Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 08.02.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 U 31/16 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0208.3U31.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9.5.2016 – 13 O 21/15 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten für das Gutachten der Sachverständigen Dr. S… vom 17.12.2018. Die Kosten für dieses Gutachten werden niedergeschlagen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für beide Instanzen wird auf bis zu 60.200,00 € festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der Kläger hat von dem Beklagten die Räumung der ursprünglich an die Mutter des Beklagten mit Vertrag vom 9.5.1992 verpachteten Kleingartenparzelle begehrt. Gemäß § 2 Abs. 2 des Vertrages betrug der Pachtzins jährlich 49,80 DM. Zuletzt betrug der Pachtzins 2,64 € monatlich. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen - insbesondere zum Pächterwechsel in § 5 - wird auf den Vertrag Bezug genommen. Die Familie des Beklagten nutzte den Kleingarten bereits seit 1972.
Die Mutter des Beklagten verstarb am … .2013. Der Beklagte ist alleiniger Erbe. Der Kläger lehnte eine Fortsetzung des Vertrages mit dem Beklagten ab. Nach dem Tod der Mutter nahm der Kläger am 7.12.2013 eine Besichtigung des Grundstücks zur Bewertung der Anpflanzungen und Baulichkeiten vor. Der Bewerter kam im Ergebnis der Besichtigung auf Entsorgungs- und Rekultivierungskosten in Höhe von 2.551,00 €.
Am 20.1.2014 ließ der Kläger den Kleingarten ohne Kenntnis des Beklagten räumen und insbesondere sämtliche Anpflanzungen entfernen und die aufstehenden Bäume fällen.
Aufgrund Urteils des Amtsgerichts Potsdam in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wurde dem Beklagten der Besitz an der Parzelle wieder eingeräumt. Die Rückgabe des Kleingartens an den Beklagten erfolgte am 14.5.2014.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Kleingarten Nr. …, belegen in der Kleingartenanlage … in P…, S…, geräumt von jeglichem Wildwuchs, Sperrmüll und Müll an den Kläger herauszugeben und
den Beklagten zu verurteilen, für den Zeitraum vom 1.12.2013 bis inklusive 19.1.2014 an den Kläger 4,26 €, für den Zeitraum vom 15.5.2014 bis inklusive 31.5.2014 weitere 1,45 € sowie ab dem 1.6.2014 bis zur vollständigen Herausgabe des Kleingartens monatlich eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 2,64 € an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise für den Fall, dass die Klage nicht wegen der fehlenden Aktivlegitimation des Klägers abzuweisen ist, hat der Beklagte widerklagend beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an ihn 6 Apfelbäume mit den Kultursorten Ontario, Gravensteiner, Landsberger Renette, Schöner aus Boskoop, weißer Klarapfel und Cox Orange, einen Pflaumenbaum der Kultursorte Bauernpflaume und einen Walnussbaum, jeweils in einem Zustand mittlerer Art und Güte und in einem Alter von 40-44 Jahren, einen Kirschbaum der Kultursorte Große Prinzessin, in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 32-36 Jahren, einen Haselnuss- und einen Holunderbaum, jeweils in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 22-26 Jahren sowie einen Pfirsichbaum in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 3-7 Jahren zur Verfügung zu stellen und 161,00 € an den Beklagten zu zahlen.
Hilfsweise hierzu hat der Beklagte beantragt,
den Kläger zu verurteilen, 59.622,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 31.7.2015 an ihn zu zahlen.
Der Beklagte hat eingewandt, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, da der Pachtvertrag mit dem „Kreisverband … P…, …Straße …“ geschlossen sei. Dem Räumungsanspruch stünde zudem der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da gemäß § 2 Abs. 6 des Pachtvertrages mit den Kindern des Pächters bevorzugt ein Pachtvertrag abgeschlossen werden soll. Zudem stehe ihm – dem Beklagten – ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Herausgabeanspruch wegen der ihm aufgrund der rechtswidrigen Beräumung der Parzelle zustehenden Schadensersatzansprüche zu.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf ein Angebot der Fa. Garten… vom 10.11.2014 (Bl. 256 d.A.) behauptet, ihm sei durch den Verlust der Bäume und Sträucher folgender Schaden entstanden:
Einheitspreis Gesamtpreis
- Malus domestica i.S. CAC, Apfel in Sorten
(Ontario,Gravensteiner, L. Renette, Boskop.
