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Entscheidung 12 U 121/20


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.02.2022
Aktenzeichen 12 U 121/20 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0210.12U121.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.04.2020 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az. 31 O 90/19, einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens ab dem 22.05.2019 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben. Im Ü brigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.

1.1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517 ff. ZPO eingelegt und begründet worden. Zwar war die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers in seinem Namen eingelegte Berufung unwirksam, da infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die ursprüngliche den Prozessbevollmächtigten erteilte Prozessvollmacht nach § 117 InsO erloschen war. Soweit in der Rechtsprechung vertreten wird, eine vor Insolvenzeröffnung erteilte Prozessvollmacht könne abweichend von § 117 InsO als fortbestehend behandelt werden, wenn mit dem Rechtsmittel die Unterbrechung des Verfahrens nach § 240 ZPO geltend gemacht werden soll (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 13.01.2011 - 17 U 98/10, BeckRS 2011, 5835, beck-online), liegt eine solche Konstellation hier nicht vor, da mit der Berufungseinlegung die Unterbrechung des Verfahrens gerade nicht geltend gemacht wurde. Der Kläger hat den Mangel der Vollmacht jedoch nachträglich mit rückwirkender Kraft genehmigt, indem er nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Aufnahme des Rechtsstreits durch seine damaligen und jetzigen Prozessbevollmächtigten diesen erneut Prozessvollmacht erteilt hat, die mit Schriftsatz vom 27.01.2022 vorgelegt worden ist. In der erneuten Erteilung der Vollmacht in Kenntnis der Fortführung des Verfahrens ist somit zugleich die rückwirkende Genehmigung der vollmachtlos eingelegten Berufung zu sehen.

2.

Die Berufung hat vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens an das Landgericht.

Da über das Vermögen des Klägers mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 22.05.2019, 15 IK 154/19, das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und das vorliegende Verfahren die Insolvenzmasse betrifft, war das Verfahren gem. § 240 ZPO in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils unterbrochen, so dass das Urteil nicht hätte ergehen dürfen. Ein nach Unterbrechung ergangenes Urteil ist nach § 249 Abs. 2 ZPO zwar nicht nichtig, aber relativ unwirksam und unterliegt auf das statthafte Rechtsmittel grundsätzlich ohne weitere Sachprüfung der Aufhebung nach § 538 ZPO. Da der Kläger seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ordnungsgemäß vertreten war, beruht das Urteil des Landgerichts auf einem Verfahrensfehler, der einen absoluten Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO begründet und damit auch einen Verfahrensfehler nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO darstellt, unabhängig davon, ob dem Landgericht die den Verfahrensfehler auslösende Tatsache der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt war. Ob die Unterbrechung andauert oder nicht, ist unerheblich (vgl. BGH NZI 2009, 783, 784 m.w.N.; OLG Hamm a.a.O.). Da der Mangel der fehlenden ordnungsgemäßen Vertretung auch ohne Rüge von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH MDR 2007, 477), kommt es nicht darauf an, ob er mit der Berufungsbegründung ausdrücklich gerügt worden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO vorliegen, weil ein unbehebbarer Verfahrensmangel vorliegt und das Gesetz insoweit eine ungewollte Regelungslücke enthält (vgl. OLG Hamm BeckRS 2017, 100355 Rn. 15; OLG Schleswig NJW-RR 2008, 735, 738; OLG Koblenz OLGR 2007, 514, 515 jeweils m.w.N.; BeckOK ZPO/Jaspersen, 42. Edition, § 249 Rn. 18). Aus diesem Grunde bedarf es auch keines ausdrücklichen Antrages einer Partei auf Zurückverweisung (vgl. Jaspersen a.a.O.). Eine andere Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich, da durch die Zurückweisung der Berufung das Urteil des Landgerichts, das nicht hätte ergehen dürfen, in der Sache bestätigt würde (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 27.11.2013 - 4 U 137/13, BeckRS 2014, 3744, beck-online). Aus diesem Grunde ist auch der Hinweisbeschluss des Senats vom 03.09.2020 nicht mehr relevant.

Der Verfahrensmangel ist auch nicht nachträglich geheilt worden.

Eine Heilung durch rügeloses Verhandeln in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nach § 295 ZPO liegt nicht vor. Die Voraussetzung des § 295 ZPO müssen hinsichtlich beider Parteien vorliegen, weil die Wirkungslosigkeit in ihrer beider Interessen vom Gesetz vorgesehen ist (vgl. BeckOK/Jaspersen a.a.O. Rn. 16). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beklagten in der mündlichen Verhandlung Kenntnis von der Unterbrechung des Verfahrens durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatten. Auf die Kenntnis des Klägers kommt es nicht an, da die Prozessführungsbefugnis zum damaligen Zeitpunkt nicht beim Kläger, sondern beim Insolvenzverwalter lag (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.).

In der Aufnahme des Verfahrens nach Beendigung des Insolvenzverfahrens gem. § 250 ZPO ist eine Heilung ebenfalls nicht zu sehen. Allein in der Aufnahme liegt weder ein konkludenter Verzicht, noch ein rügeloses Verhandeln im Sinne des § 295 ZPO, nachdem sich der Kläger mit Schriftsatz vom 29.12.2021 ausdrücklich der Rechtsauffassung des Senats gemäß der Verfügung vom 16.11.2021 angeschlossen hat. Darin ist zugleich eine entsprechende Verfahrensrüge zu sehen. Dass der Kläger die Rüge nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht nochmals bis zu dem Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, erneut erhoben hat, ist demgegenüber unschädlich (vgl. Münchner Kommentar/Prütting, ZPO, 6. Aufl., § 295 Rn. 41).

Schließlich ist auch in der erneuten Vollmachtserteilung an die Prozessbevollmächtigten keine Genehmigung des Verfahrensmangels durch den Kläger zu sehen. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger, der das angefochtene Urteil zu Fall bringen will, nunmehr in Kenntnis einer nicht ordnungsgemäßen Vertretung in erster Instanz sich der Möglichkeit, jedenfalls eine Aufhebung des angefochtenen Urteils zu erreichen, dadurch begeben will, dass er die Prozessführung in erster Instanz nachträglich genehmigt, zumal für den Fall, dass die erstinstanzliche Entscheidung durch den Senat bestätigt würde, Regressansprüche wegen anwaltlicher Pflichtverletzung im Raume stehen könnten.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

3.

Die Entscheidung über die Niederschlagung der Gerichtskosten beruht auf § 21 GKG. Die Sachbehandlung war objektiv unrichtig. Darauf, ob die Ursache im Verantwortungsbereich des Gerichts liegt, kommt es nicht an. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem Landgericht vorbehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG auf 8.014,29 € festgesetzt.