Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 31.01.2022 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 4/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0131.9WF4.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. November 2021 – Az. 33 F 2/21 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Gerichtskosten trägt die Antragstellerin; hiervon ausgenommen sind die Auslagen für die Verfahrensbeiständin, die nicht erhoben werden.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
II. Die – auf die Hälfte zu reduzierenden - Kosten für das Beschwerdeverfahren hat die Mutter zu tragen.
III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 585 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1.
Eingehend im Januar 2021 hat die – insoweit gemeinsam mit dem Antragsgegner sorgeberechtigte - Antragstellerin beantragt, ihr allein die Entscheidung darüber zu übertragen, ob die Kinder in Verfahren vor dem Familiengericht von einem Rechtsanwalt vertreten werden sollen, einschließlich des Rechts hierfür notwendiger Vollmachten. Hintergrund war eine Vielzahl von Kindschaftsverfahren in der Vergangenheit bei hochkonflikthafter Elternbeziehung; Anlass für die Antragstellung war das erstinstanzlich noch laufende Umgangsverfahren zum Az. 33 F 92/19 des Amtsgerichts Oranienburg. In diesem Verfahren ist als Verfahrensbeiständin Frau G… bestellt und auch tätig geworden. Die Antragstellerin hat einen Vertrauensverlust der Kinder in diese Verfahrensbeiständin angeführt und wollte deshalb Herrn Rechtsanwalt H… in … mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder in jenem Verfahren beauftragen. Der Vater hatte seine Zustimmung zu dessen Bevollmächtigung verweigert.
Nachdem die Antragstellerin ihren Antrag mit Schriftsatz vom 10. November 2021 zurückgenommen hatte, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 15. November 2021 angeordnet, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten zu tragen hat und im Übrigen eine Kostenerstattung nicht stattfindet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 16. Dezember 2021 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie mit näheren Darlegungen eine hälftige Beteiligung des Antragsgegners an den Gerichtskosten erstrebt.
Der Antragsgegner hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Äußerung keinen Gebrauch gemacht.
2.
Die isolierte Kostenbeschwerde der Mutter ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und in zulässiger Weise gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden. Da es sich bei dem zugrunde liegenden Kindschaftsverfahren um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt, ist die Beschwerde ohne Rücksicht auf die Wertgrenze des § 61 Abs. 1 FamFG zulässig (vgl. dazu BGH FamRZ 2013, 1876 – zitiert nach juris).
2.2
Das Rechtsmittel der Mutter hat teilweise Erfolg.
Der Beschwerdesenat, der zu einer eigenen Ermessensentscheidung berufen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Februar 2014, Az. XII ZB 15/13 – Rdnr. 17 bei juris), erachtet die einseitige Belastung der Antragstellerin mit den (insgesamt sehr geringen) gesamten Gerichtsgebühren des Verfahrens erster Instanz für grundsätzlich richtig. Von der Erhebung der Auslagen der Verfahrensbeiständin war allerdings nach § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abzusehen.
a)
Wird das Verfahren, wie hier, durch Antragsrücknahme zum Abschluss gebracht, ist über die Kosten nach §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG zu entscheiden. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die außergerichtlich entstandenen Kosten, den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen. Nach der Gesetzesbegründung kommt ein Absehen von der Kostenerhebung regelmäßig dann in Betracht, wenn es nach dem Verlauf oder dem Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint, die Beteiligten mit den oder einzelnen Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2015, Az. XII ZB 143/14; BT-Drucks. 16/6308 S. 215). Diese Voraussetzung kann etwa erfüllt sein, wenn der Kostenschuldner mit Auslagen belastet wird, die durch eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts entstanden sind.
Eine Ermessensentscheidung ist auch dann rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer ermessensfehlerfreien Entscheidung versperrt hat (vgl. BGH a.a.O.). Es ist nicht ersichtlich, dass das Familiengericht im Rahmen seiner Ermessensprüfung Überlegungen zu der – im Streitfall nahe liegenden – Frage eines Absehens jedenfalls von der Erhebung der durch die Bestellung des Verfahrensbeistands entstandenen Auslagen als Teil der Gerichtskosten aus Billigkeitsgründen angestellt hätte.
Die Bestellung der Verfahrensbeiständin im hier zugrunde liegenden Verfahren erfolgte erst mit Beschluss vom 20. Oktober 2021, zu einem Zeitpunkt also, zu dem der Antrag der Antragstellerin nach § 1628 BGB aufgrund geänderter Rechtslage unter keinen Umständen mehr Erfolg haben konnte.
