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Entscheidung 3 L 29/22


Metadaten

Gericht VG Cottbus 3. Kammer Entscheidungsdatum 04.02.2022
Aktenzeichen 3 L 29/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0204.3L29.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 15 Abs 1 VersammlG

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 26. Januar 2022 wird gegen Ziffer 1 wiederhergestellt und gegen Ziffer 2 angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen Ziffer 1 der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 26. Januar 2022 wiederherzustellen und gegen Ziffer 2 anzuordnen,

hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs statthaft. Das vom Antragsteller als Kopie zur Gerichtsakte gereichte, an den Antragsgegner adressierte Schreiben vom 2. Februar 2022 ist als Widerspruch im Sinne des § 69 VwGO auszulegen. Zwar beantragt der Antragsteller darin, „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung“ anzuordnen, ohne jedoch bereits zuvor Widerspruch erhoben zu haben, dessen aufschiebende Wirkung – dann allerdings vom Gericht und nicht vom Antragsgegner selbst – angeordnet werden könnte. Er bringt aber zum Ausdruck, mit der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 26. Januar 2022 nicht einverstanden zu sein und deren Prüfung zu begehren. Zur Einstufung als Widerspruch bedarf es keiner entsprechenden Bezeichnung oder eines bestimmten Antrags (Schenke, in: Kopp/ders., VwGO, 27. Aufl. 2021, § 69 Rn. 4).

Der Antragsteller ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO auch antragsbefugt, weil eine Verletzung seines Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz möglich erscheint. Zwar trägt er lediglich vor, „in der Zeit vom 31. Januar bis Mitte Februar 2022 in C ... spazieren gehen“ zu wollen. Spaziergänge im eigentliche Sinne, d.h. das bloße Gehen (Ambulieren, Flanieren, Promenieren, Lustwandeln) zum Zeitvertreib und zur Erbauung (Wikipedia zum Stichwort „Spaziergang“) sind von der angefochtenen Allgemeinverfügung aber nicht verboten. Untersagt sind ausweislich der Formulierung in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung und ihrer Begründung u.a. als „C ... “ bezeichnete Zusammenkünfte, die seit Jahresende 2021 in der Innenstadt als Form des Protests gegen die staatlichen Beschränkungen zur Eindämmung des Corona-Virus stattfanden. Diese unterfallen dem Versammlungsbegriff von Art. 8 Abs. 1 GG, nämlich der gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Es erscheint nach dem Vortrag des Antragstellers nicht ausgeschlossen, dass er im Geltungszeitraum der Allgemeinverfügung auch die Teilnahme an nicht angezeigten Versammlungen, die sich inhaltlich gegen staatliche Corona-Beschränkungen richten – unabhängig von ihrer Bezeichnung – beabsichtigt.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es die Interessen der Beteiligten – das von der Behörde verfolgte Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidung einerseits und das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits – gegeneinander abzuwägen hat. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen.

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs bestehen nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung vom 26. Januar 2022.

Sie ist in materieller Hinsicht nicht gerechtfertigt.

a) Rechtsgrundlage für das in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung geregelte Versammlungsverbot ist nach summarischer Prüfung § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetzes (VersG). Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug u.a. verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst dabei den Schutz hochrangiger Individualrechtsgüter, die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Zu den vom Begriff erfassten Rechtsgütern gehört insbesondere das Grundrecht Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2020 – 1 BvQ 94/20 – juris Rn. 16).

Abweichend vom Wortlaut des § 15 Abs. 1 VersG, bei deren Erlass der Gesetzgeber ersichtlich primär punktuelle und nicht – wie hier – präventive, über einen längeren Zeitraum hinweg wirkende Versammlungsverbote vor Augen hatte, kommt es hier zur Beurteilung der unmittelbaren Gefährdungslage maßgeblich auf die Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an. Denn bei dem in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung auf den Zeitraum vom 31. Januar 2022 bis zum 13. Februar 2022 bezogenen Versammlungsverbot es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der seine Regelungswirkung ständig neu entfaltet. Im einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, der sich gegen zukünftige Rechtswirkungen des angefochtenen Verwaltungsaktes richtet, ist dessen Rechtmäßigkeit daher nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht (vgl. zu den unterschiedlichen zeitlichen Ansatzpunkten bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Dauerverwaltungsaktes BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 2012 – 8 B 62.11 – juris Rn. 13; so auch: VG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 14 K 119/22 – juris Rn. 89).

