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Lebensmittelrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 02.02.2022
Aktenzeichen VG 8 L 404/21 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0202.8L404.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 3 S 1 LMHV, § 40 Abs 1a S 1 Nr 3 LFGB, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 EGV 178/2002, § 2 Nr 1 LMHV, Art 19 Abs 3 GG, Art 14 Abs 2 Buchst b EGV 178/2002

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, mit dem die Antragstellerin bei sachgerechter Auslegung (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]) begehrt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen zu untersagen, die von ihm mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 angekündigte Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße im „R ... “ auf der Internetseite des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg vorzunehmen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist allerdings zulässig. Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Statthaftigkeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin macht in der Hauptsache einen Unterlassungsanspruch geltend, der mit einer Leistungsklage, nicht mit einer Anfechtungsklage durchzusetzen ist. Denn bei der Veröffentlichung des Ergebnisses der lebensmittelrechtlichen Kontrolle im Internet nach § 40 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes i.V.m. § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg. Der Veröffentlichung fehlt insoweit das Merkmal der Regelung, da sie nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist, sondern (lediglich) der Information der Öffentlichkeit dient. Damit liegt keine Anfechtungssituation vor, für die im einstweiligen Rechtsschutz der Vorrang der Verfahren nach §§ 80, 80a VwGO gemäß § 123 Abs. 5 VwGO gelten würde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 9 S 2423/12 –, juris Rn. 4 m.w.N.).

Der Antrag ist aber unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dabei sind sowohl der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz begehrt (Anordnungsanspruch), als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung.

Vorliegend bestehen zwar keine Zweifel an der von der Antragstellerin geltend gemachten Eilbedürftigkeit. Denn die beabsichtigte Verbraucherinformation ist faktisch irreversibel, da einmal öffentlich gewordene (Fehl-)Informationen auch durch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen und sonstige Korrekturen in ihren Wirkungen regelmäßig nicht mehr vollständig eingefangen und beseitigt werden können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 9 S 2423/12 –, juris Rn. 6; VG Bremen, Beschluss vom 17. Dezember 2021 – 5 V 2439/21 –, juris Rn. 19).

Es fehlt aber an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, dessen Vorliegen einen – drohenden – rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition der Antragstellerin voraussetzen würde (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 31. Mai 2016 – 1 L 215/16 –, juris Rn. 7 m.w.N. auch zur dogmatischen Herleitung), steht der Antragstellerin nicht zu.

Denn die seitens des Antragsgegners beabsichtigte Veröffentlichung lebensmittelrechtlicher Verstöße greift zwar in die durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin ein (vgl. hierzu ausführlich: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 –, juris Rn. 28 ff.). Dieser Eingriff erweist sich aber bereits aufgrund summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die geplante Veröffentlichung ist § 40 Abs. 1 a S. 1 Nr. 3 LFGB. Danach informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebens- oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel- oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, u.a. wenn der durch Tatsachen hinreichend begründete Verdacht besteht, dass gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des Gesetzes, die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Insbesondere besteht ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht, dass in dem Betrieb der Antragstellerin gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, die die dem Schutz der Endverbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß verstoßen worden ist.

Zu dieser Erkenntnis gelangt die Kammer auf Grundlage des seitens des Antragsgegners vorgelegten Verwaltungsvorganges, in dem die zahlreichen hygienischen Mängel, die bei der Kontrolle am 17. und teilweise auch noch am 18. November 2021 festgestellt wurden, detailliert beschrieben und durch umfassendes Bildmaterial belegt werden. Den dort befindlichen Fotos lässt sich insbesondere entnehmen, dass im Betrieb der Antragstellerin mehrere Lebensmittel bzw. Rohstoffe in nicht abgedeckten Behältern sowie auf – zum Teil mit Lebensmittelresten – verunreinigten Flächen gelagert wurden. Außerdem konnten verdorbene und überlagerte Lebensmittel festgestellt werden, deren Verbrauchsdatum bereits überschritten war bzw. die ausweislich des vorliegenden Bildmaterials Beschaffenheitsveränderungen aufwiesen, aufgrund derer auch für einen Laien unschwer zu erkennen ist, dass die Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen nicht (mehr) geeignet waren. Schließlich wiesen sowohl etliche Arbeitsgeräte mit unmittelbaren Lebensmittelkontakt als auch die Fußbodenbeläge erhebliche Verunreinigungen auf, wurden Lebensmittelabfälle nicht verschlossen gelagert und konnte bei dem anwesenden Personal nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Antragsgegners nicht die erforderliche Sachkenntnis zum Umgang mit Lebensmitteln festgestellt werden.

