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Entscheidung 1 L 24/22


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 03.02.2022
Aktenzeichen 1 L 24/22 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2022:0203.1L24.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 35 Abs 2 S 1 KomVerf BB, § 11 CoronaV10EindV BB, § 35 Abs 2 S 2 KomVerf BB, § 29 CoronaV10EindV BB

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers in zeitlicher Hinsicht dahingehend zu konkretisieren, dass dieser eine Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm vorläufig und bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Zugang zu Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung und ihrer Ausschüsse, in denen er Mitglied ist, ohne Einhaltung der am 15. Dezember 2021 beschlossenen 3-G-Regel zu gewähren, § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig.

Der Antragsteller kann sich insbesondere auf ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung in der Sache auch insoweit berufen, als seine Mitgliedschaft in Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung in Rede steht.

Zwar bezieht sich der von ihm auf Seite 3 der Antragsschrift vom 27. Januar 2022 zitierte Beschluss der Antragsgegnerin („Für die Stadtverordnetenversammlung gilt die Einhaltung der sog. 3G-Regel, d. h. Zutritt ist nur Personen gestattet, die entweder genesen, geimpft oder getestet im Sinne von § 6 der Zweiten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-Cov-2 und Covid-19 im Land Brandenburg (Zweite SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 2. SARS-CoV-2-EindV) vom 23. November 2021 i.V.m. § 2 Nr. 1 – 7 der Covid-19-Schutzmaßnahme-Ausnahmeverordnung sind und dies diesen Vorschriften gemäß nachweisen kann.“) seinem Wortlaut nach ausschließlich auf „die Stadtverordnetenversammlung“ und nicht ihre Ausschüsse, denen zwar überwiegend und von dem Hauptausschuss abgesehen, § 50 Abs. 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf), lediglich beratende Aufgaben zufallen, die jedoch in den gesetzlich geregelten Fällen ebenfalls Verfahrensentscheidungen treffen können (Schumacher in: ders./Benedens/Erdmann, etc., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Mai 2020, § 43 BbgKVerf Nr. 4.2).

Die Beteiligten, insbesondere der Antragsteller selbst (vgl. S. 4, Mitte, der Antragsschrift) aber auch die Antragsgegnerin, gehen davon aus, dass sich der vorstehend zitierte Beschluss nicht lediglich auf die Stadtverordnetenversammlung als solche, sondern auch auf ihre Ausschüsse bezieht und den von Seiten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen nach (vgl. etwa die Einladung zur 24. Sitzung des Hauptausschusses am 31. Januar 2022, Bl. 32 der Gerichtsakte) findet die am 15. Dezember 2022 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene „3-G-Regelung“ – nachvollziehbar und vom Wortlaut der beschlossenen Verfahrensregelung ohne Weiteres gedeckt – auch auf ihre Ausschüsse Anwendung.

III. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Eine einstweilige Anordnung kommt danach nur in Betracht, wenn der Rechtsschutzsuchende die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht (den Anordnungsgrund) und einen materiellen Anspruch auf Erlass der begehrten Regelung (den Anordnungsanspruch) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Antragsteller hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Weil die begehrte einstweilige Anordnung das Ergebnis der Entscheidung in der Hauptsache für einen derzeit unabsehbaren Zeitraum unumkehrbar vorwegnehmen würde, ist eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs im Klageverfahren unabdingbar. Die erstrebte Teilnahme an den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt G ... und ihrer Ausschüsse ohne Einhaltung der am 15. Dezember 2021 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen „3-G-Regel“ – nämlich den Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder einer Testung im Sinne von § 6 der Zweiten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Zweite SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 2. SARS-CoV-2-EindV) vom 23. November 2021 (GVBl. II/21 Nr. 93) i. V. m. § 2 Nr. 1 – 7 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 - COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom 08. Mai 2021 (BAnz AT 08. Mai 2021 V1) – kann dieser mithin nur erreichen, wenn deutlich überwiegende Gründe für das Bestehen eines diesbezüglichen Rechts sprechen würden und der Antrag auch unter Berücksichtigung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben müsste (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13. August 1999 – 2 VR 1/99 –, juris Rn. 24; Bayerischer VGH, Beschl. v. 08. Juni 2021 – 4 CE 21.1599 –, juris Rn. 9; OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30. September 2021 – 15 B 1529/21 –, juris Rn. 5 - 6).

