Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.02.2022 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 1130/20 | ECLI | ECLI:DE:SGNEURU:2022:0225.S26AS1130.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Rechtmäßigkeit einer von dem Beklagten gegen die Klägerin geltend gemachten Erstattungsforderung im Rahmen ihrer (ehemaligen) auf der Grundlage des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) bestehenden ehemaligen Leistungsbeziehungen.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes verweist die Kammer gemäß § 136 Abs 2 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf die Ausführungen auf Seite 1 (dort unter „I.“) bis Seite 2 (dort bis vor „II.“) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 03. Dezember 2020, mit dem dieser den Widerspruch der Klägerin vom 13. November 2020 gegen die auf die Regelung des § 34b SGB II gestützte und den Leistungsmonat August 2020 betreffende sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung des Beklagten vom 03. November 2020 als unbegründet zurückwies. Wegen der Begründung des Beklagten verweist die Kammer gemäß § 136 Abs 2 S 1 SGG auf die Ausführungen auf Seite 2 (dort ab „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem letzten Absatz) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 03. Dezember 2020.
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 hat die anwaltlich vertretene Klägerin bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben, mit der sie ihr auf Aufhebung der sie belastenden Erstattungsverfügung gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, eine Erstattung für den Monat August 2020 sei „unzulässig“, da der Beklagte selbst mit Änderungsbescheid vom 02. November 2020 die Leistung für den Monat August 2020 bewilligt habe. Ausführungen des Beklagten zu einem erhöhten Zufluss im Monat September 2020 und der Anrechnung von Einmalzahlungen würden sich weder im Erstattungsbescheid vom 03. November 2020 noch im Widerspruchsbescheid vom 03. Dezember 2020 finden lassen.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
die mit dem Bescheid des Beklagten vom 03. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2020 verlautbarte sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung des Beklagten aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages führt er im Wesentlichen aus, die angegriffenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34b SGB II seien erfüllt. Die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg sei vorrangig verpflichteter Leistungsträger, der Bezug der Altersrente der Klägerin schließe einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II aus. Der Leistungsausschluss greife mit dem Zufluss der Rentenzahlung, hier Ende des Monats August 2020. Aufgrund der verspäteten Zahlung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers sei die zunächst vorgenommene Anrechnung der Rentenzahlung für den Monat August 2020 mangels tatsächlichen Zuflusses zurückgenommen worden. Da der vorrangig verpflichtete Leistungsträger die Rente für August 2020 am 04. September 2020 direkt an die Klägerin gezahlt habe, sei es dem Beklagten nicht mehr möglich gewesen, sich diesen Betrag von dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger erstatten zu lassen. Daher seien für den Monat August 2020 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der Altersrente sowie die verspätete Rentenzahlung für den Monat August 2020 an die Klägerin überwiesen worden. Sie habe damit faktisch doppelte Sozialleistungen erhalten. Da sich die Klägerin im Zeitpunkt des Zuflusses der Rentenzahlung nicht mehr im Leistungsbezug des SGB II befunden habe, sei eine Berücksichtigung nicht mehr möglich gewesen, weshalb die Rückforderung der Doppelleistung nur noch über die Regelung des § 34b SGB II zu realisieren gewesen sei. Auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis hat der Beklagte schließlich noch ergänzt: Mit Schreiben vom 14. Juli 2020 habe der vorrangig verpflichtete Leistungsträger mitgeteilt, dass für die Klägerin ab dem 01. Mai 2020 ein Rentenanspruch mit Rentenbeginn zu diesem Zeitpunkt anerkannt werde. Für die Zeit vom 01. Mai 2020 bis zum 31. Juli 2020 betrage die Nachzahlung 1.825,59 Euro, ab dem 01. August 2020 werde die Rente monatlich laufend zum Monatsende ausgezahlt. Der Beklagte sei aufgefordert worden, einen Erstattungsanspruch baldmöglichst zu beziffern. Mit Schreiben des Beklagten vom 22. Juli 2020 sei der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01. Mai 2020 bis zum 31. Juli 2020 geltend gemacht worden, der vorrangig verpflichtete Leistungsträger sei mit diesem Schreiben positiv davon in Kenntnis gesetzt worden, dass für den genannten Zeitraum Leistungen nach dem SGB II erbracht worden seien. Für den Monat August 2020 habe der vorrangig verpflichtete Leistungsträger danach keine Kenntnis davon gehabt, dass Leistungen nach dem SGB II erbracht worden seien. Die Rente sei daher in Unkenntnis der Leistungen des Beklagten ausgezahlt worden.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 17. Januar 2022 und vom 25. Januar 2022 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte, die Prozessakte zu dem Verfahren mit dem gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 833/20 sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Über die Klage konnte die Kammer gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).
2. Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit der gegen die Klägerin geltend gemachten Erstattungsforderung des Beklagten. Gegenstand des Klageverfahrens sind damit die in der Antragstellung genannten Verfügungen, mit denen der Beklagte von der Klägerin Erstattung fordert.
3. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Wege einer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG), mit der sie die Aufhebung der sie belastenden Erstattungsverfügung des Beklagten – hierbei handelt es um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2020 zu erreichen sucht.
Die so verstandene statthafte Klage ist auch im Übrigen zulässig.
4. Die danach insgesamt zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die gegen den Erstattungsverwaltungsakt des Beklagten, die dieser mit seinem Bescheid vom 03. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Dezember 2020 verlautbart hat, gerichtete (isolierte) Anfechtungsklage ist unbegründet, weil die angegriffenen sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidungen des Beklagten rechtmäßig sind und die Klägerin durch sie nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert wird (vgl 54 Abs 2 S 1 SGG).
a) Die Vorschrift des § 34b Abs 1 S 1 SGB II – in der Fassung, die die genannte Vorschrift in dem streitbefangenen Zeitraum hatte, weil in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 8/20 R, RdNr 21 mwN), was auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt – regelt: Hat ein vorrangig verpflichteter Leistungsträger in Unkenntnis der Leistung durch Träger nach diesem Buch an eine leistungsberechtigte Person geleistet, ist diese zur Erstattung der Leistung des vorrangigen Trägers an die Träger nach diesem Buch verpflichtet. Gemäß § 34b Abs 1 S 2 SGB II besteht der Erstattungsanspruch in der Höhe, in der ein Erstattungsanspruch nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des Zehnten Buches bestanden hätte, wobei die Regelung des § 34c SGB II entsprechend anwendbar ist (§ 34b Abs 1 S 3 SGB II). Der Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der geleistete Betrag als Einkommen nach den Vorschriften dieses Buches berücksichtigt werden kann (§ 34b Abs 2 SGB II). Schließlich verjährt der Erstattungsanspruch vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der vorrangig verpflichtete Leistungsträger die Leistung erbracht hat (§ 34b Abs 3 SGB II).
Die soeben im Einzelnen dargestellten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 34b Abs 1 S 1 SGB II sowie des § 34b Abs 1 S 2 SGB II liegen vor, die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes des § 34b Abs 2 SGB II sind nicht gegeben, der Erstattungsanspruch ist schließlich auch nicht verjährt (§ 34b Abs 3 SGB II). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen sieht die Kammer gemäß § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffende Begründung des Beklagten auf Seite 2 (dort ab dem fünften Absatz unter „II.“) bis Seite 3 (dort bis zu dem dritten Absatz) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 03. Dezember 2020, der die Kammer folgt, die sie für überzeugend hält und die sie sich deshalb – einschließlich des dortigen Verweises des Beklagten auf die der Erstattungsverfügung beigefügten Berechnungen – zur Begründung ihrer eigenen Entscheidung zu eigen macht.
b) Den von der Kammer so in Bezug genommenen zutreffenden Erwägungen des Beklagten hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer auch im Klageverfahren nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt. Soweit die Klägerin einwendet, eine Erstattung sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte gerade mit dem Änderungsbescheid vom 02. November 2020 Leistungen in diesem Umfang bewilligt hätte, kann sie hiermit nicht durchdringen. Denn gerade die Verpflichtung des Beklagten, seine Leistungsbewilligungsverfügungen zu Gunsten der Klägerin mangels Zuflusses der Rentenzahlung im Monat August 2020 zu ändern, rechtfertigt die Anwendung der Regelung des § 34b SGB II, die gerade für Fälle der vorliegenden Art geschaffen worden war (vgl hierzu BT-Drs 18/8041, S 46 f, Zu Nummer 29, dort insbesondere ab dem letzten Absatz auf S 46 bis S 47).
c) Da der Beklagte auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis auch nachvollziehbar dargelegt hat, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger schon mit Blick auf den zeitlichen Ablauf von der Anmeldung des Erstattungsanspruches bis zu dessen Erfüllung sowie mit Blick auf die bis zum 31. Juli 2020 zeitlich begrenzte Anmeldung des Erstattungsanspruches keine Kenntnis von der auch für den Monat August 2020 erfolgten Leistung des Beklagten im Sinne des § 34b Abs 1 S 1 SGB II haben konnte, ist gegen die Rechtmäßigkeit der Erstattungsverfügung auch unter diesem Gesichtspunkt nichts zu erinnern.
d) Weil die Kammer schließlich auch in den von dem Beklagten vorgenommenen Berechnungen, die insbesondere die Vorgaben der Regelung des § 34b Abs 1 S 2 SGB II berücksichtigen, keine sachlichen oder rechtlichen Fehler zu erkennen vermag – solche hat auch die Klägerin selbst nicht vorgebracht – und der Erstattungsanspruch auch noch nicht verjährt ist (§ 34b Abs 3 SGB II), erweist sich die angegriffene sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsentscheidung des Beklagten insgesamt als rechtmäßig, ohne dass die Klägerin hierdurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert wäre (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
5. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten insgesamt einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Klägerin mit ihren Begehren im Klageverfahren vollumfänglich unterlag.
b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (vgl 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).
6. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
7. Die wegen der Unterschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) war nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich sind (§ 144 Abs 2 SGG).