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dauerhafte Marktfestsetzung; Marktprivilegien; Genehmigungsfiktion; Sondernutzungserlaubnis; Straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung; Konzentrationswirkung; Konkurrenz; Mitbewerber; Auswahlentscheidung; Bewerbungsverfahrensanspruch; Neubescheidung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 07.02.2022
Aktenzeichen OVG 1 S 131/21 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0207.OVG1S131.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 42a VwVfG BE, § 6a Abs 2 GewO, § 29 Abs 2 StVO, § 69 GewO

Leitsatz

Der Inhaber einer (fiktiven) gewerberechtlichen Markfestsetzung nach §§ 69, 6a Abs. 2 GewO hat nicht "automatisch"
einen Anspruch auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmeerlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. September 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

I. Die Antragstellerin, ein bundesweit tätiges Unternehmen zur Organisation und Durchführung von Wochenmärkten, begehrt weiterhin eine vorläufige, längstens bis zum 31. Mai 2022 gültige straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Veranstaltung eines Wochenmarktes auf dem Helene-Weigel-Platz in Berlin.

Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zur Neubescheidung der von der Antragstellerin begehrten Genehmigung verpflichtet, nachdem es zuvor die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruchs der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigung zur Durchführung des Marktes wiederhergestellt hatte. Diese Genehmigung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, denn das vom Antragsgegner durchgeführte Auswahlverfahren zwischen den beiden konkurrierenden Bewerbern habe den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin verletzt. Die konkrete Formulierung des Anforderungsprofils sei unklar und es sei u.a. ein unzulässiges, die Beigeladene als langjährige Marktbetreiberin begünstigendes Auswahlkriterium herangezogen worden. Außerdem sei eine der Auswahlfragen fehlerhaft bewertet worden. Da die Antragstellerin in Bezug auf bestimmte Auswahlkriterien schlechter als die Beigeladene abgeschnitten habe, stehe nicht fest, ob ihr bei der erneuten Zulassungsentscheidung der Vorrang gegenüber der Beigeladenen einzuräumen sei, so dass lediglich eine Neubescheidung in Betracht komme.

II. Das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht davon abgesehen, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin die begehrte Ausnahmegenehmigung einstweilen zu erteilen.

1. Die Antragstellerin trägt vor, sie verfüge über eine am 2. März 2021 durch Genehmigungsfiktion nach § 6a Abs. 2 GewO i.V.m. § 42a VwVfG erworbene dauerhafte gewerberechtliche Marktfestsetzung (§ 69 GewO) für den Wochenmarkt Helene-Weigel-Platz. Diese habe Bestand, denn ihr Widerspruch gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners habe aufschiebende Wirkung. Solange die Marktfestsetzung bestehe, sei das straßen- bzw. straßenverkehrsrechtliche Entscheidungsprogramm der Behörde im Sinne einer Ermessensreduzierung im Verfahren nach § 29 Abs. 2 StVO vorgezeichnet. Wenn für die Veranstaltung eines Wochenmarkts zwei grundsätzlich gleichrangige Erlaubnisse erforderlich seien, führe der Umstand, dass eine als erteilt gelte, dazu, dass ein Rechtsanspruch auf Erteilung der anderen noch fehlenden Erlaubnis erwachse, der jedenfalls einstweilig sicherungsfähig sei, wenn es um eine vorübergehende Regelung gehe. Das Nutzungsrecht an den Veranstaltungsplätzen und (die) gewerberechtliche Marktfestsetzung (seien) letztlich einheitlich als Ergebnis einer Auswahlentscheidung zu vergeben, in der es „ausschließlich um gewerberechtlich determinierte Kriterien“ gehe.