Weißer Klar, Cox Orange)
Sol Baum 6xv mDb Krbr 200-300 60-70
6 Stück 6.681,00 € 40.086,00 €
- Prunus dom. ´Hauszwetsche´ CAC Zwetsche
Zwetsche ´Hauszwetsche´
Sol Baum 6x mDb Krbr. 200-300 50-60
1 Stück 4.926,00 € 4.926,00 €
- Prunus av. ´Große Prinzessinkirsche´
CAC Süßkirsche ´Große Prinzessinkirsche´
Sol Baum 6xv mDb Krbr. 200-300 50-60
1 Stück 4.926,00 € 4.926,00 €
- Juglans regia Echte Walnuss
Sol Baum 6x mDb Krbr. 300-400x
500-700 50-60
1 Stück 4.185,00 € 4.185,00 €
- Sambucus nigra
Schwarzer Holunder
Sol 5xv mDb 150-200x250-300
1 Stück 112,00 € 112,00 €
- Coryllus avellana
Waldhasel
Sol 5xv MDb 250-300 x 500-600
1 Stück 1.282,00 € 1.282,00 €
55.517,00 €
Hinzu kämen die Kosten für einen Pfirsichbaum in Höhe von 550,00 € sowie der Betrag von 161,00 € gemäß dem Protokoll über die Bewertung für die weiteren aufgeführten Anpflanzungen (Kiwi, Kulturheidelbeere, Brombeere, Solitärstauden und Buschrosen) sowie die Mehrwertsteuer von 7 %. Abzuziehen seien Transportkosten in Höhe von 550,00 €.
Der Beklagte hat behauptet, dass unter Zuhilfenahme entsprechender Technik sich Bäume bis zu etwa 150 cm Stammumfang umsetzen lassen. Wenn die Wurzeln sauber abgeschnitten und versorgt werden, würde auch ein alter Baum wieder anwachsen. Hierzu hat der Beklagte auf einen Artikel aus der FAZ vom 13.11.2012 verwiesen, den er als Anlage B 17 überreicht hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Hilfswiderklage und die Hilfshilfswiderklage abzuweisen.
Der Garten habe sich am 7.1.2013 in einem vernachlässigten Zustand befunden. Das Bewertungsprotokoll sei zutreffend. Die Bäume hätten zum Zeitpunkt der Bewertung die Standzeiten bezüglich der Hauptertragszeit und nachfolgend jährlicher Normalabschreibung bereits überschritten. Deshalb und aufgrund mangelnder Pflege seien sie wertlos gewesen. Maximal hätte dem Beklagten ein Entschädigungsanspruch nach dem Kleingartenrecht zugestanden. Im Übrigen sei eine Umpflanzung der Bäume wegen ihres Alters von über 40 Jahren nicht mehr möglich gewesen. Bäume in diesem Alter könnten nicht mehr verpflanzt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger hat die Räumungsklage zunächst vor dem Amtsgericht Potsdam erhoben. Das Amtsgericht hat über die Behauptung des Klägers, die Gehölze seien wie in dem Bewertungsprotokoll festgestellt ohne Wert gewesen durch Vernehmung der Zeugen K…, L…, V…, W… und Dr. M… Beweis erhoben.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Amtsgerichts der mündlichen Verhandlung vom 9.12.2014 (Bl. 216 ff d.A.) Bezug genommen. Mit Beschluss vom 30.1.2015 hat das Amtsgericht auf Antrag des Beklagten den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam verwiesen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Räumung und Zahlung der Nutzungsentschädigung verurteilt und seine Hilfswiderklage und Hilfshilfswiderklage bis auf einen Betrag i.H.v. 161 € abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seine ursprünglichen Anträge in 1. Instanz weiterverfolgt, soweit das Landgericht ihn zur Räumung verurteilt und seine Hilfswiderklage und Hilfshilfswiderklage abgewiesen hat. Der Senat hat durch Teilurteil vom 21.8.2018 die Berufung zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung richtete.
