Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 22.02.2022 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 90/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0222.10UF90.21.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 20.10.2021 teilweise abgeändert.
Der Ausspruch, es werde festgestellt, dass sich das vorliegende Verfahren erledigt habe, entfällt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden insoweit nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung.
1.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 23.11.2021, eingegangen am 24.11.2021, - und damit noch innerhalb der Beschwerdefrist - klargestellt, dass ihr Schreiben vom 02.11.2021 als Rechtsmittel sowohl gegen die Feststellung der Erledigung als auch gegen die Kostenentscheidung anzusehen sei.
2.
Die Beschwerde ist begründet, soweit sie sich gegen den Ausspruch der Feststellung der Erledigung richtet.
Der Vater hat im Termin vor dem Amtsgericht vom 15.09.2021, in welchem die Mutter nicht anwesend war, das erstinstanzliche Verfahren ausdrücklich für erledigt erklärt. Die Mutter hat sich trotz Aufforderung durch das Amtsgericht mit Verfügung vom 21.09.2021 zur Frage der Erledigung nicht geäußert. Daraufhin hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss die Feststellung der Erledigung des Verfahrens getroffen und insoweit auf § 91a ZPO Bezug genommen. Dies war unzutreffend.
Das vorliegende Verfahren hat der Vater mit dem Antrag, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind allein zu übertragen, eingeleitet. Mithin handelt es sich um eine Kindschaftssache gemäß §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG. Da folglich keine Familienstreitsache gemäß § 112 FamFG vorliegt, findet nicht etwa gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Vorschrift des § 91a ZPO entsprechende Anwendung. Vielmehr ist § 22 FamFG zu beachten. Gemäß § 22 Abs. 3 FamFG ergeht eine Entscheidung über einen Antrag nicht, soweit sämtliche Beteiligte erklären, dass sie das Verfahren beenden wollen. Im Antragsverfahren – wie vorliegend – kann insoweit eine Unterscheidung zwischen übereinstimmender und einseitiger Erledigungserklärung erfolgen, sodass eine Parallele zu § 91a ZPO besteht (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 22 Rn. 28 ff.). Da die Antragsgegnerin sich der Erledigungserklärung des Antragstellers nicht angeschlossen hat, käme hier eine Feststellung der Erledigung nur in Betracht, wenn sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Der Senat hat bereits durch Verfügung vom 09.12.2021 darauf hingewiesen, dass eine Erledigung des Antrags des Vaters - Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn - im Rechtssinne nicht erfolgt ist. Vor diesem Hintergrund hat der Senat weiter ausgeführt, dass die Erledigungserklärung des Antragstellers bei nicht festgestellter Erledigung auch als Antragsrücknahme im Sinne von § 22 Abs. 1 FamFG ausgelegt werden kann (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O., § § 22 Rn. 30). Hieran hält der Senat fest, zumal der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 10.01.2022 hiergegen keine Einwendungen erhoben hat.
Wenn aber das Verfahren durch Rücknahme des Antrags seine Beendigung gefunden hat, ist für die vom Amtsgericht ausgesprochene Feststellung der Erledigung kein Raum. Dieser Ausspruch in der angefochtenen Entscheidung ist daher aufzuheben.
3.
Die vom Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insoweit bleibt daher die Beschwerde der Antragsgegnerin ohne Erfolg. Der diesbezügliche Ausspruch im angefochtenen Beschluss bleibt bestehen.
Nach Erledigung des Verfahrens auf sonstige Weise oder nach Antragsrücknahme ist nur noch über die Kosten nach §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG zu entscheiden. Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen, § 80 FamFG, den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen.
Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576; Haußleiter, FamFG, 2. Aufl., § 81 Rn. 5; vgl. auch mit Differenzierungen MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, § 81 Rn. 103) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 f; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Weidemann, 2. Aufl., § 2 Rn. 256; BeckOK FamFG/Obermann, 41. Ed. 01.01.2022, FamFG § 69 Rn. 31c; vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833), kann hier dahinstehen. Denn da das Amtsgericht bezüglich der getroffenen Kostenentscheidung allein die angewendete Norm benannt hat, ist eine Überprüfung der Ermessensausübung nicht möglich (vgl. auch OLG Brandenburg – 2. Familiensenat -, Beschluss vom 26.1.2015 - 10 WF 37/14, BeckRS 2015, 17599).
Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat nach eigener Ermessensausübung.