Im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder vom 16. Juni 2021 (BGBl. I, S. 1810) hat nämlich auch der § 158 FamFG mit Wirkung zum 1. Juli 2021 eine wesentliche Änderung erfahren: Nach § 158 Abs. 5 FamFG in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung sollte die Bestellung eines Verfahrensbeistands entfallen oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten angemessen vertreten werden. Diese Regelung war Grundlage für den Sorgerechtsantrag der Mutter nach § 1628 BGB vom 30. Dezember 2020; sie ist indes mit Wirkung zu 1. Juli 2021 ersatzlos entfallen. Mit dieser Rechtsänderung sollte nach der Gesetzesbegründung künftig (genau das) verhindert werden, was die Antragstellerin mit dem hier in Rede stehenden Verfahren erreichen wollte, nämlich dass Sorgeberechtigte die fehlende Anfechtbarkeit der Bestellung des Verfahrensbeistands dadurch umgehen, dass anstelle eines nicht (mehr) gewünschten Verfahrensbeistands für das Kind ein selbst gewählter Rechtsanwalt mandatiert wird.
Bei dieser Sach- und (geänderten) Rechtslage war die Auslösung zusätzlicher Kosten (hier 1.100 EUR) durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands im Oktober 2021 ersichtlich nicht mehr veranlasst. Die Eltern oder einen Elternteil mit diesen offenkundig unnötig gewordenen Gerichtskosten zu belasten, erscheint dem Senat unbillig, so dass von deren Erhebung abzusehen ist.
b)
Allerdings kamen dem Antrag der Mutter nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch ohne diese Rechtsänderung eher keine Erfolgsaussichten bei. Der Bundesgerichtshof hatte schon mit Beschluss vom 27. Juni 2018 (Az. XII ZB 46/18) für eine vergleichbare Fallkonstellation judiziert, dass die Wahrnehmung der Kindesinteressen in einem Kindschaftsverfahren, gerade für bestehende und hier senatsbekannt offen zutage tretende Interessenkollisionen zwischen Eltern und Kind, originäre Aufgabe des – im Anlass gebenden Verfahren bestellten - Verfahrensbeistands ist. Der gesetzlichen Regelung in § 158 Abs. 5 a.F. war entgegen der Auffassung der Antragstellerin für die vorliegende Fallgestaltung schon kein Vorrang eines – erst noch zu beauftragenden - Rechtsanwalts vor der Bestellung eines Verfahrensbeistands zu entnehmen. Insbesondere war damit noch nicht gesagt, dass es im Sinne des Kindeswohls liegt, einem Elternteil zu ermöglichen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um damit etwa die Aufhebung der Bestellung des (missliebigen) Verfahrensbeistands zu erreichen. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof dann weiter betont, dass es gerade aufgrund des im Fall des § 1628 BGB offenkundigen Interessenkonflikts zwischen den Eltern nahe liege, es bei der bestehenden Lage zu belassen, in der die Interessen des Kindes ausschließlich durch den Verfahrensbeistand wahrgenommen werden. Die Übertragung der entsprechenden Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil könnte nämlich dazu führen, dass dieser Elternteil die Interessen des Kindes gegenüber dem Rechtsanwalt und auch eine entsprechende Weisungsbefugnis wahrnehmen könnte. Damit könnte dieser Elternteil seine Vorstellungen im Verfahren letztlich ohne Gewinn für das Kindeswohl zweifach einbringen. Dass dadurch zugleich die Tätigkeit des neutralen und vom Gericht ausgewählten Verfahrensbeistands unterbunden werden könnte, würde einer am Kindeswohl orientierten Wahrnehmung der Kindesinteressen im Verfahren sogar eher zuwiderlaufen (BGH a.a.O. – Rdnr. 12 ff. bei juris). Nur ergänzend ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Ereignisse gelegentlich des Besuchs der Verfahrensbeiständin im mütterlichen Haushalt, wie sie in dem beigefügten Bericht der Verfahrensbeiständin vom 1. September 2019 mit einer durchaus differenzierten Bewertung des – widersprüchlichen – Verhaltens der Kinder aus ihrer Sicht, die Behauptung eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses tatsächlich eher nicht zu tragen geeignet sind.
Unter den obwaltenden Umständen erscheint es dem Senat jedenfalls unbillig, den – das vorgerichtliche Ersuchen um Zustimmung zur Bevollmächtigung eines anwaltlichen Vertreters mit Recht zurückweisenden – Vater über die eigenen außergerichtlichen Kosten hinaus auch noch an den Gerichtskosten für das von der Mutter eingeleitete Verfahren zu beteiligen.
3.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Eine Beteiligung des Antragsgegners an den allein von der Beschwerdeführerin und ausschließlich im eigenen Kosteninteresse geführten Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst. Dem – auf unrichtiger Sachbehandlung durch das Gericht erster Instanz – beruhenden teilweisen Erfolg des Rechtsmittels trägt der Senat durch die angeordnete Reduzierung der Gerichtskosten Rechnung.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergeht nach §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 FamGKG, gründet also in der Höhe der (hälftigen) Gerichtskosten und –auslagen, von denen die Antragstellerin mit der Beschwerde freigestellt zu werden gesucht hat.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.