Soweit die Widerklage und Hilfswiderklage von dem Landgericht abgewiesen wurden, begründet der Beklagte seine Berufung wie folgt:
Dem Beklagten habe gegenüber dem Kläger einen Anspruch auf Übereignung der in dem Widerklageantrag näher bezeichneten Bäume gemäß den §§ 280 und 823 BGB zugestanden. Das Landgericht habe verkannt, dass dem Beklagten wegen der Bäume ein Wegnahmerecht zugestanden habe. Sie seien als Scheinbestandteile immer im Eigentum der Familie des Beklagten bzw. jeweiligen Pächters geblieben. Deshalb stehe dem Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch i.H.v. 59.602,20 € wegen der Vernichtung der Bäume durch den Kläger zu. Außerdem könne der Beklagten den Anspruch gegen den Kläger auf § 231 BGB stützen. Der Kläger trage deshalb die Darlegungs- und Beweislast für den von ihm behaupteten geringeren Wert der zerstörten Bäume. Die Bäume hätten mit entsprechender Technik umgesetzt werden können. Die Pflanzmaschine hätte im Hinblick auf die engen Wege der Kleingartenanlage auseinandergebaut und vor Ort wieder zusammengesetzt werden können. Auch der Transport der Bäume sei mit einem Pflanzwagen möglich gewesen. Bei entsprechender Vorsorge könne auch ein alter Baum erfolgreich umgepflanzt werden.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 9.5.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az.: 13 O 21/15
den Kläger zu verurteilen, an ihn 6 Apfelbäume mit den Kultursorten Ontario, Gravensteiner, Landsberger Renette, Schöner aus Boskoop, weißer Klarapfel und Cox Orange, einen Pflaumenbaum der Kultursorte Bauernpflaume und einen Walnussbaum, jeweils in einem Zustand mittlerer Art und Güte und in einem Alter von 40-44 Jahren, einen Kirschbaum der Kultursorte Große Prinzessin, in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 32-36 Jahren, einen Haselnuss- und einen Holunderbaum, jeweils in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 22-26 Jahren sowie einen Pfirsichbaum in einem Zustand mittlerer Art und Güte und einem Alter von 3-7 Jahren zur Verfügung zu stellen und 161,00 € an den Beklagten zu zahlen.
Hilfsweise hierzu beantragt der Beklagte,
den Kläger zu verurteilen, 59.622,00 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 31.7.2015 an ihn zu zahlen.
Der Kläger beantragt
die Berufung des Beklagten vom 24.6.2016 gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 9.5.2015 (Az. 13 O 21/15) auch insoweit zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat über die Behauptung des Beklagten zu dem Wert der Bäume Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der öffentlich bestellten landwirtschaftlichen Sachverständigen für Gehölze, Schutz- und Gestaltungsgrün, Baumchirurgie und -pflege Frau Dr. S…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten vom 23.10.2017, 17.12.2018 und 28.2.2020 sowie die mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen in den mündlichen Verhandlungen vom 3.9.2019 und vom 1.6.2021 Bezug genommen. Wegen des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die form– und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist auch hinsichtlich der Widerklage und Hilfswiderklage unbegründet.
1.
Der Beklagte hat gegen den Kläger keinen über den von dem Landgericht zugesprochenen Betrag hinausgehenden Anspruch auf Schadensersatz.
a)
Dem Beklagten steht gegen den Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der ihm durch die eigenmächtige Räumung des Kleingartens und das Fällen und die Entsorgung der aufstehenden Bäume entstanden ist.
aa)
Mit der eigenmächtigen Räumung des Kleingartens und der Entsorgung der aufstehenden Gewächse hat der Kläger gegen seine nachvertraglichen Sorgfaltspflichten verstoßen, indem er das Wegnahmerecht des Beklagten gemäß § 4 Abs. 1 BKleingG, 539 Abs. 2 BGB vereitelt hat (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).