Unmittelbar gefährdet in diesem Sinne ist die öffentliche Sicherheit, wenn der von der Versammlungsbehörde anzustellende Gefahrenprognose konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu Grunde liegen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben; bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus. Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17). Dabei liegt nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts, die auf die Konzeption der Grundrechte als Abwehrrechte abgestimmt sind, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von freiheitseinschränkenden Maßnahmen bei der Behörde (BVerfG, Beschluss vom 04. September 2009 – 1 BvR 2147/09 – juris Rn. 13).

Tatbestandlich dürfte daher im vorliegenden Fall nach § 15 Abs. 1 VersG jedenfalls erforderlich sein, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, die sich zudem gerade auf den von der Allgemeinverfügung erfassten örtlichen Anwendungsbereich beziehen müssen, konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die nicht nur erwarten lassen, dass innerhalb des (noch verbleibenden) Anwendungszeitraums, nicht angezeigte Versammlungen im räumlichen Anwendungsbereich der Verbotsverfügung stattfinden werden, sondern zusätzlich die Prognose erlauben, dass es im Zuge dieser Versammlungen aufgrund deren konkret zu erwartender Ausgestaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu besonders schwerwiegenden Infektionsgefahren oder anderweitigen schwerwiegenden Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, etwa in Form gewalttätiger Ausschreitungen kommen wird (VG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.2021 – 3 K 4579/21 – juris Rn. 30; VG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 14 K 119/22 – juris Rn. 96 ff.).

Bei der hiernach im konkreten Einzelfall anzustellenden Prognose unter Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls sind neben dem vor Ort gegebenen Infektionsgeschehen auch bisherige Vorfälle im örtlichen Anwendungsbereich der Verbotsverfügung zu berücksichtigen, insbesondere etwaiges unfriedliches, gewalttätiges oder gegen geltende Corona-Schutzmaßnahmen verstoßendes Verhalten von Teilnehmern unangemeldeter Versammlungen, deren Reaktionen auf während der Versammlung ergehende polizeiliche Ansprachen oder (versammlungs-)polizeiliche Verfügungen sowie bisher beobachtete bzw. prognostisch zu erwartende Teilnehmerzahlen. Des Weiteren dürfte von Bedeutung sein, in welchem Umfang Polizei- und Ordnungskräfte zur Verfügung stehen, um auch im Falle der sich gerade bei nicht angemeldeten Versammlungen sehr kurzfristig ergebenden Einsatznotwendigkeit bereitgestellt werden zu können.

Ausgehend hiervon liegen im vorliegenden Fall nach summarischer Prüfung voraussichtlich keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vor, um die Prognose zu begründen, dass es im Zuge etwaiger bis zum 13. Februar 2022 in der von der Allgemeinverfügung erfassten Teile der Stadt C ... stattfindender unangemeldeter Versammlungen im Zusammenhang mit generellen Aufrufen zu „C ... “ mit hoher Wahrscheinlichkeit zu besonders schwerwiegenden Infektionsgefahren oder anderweitigen schwerwiegenden Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, etwa in Form gewalttätiger Ausschreitungen kommen würde.

Der bloße Verstoß gegen die Anmeldepflicht nach § 14 VersG stellt, wie der Antragsgegner zutreffend vorträgt, noch keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG dar. § 15 Abs. 3 VersG sieht als eine Sanktion der Nichtanmeldung zwar die mögliche Auflösung der Versammlung vor. Die unterbliebene Anmeldung berechtigt jedoch nicht schematisch zur Auflösung oder – wie vorliegend – zum präventiven Verbot einer Versammlung. Auflösung und Verbot sind keine Rechtspflicht der zuständigen Behörde, sondern eine Ermächtigung, von welcher die Behörde angesichts der hohen Bedeutung der Versammlungsfreiheit im Allgemeinen nur dann pflichtgemäß Gebrauch machen darf, wenn weitere Voraussetzungen für ein Eingreifen hinzukommen; die fehlende Anmeldung und der damit verbundene Informationsrückstand erleichtern lediglich dieses Eingreifen. Dies gilt auch für solche Versammlungen, die rechtzeitig hätten angemeldet werden können oder bei denen die Anmeldung aus Nachlässigkeit oder plangemäß überhaupt unterlassen worden ist (vgl. Kniesel/Poscher, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, J 247; differenzierend: VG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2022, a.a.O. Rn. 94 ff.).