Nach alledem hat die Kammer bereits aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung letztlich keinen Zweifel daran, dass im Betrieb der Antragstellerin gegen § 3 S. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) verstoßen wurde, wonach Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt und in den Verkehr gebracht werden dürfen, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind, wobei eine nachteilige Beeinflussung bei einer Ekel erregenden oder sonstigen Beeinträchtigung der einwandfreien hygienischen Beschaffenheit u.a. durch Verunreinigungen vorliegt. Zu Recht geht der Antragsgegner auch davon aus, dass daneben ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vorliegt, wonach Lebensmittel, bei denen davon auszugehen ist, dass sie für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Schließlich rechtfertigen die o.a. Zustände die Annahme von Verstößen gegen die allgemeinen Lebensmittelhygienevorschriften des Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anh. II Kap. V Nr. 1 lit. a), Kap. VI Nr. 2 S. 1 und Kap. IX Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr 852/2004.

Letztlich hat auch der Geschäftsführer der Antragstellerin die festgestellten Mängel nicht in Zweifel gezogen, sondern sie lediglich damit zu erklären versucht, dass ihn ein Unfall für einige Wochen außer Gefecht gesetzt habe, weshalb er die Überwachung des Personals vor Ort nicht wie gewünscht habe einhalten können. Auch sei die Personal- und Einkaufssituation aufgrund der Corona-Pandemie derzeit schwierig. Die geschilderten Probleme mögen angesichts der existenzbedrohenden Lage, in die viele gastronomische Betriebe während der Corona-Pandemie geraten sind, nachvollziehbar sein; Abstriche in der Lebensmittelhygiene zu Lasten der Endverbraucher, zumal in dem vorliegend festgestellten Umfang, vermögen sie indes keinesfalls zu rechtfertigen.

Aufgrund des Umfangs der festgestellten Verstöße – die beschriebenen Mängel erfüllen gleich mehrere Ordnungswidrigkeitstatbestände (vgl. § 60 Abs. 2 Nr. 26 lit. a LFGB, § 2 Nr. 5, Nr. 6 und Nr. 8 der Lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung [LMRStrafVO] sowie § 10 Nr. 3 LMHV) – und deren Schwere ist auch die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten. Dies gilt umso mehr, da der Antragsgegner nachvollziehbar und von der Antragstellerin unbestritten darauf hingewiesen hat, dass gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wegen zahlreicher hygienischer Mängel bereits in den Jahren 2019 und 2020 Bußgeldverfahren eingeleitet und Bußgelder in Höhe von 270 Euro (2019), 340 Euro (2019) und 450 Euro (2020) verhängt worden sind. Vor diesem Hintergrund ist auch unter Berücksichtigung der schwierigen Lage des sich offenbar einsichtig zeigenden Geschäftsführers der Antragstellerin nichts Durchgreifendes dafür ersichtlich, dass im nunmehr eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren ein Bußgeld unter 350 Euro verhängt werden könnte.

Auch die übrigen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 a S. 1 Nr. 3 LFGB liegen vor. Insbesondere erfolgt die beabsichtigte Veröffentlichung „unverzüglich“ im Sinne der genannten Vorschrift (zur Auslegung des Begriffes im Rahmen des § 40 Abs. 1 a S. 1 Nr. 3 LFGB vgl. VG Bremen, Beschluss vom 17. Dezember 2021 – 5 V 2439/21 –, juris Rn. 28 f.) und beabsichtigt der Antragsgegner den Vorgaben des § 40 Abs. 4 S. 2 LFGB entsprechend darauf hinzuweisen, dass die Mängel mittlerweile, zumindest teilweise, behoben wurden (für den Hinweis im Wortlaut vgl. den Veröffentlichungstext im Schreiben vom 22. Dezember 2021 unter „Bemerkungen“).

Nach alledem ist der Antragsgegner zur Veröffentlichung verpflichtet. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen – wie hier – vor, so steht ihm ein Ermessen nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Regelung nicht zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und erfolgt in Anlehnung an Ziffer 25.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts dessen, dass die gerichtliche Entscheidung die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt, war eine Halbierung des Auffangstreitwertes nicht angezeigt.