Gemäß § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 581 Abs. 2 BGB, § 4 Abs. 1 BKleingG war der Beklagte als Erbe seiner Mutter nach der Beendigung des Pachtverhältnisses gemäß § 12 Abs. 1 BKleingG verpflichtet, den Kleingarten zurückzugeben. Die Pflicht zur Räumung umfasst neben der Übergabe des unmittelbaren Besitzes an dem Grundstück auch die Entfernung von Baulichkeiten, Anlagen, Einrichtungen und Anpflanzungen, die der Pächter eingebracht oder von seinem Vorpächter übernommen hat, soweit diese Sachen nicht vereinbarungsgemäß vom Verpächter oder vom nachfolgenden Pächter zu übernehmen sind (BGH, Versäumnisurteil vom 11.04.2013 - III ZR 249/12 - BeckRS 2013, 11214 m.w.Nw.). Nach dem Vortrag des Klägers entsprachen die aufstehenden Bäume nicht der kleingärtnerischen Nutzung und waren damit gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 des Kleingarten-Pachtvertrages von dem Beklagten zu entfernen. Damit greift korrespondierend zu der Wegnahmepflicht des Beklagten die gesetzliche Regelung, die dem Pächter eine Wegnahmebefugnis einräumt (§ 4 Abs. 1 BKleingG, § 539 Abs. 2 BGB).
bb)
Der Kläger hat durch die Entsorgung der Bäume und Sträucher das Eigentum des Beklagten schuldhaft verletzt (§§ 31, 823 Abs. 1 BGB).Die Bäume und Sträucher waren Eigentum des Beklagten. Werden Baulichkeiten, Anlagen und Anpflanzungen von einem Pächter auf dem von ihm genutzten Grundstück eingebracht und mit diesem fest verbunden, so spricht eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Pachtverhältnisses und damit nur zu einem vorübergehenden Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB geschehen sollte, mit der Folge, dass diese eingebrachten Sachen als bloße "Scheinbestandteile" nicht gemäß §§ 93, 94 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen, sondern im Eigentum des Pächters verbleiben vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 11.04.2013 - III ZR 249/12 - BeckRS 2013, 11214 m.w.Nw.). Nach diesen Grundsätzen befinden sich Baulichkeiten, Anlagen und Anpflanzungen, die entweder vom Kleingartenpächter selbst errichtet oder von einem Vorpächter eingebracht und sodann vom Pächter übernommen worden sind, im Eigentum des Kleingartenpächters und nicht im Eigentum des Verpächters oder eines dritten Grundstückseigentümers (BGH a.a.O. m.w.Nw.).
cc)
Der Kläger hat zudem eine verbotene Eigenmacht begangen (§ 858 Abs. 1 BGB). Deshalb folgt die grundsätzliche Pflicht des Klägers zum Ersatz des Schadens des Beklagten auch aus der verschuldensunabhängigen Einstandspflicht des Klägers gemäß § 231 BGB. Übt ein Vermieter oder Verpächter - wie hier - durch eigenmächtige Inbesitznahme der Miet- oder Pachtsache eine verbotene Selbsthilfe aus, ist er gemäß § 231 BGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (vgl. BGH NJW 2010, 3434).
b)
Der Beklagte hat einen Schaden nicht beweisen können.
aa)
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass der zu ersetzende Schaden auf die in § 5 Abs. 2 des Kleingarten-Pachtvertrags genannten Schätzwerte beschränkt ist. Diese vertragliche Vereinbarung betrifft in Einklang mit § 11 Abs. 1 BKleinG den Fall, dass der nachfolgende Pächter die Anpflanzungen von dem weichenden Pächter übernimmt. Ebenso greift der vertraglich vereinbarte Ausschluss einer Entschädigung in § 5 Abs. 5 S. 2 des Kleingarten-Pachtvertrags für den Fall, dass kein nachfolgender Pächter vorhanden ist, hier nicht ein. Auch dies setzt voraus, dass Anpflanzungen nach vorangegangener Einigung mit dem Verpächter gemäß § 5 Abs. 5 S. 1 des Kleingarten-Pachtvertrages in dem Kleingarten verbleiben. Vielmehr bemisst sich der Schaden an der Vermögenseinbuße des Beklagten, die ihm durch die Vereitelung der Wegnahme der Bäume aus dem Kleingarten entstanden ist.
bb)
Der Senat sieht die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist, bei dem Beklagten.
