund der Verschuldung die materiellen Existenzbedingungen A... gefährdet gewesen wären, ist nicht ersichtlich; die Feststellungen des Beklagten lassen keinerlei Versorgungsmängel erkennen. Auch im Übrigen finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin etwa die Bedürfnisse A... zugunsten eigener Konsumwünsche vernachlässigen oder missachten würde, so dass die von dem Beklagten benannten Zweifel an der Verwendung des Pflegegeldes bloße Mutmaßung bleiben.
c) Schließlich hat sich die Klägerin auch im nach § 27 Abs. 2a, Halbsatz 2 SGB VIII geforderten Maße zur Kooperation mit dem Jugendamt und zur Annahme unterstützender Leistungen bereit gezeigt.
Bei der Kooperationsbereitschaft handelt es sich um eine grundlegende Voraussetzung, um von der Geeignetheit einer Pflegeperson auszugehen. Bei der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege stellt die Pflegeperson gleichsam eine Institution der öffentlichen Jugendhilfe dar. Es geht regelmäßig nicht nur darum, das Kind zu betreuen, vielmehr sollen erzieherische Defizite kompensiert werden. Dies kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten, d.h. insbesondere die Pflegeperson, ggf. vorhandene Vormünder und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusammenwirken. Dementsprechend bestimmt § 36 Abs. 2 SGB VIII, dass als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe ein Hilfeplan aufzustellen ist, woran sich neben den Personensorgeberechtigten und dem Kind auch die Personen zu beteiligen haben, die die Hilfe durchführen. Dafür ist es unabdingbar, dass zwischen dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Pflegeperson ein Vertrauensverhältnis und die Bereitschaft besteht, sich zum Wohle des Kindes auszutauschen und zusammenzuarbeiten (vgl. ebenso: Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 10. Oktober 2015 – RO 4 K 15.287 –, juris Rn. 25; Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 6 B 322/16 –, juris Rn. 13).
Diese rechtlichen Maßstäbe hat der Beklagte hier verkannt. Er hat nicht hinreichend berücksichtigt und gewürdigt, dass die Klägerin ausweislich der vorliegenden Verwaltungsvorgänge von Anfang an tatsächlich absolut kooperativ und vertrauensvoll mit dem Jugendamt zusammengearbeitet hat. Schon in der Phase der Hilfeleistung für die Kindesmutter stand die Klägerin als Ansprechpartnerin und zur Unterstützung zur Verfügung, so dass der nachfolgende Wechsel von A... in ihren Haushalt von Anfang an in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erfolgte. Diese Zusammenarbeit wurde von der Klägerin nicht nur ausdrücklich begrüßt, sie zeigte sich auch jederzeit offen für einen Austausch über die Belange des Kindes und die Hausbesuche der Mitarbeiterinnen des Jugendamtes, wendete sich von sich aus mit Problemen ratsuchend an diese und setzte Hilfeangebote sachgerecht um. Im Rahmen der Prüfung ihres Antrages auf Hilfe zur Erziehung erbrachte sie die geforderten Nachweise und Auskünfte und gab bereitwillig Schweigepflichtsentbindungserklärungen zugunsten des Jugendamtes ab. Selbst im Ergebnis des Gespräches vom 7. Januar 2016, in dem der Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Ablehnung ihres Antrages in Kenntnis setzte, war sie ausweislich des entsprechenden Gesprächsprotokolls bereit, die sog. lose Betreuung durch den Familienunterstützenden Dienst fortzusetzen und das Jugendamt zeitnah über Problemlagen zu informieren.
Das (einzige) Monitum des Beklagten, die Vertrauensbasis sei zunehmend eingeschränkt gewesen, weil sich die Klägerin und ihr Ehemann zu Gesprächen von einer Juristin hätten begleiten lassen, vermag dem nicht wirkungsvoll entgegenzutreten und unterliegt für sich genommen ebenfalls rechtlichen Bedenken. Denn für mit dem Regelwerk des Kinder- und Jugendhilferechtes nicht vertraute juristische Laien ist die Hinzuziehung fachkundigen Beistandes vielmehr grundsätzlich Ausdruck einer berechtigten Interessenwahrnehmung und erscheint in legitimer Art und Weise geeignet, gerade gegenüber dem Fachpersonal einer Behörde erst die „Augenhöhe“ herzustellen, auf deren Basis eine beiderseits vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit gedeihen kann. Entsprechend lässt sich namentlich den vorliegenden Gesprächsprotokollen vom 27. und 31. August 2015 auch nicht entnehmen, dass die Anwesenheit und die Äußerungen der Juristin davon bestimmt gewesen wären, Vorbehalte oder Misstrauen zwischen der Familie und dem Jugendamt des Beklagten zu erzeugen oder zu verstärken bzw. das Prüfverfahren durch juristische „Scheingefechte“ zu behindern.
d) Zusammenfasend ist festzustellen, dass die Klägerin nach alledem für die von ihr betreute Enkelin A... einen Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gehabt hat. Denn sie durfte im Rahmen der von ihr angesichts der Ablehnungsentscheidung des Beklagten selbst beschafften Hilfe von deren Notwendigkeit ausgehen. Insoweit konnte sie anstelle des nichtleistenden Beklagten den Einschätzungsspielraum des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für sich beanspruchen und eine nur der fachlichen Vertretbarkeitskontrolle unterliegende eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit der Hilfe treffen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 33), an deren Rechtmäßigkeit nach den obigen Feststellungen der Kammer keine Bedenken bestehen.
3. Die von der Klägerin erbrachte Vollzeitpflege hatte schließlich auch keinen zeitlichen Aufschub geduldet, § 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII. Im Hinblick auf den erzieherischen Bedarf eines Kleinkindes durch jugendhilferechtliche Maßnahmen und die Sicherstellung des Unterhaltes ist vielmehr generell davon auszugehen, dass dieser – schon während des Verwaltungsverfahrens – unaufschiebbar ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 35).
4. Als Rechtsfolge nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist die Klägerin so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die (selbst beschaffte) Jugendhilfeleistung, auf die ein Anspruch bestand, rechtzeitig bewilligt worden wäre. Denn in Fällen der vorliegenden Art entspricht der Umfang der nach § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII von dem Beklagten zu übernehmenden Aufwendungen dem Betrag, der bei rechtzeitiger Gewährung der Leistung vom Jugendhilfeträger nach den zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zu tragen gewesen wäre (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 5 C 32/13 –, juris Rn. 36).
Dass der gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII nachrangig leistungsverpflichtete Sozialhilfeträger bereits einen Teil des Unterhaltsbedarfs von A... getragen hat, steht dem jedenfalls dem Grunde nach nicht entgegen. Die begehrte Maßnahme der Vollzeitpflege erschöpft sich hierin nicht; die bereits gewährten Zahlungen sind vielmehr lediglich der Höhe nach im Rahmen der Bemessung des nach § 39 Abs. 1 SGB VIII zu gewährenden Pflegegeldes zu berücksichtigen, soweit der Beklagte gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X dem nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträger entsprechend erstattungspflichtig ist.
Nur zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass der festgestellte Anspruch nur für den streitgegenständlichen Zeitraum bis zur Entscheidung des Gerichtes gilt. Ob die Klägerin für ihre Enkelin auch zukünftig Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege beanspruchen kann, unterliegt einer – auf Antrag der Klägerin vorzunehmenden – neuerlichen Prüfung durch den Beklagten anhand der aktuellen Sachlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.