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Entscheidung 4 Ca BVGa5/21


Metadaten

Gericht ArbG Brandenburg 4. Kammer Entscheidungsdatum 10.11.2021
Aktenzeichen 4 Ca BVGa5/21 ECLI ECLI:DE:ARBGBRA:2021:1110.4CA.BVGA5.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Antragsteller ist der Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 2). Der Betriebsrat besteht aus 15 Mitgliedern. Drei von ihnen sind freigestellt. Die Arbeitgeberin betreibt das S.

Für die Ärzte*Innen gilt ein Tarifvertrag. Er regelt unter anderem die Pflicht zur Rufbereitschaft.

Die Betriebsparteien haben unter dem 27.02.2014 eine Betriebsvereinbarung „Dienstplangestaltung und Arbeitszeit Ärzte“ (Anlage ASt 1/Bl. 12 – 18 d. Akte) abgeschlossen. In den hier relevanten Teilen heißt es:

„§ 9 Bereitschaftsdienst

9.1 Bereitschaftsdienst kann angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt und die Vorgaben des § 9 Abs. 2 TV Ärzte/SKB gewahrt sind. Die Bereiche, in denen Bereitschaftsdienste geleistet werden, ergeben sich aus der Anlage 1. Auf Antrag sind Ärzte, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, von der Verpflichtung zur Ableistung von Bereitschaftsdiensten zu befreien. Die Befreiung entfällt für Dienstplanperioden, für die ansonsten nicht sichergestellt werden kann, dass ausreichend Ärzte für die Bereitschaftsdienste zur Verfügung stehen; bei der Prüfung dieser Ausnahme ist namentlich die zusätzliche Arbeitsbelastung für die verbleibenden Ärzte zu berücksichtigen. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind zu beachten.

9.2 Die Anzahl der von Teilzeitbeschäftigten zu leistenden Bereitschaftsdiensten soll im Durchschnitt eines Jahres dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur Arbeitszeit von Vollbeschäftigten entsprechen. Hiervon kann auf Wunsch der Teilzeitbeschäftigten entsprechend der Regelung für Vollzeitbeschäftigte abgewichen werden.

§ 10 Rufbereitschaft

10.1 Rufbereitschaft darf nur angeordnet werden, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Die Bereiche, in denen Rufbereitschaft geleistet wird, ergeben sich aus der Anlage 1. Auf Antrag sind Ärzte, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, von der Verpflichtung zur Ableistung von Rufbereitschaftsdiensten zu befreien. Die Befreiung entfällt für Dienstplanperioden, für die ansonsten nicht sichergestellt werden kann, dass ausreichend Ärzte für die Rufbereitschaftsdienste zur Verfügung stehen; bei der Prüfung dieser Ausnahme ist namentlich die zusätzliche Arbeitsbelastung für die verbleibenden Ärzte zu berücksichtigen. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind zu beachten.

10.2 Während der Rufbereitschaft müssen die Beschäftigten telefonisch erreichbar und in der Lage sein, ihre Arbeit innerhalb einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufzunehmen.

10.3 Die Anzahl der von Teilzeitbeschäftigten zu leistenden Rufbereitschaftsdiensten soll im Durchschnitt eines Jahres dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur Arbeitszeit von Vollbeschäftigten entsprechen. Hiervon kann auf Wunsch der Teilzeitbeschäftigten entsprechend der Regelung für Vollzeitbeschäftigte abgewichen werden.“

Unter dem 14.10.2021 erließ die Arbeitgeberin (Anlage 1/ Bl. 39,40 d. A.):

An alle Ärzte*Innen

Dienstanweisung Nr. 04 / 2021

Umsetzung der Rufbereitschaft in besonderen Fällen

Sehr geehrte Ärzte*Innen,

die VKA hat eine Dienstanweisung zur Anrückzeit bei Rufbereitschaft für Ärzte empfohlen, dieser Dienstanweisung lehnen wir uns an.

I. Ausgangslage

Mehrere G-BA Richtlinien und OPS-Kodes geben vor, dass der zeitliche Rahmen für die Anrückzeit bis zum Patienten bei Rufbereitschaft 30 Minuten beträgt.