Auch soweit der Antragsgegner mit dem präventiven Versammlungsverbot den legitimen Zweck verfolgt, die Grundrechte Dritter auf Leben und Gesundheit zu schützen, fehlt es an einer Gefahrenprognose, die gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte bei verständiger Würdigung für das Stadtgebiet von C ... eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts für Rechtsgüter Dritter begründet.

Dabei wird zunächst nicht verkannt, dass das Robert Koch-Institut – worauf sich auch die Allgemeinverfügung stützt – die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung Deutschland im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Omikron-Variante weiterhin als sehr hoch einschätzt, die 7-Tages-Inzidenz derzeit in allen Altersgruppen sehr hoch sei und gestiegen sei und es zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen gekommen sei. Insbesondere befinde sich auch die Hospitalisierungsinzidenz weiterhin auf hohem Niveau und zeige einen weiterhin leicht ansteigenden Trend. Die Belastung der Intensivstationen halte durch die Vielzahl sehr schwer an COVID-19 erkrankter Personen, überwiegend aus der Delta-Welle, weiterhin an, zeigt aber gegenwärtig noch keinen durch die Omikron Welle verursachten steigenden Trend (Wöchentlicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 3. Februar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile).

Gleichwohl hat der Antragsgegner aus Sicht der Kammer bei summarischer Prüfung keine hinreichenden Anhaltspunkte in substantiierter Weise dargelegt, die die Annahme stützen, dass es in den von der Allgemeinverfügung erfassten Stadtteilen von C ... im Zeitraum bis zum 13. Februar 2022 zu unangemeldeten Versammlungen kommen wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach ihrer konkret zu prognostizierenden Ausgestaltung mit einer schwerwiegenden Infektionsgefahr einhergehen oder anderweitige schwerwiegende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit, etwa in Form gewalttätiger Ausschreitungen nach sich ziehen würden.

Der Antragsgegner stellt in der Begründung der Allgemeinverfügung im Wesentlichen darauf ab, dass die Vorgaben im Hinblick auf Schutzmaßnahmen vor der weiteren Verbreitung des Coronavirus, insbesondere die Maskentragepflicht und die Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstandes weitestgehend missachtet worden seien. So seien Versammlungen im Allgemeinen und insbesondere auch die „C ... “ regelmäßig durch einen dynamischen Ablauf gekennzeichnet, sodass der hygienerechtlich geforderte Mindestabstand von 1,5 m nicht konsequent eingehalten und sichergestellt werden könne. Es komme vor, während und nach dem Ende einer Versammlung zu Kontakten zwischen den Teilnehmenden, aber auch zu anderen Personen. Aufgrund des individuellen Gehtempos und der Entwicklung des Versammlungsverlaufs komme es zu Stockungen, Beschleunigungen und Verschiebungen (S. 9). Hinzu komme, dass Unterhaltungen und gemeinsames Rufen ein erhöhtes Risiko für Tröpfcheninfektionen bärgen (S. 9).

Allerdings lassen die allgemeinen Ausführungen, die gleichermaßen auch für angemeldete Aufzüge gelten, ohne Weiteres keinen Schluss auf eine unmittelbare Gefährdung zu. Vielmehr bedarf es an einer hinreichend nachvollziehbaren Untersetzung. Nachvollziehbare Tatsachen, Sachverhalte oder sonstige Einzelheiten zu Anzahl, Art und Intensität der Verstöße und zum Erfolg oder Nichterfolg von Bemühungen, die Versammlungsteilnehmenden zur Einhaltung der Mindestabstände bzw. zum Tragen einer medizinischen Maske hat der Antragsgegner nicht vorgetragen (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 1 K 371/22 – juris Rn. 37).