Das Vorbringen, mit dem in erster Linie erstinstanzlicher Vortrag wiederholt wird, führt auf keine abweichende Beurteilung. Das Verwaltungsgericht hat für den zugunsten der Antragstellerin unterstellten Fall einer gültigen Wochenmarktfestsetzung zutreffend ausgeführt, einer Genehmigung nach § 69 GewO komme keine Konzentrationswirkung zu. Durch sie würden andere erforderliche Erlaubnisse, wie z.B. eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung, nicht ersetzt. Ebenso wenig werde das Entscheidungsprogramm vorgezeichnet. Die begünstigende Rechtsfolge der Genehmigung nach § 69 GewO bestehe allein darin, dass sie einen beschränkten Bestandsschutz und die Gewährung von Marktprivilegien bewirke,  d.h. eine Befreiung von bestimmten gewerberechtlichen Ver- und Geboten und sonstigen Beschränkungen sowie günstigere Ladenschlusszeiten und Arbeitszeitregelungen. Dazu verhält sich die Beschwerde nicht. Es ist anerkannt, das Vorschriften in anderen Gesetzen, seien es Anzeigen, Erlaubnisse, Genehmigungen oder Verbote, von der Festsetzung nicht berührt werden. Das gilt insbesondere für das Verkehrsrecht (vgl. Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Werkstand: 86. EL Februar 2021, § 69 Rn. 22, 33; Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 69 Rn. 12). Auch wenn im Ergebnis die Inhaber von gewerberechtlicher Markfestsetzung und straßen- bzw. straßenverkehrsrechtlicher Erlaubnis letztlich für die Durchführung des Marktes nicht auseinanderfallen können, am Ende also eine kongruente Vergabe der Erlaubnisse stehen muss, erwirkt die Marktfestsetzung nicht „automatisch“ eine entsprechende straßenrechtliche Erlaubnis, denn insoweit bestehen unterschiedliche Prüfprogramme. Während die Marktfestsetzung die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfasst, sind für die straßenverkehrsrechtliche Ausnahme und die diese beinhaltende straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nach dem Zweck der Vorschriften auch die spezifisch straßen(verkehrs-)rechtlichen Kriterien zu prüfen, wie die Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die Wahrung des einwandfreien Straßenzustands, die Beeinträchtigung des widmungsgemäßen Gemeingebrauchs und ggf. auch städtebauliche oder baugestalterische Aspekte eines konkreten kommunalen Gestaltungskonzeptes (z.B. Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 17. März 2000 - 5 S 369/99 -, GewArch 2001, 293 [294]). Demzufolge geht es im Rahmen der hier begehrten Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO nicht um „ausschließlich … gewerberechtlich determinierte Kriterien“. Im Übrigen würde eine die Hauptsache vorwegnehmende „automatische“ einstweilige Ausnahmeerlaubnis zugunsten der Antragstellerin umgekehrt den Bewerbungsverfahrensanspruch der konkurrierenden Beigeladenen verletzen.

2. Etwas anders ergibt sich nicht aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 27. August 2010 (- 4 A 15/10 HAL - juris) und dem Beschluss desselben Gerichts vom 6. November 2020 (- 3 B 286/20 HAL – Streitakten, 57 ff.). Beide Entscheidungen stellen im Kern nur darauf ab, dass die Behörde sich in einer Konkurrenzsituation der von ihr vorzunehmenden Auswahlentscheidung nicht dadurch entziehen dürfe, dass sie einem von ihr favorisierten Mitbewerber eine Sondernutzungserlaubnis und ein Nutzungsrecht einräume und den anderen Konkurrenten allein unter Hinweis auf die bereits erfolgte Platzvergabe ablehne. So ist der Antragsgegner hier gerade nicht vorgegangen.

3. Der Senatsbeschluss vom 30. November 2010 (- OVG 1 S 107/10 - juris) führt ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis. Der Beschluss postuliert lediglich einen gleichgelagerten Vollzug beider Erlaubnisentscheidungen; werde der Vollzug der Vergabeentscheidung ausgesetzt, müsse auch der Vollzug der straßen(verkehrs-) rechtlichen Erlaubnis ausgesetzt werden.

4. Soweit die Antragstellerin meint, ein Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung ergebe sich aus der Pflicht der Behörde zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, übersieht sie, dass nur ihr Anspruch auf ein chancengleiches Bewerbungsverfahren verletzt worden ist. Hieraus folgt für sie kein Nutzungsrecht, sondern allein der Anspruch auf Durchführung eines neuerlichen Auswahlverfahrens. Die Sicherung ihres aus einer Marktfestsetzung potentiell erwachsenden Anspruchs auf die Ausnahmegenehmigung erfolgt hinreichend durch den wiederhergestellten Suspensiveffekt ihres Drittwiderspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Ausnahmegenehmigung.

5. Erfolglos bleibt schließlich der Einwand, das Auswahlverfahren sei rechtlich und tatsächlich nicht geboten gewesen; der Antragsgegner habe die Bewerbung der Beigeladenen „einfach ablehnen müssen“, weil sie zu spät gekommen sei. Anders als die Beschwerde meint, bestand die Konkurrenzsituation mit der Beigeladenen durchgehend und damit auch bei Eintritt der Genehmigungsfiktion am 2. März 2021 der „ab dem 01.02.2021“ beantragten Marktfestsetzung. Die Beigeladene war für die Durchführung des Wochenmarktes Inhaberin einer am 19. Juni 2020 erteilten bestandskräftigen straßenrechtlichen Ausnahmeerlaubnis gemäß § 29 Abs. 2 StVO für den Zeitraum vom 1. Juni 2020 bis 31. Mai 2021, deren nahtlose Verlängerung bzw. Andauer sie für ein weiteres Jahr mit Schreiben vom 16. März 2021 beantragt hatte. Dass die Antragstellerin eine „dauerhafte Marktfestsetzung“ beantragte und durch Fiktion erhielt, führt nicht dazu, dass ihr die Ausnahmegenehmigung zum Ablauf des bestandskräftig vergebenen Erlaubniszeitraums am 1. Juni 2021 konkurrenzlos und gleichsam automatisch zugefallen wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).