So geht der MDS bei dem OPS-Kode 8-98f davon aus, dass der ärztliche Rufbereitschaftsdienst und der damit einhergehende zeitliche Rahmen von 30 Minuten wie folgt von den Rufbereitschaft leistenden Ärztinnen und Ärzten erfüllte sein muss (siehe Nummer 9 des Begutachtungsleitfaden OPS Strukturmerkmale, Version 2 – 2021, Stand: 20. August 2021):

Sofern die Verfügbarkeit einer Fachärztin/ eines Facharztes innerhalb von 30 Minuten am Patienten nicht durch einen Schichtdienst oder Bereitschaftsdienst mit Anwesenheit im Krankenhaus sichergestellt wird, ist für die 30-minütige Verfügbarkeit ein gesonderter Nachweis erforderlich. Dieser Nachweis ist in Form einer schriftlichen Dienstanweisung, Betriebsvereinbarung oder ergänzenden arbeitsvertraglichen Regelung zu erbringen. Nicht ausreichend ist z. B. die alleinige Vorlage einer generellen Bestätigung der Geschäftsführung, leitende Ärztinnen/Ärzte, einer individuellen Bestätigung der ärztlichen Diensthabenden oder einer SOP. Unabhängig von der vom Krankenhaus eingerichteten Dienstform muss die Verfügbarkeit am Patienten innerhalb von 30 Minuten auch unter Berücksichtigung etwaiger anderer dienstlicher Verpflichtungen gewährleistet sein.“

In der Begründung dazu führt der Begutachtungsleitfaden (OPS – SMD) aus:

Zu berücksichtigen sind neben den Rüst- und Wegezeiten auf dem Weg zum Krankenhaus auch die entsprechenden Zeiten auf dem Krankenhausgelände selbst. Sicherzustellen ist binnen längstens 30 Minuten die Verfügbarkeit am Patienten auf der Intensivstation. Über eine „gewöhnliche“ Rufbereitschaft ohne zusätzlichen Nachweis ist eine Anwesenheit am Patienten innerhalb von 30 Minuten nicht plausibel. Da im Rufbereitschaftsdienst der Aufenthaltsort frei gewählt werden kann, ist die Betrachtung des Wohnortes des Diensthabenden in der Regel nicht zielführend.“

Wird diese Definition der Durchführung der Rufbereitschaft nicht erfüllt, kann der OPS-Kode 8-98f nicht abgerechnet werden.

Es ist daher aus betrieblichen Gründen erforderlich, dass alle Fachärztinnen und Fachärzte in Rufbereitschaft diese Vorgaben zwingend und durchgängig erfüllen. …“

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Dienstanweisung wird auf die Anlage ASt2 / Blatt 19, 20 der Akte verwiesen und in vollem Umfang Bezug genommen.

Mit seinem Antrag vom 29.10.2021 begehrt der Betriebsrat die Unterlassung, bei Rufbereitschaftsdienst für alle Fachärztinnen/Fachärzte des Städtischen Klinikums in den Fachabteilungen Anästhesie und Intensivmedizin, Innere Medizin, Allgemein- und Visceralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie und Radiologie sowie Gynäkologie und Urologie die Anweisung, dass diese innerhalb von 30 Minuten am Patienten verfügbar zu sein haben, solange hierzu seine Zustimmung nicht vorliegt oder dessen fehlende Zustimmung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt wurde.