In der Begründung der Allgemeinverfügung wird hierzu lediglich ausgeführt, dass die Versammlungsteilnehmenden des „C ... “ die infektionsschutzrechtlichen Bestimmungen „regelmäßig“ nicht einhielten (S. 2) und die Teilnehmenden „dieser konkreten Versammlung“ keine medizinische Maske getragen sowie den Mindestabstand nicht eingehalten hätten (S. 5). Es sei daher davon auszugehen, dass bei einer erneuten Durchführung des nicht angemeldeten „C ... “ etwa aufgrund des Fehlens einer Versammlungsleitung und von Ordnern die Maskentragepflicht und das Einhalten von Abständen erneut nicht befolgt würden und damit die öffentliche Sicherheit erheblich gefährdet wäre.

Dieser pauschale Verweis auf die Nichteinhaltung hygienerechtlicher Vorgaben bietet keinen nachvollziehbaren Anhaltspunkt für die Annahme einer unmittelbaren Gefährdung. Er ist völlig unkonkret. Der Antragsgegner führt lediglich wiederholend und ergänzend aus, eine „nicht unerhebliche Anzahl“ der Versammlungsteilnehmenden hätten sich in der Vergangenheit gerade „bei dieser nicht angemeldeten Versammlung“ des „C ... “ am 27 Dezember 2021, 3., 8., 10., 15., 17., 18., 22. und 24 Januar 2022 trotz Lautsprecherdurchsagen weder an die Maskentragepflicht noch an die Abstandsregelungen gehalten noch hätten sie sich nach erfolgter Auflösung der Versammlung entfernt (S. 5). Hinsichtlich des letzteren Aspekts ergeben sich auch inhaltlich Widersprüche, wenn es nämlich etwa an anderer Stelle heißt, die Bekanntgabe polizeilicher Aufforderungen, Auflagen und Verfügungen sei durch zielgerichtetes Entfernen von der Ansage oder Lärmentwicklung faktisch unmöglich gemacht worden (S. 6). Die behaupteten Verstöße sind damit im Einzelnen nicht nachvollziehbar, insbesondere hat der Antragsgegner keine Polizeiberichte oder andere Unterlagen zur Prüfung und Plausibilisierung seiner Angaben vorgelegt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das Infektionsrisiko im Freien grundsätzlich wesentlich geringer ist, insbesondere wenn der Abstand von 1,5 m eingehalten wird und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Freien aus Sicht des Robert Koch-Instituts etwa (nur) dann sinnvoll, wenn der Mindestabstand nicht sicher eingehalten werden kann.

Auch soweit in der Allgemeinverfügung ausgeführt wird, es seien „außerhalb von C ... und zeitweise im ganzen Land Brandenburg“ nirgendwo sonst „so hohe Teilnehmerzahlen“ wie bei den „C ... “ festgestellt worden (S. 5), sind konkrete Zahlen und ihre Relevanz zur Bejahung einer unmittelbaren Gefährdung nicht genannt worden. So ist insbesondere offen, ob der Antragsgegner zur Untersetzung einer Gefahr auf einen Verstoß gegen die aus § 9 Abs. 1 der SARS-CoV-2-EindV verweisen wollte oder inwieweit allein aus der Teilnehmerzahl eine unmittelbare Gefährdung folgt. Sie steht auch nicht im Einklang mit der Angabe, die Teilnehmenden hätten sich im Stadtgebiet in kleineren Gruppen verteilt, um so polizeilichen Maßnahmen auszuweichen (S. 6).