Zwar trifft den Vermieter oder Verpächter, der ohne einen gerichtlichen Titel in verbotener Eigenmacht die Miet- oder Pachtsache in Besitz nimmt, im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe der herauszugebenden Gegenstände für den Bestand und die wertbildenden Merkmale der Gegenstände, die er der durch verbotene Eigenmacht in seinen Besitz gebracht hat, die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH NJW 2010, 3434).Denn zu den Obhutspflichten des Klägers bei Inbesitznahme des Gartens und der darauf befindlichen Anpflanzungen hat auch die Pflicht gehört, die Interessen des durch Ortsabwesenheit und mangelnde Kenntnis von der Inbesitznahme an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Beklagten zu wahren (vgl. BGH NJW 2010, 3434). Danach oblag es grundsätzlich dem Kläger, den Zustand der entsorgten Bäume zu dokumentieren. Das Bewertungsprotokoll vom 7.12.2013 genügt diesen Anforderungen nicht.Es enthält lediglich das Ergebnis der durch den Bewerter erfolgten Bewertung. Eine für den Senat oder einen Sachverständigen nachvollziehbare Dokumentation für diese Bewertung z.B. anhand von Lichtbildern existiert nicht. Da der Kläger dieser Obhutspflicht nicht nachgekommen ist, geht der dem Beklagten aus einer Verletzung dieser Pflicht zustehende Schadensausgleich auch dahin, dass der Kläger seinerseits verpflichtet ist zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zu Grunde gelegten Gegenstände von den Angaben abweichen, die der Beklagte hierzu gemacht hat, soweit die vom Beklagten angesetzten Werte plausibel sind (vgl. BGH NJW 2010, 3434).
Die von dem Beklagten genannten Werte sind nicht plausibel. Der Beklagte bezieht sich auf das Angebot der Fa. Garten… vom 10.11.2014. Das Angebot verhält sich nicht zu dem Alter der angebotenen Bäume. Es liegt aber nahe, dass bei Bäumen die z.T. über 40 Jahre alt sind, ein entsprechender Altersabzug in Betracht kommt. Auch der angegebene Wert für den 4 bis 5 Jahre alten Pfirsichbaum von 550,00 € ist angesichts der üblichen Preise für Pfirsichbäume von in der Regel unter 100,00 € erkennbar übersetzt. Der Senat hat auch berücksichtigen müssen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 9.12.2014 eingeräumt hat, dass die Angaben des Zeugen V…, die Gehölze seien ineinander verwachsen gewesen, im Kern zutrifft. Er hat sich dazu wie folgt geäußert: „Die Darstellung des Zeugen im heutigen Termin, wonach ja alles verwachsen gewesen ist, rechtfertigt nicht die Einschätzung die Bäume seien vollständig abgeschrieben.“ Zudem hat der von dem Beklagten benannte Zeuge L… ausgesagt, der Garten habe einen recht vernachlässigten Eindruck gemacht. Damit übereinstimmend hat die von dem Beklagten benannte Zeugin W… angegeben, der Garten habe nicht den üblichen Eindruck entsprochen, den diese Gärten vermittelten. Zwar haben sich die Zeugen darauf bezogen, dass Wege und Beete oder Ähnliches nicht zu erkennen waren. Gleichwohl hat der Senat deshalb Zweifel an der Angabe des Beklagten, dass die Bäume und Gehölze mittlerer Art und Güte waren.
c)
Das Gutachten der Sachverständigen Dr. S… vom 28.2.2021 gibt dem Senat eine ausreichende Grundlage für eine Schätzung gemäß § 287 ZPO. Danach vermochte der Senat einen Schaden nicht zu bejahen.
aa)
Die Sachverständige hat ihrer Wertermittlung die Angebote zweier Baumschulen für vergleichbare Bäume und Obstgehölze zugrunde gelegt. Von diesen Werten hat die Sachverständige für den Senat gut nachvollziehbar Abzüge wegen des Alters und der Vorschäden vorgenommen.