Er ist der Ansicht, die Anweisung der Arbeitgeberin, dass bei Rufbereitschaft die Verfügbarkeit an den Patienten innerhalb von 30 Minuten nach Abruf gewährleistet sein müsse, zu kurz wäre. Denn in diese Zeit sei hinzuzurechnen, dass Ärzt*Innen, wenn sie „am Patienten“ seien, selbstverständlich in Dienstkleidung, desinfiziert und vorbereitet erscheinen würden. Zur Vorbereitung zähle auch, dass sie sich mit den im Klinikum verwendeten Patientenakten als Handakte vorher vertraut machen müssten. Die Vorbereitungshandlungen würden neben dem Erreichen des Klinikums „am Patienten“ auch das Umziehen in der Zentralumkleide und die weiteren Wegezeiten innerhalb des Klinikums umfassen. Die Betriebsvereinbarung sehe als Umkleidezeit 10 Minuten als erforderlich an. Damit würden lediglich 20 Minuten zum Erscheinen „am Patienten“ verbleiben. Unberücksichtigt ließe diese Dienstanweisung die Wohnorte der Ärzt*Innen. Innerhalb der Stadt B. seien diese 30 Minuten zu kurz bemessen. Etliche Ärzt*Innen würden in P. leben. Für sie wäre es nicht möglich, innerhalb von 30 Minuten nach Abruf „am Patienten“ zu sein. Zur Arbeit gehöre fraglos das Umziehen, Desinfizieren sowie die Wege innerhalb des Krankenhauses und weitere Vorbereitungshandlungen. Daher seien hier die 30 Minuten aus der Dienstanweisung im Umfang der vorgenannten vorbereitenden Handlungen zu kürzen. Somit gelange man in den Bereich von 20 Minuten. Diese Zeit sei vom Weisungsrecht nicht gedeckt und würde daher keine Rufbereitschaft mehr darstellen. Zu beachten sei auch, dass in der Vergangenheit ohne konkrete Festlegung von Abruf bis Aufnahme der Arbeit die Rufbereitschaft gehandhabt worden sei. Dies solle beibehalten werden. Die Arbeitgeberin verstoße mit der Dienstanweisung gegen die Betriebsvereinbarung vom 27.02.2014 (Anlage ASt 1). Dies rechtfertige den Unterlassungsanspruch im Sinn eines Durchführungsanspruchs. Diese Betriebsvereinbarung gebe der Arbeitgeberin das Recht, Rufbereitschaft anzuordnen, deren genaue Lage und Verteilung sei Gegenstand der Mitbestimmung bei der Dienstplanung. Diese Dienstanweisung würde verhindern, dass die Beschäftigten ihren Aufenthaltsort frei wählen könnten. Aus diesem Grund hätten die Betriebsparteien vereinbart, dass in „angemessener Zeit“ die Arbeit aufzunehmen wäre. Sie schränke die Freizeit der Ärzt*Innen ein und zwar wegen der strengen Vorgabe eines zeitlichen Kriteriums Arbeitszeit. Damit läge keine Rufbereitschaft vor. Es bestünde Wiederholungsgefahr. Der Verfügungsgrund ergebe sich aus der Gefahr, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder erschwert werden würde. Zur Abwendung dieser Gefahr wäre die einstweilige Verfügung erforderlich.

Der Betriebsrat beantragt:

Die Beteiligte zu 2) hat es bis zur Entscheidung in der Hauptsache unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 Euro zu unterlassen, bei Rufbereitschaftsdienst für alle Fachärztinnen / Fachärzte des S. in den Fachabteilungen Anästhesie und Intensivmedizin, Innere Medizin, Allgemein- und Visceralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Gefäßchirurgie, Neurochirurgie und Radiologie sowie Gynäkologie und Urologie anzuweisen, dass diese innerhalb von maximal 30 Minuten „am Patienten verfügbar“ zu sein haben, solange hierzu keine Zustimmung des Beteiligten zu 1) vorliegt oder dessen fehlende Zustimmung durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt wurde.

Die Beteiligte zu 2 beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Anrückzeit bei Rufbereitschaft unterliege nicht einem Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1. Daher wäre sie berechtigt gewesen, die Dienstanweisung 04/2021 vom 14.10.2021 ohne seine Zustimmung, respektive ohne einen die Zustimmung des Betriebsrates ersetzenden Spruch einer Einigungsstelle, zu erlassen.

Die Dienstanweisung wäre durch ihr Direktionsrecht gedeckt. Sie stehe im Kontex mit der Rechtsprechung des BAG. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Rufbereitschaft vorliege und welche Rechtsfolgen eine Überschreitung der Anordnungsbefugnis zur Rufbereitschaft zeichne, habe die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) - deren tarifgebundenes Mitglied sie sei – mit Rundschreiben vom 10.08.2021 (Anlage 10/ Blatt 84 – 88 der Akte) unter Nummer 2 und in Bezug auf die Strukturvorgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte auf die Einhaltung der Strukturmerkmale des herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) und die Prüfbefugnisse des MDK hingewiesen. Unter Bezug auf dieses Rundschreiben vom 10.08.2021 habe die VKA mit den weiteren Rundschreiben vom 08.09.2021 (Anlage 11/ Blatt - 106 – 109 der Akte) über eine Sitzung der Arbeitsgruppe Tarifrunde Marburger Bund 2021 am 23.08.2021 errichtet und den Vorschlag aus dieser Sitzung, die Einhaltung der Strukturmerkmale über eine Dienstanweisung sicherzustellen, kommuniziert, ebenso wie die von einer Unterarbeitsgruppe zur Rufbereitschaft entwickelte Musterdienstanweisung. Auf der Basis dieser Musterdienstanweisung habe sie die hier streitgegenständliche Dienstanweisung vom 14.10.2021 entwickelt und erlassen, mithin auf ausdrückliche Empfehlung des Spitzenverbandes der Kommunalen Arbeitgeberverbände.

