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Entscheidung 5 Sa 981/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 5. Berufungskammer Entscheidungsdatum 09.12.2021
Aktenzeichen 5 Sa 981/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2021:1209.5SA981.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 KSchG, § 17 KSchG

Leitsatz

Auch nach Stilllegung eines Betriebes im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie bleibt die für den Sitz dieses Betriebes zuständige Arbeitsagentur im Falle vorsorglicher Folgekündigungen die für die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Absatz 3 KSchG zuständige Behörde, solange die Beschäftigten dieses Betriebes keiner anderen betrieblichen Einheit zugeordnet werden.

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Juni 2021 (23 Ca 14289/20) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen.

Die klagende Partei ist bei der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden: Schuldnerin) seit dem 01. Dezember 2016 als Flugbegleiterin mit dienstlichem Einsatzort in Düsseldorf gegen ein durchschnittliches Bruttoentgelt in Höhe von circa 2.188,62 EUR nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17. November 2016 (Blatt 46 ff der Akte) beschäftigt. Die Schuldnerin war eine Fluggesellschaft mit Sitz in Berlin. Sie unterhielt inländische Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel, Köln-Bonn, Dresden, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt-Weimar, Münster/Osnabrück, Frankfurt am Main, Hannover-Langenhagen, Hamburg, Leipzig/Halle, München, Nürnberg, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart. An jeder dieser Stationen war Kabinen-, Cockpit- und Bodenpersonal stationiert, insgesamt beschäftigte die Schuldnerin Mitte August 2017 6.121 Personen. Der Flugverkehr wurde in operativer, technischer und organisatorischer Hinsicht von der Unternehmenszentrale in Berlin gesteuert, für die jeweiligen Stationen waren Beschäftigte des Kabinen- und Cockpitpersonals mit Zusatzfunktionen als „Regionalmanager“ und „Areamanager“ zuständig, die begleitende Funktionen bei Personalgesprächen, Einstellungen und Änderungen von Arbeitsverträgen und dabei Weisungen der Leitung in Berlin umzusetzen hatten. Für das Cockpitpersonal war gemäß § 117 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) durch Abschluss des Tarifvertrags „Personalvertretung für das Cockpitpersonal der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ (im Folgenden: TV PV Cockpit) eine Personalvertretung gebildet worden (im Folgenden: PV Cockpit). Für das Kabinenpersonal wurde durch den Tarifvertrag „Personalvertretung für das Kabinenpersonal der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ (im Folgenden: TV PV Kabine) die Personalvertretung Kabine (im Folgenden: PV Kabine) errichtet. Die regional zuständigen Betriebsräte (Boden Nord, West und Süd) sowie der Gesamtbetriebsrat vertraten das Bodenpersonal.

Die Schuldnerin schloss ferner mit der Gewerkschaft ver.di den Tarifvertag: Pakt für Wachstum und Beschäftigung vom 08. Dezember 2016 (im Folgenden: TV Pakt), der unter anderem den Erhalt von Arbeitsplätzen sowie den Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplänen vorsieht. Er regelt in § 2 Absatz 2:

A. Berlin geht bei erfolgreicher Umsetzung der Transformation nicht davon aus, betriebsbedingte Beendigungskündigungen durchführen zu müssen. Sollten diese, egal aus welchen Gründen, dennoch unvermeidbar werden, ist deren Ausspruch erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrages mit ver.di über einen Interessenausgleich und Sozialplan zulässig, der sich auf das gesamte Kabinenpersonal auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit ausrichtet.

Die Schuldnerin flog sowohl im eigenen Flugbetrieb sowie im sogenannten „Wet-Lease“ für die E. GmbH und andere Fluggesellschaften. Dabei wurden Flugzeuge mitsamt Besatzung von der E. GmbH geleast. Am 14. Februar 2017 schloss die Schuldnerin mit der PV Kabine einen Rahmen-Interessenausgleich zur Umstrukturierung der A. Berlin, welcher die Aufgliederung der Schuldnerin in „New a.“ sowie eine das Wet-Lease für andere Fluggesellschaften umfassende „ACMIO Operation“ betraf und eine Zuordnung des Kabinenpersonals zu den jeweiligen Bereichen vorsah, die in der Folgezeit allenfalls teilweise umgesetzt wurde.

Am 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, der Beklagte wurde am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter bestellt und es wurde ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt. Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der Schuldnerin, der Beklagte und ein für die Schuldnerin bestellter Generalbevollmächtigter eine gemeinsame Erklärung, wonach der operative Flugverkehr zum 28. Oktober 2017 eingestellt werden und das danach für die E. GmbH noch mit 13 Flugzeugen zu erbringende Wet-Lease bis maximal zum 31. August 2018 erfolgen sollte. Am 24.Oktober 2017 bestätigte der vorläufige Gläubigerausschuss die Stilllegungsabsicht. Der letzte im Namen der Schuldnerin durchgeführte Flug landete am 27.Oktober 2017 auf dem Flughafen Berlin-Tegel.

Am 01. November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte am gleichen Tag eine Masseunzulänglichkeit an. Der Flugbetrieb im Wet-Lease endete am 31. Dezember 2017. Die Schuldnerin veräußerte an die L. Commercial Holding, an die e. Airline Company Limited sowie an die T. C. Group Airlines PLC Gesellschaftsanteile von Tochterunternehmen der Schuldnerin und sonstige Vermögensgegenstände mit Verträgen vom 13. Oktober 2017, 27. Oktober 2017 und 02. Januar 2018. Mit Beschluss vom 17. Januar 2018 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt. Die für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebes der Schuldnerin erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen erloschen am 31. Januar 2018. Der Beklagte beschäftigte in der Folgezeit in Berlin zuletzt 16 ebenfalls gekündigte Beschäftigte des Bereiches Boden aufgrund von sachgrundbefristeten Arbeitsverträgen mit im Rahmen der Abwicklung des Insolvenzverfahrens anfallenden Aufgaben.

Nach Erstattung einer das Kabinenpersonal an allen Stationen betreffenden Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur Berlin-Nord kündigte der Beklagte neben den Arbeitsverhältnissen weiterer Beschäftigter des Kabinenpersonals das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei mit Schreiben vom 27. Januar 2018 zum 30. April 2018, wogegen sie Kündigungsschutzklage erhob. Nach den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Februar 2020 (Aktenzeichen: 6 AZR 146/19) und vom 14. Mai 2020 (Aktenzeichen: 6 AZR 235/19) waren vom Beklagten gegenüber Cockpit- und Kabinenbeschäftigten ausgesprochene Kündigungen aufgrund fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam, da es sich bei den inländischen Stationen der Schuldnerin um Betriebe im Sinne der EG RL 59/98 (Massenentlassungsrichtlinie – MERL) gehandelt habe und deshalb die Massenentlassungsanzeigen für beide Beschäftigtenbereiche bei der unzuständigen Arbeitsagentur eingereicht worden seien und zudem unzutreffende Angaben enthielten. Die gegen das der Kündigungsschutzklage der klagenden Partei stattgebende Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg gerichtete Revision nahm der Beklagte zurück.

Der Beklagte zeigte mit Schreiben 30. April 2019 und vom 27. Mai 2020 jeweils eine Neu-Masseunzulänglichkeit an. Mit Beschluss vom 04. Juni 2020 ordnete das Insolvenzgericht an, dass die Zwangsvollstreckung von Massegläubigern wegen Masseverbindlichkeiten unzulässig sei.