Bedeutung hat hier der allgemeine Grundsatz, dass in familiengerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, besondere Zurückhaltung geboten ist (OLG Brandenburg – 2. Familiensenat -, Beschluss vom 16.01.2014 – 10 WF 221/13, BeckRS 2014, 14887; Beschluss vom 18.7.2005 – 10 WF 177/05, BeckRS 2006, 10015; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 2009, 998; BayObLG, FamRZ 1989, 886, 887; OLG Nürnberg NJW 2010, 1468, 1469; OLG Celle, Beschluss vom 26.4.2010 – 15 UF 40/10 - BeckRS 2010, 13724; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.6.2010 – 16 WF 95/10 -, BeckRS 2010, 14560; OLG München, Beschluss vom 29.8.2012 – 4 WF 915/12, BeckRS 2012, 20138). Der Grundsatz der Zurückhaltung in Familiensachen gründet auf der Annahme, dass die beteiligten Eltern regelmäßig vor allem das Wohl ihres Kindes im Auge haben, unabhängig davon, ob man bei objektiver Betrachtung sämtliche Verhaltensweisen der Eltern oder eines Elternteils immer nachvollziehen kann. Ein weiterer Aspekt, der den Grundsatz der Zurückhaltung rechtfertigt, ist der Umstand, dass Kindschaftssachen oftmals sehr konfliktbehaftet sind und die Verantwortung für eine Zuspitzung der Konflikte regelmäßig nicht bei einem Elternteil allein zu suchen ist. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, die einzelnen Verhaltensweisen und Geschehnisse im Rahmen einer Gesamtabwägung dazu heranzuziehen, einen Elternteil stärker als den anderen, gegebenenfalls sogar allein, mit den Verfahrenskosten zu belasten. Regelmäßig lassen sich aber die zwischen den beteiligten Eltern streitigen Umstände nachträglich kaum noch aufklären. Insbesondere wenn es allein noch um die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens geht, ist es auch nicht angezeigt, insoweit noch in eine vertiefte Sachaufklärung einzutreten. So liegt es auch hier.
Der Gedanke der Zurückhaltung führt in Kindschaftssachen überdies regelmäßig dazu, dass die Gerichtskosten zwischen den Eltern hälftig geteilt werden (vgl. OLG Brandenburg - 2. Familiensenat -, Beschluss vom 26.06.2014 - 10 WF 71/14, BeckRS 2015, 02261). Dies entspricht auch im vorliegenden Fall der Billigkeit.
4.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 81 FamFG.
Gerichtskosten sind insoweit schon deshalb nicht zu erheben, weil das Amtsgericht dadurch, dass es seine Entscheidung auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage gestützt hat, die Einlegung der Beschwerde (mit) veranlasst hat. Die Anordnung einer Erstattung außerehelicher Kosten hat ebenfalls zu unterbleiben.
Die Vorschrift des § 84 FamFG, wonach das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der es eingelegt hat, findet hier keine Anwendung. Ist das Rechtsmittel nur teilweise erfolglos im Sinne von § 84 FamFG, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG (BGH, Beschluss vom 07.03.2018 – XII ZB 535/17, FGPrax 2018, 173, beck-online Rn. 5; OLG Brandenburg – 2. Familiensenat -, Beschluss vom 10.12.2009 – 10 WF 208/09, BeckRS 2010, 296). Dabei kann das teilweise Unterliegen im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen sein (Keske, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl., § 84 Rn. 9a).
Auch wenn die Beschwerde der Antragsgegnerin nach den vorstehenden Ausführungen nur, soweit sie sich gegen den Ausspruch der Feststellung der Erledigung richtet, begründet ist, in Bezug auf die Kostenentscheidung aber ohne Erfolg bleibt, rechtfertigt dies nicht die (teilweise) Anwendung von § 84 FamFG. Dem stehen die Ausführungen des Antragstellers im Schriftsatz vom 10.01.2022 nicht entgegen. Es geht bei der Frage, welche Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Billigkeit entspricht, nämlich nicht darum, das erstinstanzliche Verhalten der Mutter zu bewerten. Allein entscheidend ist, dass die Grundlagen der Entscheidung des Amtsgerichts durchaus in Zweifel zu ziehen waren, wie bereits ausgeführt. Die Antragsgegnerin ist nach der Mandatsniederlegung durch ihre Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.07.2021 anwaltlich nicht mehr vertreten. Schon deshalb musste sie nicht ohne weiteres erkennen, dass ihre Beschwerde hinsichtlich der Kosten ohne Erfolg bleiben werde. Der Rechtsgedanke des § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG spricht deshalb ebenfalls nicht dafür, die Antragsgegnerin in einem stärkeren Umfang als den Antragsteller mit Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 40 Abs. 1 FamGKG, wobei hier das Kosteninteresse des Beteiligten, der das Rechtsmittel eingelegt hat, maßgebend ist.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.