Hieran fehlt es. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt G ... vom 15. Dezember 2021 mit hoher Wahrscheinlichkeit – entsprechend seiner Behauptung aus formellen oder materiellen Gründen – rechtswidrig ist.

1. Die Rüge, die Beschlussfassung der Antragsgegnerin am 15. Dezember 2021 zum Dringlichkeitsantrag SVV 130/2021 des Hauptverwaltungsbeamten der Stadt G ... vom 13. Dezember 2021 sei mit der Folge der Unwirksamkeit des Beschlusses formell fehlerhaft, weil die Tagesordnung der Sitzung vom 15. Dezember 2021 bereits zuvor öffentlich bekannt gemacht worden sei und der Antrag seine Dringlichkeit nicht hinreichend untersetzt habe, trägt auf der Grundlage der in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und zumutbaren summarischen Prüfung nicht.

Nach § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 BbgKVerf kann die Tagesordnung in der Sitzung durch Beschluss erweitert werden, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die keinen Aufschub duldet; ein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Sitzung liegt dann nicht vor.

Ob eine Angelegenheit in diesem Sinne keinen Aufschub duldet, beurteilt sich danach, ob ihre Beratung und Entscheidung unter Berücksichtigung der einzuhaltenden, – in der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung zu bestimmenden (verkürzten) – Ladungsfrist nicht bis zur nächsten Sitzung aufgeschoben werden kann, ohne dass Nachteile eintreten, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können. (vgl. OVG f. d. Ld. Brandenburg, Beschl. v. 27. Mai 2003 – 1 B 203/02 –, juris Rn. 16 m. w. N.; Philipsen in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, August 2013, § 35 BbgKVerf Rn. 38).

Hiervon ausgehend kann – ungeachtet der angesichts der Zielsetzungen der Vorschrift engen Auslegung des § 35 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf (Philipsen in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, August 2013, § 35 BbgKVerf Rn. 39) – in dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ein Verstoß gegen § 35 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf auf der Grundlage der dem Gericht derzeit vorliegenden Informationen nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Bürgermeister der Stadt G ... hat den Dringlichkeitsantrag vom 13. Dezember 2021 mit der aktuellen Lage, der hohen Zahl der Infizierten und Erkrankten sowie des nach wie vor bestehenden hohen Infektionsrisikos begründet; diese Lage bedinge es, dass die Stadtverordnetenversammlung im Interesse ihrer Handlungsfähigkeit und des Gesundheitsschutzes aller Anwesenden unverzüglich Maßnahmen ergreife, um das Infektionsrisiko zu senken . Der Antrag dulde keinen Aufschub, weil im wörtlichen Sinne „jeder Tag … (zähle)“.

Es spricht mehr dafür als dagegen, dass der Hauptverwaltungsbeamte die Dringlichkeit einer Entscheidung durch die Antragsgegnerin mit diesen Ausführungen hinreichend untersetzt hat und dass die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung nicht unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Ladungsfrist – nach § 5 Abs. 1 S. 2 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt G ... (Geschäftsordnung – GO) muss die Ladung zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung den Mitgliedern mindestens zehn Kalendertage vor dem Sitzungstag, der Tag der Absendung nicht mitgerechnet, zugehen (regelmäßige Ladungsfrist), in dringenden Angelegenheiten kann die Ladungsfrist auf drei volle Kalendertage vor dem Sitzungstag verkürzt werden (vereinfachte Einberufung), § 5 Abs. 3 S. 1 GO –aufgeschoben werden konnte.