Im April 2020 bestanden aufgrund vorangegangener unwirksamer Beendigungskündigungen neben sachgrundbefristeten Arbeitsverhältnissen weitere 837 nicht aus anderen Gründen beendete, den ehemaligen Stationen Berlin-Tegel, Köln-Bonn, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Leipzig/Halle, München, Nürnberg, Paderborn/Lippstadt und Stuttgart zugeordnete Arbeitsverhältnisse des Kabinen-, Cockpit- und Bodenbereichs. Der Beklagte entschloss sich, den Betrieb nicht wieder zu eröffnen und die Kündigungen zu wiederholen. Wie auch gegenüber der PV Cockpit und dem Betriebsrat Boden Nord leitete der Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2020 gegenüber der PV Kabine das Konsultationsverfahren nach § 17 Absatz 2 KSchG für zunächst 770 nicht sachgrundbefristete Arbeitsverhältnisse ein (wegen des Inhaltes des Einleitungsschreibens wird auf die Anlage 26 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen). Mit Schreiben vom 20. Mai 2020 informierte er die PV Kabine darüber, dass aufgrund eines EDV-Fehlers von den bisher übermittelten Listen nicht umfasste 66 weitere Arbeitsverhältnisse gekündigt werden sollten (wegen des Inhaltes des Schreibens vom 20. Mai 2020 wird auf die Anlage 27 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen). Mit Schreiben vom 04. Juni 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 28 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) übermittelte die PV Kabine dem Beklagten einen Fragenkatalog, auf den der Beklagte mit Schreiben vom 17. Juni 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 29 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) antwortete. In einer Telefonkonferenz vom 02. Juli 2020 erörterten der Beklagte und die PV Kabine anschließend Möglichkeiten zur Vermeidung oder Beschränkung von Massenentlassungen sowie zur Milderung ihrer Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen. Daneben wurde auch der Fragenkatalog der PV Kabine besprochen, die Massesituation im Insolvenzverfahren dargestellt und die Möglichkeit erörtert, ein Insolvenzsozialplan nach § 123 Insolvenzordnung (InsO) abzuschließen. Die PV Kabine vertrat die Auffassung, es habe ein Betriebs(teil)übergang stattgefunden und bat dazu um Übermittlung einer Liste aller von der Entlassung betroffenen Beschäftigten, die im Wet-Lease der Schuldnerin tätig waren. Der Beklagte fasste den Inhalt der Telefonkonferenz mit Schreiben vom 10. Juli 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 30 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige verwiesen) zusammen, ging auf weitere Fragen der PV Kabine ein und teilte mit, es habe sich ergeben, dass für vier Cockpit- und drei Kabinenbeschäftigte falsche Stationszuordnungen mitgeteilt worden seien, die er korrigierte. Die PV Kabine teilte mit Schreiben vom 20. Juli 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 31 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) mit, dass nach ihrer Auffassung die bisher gestellten Fragen unzureichend beantwortet seien. Der Beklagte trat dem mit Schreiben vom 27. Juli 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 32 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) entgegen, fügte eine Liste aller von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer im Wet-Lease bei und bot der PV Kabine eine abschließende Erörterung am 03. oder 04. August 2020 an. Nachdem die PV Kabine darauf nicht reagiert hatte, teilte der Beklagte ihr mit Schreiben vom 05. August 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 33 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) mit, dass es bei den beabsichtigten Kündigungen bleiben müsse und er das Konsultationsverfahren für beendet erkläre. Die PV Kabine trat dem Schreiben vom 07. August 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 34 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) entgegen, da sie nicht ausreichend informiert sei.

Mit Schreiben vom 07. August 2018 nebst Anlagen (wegen des Inhaltes des Schreibens und der Anlagen wird auf die Anlage 35 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) wiederholte der Beklagte die bereits im Konsultationsverfahren erklärte Absicht zum erneuten Ausspruch von Kündigungen unter anderem gegenüber der unter der laufenden Nummer 267 in der Anlage 2 aufgeführten klagenden Partei und erklärte unter „IX. Sonstiges“, für die PV Kabine bestünden innerhalb der gesetzlichen/tariflichen Anhörungsfrist verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Die PV Kabine widersprach mit Schreiben vom 13. August 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 37 der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) vorsorglich „gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 TVPV“ und wandte zugleich ein, nicht ausreichend informiert worden zu sein. Mit Schreiben vom 17. August 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage 38 A der als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 verwiesen) erklärte der Beklagte, es handele sich bei dem Schreiben vom 07. August 2020 um die förmliche Einleitung des Anhörungsverfahrens, vorsorglich erfolge eine ergänzende Personalratsanhörung. Die PV Kabine nahm hierzu mit Schreiben vom 21. August 2020 (wegen des Inhaltes wird auf die Anlage B 6 verwiesen) Stellung.

Mit am 19. August 2020 eingegangenem Schreiben vom 18. August 2020, bestehend aus dem ausgefüllten Formular „Entlassungsanzeige“, der „Anlage 0“, einem 34-seitigen Anschreiben und 52 Anlagen (wegen des Inhaltes dieser Dokumente wird auf die Anlage B 2 verwiesen) erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine Massenentlassungsanzeige für 358 der ehemaligen Station Düsseldorf zugeordnete Beschäftigte des Kabinen- und Cockpitbereichs, deren Arbeitsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig beendet worden waren. Darin machte er unter anderem Angaben zum Verlauf des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine. Hinsichtlich weiterer Beschäftigter erstattete er Massenentlassungsanzeigen bei den Arbeitsagenturen Berlin Nord, Frankfurt am Main, Freising, Hamburg, Nürnberg und Oschatz.

Mit der klagenden Partei am 29. August 2020 Schreiben vom 27. August 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei ordentlich zum 30. November 2020 (Blatt 60 ff der Akte).