Ferner liegen auch keine Anhaltspunkte dahingehend vor, dass im maßgeblichen Zeitraum bis zum 13. Februar 2022 Polizei- und Ordnungskräfte vor Ort nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stünden, um den durch unangemeldete Versammlungen verursachten – gegebenenfalls auch sehr spontanen – Einsatzbedarf zu decken. Zwar sind die Ordnungsbehörden grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, Polizeikräfte ohne Rücksicht auf sonstige Sicherheitsinteressen in unbegrenztem Umfang bereitzuhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 11). Beschränkungen einer Versammlung kommen unter diesem Gesichtspunkt jedoch nur in Betracht, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Versammlungsbehörde wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und gegebenenfalls trotz externer Heranziehung von Polizeikräften zum Schutz der angemeldeten Versammlung, bzw. zur Gewährleistung eines Infektionsgefahren und schwerwiegender anderweitiger Gefährdungen vorbeugenden Ablaufs derselben, nicht in der Lage wäre. Hierfür bedarf es indes substantiierter tatsächlicher Angaben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2006 – 1 BvQ 14/06 – juris Rn. 11; BVerfG, Beschluss vom 24. März 2001 – 1 BvQ 13/01 – juris Rn. 35). Vorliegend hat der Antragsgegner einen in diesem Sinne vor Ort bestehenden Mangel an Polizeikräften schon nicht geltend gemacht (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 14 K 119/22 – juris Rn. 108). Er merkt lediglich an, die vorliegende Sachlage fordere ein hohes Aufgebot von Polizeikräften (S. 6). Gleichzeitig heißt es in der Begründung der Allgemeinverfügung, die „C ... “ verliefen weitgehend friedlich (S. 4). Es sei nur vereinzelt zu Platzverweisen, Widerstandshandlungen und Verstößen gegen das Waffengesetz gekommen (S. 4 f.).

Schließlich ist anzumerken, dass mit Blick auf den hohen Stellenwert des verfassungsrechtlich geschützten Grundrechts auf Versammlungsfreiheit es einer stets aktuellen Prognose zu den möglichen Infektionsgefahren bedarf. So genügt – wie der Antragsgegner in seiner Stellungnahme ausgeführt hat – ein Beitrag des C ... vom 10. Dezember 2021 erkennbar nicht, wenn sich die Fallzahlen gegenwärtig völlig anders darstellen. Nach den aktuell verfügbaren Informationen werden im C ... wie in der S ... 35 Corona-Patientinnen und -Patienten behandelt, davon insgesamt 6 auf der Intensivstation (Lausitzer Rundschau vom 03. Februar 2022). Nach alledem dürfte die tatbestandliche Voraussetzungen einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch etwaige, bis zum 13. Februar 2022 in der Stadt C ... stattfindende unangemeldete Versammlungen im Zusammenhang mit Aufrufen zu „C ... “ nicht gegeben sein.

Unabhängig hiervon sind bei der hier gegebenen Sachlage auch mildere Mittel als ein präventives Versammlungsverbot vorhanden.

Ein präventives Versammlungsverbot darf nur verhängt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen und soweit der hierdurch bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG auch in Ansehung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für das demokratische und freiheitliche Gemeinwesen insgesamt nicht außer Verhältnis steht zu den jeweils zu bekämpfenden Gefahren und dem Beitrag, den ein Verbot zur Gefahrenabwehr beizutragen vermag. In Betracht kommen insbesondere der Erlass einer Allgemeinverfügung, nach der unangemeldete Versammlungen etwa nur ortsgebunden oder auf vorgegebenen Strecken erlaubt sind, sodass die Polizei etwa den Zutritt regeln und beschränken kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. Januar 2022 – 10 CS 22.126 – n.v., E.A., S. 8). Diese Mittel werden vom Antragsgegner sogar selbst genannt (S. 5, z.B. „besondere Wegstrecken“), allerdings nicht im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit des präventiven Verbots, sondern insoweit, als dass er durch die unterbliebene Anmeldung von Versammlungen gehindert sei, entsprechende Auflagen anzuordnen.

b) Erweist sich hiernach das in Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 26. Januar 2022 enthaltene präventive Versammlungsverbot als voraussichtlich rechtswidrig, dürfte dies auch zur Rechtswidrigkeit der in Ziffer 2 enthaltenen Androhung unmittelbaren Zwangs nach den § 64 Polizeigesetz des Landes Brandenburg führen, soweit sich diese auf das genannte präventive Versammlungsverbot bezieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG in der im Tenor benannten Höhe festzusetzen. Der Auffangwert ist heranzuziehen, da der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Punkte für eine anderweitige Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses des Antragstellers, an sog. „C ... “ teilzunehmen, bietet. Aufgrund der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache kommt eine Minderung dieses Betrages nicht in Betracht.