Den Daten des Robert-Koch-Instituts (https://experience.arcgis.com/experience/ 478220a4c454480e823b17327b2bf1d4) nach stieg die Anzahl der für den Landkreis Spree-Neiße gemeldeten COVID-19 Fälle ab Oktober 2021 leicht und sodann immer stärker an, wobei Mitte November mit über 300 gemeldeten Fällen der Höhepunkt erreicht wurde und sich die Anzahl im Dezember 2021 in der Regel bei über 200 Fällen, je nach Meldedatum auch darunter bei etwa 150 Fällen, pro Tag stabilisierte. Hiervon ausgehend ist nach Überzeugung der Kammer allein entscheidend, ob die Antragsgegnerin über den seuchenhygienischen Schutz der Stadtverordneten, der Bediensteten der Stadt G ... und weiterer Teilnehmer an den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung und ihrer Ausschüsse in einer Phase beschlossen hat, in der es angesichts der sich stabilisierenden Daten über eine hohe Anzahl Infizierter in dem Landkreis Spree-Neiße einer Regelung ersichtlich bedurfte. Die von dem Antragsteller der Sache nach für richtig erachtete taggenaue Betrachtungsweise wird dem Infektionsgeschehen in Zusammenhang mit SARS und COVID-19 und seiner Erfassung – der Infektionszeitpunkt der gemeldeten Fälle kann in der Regel nicht ermittelt werden und zwischen der Meldung durch die Ärzte und Labore an das Gesundheitsamt und der Übermittlung der Fälle an die zuständigen Landesbehörden und das Robert Koch Institut können „einige Tage (Melde- und Übermittlungsverzug)“ vergehen (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronaviruas/Fallzhalen.html; Stand: 02. Februar 2022) – nicht gerecht. Auch vor diesem Hintergrund kommt es auf die von dem Antragsteller vorgelegten Auszüge aus den Übersichten des Robert Koch-Instituts, die zwischen den Zeitpunkten 13. Dezember 2021 und 06. Dezember 2021 eine leichte Abnahme der Covid-19 7-Tage-Inzidenz im Landkreis Spree-Neiße zeigen, nicht an, wobei ergänzend anzumerken ist, dass die ex post-Betrachtung des Antragstellers zum „27. Januar 2022“ den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt verfehlt. Erst recht ist es in mehrfacher Hinsicht nicht angängig, eine Darlegung des Hauptverwaltungsbeamten zu der Frage zu erwarten, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Stadtverordnete „in einer Vielzahl“ tatsächlich erkrankt waren.

Die Rüge des Antragstellers, es sei dem Bürgermeister der Stadt G ... zuzumuten gewesen, den Antrag so rechtzeitig zu stellen, dass er in die bekannt gemachte Tagesordnung hätte aufgenommen werden können, ist danach bereits unerheblich; sie würde sich aber auch einer Beantwortung in dem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entziehen.

Der Prüfung im Hauptsacheverfahren muss allerdings vorbehalten bleiben, ob die Dringlichkeit der Angelegenheit im Sinne von § 35 Abs. 2 S. 1 BbgKVerf deshalb zu verneinen sein könnte, weil es der Beschlussfassung durch die Stadtverordnetenversammlung aus Rechtsgründen wohl nicht bedurft hätte (vgl. Schumacher in: ders./Benedens/Erdmann, etc., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, Mai 2020, § 35 BbgKVerf Nr. 8.2), denn nach § 37 Abs. 1 BbgKVerf obliegt der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung das Hausrecht in der Stadtverordnetenversammlung, das es einschließt, Regelungen über die Sicherheit in den Räumlichkeiten der Stadtverordnetenversammlung zu treffen (zu entsprechenden Regelungen durch die bayerische Landtagspräsidentin vgl. etwa Bayerischer VerfGH, Entscheidung v. 13. Januar 2022 – Vf. 88-IVa-21 –, juris Rn. 16; vgl. auch VG Bremen, Beschl. v. 11. Juni 2021 – 1 V 791/21 –, juris Rn. 21 und VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 02. Dezember 2021 – VG 4 L 391/21 –, n. v. S. 4 des Beschlussabdrucks). Die Beteiligten haben sich zu dieser Frage nicht verhalten und im Klageverfahren wird zu klären sein, ob dem Dringlichkeitsantrag des Bürgermeisters und der Verfahrensweise der Antragsgegnerin nachvollziehbare Gründe zu Grunde lagen.