Zum Stichtag 01. Dezember 2020 bestanden inklusive sachgrundbefristeter Abwicklungsarbeitsverhältnisse noch 405 nicht rechtskräftig beendete Arbeitsverhältnisse von Cockpit-, Kabinen- und Bodenbeschäftigten. Aufgrund einer aus seiner Sicht weiterhin nicht geklärten Rechtslage entschloss sich der Beklagte, vorsorglich erneut Kündigungen auszusprechen. Wie auch gegenüber der PV Cockpit und dem Betriebsrat Boden Nord leitete er mit Schreiben vom 27. November 2020 gegenüber der PV Kabine erneut ein Konsultationsverfahren ein (wegen des Inhaltes dieses Einleitungsschreibens wird auf die Anlage 17 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021 verwiesen). Wegen des schriftlich geführten Austausches zwischen dem Beklagten und der PV Kabine wird auf den Inhalt des Schreibens der PV Kabine vom 12. Dezember 2020 (Anlage 19 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben des Beklagten vom 22. Dezember 2020 (Anlage 20 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben der PV Kabine vom 04. Januar 2021 (Anlage 21 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben des Beklagten vom 11. Januar 2021 (Anlage 22 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben der PV Kabine vom 16. Januar 2021 (Anlage 23 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben des Beklagten vom 18. Januar 2021 (Anlage 24 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021), das Schreiben der PV Kabine vom 20. Januar 2021 (Anlage 27 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021) sowie das Schreiben des Beklagten vom 21. Januar 2021 (Anlage 28 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021) verwiesen. Ferner führten die Verhandlungsparteien am 20. Dezember 2020 eine Videokonferenz durch, deren Inhalt der Beklagte aus seiner Sicht in seinem Schreiben vom 22. Dezember 2020 zusammenfasste. Zuletzt in seinem Schreiben vom 18. Januar 2021 erklärte der Beklagte das Konsultationsverfahren mit Ablauf des 18. Januar 2021 für beendet. Mit Schreiben an die PV Kabine vom 19. Januar 2012 und dazu gehörenden Anlagen (Anlage 25 der als Anlage B 13 zur Gerichtsakte gereichten Massenentlassungsanzeige vom 25. Januar 2021) hörte der Beklagte diese zum Ausspruch von Kündigungen gegenüber Kabinenbeschäftigten, darunter die klagende Partei, an. Die PV Kabine widersprach mit Schreiben vom 25. Januar 2021 (Anlage B 16). Mit am 26. Januar 2021 eingegangenem Schreiben vom 25. Januar 2021 (Anlage B 13) erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eine Massenentlassungsanzeige für 137 der ehemaligen Station Düsseldorf zugeordnete Beschäftigte des Kabinen- und Cockpitbereichs, deren Arbeitsverhältnisse zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig beendet worden waren. Hinsichtlich weiterer Beschäftigter erstattete er Massenentlassungsanzeigen bei den Arbeitsagenturen Berlin Nord, Frankfurt am Main und Freising.

Mit der klagenden Partei am 30. Januar 2021 zugegangenem Schreiben vom 28. Januar 2021 (Blatt 176 ff der Akte) kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis nochmals vorsorglich ordentlich zum 30. April 2021.

Mit der am 16. September 2020 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage und einer am 11. Februar 2021 eingegangenen Klageerweiterung hat die klagende Partei die Unwirksamkeit beider Kündigungen, Schadensersatz sowie hilfsweise einen Nachteilsausgleich und Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, es habe infolge eines Übergangs der Wet-Lease Operation der Schuldnerin auf andere Flugunternehmen keine vollständige Betriebsstilllegung gegeben, weshalb es seinerzeit einer vorherigen Sozialauswahl bedurft hätte, die die Schuldnerin jedoch unterlassen habe. Die Kündigung vom 27. August 2020 sei zudem infolge eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Konsultationsverfahrens sowie einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige unwirksam. Auch sei die PV Kabine zu ihr nicht ordnungsgemäß angehört worden. § 2 Absatz 2 TV Pakt werde entgegen der Auffassung des Beklagten nicht durch § 113 InsO verdrängt.

Die klagende Partei hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 29. August 2020 nicht aufgelöst worden ist;

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Schadenersatz einen Betrag zu zahlen der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 4.377,24 Euro nicht unterschreiten sollte.

3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 4377, 24 Euro nicht unterschreiten sollte

4. hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Flugbegleiterin weiter zu beschäftigen.

5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 2021 nicht aufgelöst ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgetragen, er habe das Konsultationsverfahren vor Ausspruch beider Kündigungen mit der PV Kabine rechtzeitig eingeleitet, dieser die notwendigen Informationen zukommen lassen und mit ihr zielführende Verhandlungen über die Verhinderung oder Einschränkung der geplanten Massenentlassungen beziehungsweise der Milderung ihrer Folgen geführt. Im Rahmen seiner Beurteilungskompetenz habe er die Konsultationsverhandlungen sodann für beendet gehalten und die PV Kabine jeweils ordnungsgemäß zu den Kündigungen angehört. Die Massenentlassungsanzeigen habe er jeweils bei der für die ehemalige Station Düsseldorf zuständigen Arbeitsagentur einreichen müssen und habe dies ordnungsgemäß getan. Aufgrund der bereits umgesetzten Betriebsstilllegung seien die Kündigungen auch sozial gerechtfertigt, einen Betriebsteilübergang habe es hinsichtlich der Wet-Lease-Operation nicht gegeben. Vorschriften des TV Pakt seien im Fall der Betriebsstilllegung nicht einschlägig, Schadensersatz oder ein Nachteilsausgleich seien nicht geschuldet.

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2020 hat sich das Arbeitsgericht Düsseldorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen.

Mit Urteil vom 21. Juni 2021, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags im Übrigen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag zu 1. sei bereits unschlüssig, weil das Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin nach Behauptung der klagenden Partei bei Ausspruch der Kündigung vom 27. August 2020 wegen eines vorhergehenden Betriebsüberganges nicht mehr bestanden habe. Jedenfalls aber sei ihr Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung mit Ablauf des 30. November 2020 aufgelöst worden. Aufgrund der bereits Ende 2017 erfolgten Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin sei sie gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt. Mangels eines Betriebs(teil)übergangs sei sie auch nicht nach § 613 a Absatz 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam. Das Konsultationsverfahren nach § 17 Absatz 2 KSchG habe der Beklagte mit der PV Kabine ordnungsgemäß durchgeführt, deren auf einen in der Vergangenheit liegenden Betriebsübergang bezogenen Fragen habe er nicht beantworten müssen, weil ein solcher für Jahre später stattfindende Entlassungen irrelevant sei. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen § 2 TV Pakt, der im Fall der vollständigen Betriebsschließung nicht einschlägig sei. Der Anspruch auf Schadensersatz scheide mangels anspruchsbegründender Tatsachen ebenso aus wie der Anspruch auf einen Nachteilsausgleich, weil der Beklagte den Verhandlungsanspruch der PV Kabine nicht verletzt habe, bevor er die Kündigungen gegenüber dem Kabinenpersonal ausgesprochen habe. Der Weiterbeschäftigungsanspruch sei nicht zur Entscheidung angefallen, der Antrag zu 5. sei unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei bereits vor Ausspruch der damit angegriffenen Kündigung durch die Kündigung vom 27. August 2020 beendet worden sei.