Bei der Berechnung der Alterswertminderung hat die Sachverständige die Angaben des Beklagten zum Alter der Bäume und Obstgehölze zugrunde gelegt. Die Wertminderung für die einzelnen Pflanzen wegen des Alters hat die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 17.12.2018 nach Bewer (Hyperbel nach Bewer: A³/L³ x 100 [A und L unter Abzug der Herstellungszeit]) ermittelt. Der Einwand des Beklagten, die Sachverständige habe die Lebenserwartung der Bäume unzutreffend ermittelt, weil es sich um Bäume auf starkwüchsiger Unterlage gehandelt habe, sieht der Senat nicht als erheblich an. Hierzu hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 3.9.2019 erläuternd ausgeführt, dass ihre Daten zur Gesamtlebenserwartung der einzelnen Obstbäume auf einer Auskunft der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau und Technik des Landes Sachsen-Anhalt beruhen und auch bei starkwüchsiger Unterlage die Ertragsfähigkeit der Bäume nach 50 Jahren stark zurückgehe. Zudem vermochte der Senat nicht festzustellen, ob die Bäume tatsächlich auf starkwüchsiger Unterlage standen.
Die Wertminderung wegen Vorschäden stützt die Sachverständige für den Senat überzeugend auf die Auswertung des von dem Beklagten eingereichten Fotos vom 11.11.2012 (Foto 10 Bl., 296 d.A.). Auf diesem Foto ist die Krone eines Apfelbaums abgebildet. An dem Baum befanden sich am 11.11.2012 noch einige Äpfel, die nicht abgeerntet waren. Die Sachverständige führt hierzu aus, dass der regelmäßig alle zwei Jahre erforderliche fachgerechte Schnitt offensichtlich nicht erfolgt sei, weil zu viele starke Äste vorhanden seien. Die Krone des abgebildeten Apfelbaums sei vergreist und zu dicht. Wegen des fehlenden Auslichtungsschnitts könne Blätter und Früchte im Inneren der Krone nach Regen und Feuchtigkeit schlecht abtrocknen, weil es keine gute Durchlüftung gebe. Das führe zu einem deutlich erhöhten Risiko für den Befall mit Schädlingen und Pilzen. Der Befall mit Schorf oder Monilia-Fruchtfäulen werde durch den Verbleib von Früchten am Baum erhöht, weil von den befallenen Früchten Triebe infiziert und Sporen auf die Blüten übertragen werden können. Der Senat folgt der Schlussfolgerung der Sachverständigen, dass sie auch für die übrigen Bäume wegen der mangelnden Pflege und den daraus folgenden Vergreisungssymptomen eine Wertminderung durch Mängel und Vorschäden in Höhe von 40 % ansetzt. Auch die weitere Schlussfolgerung der Sachverständigen, dass bei fehlender Pflege bei den Obstbäumen auch die Sträucher nicht entsprechend gepflegt worden seien, ist für den Senat nachvollziehbar; zumal dies mit den Angaben der vor dem Amtsgericht vernommenen Zeugen in Einklang zu bringen ist. Der Senat setzt deshalb bei den deutlich jüngeren Sträuchern mit der Sachverständigen eine Wertminderung für Mängel und Vorschäden von 20 % an. Ausgenommen von einer Wertminderung ist lediglich der Pfirsichbaum wegen seines Alters von nur 4 Jahren.
Danach ergibt sich auf der Grundlage des Angebots der Baumschule L… in Höhe von 62.196,00 € nach der Berechnung der Sachverständigen unter Abzug der Minderung wegen Alters und Vorschäden ein Wert von 22.927,94 €. Auf der Grundlage des Angebots der Baumschule B… in Höhe von 79.407,00 € ergibt sich nach Abzug der Minderung wegen Alters und Vorschäden ein Wert von 27.870,99 €. Der Senat legt im Rahmen seiner Schätzung gemäß § 287 ZPO den Mittelwert von 25.400,00 € zugrunde.