2. Der angefochtene Beschluss dürfte auch in der Sache nicht zu beanstanden sein.

Die Auffassung des Antragstellers, die Antragsgegnerin sei sachlich bzw. funktionell unzuständig gewesen und ihrem Beschluss vom 15. Dezember 2021 fehle es daher an einer Ermächtigungsgrundlage, geht im Ergebnis fehl.

Allerdings trägt die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, die gesetzliche Grundlage für ihre Zuständigkeit finde sich in Bestimmungen des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG), seinerzeit in der Fassung des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I, S.- 2397) – insbesondere § 32 und § 28a Abs. 7 S.1 Nr. 4 i. V. m. Abs. 1 Nr. 10 IfSG für Maßnahmen außerhalb des zeitlichen Zusammenhangs mit einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite – in Verbindung mit den Bestimmungen der Zweiten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung in der Fassung der am 15. Dezember 2021 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der Zweiten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 14. Dezember 2021 (GVBl. II Nr. 100).

Zwar wäre es, wie schon die Ausnahmen für Gerichtsverhandlungen in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. Hs. und Nr. 5 lit. b) 2. SARS-CoV-2-EindV zeigen, nicht von vornherein ausgeschlossen, diese Regelung über Schutzmaßnahmen bei „sonstigen Veranstaltungen“ auch auf die Sitzungen kommunaler Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse anzuwenden.

Nach § 29 2. SARS-CoV-2-EindV bleibt allerdings das Selbstorganisationsrecht des Landtags und der kommunalen Vertretungskörperschaft von den Maßgaben dieser Verordnung unberührt. Mit dieser Bestimmung dürfte der Verordnungsgeber die Regelung seuchenhygienischer Maßnahmen zur Abwehr von SARS und Covid-19 dem Landtag und den kommunalen Vertretungskörperschaften überantwortet und diese Institutionen jedenfalls von den Bestimmungen der Zweiten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung ausgenommen haben, die sich – anders als die §§ 2 – 4 2. SARS-CoV-2-EindV, die „jede Person“ zu den genannten Hygieneregeln verpflichten – an Veranstalterinnen und Veranstalter, Betreiberinnen und Betreiber sowie an die sonstigen, konkret benannten Institutionen richten.

Zwar ist der Sinn und Zweck dieser Unberührtheitsklausel nicht zweifelsfrei und eine Begründung ist dem Gericht insoweit nicht zugänglich (zur Begründung der Verordnungen in Zusammenhang mit SARS und Covid-19 vgl. das Archiv der Landes-Verordnungen zum Coronavirus des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg unter https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/coronavirus/ informationen-zum-coronavirus-sars-cov-2/archiv-corona-verordnungen/). Bereits der systematische Standort des § 29 2. SARS-CoV-2-EindV als eine Regelung, die den Bußgeldtatbeständen des § 26 2. SARS-CoV-2-EindV nachfolgt, und der Wortlaut der autonomen Regelung („Selbstorganisationsrecht“, das „von den Maßgaben dieser Verordnung unberührt“ bleiben soll) sprechen jedoch für diese Auslegung.

Die Rechtsgrundlage für die angegriffene Dringlichkeitsentscheidung dürfte sich vielmehr in § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BbgKVerfG finden, wonach der Stadtverordnetenversammlung die Entscheidung über ihre Geschäftsordnung vorbehalten ist. Auch aus seuchenhygienischen Gründen und im Interesse der Arbeitsfähigkeit der Vertretungskörperschaft und ihrer Mitglieder beschlossene Regelungen über die unter anderem von Stadtverordneten zu erfüllenden Voraussetzungen einer Teilnahme an den Sitzungen dürften, nicht anders als die Regelungen für die gesamte Wahlperiode in der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt G ... i. d. F. vom 10. Januar 2022, als situationsbedingte temporäre Regelungen der inneren Organisation der kommunalen Vertretungskörperschaft (vgl. Gründel/Lechleitner in: Potsdamer Kommentar, Kommunalrecht und kommunales Finanzrecht in Brandenburg, Juli 2021, § 28 BbgKVerf Rn. 28) von § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BbgKVerf umfasst sein.