Gegen dieses der klagenden Partei am 28. Juni 2021 zugestellte Urteil richtet sich, beschränkt auf die Abweisung der Anträge zu 1. und 5., ihre am 16. Juli 2021 eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. September 2021 am 30. August 2021 begründete Berufung. Sie trägt vor, von einer Unschlüssigkeit des Klagevortrages habe das Arbeitsgericht nicht ausgehen dürfen, die klagende Partei habe lediglich die Rechtsauffassung geäußert, dass ein Betriebsteilübergang stattgefunden habe, aus ihrem Klagevortrag habe sich aber nicht ergeben, dass sie einem übertragenen Betriebsteil angehört habe oder diesem hätte angehören müssen. Tatsächlich dürfe davon auszugehen sein, dass es im 2017 oder 2018 nicht zu einem Betriebsteilübergang gekommen sei. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht ferner das am 17. April 2020 eingeleitete Konsultationsverfahren für ordnungsgemäß gehalten, entgegen § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 KSchG habe der Beklagte der PV Kabine den Zeitraum nicht genannt, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht zudem keine Feststellungen zur Massenentlassungsanzeige getroffen, diese habe der Beklagte nach Stilllegung des Flugbetriebes nicht bei der Arbeitsagentur in Düsseldorf einreichen und auf die dort ehemals stationierten Beschäftigten beschränken dürfen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Absatz 1 Satz 1 KSchG sei die Arbeitsagentur für das Massenentlassungsanzeigeverfahren zuständig, in deren Bezirk der Betrieb liege, dem die betroffenen Beschäftigten zum Zeitpunkt der geplanten Entlassungen angehörten. Nach Stilllegung des Flugbetriebes habe es nur noch einen im Bezirk der Arbeitsagentur Berlin gelegenen Betrieb im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG (im Folgenden: MERL) gegeben, dem alle verbliebenen Beschäftigten angehört hätten. Allenfalls sei es auch zulässig gewesen, die Massenentlassungsanzeige unter Hinweis auf die bereits vollzogene Betriebsstilllegung für alle verbliebenen Beschäftigten gleichzeitig bei allen für die frühere Betriebsstätte möglicherweise zuständigen Arbeitsagenturen einzureichen oder aber eine Sammelanzeige gemäß den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten. Ferner habe der Beklagte unter Ziffer 41 des Anzeigeformulars widersprüchliche Angaben zur Stellungnahme der Beschäftigtenvertretungen gemacht. Die Anhörung der PV Kabine zu den Kündigungen sei fehlerhaft, denn der Beklagte habe darin fälschlich behauptet, für die vormals in Köln stationierten Beschäftigten keine Massenentlassungsanzeige erstatten zu müssen, was sich aufgrund der einheitlichen Anhörung auch auf die Kündigungen gegenüber der klagenden Partei auswirke. Weiterhin habe das Arbeitsgericht die Kündigungen auch gemäß § 2 Absatz 2 TV Pakt für unwirksam halten müssen. Schließlich habe sich der Beklagte, der hinsichtlich der Nichtwiedereröffnung des Flugbetriebes eine neue unternehmerische Entscheidung getroffen habe, sich hinsichtlich der sozialen Rechtfertigung der Kündigungen nicht auf die Stilllegungsentscheidung der Schuldnerin aus 2017 berufen dürfen.

Die klagende Partei beantragt,

auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Juni 2021, Az. 23 Ca 14289/20, wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und dem Beklagten beziehungsweise der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. August 2020 nicht aufgelöst worden ist;

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen der Klägerin und dem Beklagten beziehungsweise der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 2021 nicht aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, er habe der PV Kabine im Einleitungsschreiben zum Konsultationsverfahren vom 17. April 2020 den frühesten Zeitpunkt der Vornahme der Entlassungen und auch den spätesten Zeitpunkt mitgeteilt und damit dem § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 KSchG genügt. Das Konsultationsverfahren sei rechtzeitig eingeleitet und vor Einreichung der Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 beendet worden, die PV Kabine sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Massenentlassungsanzeige sei jeweils bei der für die ehemalige Station in Düsseldorf zuständigen Arbeitsagentur einzureichen gewesen, hinsichtlich deren Zuständigkeit seien die Grundsätze zur Feststellung der Schwellenwerte nach erfolgter Betriebsstilllegung heranzuziehen, wonach ein Rückblick auf den Zeitpunkt der letzten normalen Betriebstätigkeit geboten sei. Aufgrund der Zerschlagung der Schuldnerin hätte sich nach der Stilllegung des Flugbetriebs kein geänderter Betrieb herausbilden können, auf dessen Sitz nunmehr abgestellt werden könne. § 2 Absatz 2 TV Pakt sei vom Arbeitsgericht zu Recht nicht für einschlägig gehalten worden, auch könne der klagenden Partei nicht darin gefolgt werden, dass die streitgegenständlichen Kündigungen auf einer unternehmerischen Entscheidung des Beklagten beruhten.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der klagenden Partei vom 30. August 2021 (Blatt 321 bis 356 der Akte) und vom 01. Dezember 2021 (Blatt 404 bis 410 der Akte), des Beklagten vom 05. November 2021 (Blatt 372 bis 392 der Akte), vom 26. November 2021 (Blatt 399 bis 401 der Akte) und vom 02. Dezember 2021 (Blatt 413 bis 416 der Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09. Dezember 2021 (Blatt 419 bis 420 der Akte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist gemäß §§ 8 Absatz 2, 64 Absatz 2 Buchstabe c) und Absatz 6, 66 Absatz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 519 Zivilprozessordnung (ZPO) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden und wurde gemäß §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 520 Absatz 3 ZPO ausreichend begründet. Soweit die klagende Partei in ihrem beim Arbeitsgericht gestellten Antrag ein „zwischen den Parteien“ bestehendes Arbeitsverhältnis anführt, lässt sich ihrem Sachvortrag mit einer dem § 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO genügenden Bestimmtheit entnehmen, dass sie damit das zwischen ihr und der Schuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis meint. Das gilt auch, soweit sie in der Berufungsinstanz sodann auf das „zwischen der Klägerin und dem Beklagten beziehungsweise der A. Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis“ Bezug nimmt. Eine Klageänderung nach § 533 ZPO liegt nicht vor.

II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Kündigung vom 27. August 2020 zu Recht für wirksam gehalten. Über den Berufungsantrag zu 2. ist nicht zu entscheiden.

1. Die klagende Partei hat mit ihrem in der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und dem Beklagten im Sinne von § 167 ZPO am 05. Oktober 2020 demnächst zugestellten Klageschrift vom 16. September 2020 wiedergegebenen Antrag zu 1. innerhalb der sich aus den §§ 4 Satz 1 des gemäß §§ 1, 23 Absatz 1 Satz 2 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei anwendbaren ersten Abschnitts des KSchG ergebenden Frist trotz seines anderen und im Tatbestand des angegriffenen Urteils wiederum abweichend wiedergegebenen Wortlautes die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. August 2020 geltend gemacht. Denn in der Klagebegründung geht die klagende Partei ausschließlich auf eine mit Schreiben vom 27. August 2020 ausgesprochene vorsorgliche Kündigung ein, die sie als Anlage K 4 vorlegt und deren Zugang sie auf den 29. August 2020 datiert. Daher kann Antrag zu 1. aus der Klageschrift, wie im Berufungsantrag zu 1. formuliert, als gegen die Kündigung vom 27. August 2020 gerichtet angesehen werden.

2. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 17 Absatz 2 KSchG infolge einer fehlerhaften Unterrichtung und Konsultation der PV Kabine unwirksam.

a) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Absatz 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Absatz 1, Absatz 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Das Konsultationsverfahren, das auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen ist, steht selbständig neben dem Anzeigeverfahren. Beide Verfahren dienen in unterschiedlicher Weise der Erreichung des mit dem Massenentlassungsschutz verfolgten Ziels. Jedes dieser beiden Verfahren stellt ein eigenständiges Wirksamkeitserfordernis für die im Zusammenhang mit einer Massenentlassung erfolgte Kündigung dar (BAG, Urteil vom 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 –, BAGE 167, 102-121, Randnummer 40).

b) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine nach § 17 Absatz 2 KSchG vor Ausspruch der Kündigung vom 27. August 2020 ordnungsgemäß eingeleitet, durchgeführt und abgeschlossen.

aa) Das Konsultationsverfahren soll dem Betriebsrat Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Die Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung soll es dieser ermöglichen, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassungen zu unterbreiten. Die Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung müssen sich dabei nicht auf die Vermeidung oder Beschränkung der Massenentlassungen beziehen. Sie können auch die Möglichkeit betreffen, die Folgen solcher Entlassungen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern. Dabei kann es sich insbesondere um Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulungen der entlassenen Arbeitnehmer handeln (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 752/11 –, Randnummer 42, juris). Welche Informationen dazu erforderlich sind, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Hat der Betriebsrat, etwa durch Verhandlungen über den Interessenausgleich oder auf andere Weise, schon Kenntnisse über die Umstände der beabsichtigten Massenentlassung erlangt, genügen auch schlagwortartige Informationen. Die danach erforderlichen Auskünfte sind seitens des Arbeitgebers zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen, er hat sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen. Die Unterrichtungspflicht kann daher flexibel gehandhabt werden, jedoch darf der Arbeitgeber noch keine unumkehrbaren Maßnahmen getroffen und damit noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen haben (BAG, Urteil vom 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 –, BAGE 167, 102-121, Randnummern 41 und 42). Auch wenn § 17 Absatz 2 KSchG nur von „Betriebsräten“ spricht, ist er unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass er in Regelungsbereichen, in denen das BetrVG nicht gilt und daher kein Betriebsrat gewählt werden kann, aber ein dem Betriebsrat vergleichbares Gremium vorgesehen ist, das die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber vertritt, die Beteiligung dieses Gremiums anordnet (BAG, Urteil vom 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 –, BAGE 169, 362-403, Randnummer 63).

bb) Ein Betriebsrat ist für das Kabinenpersonal der Schuldnerin gemäß § 117 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht gebildet worden. An seine Stelle tritt im Hinblick auf das in § 17 Absatz 2 KSchG geregelte Verfahren die gemäß § 117 Absatz 2 Satz 1 BetrVG auf der Grundlage des TVPV Kabine gebildete PV Kabine. Diese übte für das Kabinenpersonal auch nach Untergang des Flugbetriebes durch Stilllegung zur Wahrnehmung der damit im Zusammenhang stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, darunter die Beteiligung im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach § 17 Absatz 2 KSchG bei Durchführung aus der Stilllegung resultierender Massenentlassungen, gemäß § 17 TVPV Kabine ein Restmandat aus.

cc) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren rechtzeitig, nachdem er die Absicht gefasst hatte, rechtskräftig noch nicht beendete Arbeitsverhältnisse vorsorglich erneut zu kündigen, durch Unterrichtung der PV Kabine mit Schreiben vom 17. April 2020 nach § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG eingeleitet. Den vorsorglich ins Auge gefassten Kündigungen lag seine Absicht zugrunde, es bei der bereits erfolgten Betriebsstilllegung zu belassen. In diesem Planungsstadium genügt es, das Konsultationsverfahren vor Ausspruch der das Festhalten an dem Stilllegungsentschluss exekutierenden erneuten Kündigungen einzuleiten. In einem solchen Fall muss nicht etwa zunächst der Betrieb „wieder eröffnet“ werden (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 –, BAGE 157, 1-22, Randnummer 38).

dd) Mit Schreiben vom 17. April 2020 hat der Beklagte der PV Kabine die in § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummern 1 bis 6 KSchG aufgeführten Informationen zukommen lassen. Dies gilt auch für die in § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorgeschriebene Auskunft. Danach hat der Arbeitgeber der Beschäftigtenvertretung den Zeitraum zu nennen, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen. Ihr soll hierdurch eine Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der Schwellenwerte des § 17 Absatz 1 KSchG eröffnet werden (NK-ArbR/Burkhard Boemke, 1. Auflage 2016, KSchG § 17 Randnummer 78). Diese Auskunft hat der Beklagte unter Berücksichtigung der ihm bei der Auskunft zur Verfügung stehenden Erkenntnisse erteilt. Er hat angegeben, dass die Entlassungen ab Ende des Monats Mai 2020 erfolgen sollen und hat damit den frühestmöglichen Zeitpunkt benannt. Da er aber verpflichtet war, vor Ausspruch der Kündigungen eine Reihe von Verfahren abzuschließen, wozu auch das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine sowie deren Anhörung und in Einzelfällen behördliche Verfahren zur Einholung erforderlicher Zustimmungen gehörten, konnte er den in jedem Falle spätesten Zeitpunkt nicht kalendarisch benennen, sondern durfte auf den Abschluss der jeweils erforderlichen Verfahren verweisen. Das Konsultationsverfahren hatte er auf alle für eine Kündigung in Betracht kommenden Beschäftigten zu erstrecken, auch auf die Beschäftigten, deren Kündigung einer behördlichen Zustimmung bedurfte (BAG, Urteil vom 26. Januar 2017 – 6 AZR 442/16). Dass er nach den genannten, in der Zukunft liegenden und kalendarisch nicht bestimmbaren Ereignissen in jedem Falle ohne weiteres die Kündigungen aussprechen werde und insbesondere danach keinen sukzessiven Ausspruch von Kündigungen plante, konnte die PV Kabine dem Schreiben und den ihr bekannten Umständen der geplanten vorsorglichen „Kündigungswelle“ entnehmen. Irgendwelche Umstände, die den Beklagten unabhängig von der Dauer in Einzelfällen erforderlicher Verfahren zum sukzessiven Ausspruch der vorsorglichen Kündigungen hätten veranlassen können, waren für die PV Kabine nicht ersichtlich. Sie konnte also nach Maßgabe der auch dem Beklagten allein zur Verfügung stehenden Erkenntnisse hinsichtlich der Dauer einzelner Verfahren einschätzen, ob es bei Vornahme der Entlassungen „nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens sowie unter Beachtung der sonstigen Formalien, u.a. der Personalratsanhörung, bei bestehendem Sonderkündigungsschutz nach Zustimmung/Zulässigkeitserklärung des zuständigen Fachamtes etc.“ jeweils zum Erreichen der Schwellenwerte kommen werde, oder nicht.

ee) Der Beklagte durfte der PV Kabine im Verlauf des mit dem 17. April 2020 eingeleiteten Konsultationsverfahrens nachträglich erlangte Erkenntnisse über aufgrund eines EDV-Fehlers zunächst nicht erfasste weitere 66 bislang unbeendete Arbeitsverhältnisse, darunter 27 von Kabinenbeschäftigten und 2 von Cockpitbeschäftigten der Station Düsseldorf, mit Schreiben vom 20. Mai 2020 nachmelden und damit die Unterrichtung gemäß § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummern 2 und 3 KSchG vervollständigen. Auch von diesem Zeitpunkt ab gerechnet hat er die Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 nicht unter Verletzung der Frist des § 17 Absatz 3 Satz 3 KSchG erstattet. Auch die im Schreiben vom 17. April 2020 enthaltenen Angaben zu § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 KSchG wurden dadurch nicht nachträglich fehlerhaft, denn nach wie vor konnten und sollten Entlassungen nicht vor Ende Mai 2020 und erst nach Beendigung des Konsultationsverfahrens erfolgen, welches aufgrund der in § 17 Absatz 3 Satz 3 KSchG enthaltenen Frist auch für die PV Kabine nachvollziehbar nunmehr frühestens mit dem 03. Juni 2020 beendet sein konnte. Gleiches gilt, soweit der Beklagte der PV Kabine mit Schreiben vom 10. Juli 2020 (Anlage 30 zur Massenentlassungsanzeige) auf Seite 6 unter anderem eine abweichende Stationszuordnung dreier Kabinenbeschäftigter mitteilte, wovon auch die Station Düsseldorf betroffen war. Da dies wiederum im Rahmen der nach § 17 Absatz 2 Satz 1 Nummern 2 und 3 KSchG erforderlichen Angaben einschlägig war, war für die PV Kabine nachvollziehbar, dass keine Entlassungen vor Ablauf des 24. Juli 2020 erfolgen würden. Dass der Beklagte das Konsultationsverfahren mit der PV Kabine noch nicht für abgeschlossen hielt, ging für diese daraus hervor, dass er im Schreiben vom 10. Juli 2020 weitere Erörterungen in Aussicht stellte.

