| Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 07.02.2022 | |
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| Aktenzeichen | 6 N 19/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2022:0207.6N19.22.00 | |
| Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
| Normen | § 2 EuRAG, § 67 Abs 2 VwGO, § 25 EuRAG, § 28 EuRAG, § 55a VwGO, § 55d VwGO, § 108 Abs 2 VwGO, § 124 Abs 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO | |||
Zur Frage der Postulationsfähigkeit von in Polen niedergelassenen Rechtsanwälten vor dem Oberverwaltungsgericht.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 18. November 2021 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 Euro festgesetzt.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war als unzulässig zu verwerfen, weil die Bevollmächtigten des Klägers vor dem Oberverwaltungsgericht nicht postulationsfähig sind. Nach § 67 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 2 VwGO müssen sich Beteiligte vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Vertretungsberechtigt sind grundsätzlich nur Rechtsanwälte, die als solche in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen sind. Dies trifft auf die in Polen niedergelassenen Rechtsanwälte des Klägers nicht zu. Sie gehören nicht zu den hier niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten im Sinne des § 2 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl I, S. 182) zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 7. Juli 2021 (BGBl I, S. 2363) - EuRAG -. Dienstleistende europäische Rechtsanwälte im Sinne des § 25 Abs. 1 EuRAG - wie die Bevollmächtigten des Klägers - können vor dem Oberverwaltungsgericht Prozesshandlungen nur im Einvernehmen mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt vornehmen (§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EuRAG). Das Einvernehmen ist bei der Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung schriftlich nachzuweisen (§ 29 Abs. 1 EuRAG). Ohne diesen Nachweis zum Zeitpunkt der Einlegung des Antrags ist dieser gemäß § 29 Abs. 3 EuRAG unwirksam (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 2006 - 7 B 64.05 -, Rn. 2; OVG Münster, Beschluss vom 20. Januar 2020 - 4 B 1263/19 -, Rn. 2; OVG Bautzen, Beschluss vom 25. Mai 2018 - 3 B 116/18 -, Rn. 2; Schenk in: Schoch/Schneider, VwGO, § 67 Rn. 78). Ein solcher Nachweis ist nicht erbracht worden.
2. Darüber hinaus ist der Antrag auf Zulassung der Berufung unzulässig, weil er nicht wirksam begründet wurde. Der am 1. Februar 2022 vorgelegte Schriftsatz ist lediglich per Fax eingegangen. Gemäß § 55d Satz 1 VwGO in der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die elektronischen Dokumentenübermittlung erfordert gemäß § 55a Abs. 3 VwGO eine qualifizierte elektronische Signatur der verantwortenden Person oder eine einfache Signatur und die Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des Absatzes 4 der Vorschrift.
3. Dessen ungeachtet ist der Berufungszulassungsantrag auch unbegründet.
a) Soweit der Kläger ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht, versäumt er, sich entsprechend den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils hinreichend auseinander zu setzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter anderem deshalb abgewiesen, weil der Kläger keine Unterlagen eingereicht habe, die seine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne von § 21 BeschV in Polen zu dem im vorliegenden Verpflichtungsbegehren maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 18. November 2021 belegen. Es fehle am Nachweis, dass seine Beschäftigung in Polen aufenthaltsrechtlich zulässig sei und er einen gültigen polnischen Aufenthaltstitel besitze. Der ihm zuletzt erteilte polnische Aufenthaltstitel sei lediglich bis zum 8. Juni 2021 gültig gewesen. Zu dessen Verlängerung oder einer Neuerteilung habe sich der Kläger nicht geäußert.
Mit dem Einwand des Klägers, maßgeblich sei der Zeitpunkt der Antragstellung, zu dem die Voraussetzungen zur Erteilung des begehrten Visums erfüllt gewesen seien, sind keine ernstlichen Richtigkeitszweifel dargelegt. Welcher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen ist, richtet sich primär nach dem materiellen Recht. In Ermangelung entsprechender Regelungen, die ggf. auch durch Auslegung der einschlägigen Anspruchsnorm ermittelt werden können, ist bei Verpflichtungsbegehren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen. Um ernstliche Richtigkeitszweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage darzulegen, hätte der Kläger begründen müssen, weshalb sich aus den einschlägigen materiellen Rechtsvorschriften ergibt, dass es vorliegend auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung ankommen soll. Daran fehlt es. Dass das Gericht die mündliche Verhandlung vor dem 8. Juni 2021 hätte anberaumen können, führt für sich genommen nicht auf ernstliche Richtigkeitszweifel. Im Übrigen war das Verfahren am 8. Juni noch nicht spruchreif, da eine vom Verwaltungsgericht erbetene Stellungnahme des Klägers auf das Schreiben der Beklagten vom 16. April 2021 ausstand, die mit Schriftsatz vom 8. Juni 2021 erfolgte, der am 14. Juni 2021 bei Gericht eingegangen ist.
Auf die Frage, ob das Verwaltungsgericht die Klage darüber hinaus zutreffend mit der Erwägung abgewiesen hat, die vom Kläger vorgelegten Unterlagen seien teilweise widersprüchlich und unplausibel, kommt es vor diesem Hintergrund nicht (mehr) an.
b) Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die über das in vergleichbaren Fällen übliche Maß hinausgehen und zu ihrer Klärung die Durchführung eines Berufungsverfahrens notwendig erscheinen lassen, hat der Kläger nicht dargelegt.
c) Der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO scheitert bereits daran, dass der Kläger keine entscheidungserhebliche, grundsätzlich klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert.
d) Ohne Erfolg macht der Kläger einen Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Form eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör nach § 108 Abs. 2 VwGO bzw. Artikel 103 Abs. 1 GG mit der Begründung geltend, das Verwaltungsgericht habe ihn nicht aufgefordert, seinen aktuellen polnischen Aufenthaltstitel einzureichen. Denn der Kläger legt nicht dar, dass er über einen aktuellen polnischen Aufenthaltstitel, der ihn zur Ausübung der fraglichen Beschäftigung berechtigt, verfügt. Er hat hierüber auch im Berufungszulassungsverfahren kein Nachweis geführt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).