Dem Betriebsrat stünde bei der Frage, welche Arbeitstätigkeit der Beschäftigte in der Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit auszuführen habe, nicht zu. Entsprechendes gelte für den einzelnen Abruf der Arbeitsaufnahme während einer mitbestimmten Rufbereitschaft.

Im Übrigen dürfe der einstweilige Rechtsschutz die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Sollte ihre Sichtweise, es bestehe kein Mitbestimmungsrecht für die Festlegung einer Anrückzeit, möglicherweise ungewiss sein, sei jedenfalls auch die Sichtweise des Betriebsrates, es bestehe auf jeden Fall ein Mitbestimmungsrecht, mindestens ebenso ungewiss. Dem gegenüber, verliere sie bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, würde dem Antrag des Betriebsrates entsprochen werden, die Möglichkeit gegenüber den Ärzten*Innen durch Dienstanweisung die Einhaltung der Vorgaben der GBA-Richtlinien und OPS-Kode durchzusetzen, was für die Gewährleistung einer qualitätsgerechten und den Abrechnungsanforderungen genügenden Patientenversorgung aber notwendig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2021 Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1.)

a) Für den vom Betriebsrat gestellten Antrag ist das Beschlussverfahren die zutreffende Verfahrensart, §§ 2a, 80 Abs. 1 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Parteien streiten nämlich um das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Mitbestimmungsrechten im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Rufbereitschaft.

Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch im Beschlussverfahren der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig. Die Regelung des § 85 Abs. 2 ArbGG trägt dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in allen Fällen, dass der Antragsteller einen zu sichernden materiell-rechtlichen Verfügungsanspruch hat und ein Verfügungsgrund gegeben ist.

Die Frage, ob Beteiligungsrechte des Betriebsrates, insbesondere Mitbestimmungsrechte, auch entsprechende Ansprüche für den Betriebsrat begründen, die als zu sichernde Verfügungsansprüche in Betracht kommen, ist eine Frage materiellen Rechts.

Zur Sicherung dieser Beteiligungsrechte kann auch eine einstweilige Verfügung in Betracht kommen. Jedoch, so ist der Arbeitgeberin zuzustimmen, dass diese nicht die Hauptsache vorausnimmt.

b) Die Antragsbefugnis des Betriebsrates und die Beteiligung der Arbeitgeberin am vorliegenden Verfahren ergibt sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

c) Der Unterlassungsantrag genügt auch dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Streitgegenstand ist genau bezeichnet worden.

Die Arbeitgeberin kann einer stattgebenden Entscheidung unschwer entnehmen, welches Verhalten ihr ggf. aufgegeben werden soll.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Zwar steht dem Betriebsrat grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn die Arbeitgeberin Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Verletzung der Arbeitgeberin im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, Beschluss vom 27.01.2004 – NZA 2004, 556).

Der Betriebsrat hat auch einen Anspruch auf Beseitigung des Zustandes, den der Arbeitgeber unter Verletzung gesetzlicher Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates herbeigeführt hat (BAG, Beschluss vom 09.12.2003 – NZA 2004, 746). Die auf künftige Handlungen gerichteten Unterlassungsanspruch tragenden Überlegungen erfordern einen entsprechenden Beseitigungsanspruch, falls das mitbestimmungswidrige Verhalten bereits vollzogen ist. Der Beseitigungsanspruch ist bei bereits eingetretener Beeinträchtigung das Gegenstück zum Unterlassungsanspruch.

Der Betriebsrat beruft sich auf § 10.2 der Betriebsvereinbarung „Dienstplangestaltung und Arbeitszeit Ärzte“ vom 27.02.2014, wonach gemäß § 10.2 „während der Rufbereitschaft … die Beschäftigten telefonisch erreichbar und in der Lage sein (müssen), ihre Arbeit innerhalb einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufzunehmen.“ Hierbei handelt es sich um Rufbereitschaft – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

Während der Rufbereitschaft kann sich der Arbeitnehmer bzw. können sich die Arbeitnehmerinnen an einem selbst gewählten Ort aufhalten (Anzinger/Kowerski ArbZG, § 2 Rd.Nr. 52 f.). Hier müssen die Beschäftigten telefonisch erreichbar sein und sich auf Abruf zur Arbeit bereithalten, § 10.2 Betriebsvereinbarung vom 27.02.2014 (BAG, NZA 2009, 45).