ff) Auch im Übrigen hat der Beklagte der PV Kabine alle zweckdienlichen Auskünfte erteilt. Dies gilt für die Frage, welche Möglichkeiten zur Milderung der Entlassungsfolgen in Anbetracht der mehrfach angezeigten Masseunzulänglichkeiten aus Sicht des Beklagten zur Verfügung standen und warum aus seiner Sicht die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ausgeschlossen war. Die von der PV Kabine verlangten Auskünfte im Zusammenhang mit der damaligen ACMIO-Operation und einer Ende 2017 erfolgten Übertragung von Flugzeugen und Flugrechten auf andere Fluggesellschaften durfte der Beklagte, soweit er sie nicht beantwortete, als nicht zweckdienlich ansehen. Der Vorbereitung einer Beratung über die Vermeidung der im Jahr 2020 geplanten vorsorglichen Kündigungen oder über die Folgenmilderung konnten sie nicht dienen. Unabhängig davon, dass es 2017 nach übereinstimmender Auffassung der Parteien nicht zu einem Betriebsteilübergang kam, für den diese Fragen relevant sein könnten, würde ein solcher auf die im Jahr 2020 geplanten Entlassungen keine Auswirkungen haben können. Unterstellt man, dass Beschäftigte eines 2017 auf ein anderes Flugunternehmen übertragenen Betriebsteils vom Beklagten im April 2020 rechtsfehlerhaft als weiterhin in einem Arbeitsverhältnis mit der Schuldnerin stehend angesehen wurden und deshalb nochmals gekündigt werden sollten, ginge eine solche Kündigung ins Leere. Die Vermeidung von Entlassungen, die rechtlich ohnehin keine Wirksamkeit entfalten können, können nicht Gegenstand der Beratungen nach § 17 Absatz 2 KSchG sein.

gg) Der Beklagte hat mit der PV Kabine ergebnisoffen beraten und diese aufgefordert, eigene Vorschläge sowohl hinsichtlich der Vermeidung von Entlassungen, als auch zur Milderung von deren Folgen zu machen. Dass die PV Kabine meinte, keine konstruktiven Vorschläge zur Vermeidung der Entlassungen machen zu können, weil sie unzutreffend annahm, nicht ausreichen unterrichtet worden zu sein, ist unerheblich.

hh) Weil die PV Kabine durchweg unzutreffend darauf beharrte, nicht ausreichend informiert worden zu sein und deshalb keine weiteren zielführenden Vorschläge machte, durfte der Beklagte spätestens nach Scheitern einer letztmalig für den 03./04. August 2020 vergeblich angebotenen abschließenden Erörterung annehmen, dass das Konsultationsverfahren abgeschlossen war. Das Konsultationsverfahren ist zwar nicht bereits schon mit der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats als abgeschlossen. Der Arbeitgeber wird vielmehr eine Reaktion des Betriebsrats auf die abschließende Unterrichtung erbitten und abwarten müssen. Er darf im Rahmen der ihm zukommenden Beurteilungskompetenz den Beratungsanspruch des Betriebsrats aber dann als erfüllt ansehen, wenn entweder die Reaktion, die auf die „finale“ - den Willen zu möglichen weiteren Verhandlungen erkennen lassende - Unterrichtung erbeten worden war, nicht binnen zumutbarer Frist erfolgt oder sie aus seiner - des Arbeitgebers - Sicht keinen Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen bietet (BAG, Urteil vom 26. Februar 2015 – 2 AZR 955/13 –, BAGE 151, 83-93, Randnummer 29). Dass keine weiteren zielführenden Verhandlungen mehr zu erwarten waren, durfte der Beklagte bereits aufgrund der Stellungnahme der PV Kabine mit Schreiben vom 20. Juli 2020 annehmen, in dem sie ohne gerechtfertigten Anlass weiterhin behauptete, nicht ausreichend informiert worden zu sein. Erst recht durfte er dies tun, nachdem die Gelegenheit zu abschließenden Erörterungen am 03. oder 04. August 2020 nicht wahrgenommen worden waren.

3. Der Beklagte hat die PV Kabine mit am 10. August 2020 zugegangenem Schreiben vom 07. August 2020 gemäß § 74 Absatz 1 TVPV Kabine ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung vom 27. August 2020 angehört. Dieses Schreiben durfte die PV Kabine jedenfalls im Hinblick auf die Ausführungen unter „IX. Sonstiges“ und die dort aufgeführten Fristen und Reaktionsmöglichkeiten nicht anders verstehen als die Anhörung nach § 74 Absatz 1 TVPV Kabine. Darin hat der Beklagte ihr nochmals die bereits im Konsultationsverfahren erläuterten Kündigungsgründe dargelegt unter der laufenden Nummer 267 der Anlage 2 die klagende Partei als der eine mit der Frist des § 113 InsO zum 30. November 2020 zu kündigenden Beschäftigten benannt. Angaben dazu, dass er für Beschäftigte bestimmter Stationen keine Massenentlassungsanzeige erstatten werde, hat der Beklagte in dem Schreiben nicht gemacht. Soweit er die PV Kabine anderweitig darüber unterrichtete, für vormals in Köln stationierte Beschäftigte keine Massenentlassungsanzeige zu erstatten, ist dies für die vormals in Düsseldorf stationierte klagende Partei irrelevant und entspräche im Übrigen der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung. Innerhalb der Wochenfrist des § 74 Absatz 2 Satz 1 TVPV Kabine hat die PV Kabine mit Schreiben vom 13. August 2020 abschließend Stellung genommen. Damit war das Anhörungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung vom 27. August 2020 abgeschlossen worden.

4. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist auch nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 17 Absatz 3 KSchG unwirksam. Der Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung mit am 19. August 2020 eingegangenem ausgefülltem Formular, Anschreiben und Anlagen vom 18. August 2020 bei der für den ehemaligen Betrieb der klagenden Partei zuständigen Arbeitsagentur Düsseldorf unter Zuleitung der Mitteilung an die PV Kabine vom 17. April 2020 (§ 17 Absatz 3 Satz 1 KSchG; Anlage 26 zur Massenentlassungsanzeige), unter Angabe der gemäß § 17 Absatz 3 Satz 4 KSchG erforderlichen Informationen, unter Mitteilung der in der Anlage 2 zum Anschreiben enthaltenen Informationen nach § 17 Absatz 3 Satz 5 KSchG und schließlich unter Mitteilung der in § 17 Absatz 3 Satz 3 KSchG vorgesehenen Informationen eine Massenentlassungsanzeige eingereicht.

a) Entgegen der Auffassung der klagenden Partei war die Arbeitsagentur Düsseldorf die für die vorliegende Massenentlassungsanzeige zuständige Arbeitsagentur.

aa) Die Anzeige- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers nach § 17 Absatz 1 bis Absatz 3 KSchG knüpfen an den Betrieb an. In gleicher Weise verfährt Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz i der MERL, den § 17 Absatz 1 Satz 1 KSchG umsetzt. Zentraler Bezugspunkt des Massenentlassungsschutzes ist damit der Betriebsbegriff (BAG, Urteil vom 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 –, BAGE 169, 362-403, Randnummer 31).

bb) Der Betriebsbegriff des Massenentlassungsrechts ist ein unionsrechtlicher Begriff. Er ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich allein von diesem und damit losgelöst von den nationalen Begrifflichkeiten und Rechtsvorschriften auszulegen (BAG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 –, BAGE 170, 244-294, Randnummer 115)

cc) Der vom EuGH sehr weit verstandene Begriff des „Betriebs“ im Sinne der MERL bezeichnet nach Maßgabe der Umstände die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Nicht erforderlich ist, dass die Einheit rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie aufweist. Der Betrieb im Sinne der MERL muss auch keine Leitung haben, die selbstständig Massenentlassungen vornehmen kann. Vielmehr reicht es aus, wenn eine Leitung besteht, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellt (BAG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 –, BAGE 170, 244-294, Randnummer 116). Nach diesem Betriebsbegriff stellte die Station der Schuldnerin am Flughafen Düsseldorf für die klagende den Betrieb im Sinne der MERL und damit des § 17 KSchG dar. Das hat das BAG für das Cockpit- und Kabinenpersonal der Schuldnerin bereits entschieden (BAG 13. Februar 2020 - 6 AZR 146/19 - Randnummern 35 ff.; vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Randnummer 118). Dem unstreitigen Sachvortrag des Beklagten lässt sich vorliegend nichts Anderes entnehmen. Die Station in Düsseldorf verfügte hiernach über eine „Gesamtheit von Arbeitnehmern“ im Sinne der Begriffsbestimmung des Gerichtshofs, bestehend aus dem fliegenden Personal und dem Bodenpersonal, es bestand in Funktion der Area Manager Cockpit und den Regional Manager Kabine dort unabhängig von der zentralen Flugbetriebsleitung eine Leitung, die die ordnungsgemäße Durchführung der Arbeit und die Kontrolle des Gesamtbetriebs der Einrichtungen der Einheit sowie die Lösung technischer Probleme im Sinne einer Aufgabenkoordinierung sicherstellte.

dd) Dieser betrieblichen Einheit gehörte die klagende Partei auch im August 2020 noch an, obwohl die Station Düsseldorf seit über zwei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Einer anderen betrieblichen Einheit wurde sie nicht zugeordnet. Die Zuständigkeit der Arbeitsagentur Düsseldorf, die bis zur Stilllegung des Flugbetriebs gegeben war, kann ohne Zuordnung der Beschäftigten zu neuen betrieblichen Einheiten im Sinne der MERL nicht entfallen, weil es an Umständen fehlt, welche die Zuständigkeit einer anderen Agentur begründen könnten. Der Beklagte erledigt mit den verbliebenen Beschäftigten mit Ausnahme des Abwicklungsteams keine Aufgaben mehr und verfügt insoweit auch nicht über technische Mittel oder eine organisatorische Struktur, welcher die klagende Partei nunmehr zugeordnet sein könnte. Entgegen ihrer Auffassung trifft dies erst Recht auf die Gesamtheit aller noch nicht rechtskräftig ausgeschiedenen Beschäftigten zu, einen „Gesamtbetrieb“ mit Sitz in Berlin, der die Voraussetzungen des Betriebsbegriffs der MERL erfüllt, hat der Beklagte nicht gebildet. Es fehlt also bereits an einem Umstand, der geeignet ist, die einmal begründete Zuständigkeit der Arbeitsagentur Düsseldorf infolge der Zuständigkeit einer anderen Arbeitsagentur wieder entfallen zu lassen. Auf die Überlegungen der klagenden Partei dazu, ob erneut eine unternehmerische Entscheidung getroffen und dass die klagende Partei, anders als im Januar 2018, nunmehr nur vorsorglich gekündigt wurde, kommt es deshalb nicht an. Die Kammer folgt dem Beklagten zudem darin, dass für die Zuständigkeitsfrage im Stilllegungsfall wie bei der Berechnung des Schwellenwertes auf den Zeitpunkt abgestellt werden muss, in dem zuletzt noch eine normale Betriebstätigkeit entfaltet wurde. Andernfalls käme es zu einem Widerspruch bei der Schwellenwertbetrachtung einerseits (ggf. keine Anzeigepflicht für einen ehemaligen Standort) und der Zuständigkeit der Agentur andererseits (Zuständigkeit einer Arbeitsagentur eines anderen Standorts für Beschäftigte von ehemaligen Standorten, an denen der Schwellenwert nicht erreicht ist). Ferner spricht der Zweck des Anzeigeverfahrens, die nach §§ 18, 20 KSchG erforderlichen Entscheidungen an dem Ort zu treffen, dessen örtliche Gemeinschaft von der Massenentlassung betroffen ist, auch nach Betriebsstilllegung dafür, von der Zuständigkeit der am ehemaligen Betriebssitz ansässigen Arbeitsagentur auszugehen. Diese „sozioökonomische“ Betrachtungsweise ist eine typisierende, so dass nicht maßgeblich ist, dass es dazu kommen kann, dass Beschäftigte nach einer Betriebsstilllegung ihren Lebensmittelpunkt woandershin verlegen. Dass ein bereits stillgelegter Betrieb trotz Fortbestandes einer erheblichen Anzahl von Arbeitsverhältnissen nicht wieder eröffnet wird, hat wiederum Auswirkungen auf den Wirtschaftsraum am ehemaligen Betriebsstandort, weil dadurch die rechtliche Beendigung der bislang noch fortbestehenden Arbeitsverhältnisse herbeigeführt wird, welche den örtlichen Arbeitsmarkt erneut zu beeinträchtigen vermag und weil die aufgrund noch bestehender Arbeitsverhältnisse zumindest theoretische Möglichkeit der Wiederaufnahme betrieblicher Tätigkeiten am Standort endgültig entfällt. Soweit die klagende Partei auf BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 –, BAGE 157, 1-22, Randnummer 70 hinweist, folgt aus dieser Entscheidung nicht, dass der Arbeitgeber eines bereits stillgelegten Betriebes im Falle des Ausspruchs vorsorglicher Folgekündigungen für die Beschäftigten aller bisherigen Standorte Massenentlassungen bei allen in Frage kommen Arbeitsagenturen einreichen muss. Nach der Entscheidung ist dies lediglich eine Option. Die klagende Partei übersieht dabei im Übrigen, dass, wäre der Beklagte so vorgegangen, er dann auch nicht für alle verbliebenden Beschäftigten Massenentlassungsanzeigen hätte erstatten müssen, sondern nur für die Beschäftigten derjenigen Standorte, für welche bei rückwirkender Betrachtung die Schwellenwerte des § 17 Absatz 1 KSchG erreicht waren.