Dafür, dass der Landesgesetzgeber der kommunalen Vertretungskörperschaft diese Möglichkeit eröffnet hat, lassen sich im Übrigen die Regelungen der Brandenburgischen Kommunalverfassung anführen, die im Nachgang zu den Regelungen der außer Kraft getretenen Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgische kommunale Notlagenverordnung) vom 17. April 2020 (GVBl. II Nr. 19) durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung und weiterer Vorschriften vom 23. Juni 2021 (GVBl. I Nr. 21) in das formelle Landesrecht aufgenommen wurden: Auch § 50a Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 BbgKVerf überantwortet es der Stadtverordnetenversammlung oder ihren Ausschüssen, im Falle einer außergewöhnlichen Notlage von einer Präsenzsitzung abzusehen und die Teilnahme ihrer Mitglieder per Audio oder Video zu beschließen.

Das entgegenstehende Vorbringen des Antragstellers überzeugt nicht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass einzelne Stadtverordnete im Rahmen der Ausübung des Hausrechts der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung oder, wie vorliegend, durch eine allgemeine, durch die Mehrheit der Stadtverordneten beschlossene Regelung der Geschäftsordnung, „von der Wahrnehmung ihrer Rechte ausgeschlossen werden“, sofern sie der Ordnung in der Versammlung oder den benannten allgemeinen (Sicherheits-) Anforderungen nicht genügen (wollen). Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung verstößt auch weder gegen das Demokratieprinzip des Art. 2 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg noch gegen den Parlamentsvorbehalt – offenbar auch nach eigener Einschätzung des Antragstellers, der eine Entscheidung über Hygienemaßnahmen allein durch die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung aufgrund ihres Ordnungs- und Hausrechts nach § 37 Abs. 1 BbgKVerf offenbar als in rechtlicher Hinsicht unproblematisch ansieht – und eine „willkürliche“ Beschränkung des aktiven und passiven Teilnahmerechts von Stadtverordneten droht durch die Beschlussfassung schon deshalb nicht, weil die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Beschlusses der verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterliegt. Der von dem Antragsteller schließlich bemühte – und durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geänderte (Beschl. v. 30. September 2021 – 15 B 1529/21 –, juris Rn. 19) – Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 08. September 2021 (2 L 595/21 –, juris Rn. 32) betraf eine Fallkonstellation, die vorliegend nicht inmitten steht.

3. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ebenfalls weder hinreichend dargelegt noch – weder im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Antragsgegnerin am 15. Dezember 2021 noch in dem Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Kammer – ersichtlich. Die Auffassung des Antragstellers, es sei unverhältnismäßig, die Teilnahme von Stadtverordneten an den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung und der Ausschüsse mit dem Erfordernis der Vorlage eines gültigen Nachweises nach § 6 2. SARS-CoV-2-EindV über eine Impfung, die Genesung oder einen Test zur verbinden, überzeugt in ihrer Pauschalität nicht.

Seine Behauptung, die vorgenannten Maßnahmen seien bereits nicht erforderlich, weil in der „Alten Färberei“ „deutlich größere Räumlichkeiten“ zur Verfügung stünden, hat der Antragsteller weder spezifiziert und für das Gericht nachvollziehbar erläutert noch gar im Eilverfahren glaubhaft gemacht;

Entsprechendes gilt für seine weiteren pauschalen Behauptungen auf Seite 13/14 der Antragsschrift und in dem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 01. Februar 2022 zur Frage der Erforderlichkeit und zur Geeignetheit der beschlossenen Maßnahmen sowie zur Frage eines Verstoßes gegen den Datenschutz nach Art. 11 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg.