Im Falle des Bereitschaftsdienstes nach § 9 dieser Betriebsvereinbarung hält sich der Beschäftigte – ohne dass von ihm wache Achtsamkeit gefordert wird – für Zwecke des Betriebes an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes auf, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit sofort oder zeitnah aufnehmen kann (vgl. BAG, NZA, 2018, 32).

Daraus wird ersichtlich, dass sich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft dadurch unterscheiden, dass die Beschäftigten bei Rufbereitschaft den Ort ihres Aufenthaltes selbst wählen dürfen. Die Rufbereitschaft umfasst deshalb nicht die Arbeitszeit und somit nicht die Hauptleistungspflicht der Ärzte*Innen. Die Arbeitgeberin greift somit einseitig in die private Sphäre der Ärzt*Innen ein. Dieser Eingriff ist dem Weisungsrecht – entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin – verschlossen. Im Falle der Rufbereitschaft handelt es sich nicht um Arbeitszeit. Sollen deshalb die Ärzt*Innen – wie es für die Rufbereitschaft typisch ist – innerhalb ihrer Freizeit nach einer konkreten Anforderung binnen kurzem wieder die Arbeit aufnehmen, bedarf es hierfür einer besonderen Ermächtigung (vgl. BAG, NZA 2001, 165, 166).

Diese Ermächtigung kann sich aus Einzel- oder Kollektivvertrag ergeben. Die Parteien haben von der Möglichkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung „Dienstplan und Arbeitszeit Ärzte“ Gebrauch gemacht. In § 10.2 haben sie geregelt, dass die Arbeit innerhalb „einer für die notwendige Patientenversorgung angemessenen Zeit aufzunehmen“ ist. Hierbei handelt es sich bei der Begrifflichkeit „angemessene Zeit“ um eine unbestimmte Regelung. Diese Regelung ist nicht durch das Weisungsrecht nach § 106 GewO auszufüllen. Während der Rufbereitschaft erbringen die Ärzt*Innen keine Hauptleistungspflicht. Die Zeit stellt Freizeit dar. Wie bereits ausgeführt, bedarf die Ausfüllung dieser unbestimmten Festlegung einer ergänzenden Betriebsvereinbarung.

Der Stattgabe des Unterlassungsanspruchs des Betriebsrates würde die Hauptsache vorwegnehmen. Der Betriebsrat ist deshalb auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

Ein Verfügungsgrund liegt nicht vor. Es bedarf keiner alsbaldigen einstweiligen Regelung. Denn zur Abwendung einer Gefahr muss die einstweilige Verfügung erforderlich sein. Angesichts der Tatsache, dass die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung „Dienstplangestaltung und Arbeitszeit Ärzte“ seit 27. Februar 2014 von keiner konkreten Festlegung zur „angemessenen Zeit“, innerhalb derer die Tätigkeit für die notwendige Patientenversorgung aufzunehmen ist, Gebrauch gemacht haben, führt nicht zu einem zu bejahenden Verfügungsgrund. Sie haben mit Abschluss dieser Betriebsvereinbarung von ihrem Mitgestaltungsrecht in Form der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr.2 BetrVG) Gebrauch gemacht. Dadurch, dass die Zeit bislang nicht näher bestimmt worden ist, und in der Vergangenheit es auch Ärzt*Innen aus P. und Umgebung möglich war, die Rufbereitschaft zu realisieren, führt nicht zu einem Verfügungsgrund. Es kommt insoweit darauf an, ob die Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheinen lassen, eine sofortige Regelung zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass die Arbeitgeberin an strikte Vorgaben gebunden ist. Das Argument des Betriebsrates, dass bislang auch eine Stunde als „angemessene Zeit“ angesehen wurde, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch wenn dies so war, steht nach der objektiven Lage fest, dass der Betriebsrat durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 27. Februar 2014 von seinem Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht hat. Er hat diese Betriebsvereinbarung mit verhandelt und aktiv gestaltet. Eine weitere Regelung wird erforderlich sein, jedoch nicht im Rahmen dieses einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Nach alldem war zu entscheiden wie geschehen und konnte dem Antrag mangels Verfügungsgrund kein Erfolg beschieden sein.