bb)
Von diesem Wert sind die von dem Beklagten ersparten Aufwendungen und ein fiktiver Wertverlust der Bäume in Abzug zu bringen. Denn der Beklagte ist so zu stellen, als hätte er sein Wegnahmerecht (§ 258 BGB) ausgeübt. Deshalb sind die für das Ausgraben der Bäume und ihren Transport erforderlichen Kosten in Abzug zu bringen. Außerdem mindert sich der Wert um den fiktiven Wertverlust der Bäume, der im Fall des Verpflanzens anfallen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.7.1088 – 10 U 154/87 – zitiert nach juris; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 14. Aufl. 2019, BGB § 539 Rn. 43; BeckOK BGB/Zehelein, 59. Ed. 1.8.2021, BGB § 552 Rn. 7; Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus BGB § 552 Rn. 4 m.w.Nw.).
Der Beklagte hat vorgetragen, dass ein Verpflanzen der Bäume – auch unter Berücksichtigung des schwierigen Zugangs zu dem Garten für schweres Gerät - möglich sei. Welche Kosten hierfür angefallen wären, ist nicht vorgetragen. In dem Schriftsatz des Beklagten vom 20.7.2021 wird auf einen Artikel in der Zeitung „Die Welt“ vom 7.7.2018 Bezug genommen. Dort werden die Kosten für die Verpflanzung eines 30 – 50 Jahre alten Baums mit 7.000,00 € beziffert. Legt man diesen Betrag zugrunde, wären dem Beklagten allein für das Verpflanzen der 6 Apfelbäume 42.000 € Kosten entstanden, die von dem Wert der Bäume in Abzug zu bringen wären. Schon bei Kosten von 4.233,33 € pro Apfelbaum verbliebe kein Restschaden. Ob Kosten nur in diesem Umfang anzusetzen sind, erscheint dem Senat zweifelhaft. Denn aufgrund der unstreitigen Lage des Gartens ist er für schweres Gerät (eine Rundspatenmaschine bzw. ein Spezialbagger) nicht anfahrbar. Der Beklagte hat insoweit auf die Möglichkeit verwiesen, dass die Pflanzmaschine auseinandergebaut und vor Ort wieder zusammengebaut werden könnte, was deutlich höhere Kosten verursachen dürfte.
Zudem muss der Senat bei seiner Schätzung aber auch hinsichtlich des fiktiven Wertverlustes das Risiko für eine erfolgreiche Umpflanzung der Bäume berücksichtigen. Nach den Angaben der Sachverständigen Dr. S… in der mündlichen Verhandlung vom 1.6.2021 sind die Erfolgsaussichten gering einzuschätzen. Das Umpflanzen von älteren Bäumen birgt das Risiko, dass sie am neuen Standort nicht wieder anwachsen. Die Sachverständige hat hierzu erläuternd in der mündlichen Verhandlung am 1.6.2021 ausgeführt, dass die Bäume über ihre Feinwurzeln Wasser und Nährstoffe aufnehmen. Je älter und größer ein Baum ist, desto mehr wachse die Wurzel und die Feinwurzel würden sich dann in entfernteren Bereichen ausbreiten. Diese Feinwurzeln werden bei dem Auspflanzen des Wurzelballens dann nicht erfasst. Dem steht nicht entgegen, dass auch große, mehrere Jahre alte Gehölze von Baumschulen verkauft werden. Bei den Baumschulen wird der Baum verschult, indem ihm regelmäßig immer wieder die Wurzeln abgeschnitten werden, damit sich die Feinwurzeln im unmittelbaren Bereich des Stammes bilden. Hier waren die Bäume nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens jedoch vorgeschädigt und ohne jede Vorbereitung auf eine Verpflanzung. Selbst bei einer optimistischen Erfolgsprognose von 50 % verbliebe kein Schaden des Beklagten.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 ZPO, 21 Abs. 1 GKG. Die Kosten für das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen vom 17.12.2018 werden niedergeschlagen, weil der Senat der Sachverständigen unzutreffende Vorgaben für die Wertermittlung gegeben hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ ZPO § 543 Abs. ZPO § 543 Absatz 2 ZPO) liegen nicht vor.