Seine Behauptungen, es gebe keine Evidenz, dass durch die Zugangsverbote und Befreiungsmöglichkeit durch Testnachweise für ungeimpfte Personen Infektionen verhindert würden und ein Antigen- oder PCR-Test „könne falsch negativ sein“, sind nicht dazu angetan, die generelle Eignung der Maßnahmen in Frage zu stellen; Vergleichbares gilt für das – im Grundsatz zutreffende – Vorbringen, auch Geimpfte könnten infektiös sein. Die Eignung und die Erforderlichkeit der Regelungen lassen sich mit diesen Ausführungen nicht in Frage stellen. Im Zuge insbesondere der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung selbst kommen eine große Zahl von Menschen aus einer Vielzahl von Haushalten mit zumeist vielen Sozialkontakten aus verschiedenen Anlässen – bei Sitzungen der Ausschüsse weniger Personen in einem aller Voraussicht nach kleineren Raum – zusammen, so dass die Annahme, in einem solchen Bereich könne die Einführung eines 3G-Modells die Gefahr von Neuinfektionen spürbar reduzieren, nachvollziehbar ist.

Soweit sich der Antragsteller schließlich auf die Möglichkeit des § 34 Abs. 1a S. 2 BbgKVerf zur Teilnahme von Stadtverordneten an der Sitzung per Video bezieht, übersieht er bereits, dass es hierzu eines begründeten Antrages jedes Stadtverordneten bedarf, dem nur zu entsprechen wäre, wenn der Gemeindevertreter anderenfalls seine persönliche Teilnahme an der Sitzung aus beruflichen, familiären, gesundheitlichen oder vergleichbaren Gründen nicht ermöglichen könnte, § 34 Abs. 1a S. 3 BbgKVerf. Im Übrigen ist dem Vortrag des Antragstellers nach offen, ob der Antragsgegnerin die technischen Möglichkeiten einer Sitzungsteilnahme per Video zur Verfügung stehen; fehlende Regelungen in der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin und die Verfahrensgeschichte des vorliegenden Eilverfahrens deuten jedenfalls darauf, dass dem nicht so ist.

Die getroffene Zugangsbeschränkung nach der 3-G-Regelung ist auch angemessen, da der Antragsteller nicht generell von den Sitzungen ausgeschlossen wird. Die ihn betreffende Verpflichtung, für die Teilnahme an Sitzungen im Falle einer fehlenden Immunisierung ein aktuelles negatives Testergebnis in Bezug auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV- 2 vorzuweisen, mag zwar als eine gewisse Beeinträchtigung der organschaftlichen Stellung des Antragstellers als Stadtverordneter und Ausschussmitglied empfunden werden können. Um eine Verweigerung des Zutritts zu Sitzungen zu vermeiden, kann sich der Antragsteller jedoch freiwillig einer Testung unterziehen. Er hat die Ausübung seines Mandats demnach selbst in der Hand. Die Beeinträchtigungen durch eine solche Testung, die mit einem nur im vorderen Nasenabstrich durchführbaren Schnelltest durchgeführt werden kann, sind regelmäßig nur von kurzer Dauer und greifen nur geringfügig in die körperliche Unversehrtheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein, sodass voraussichtlich nicht von einem unverhältnismäßigen Eingriff ausgegangen werden kann (vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung v. 06. Mai 2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 45; Entscheidung v. 21. April 2021 – Vf. 26-VII-21 –, juris Rn. 27 ff.; OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30. September 2021 – 15 B 1529/21 –, juris Rn. 64 f.). Zudem stehen allgemein Bürgertestungen (wieder) kostenlos zur Verfügung.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. Ziffer 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Kammer sieht das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers mit einem Betrag in Höhe von 10.000,00 € (Kommunalverfassungsstreit) eher als mit der Ziffer 22.2 (Sitzungs- und Ordnungsmaßnahmen) als angemessen bewertet an. Den doppelten Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG hat das Gericht halbiert, weil der Antragsteller im Eilverfahren eine lediglich vorläufige Regelung begehrt.