b) Irreführende oder widersprüchliche Angaben enthält die Massenentlassungsanzeige nicht. Soweit die klagende Partei auf die Angaben des Beklagten unter Ziffer 41 des Anzeigeformulars verweist, sind diese weder falsch noch widersprüchlich. Aus dem unter Ziffer 41 in Bezug genommenen „Beiblatt“, also dem Anschreiben vom 18. August 2020, wird deutlich, dass der Beklagte nicht behaupten wollte, es lägen im Hinblick auf alle beteiligten Beschäftigtenvertretungen abschließende Stellungnahmen im Sinne des § 17 Absatz 3 Satz 2 KSchG vor. Der Beklagte hat auf den Seiten 16 ff des Anschreibens die Äußerungen der einzelnen Beschäftigtenvertretungen im Konsultationsverfahren dargestellt und in den Anlagen zur Massenentlassungsanzeigen mit eingereicht. Anders als in dem der von der klagenden Partei zitierten Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Fall (BAG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 –, BAGE 170, 244-294, Randnummer 132), in welchem die Agentur sich möglicherweise trotz unzutreffender Angaben im Formular und Anschreiben die zutreffenden Informationen aus den Anlagen hätte verschaffen können, enthält Ziffer 41 des Formulars keine unzutreffenden Angaben, weil aus diesen nicht der Wille zum Ausdruck kommt, der Beklagte wolle abschließende Stellungnahmen aller Beschäftigtenvertretungen behaupten. Vielmehr hat er in zulässiger Weise auf die im Anschreiben und dessen Anlagen wiedergegebenen Einzelheiten Bezug genommen und dadurch, dass er die Frage nach einer „Stellungnahme des Betriebsrates“ mit „ja“ ankreuzte, zum Ausdruck gebracht, dass sich alle Beschäftigtenvertretungen so, wie im Anschreiben und den Anlagen wiedergegeben geäußert haben. Ein Widerspruch zwischen den Angaben unter Ziffer 41 des Anzeigeformulars und den Angaben im Anschreiben ist nicht vorhanden.

c) Zwar hat der Beklagte eine abschließende Stellungnahme der PV Kabine der Massenentlassungsanzeige nicht beifügen können, weil eine solche nicht vorlag. Er hat aber durch Darstellung des Unterrichtungs- und Erörterungsverlaufs sowie unter Beifügung sämtlicher schriftlicher Äußerungen beider Seiten den bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige gegebenen Stand der Beratungen mit der PV Kabine dargelegt, mit den Ausführungen und den eingereichten Anlagen glaubhaft gemacht, diese mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Absatz 2 Satz 1 KSchG vollständig unterrichtet zu haben und damit die Erfordernisse des § 17 Absatz 3 Satz 3 KSchG erfüllt. Dies steht trotz Bestreitens seitens der klagenden Partei aufgrund der vorgelegten und unstreitig der Arbeitsagentur Düsseldorf zugegangenen Anlage B 2 fest.

5. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist auch nicht gemäß § 2 Absatz 2 TV Pakt mangels Abschlusses eines vorherigen Sozialtarifvertrages mit ver.di über einen Interessenausgleich und Sozialplan unwirksam. Aus dem Wortlaut von § 2 Absatz 2 TV Pakt, dem Gesamtzusammenhang der Regelungen dieses Tarifvertrages sowie dem daraus erkennbar werdenden Regelungszweck folgt, dass er den Fall der von der Schuldnerin geplanten und durchgeführten vollständigen Einstellung ihres Geschäftsbetriebs nicht erfasst (BAG, Urteil vom 21. Januar 2020 – 1 AZR 149/19 –, BAGE 169, 243-266, Randnummern 24 - 30). Er kann deshalb weder der Anwendbarkeit von im Falle der vollständigen Betriebseinstellung einschlägigen Bestimmungen des TVPV Kabine entgegenstehen (BAG am angegebenen Ort), noch kann er deshalb in einem solchen Falle Pflichten des Beklagten begründen, deren Verletzung sich auf die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung auswirken könnten.

6. Schließlich steht auch § 1 KSchG der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung nicht entgegen.

a) Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG muss die Kündigung bedingt sein durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung, etwa der zur Stilllegung des gesamten Betriebs, spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt (BAG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 –, BAGE 170, 244-294, Randnummer 90). Eine solche Entscheidung hat die Schuldnerin im Oktober 2017 unstreitig in Eigenverwaltung getroffen und in dieser Funktion in Gestalt der vollständigen Einstellung des Flugbetriebes zum 31. Dezember 2017 umgesetzt. Auch wenn sie danach noch mit der PV Kabine Beratungen nach § 17 Absatz 2 KSchG durchführte, kam es unstreitig zu keinem Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 2017 dazu, dass sie oder der Beklagte als Insolvenzverwalter ernsthaft erwogen, den Flugbetrieb oder auch nur Teile davon wiederaufzunehmen. Ein Betriebsteilübergang, welcher sich auf das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei hätte auswirken können, hat nach übereinstimmender Auffassung der Parteien nicht stattgefunden. Der Sachvortrag enthält dafür auch keine Anhaltspunkte. Damit war und blieb der Bedarf für die Beschäftigung der klagenden Partei auf Dauer entfallen. Die Schuldnerin war im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung auch berechtigt, die Stilllegung des Unternehmens zu beschließen. Der Beklagte durfte sich diese Entscheidung als Grundlage der streitbefangenen Kündigung zu eigen machen (BAG, Urteil vom 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 –, BAGE 170, 244-294, Randnummer 94). Eine neue unternehmerische Entscheidung hat er nach 2017 nicht getroffen. Sein in Reaktion auf mehrere Urteile des BAG im Frühjahr 2020 gefasster Entschluss, gegenüber allen Beschäftigten mit noch nicht rechtskräftig beendeten Arbeitsverhältnissen vorsorglich erneut zu kündigen, stellt keine neue unternehmerische Entscheidung dar. Die Entscheidung zum Ausspruch einer Kündigung an sich ist keine unternehmerische Entscheidung, die ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Absatz 2 KSchG darzustellen vermag.

b) Die klagende Partei trägt keine Tatsachen vor, welche die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl als gemäß § 1 Absatz 3 KSchG sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen. Der Beklagte hat nur die Arbeitskräfte seines „Abwicklungsteams“ von den Kündigungen ausgenommen und beschäftigt diese in befristeten Arbeitsverhältnissen nach dem 30. November 2020 noch. Dass die klagende Partei mit Beschäftigten dieses Teams vergleichbar und sozial schutzwürdiger ist, hat sie nicht dargelegt.

7. Die am 29. August 2020 zugegangene Kündigung vom 27. August 2020 hat das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei somit gemäß § 113 InsO zum 30. November 2020 beendet.

8. Da der Berufungshauptantrag erfolglos bleibt, ist über den Hilfsantrag zu 2. nicht zu entscheiden.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.

IV. Die Kammer lässt die Revision gemäß § 72 Absatz 2 Nummer 1 ArbGG im Hinblick auf ihre Erwägungen zur Zuständigkeit der Arbeitsagentur Düsseldorf zu.