Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Kein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Kopie der Steuerakten

Kein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Kopie der Steuerakten


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 16. Senat Entscheidungsdatum 27.10.2021
Aktenzeichen 16 K 5148/20 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2021:1027.16K5148.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 32c AO, Art 12 EGRL 58/2002, Art 15 Abs 3 EUV 2016/679, § 78 FGO, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 3 Abs 1 InfFrG BE, § 4 Abs 1 InfFrG BE, § 13 InfFrG BE, § 32i Abs 2 S 1 AO, § 32i Abs 9 S 1 AO, § 2a AO, § 91 Abs 1 AO, § 364 AO, Art 15 Abs 1 EUV 2016/679, Art 12 Abs 5 EUV 2016/679, Art 20 Abs 1 EUV 2016/679, Art 4 Nr 1 EUV 2016/679, Art 4 Nr 7 EUV 2016/679, Art 2 Abs 1 EUV 2016/679

Leitsatz

1. Die DSGVO ist auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar.
2. Ein Steuerpflichtiger hat keinen Anspruch gegen das FA auf Zurverfügungstellung einer physischen oder elektronischen Kopie der Steuerakten.
3. Ein pauschales Verlangen auf Zurverfügungstellung einer Kopie des gesamten Inhalts der vom FA geführten Steuerakten in Bezug auf den Steuerpflichtigen betreffende personenbezogene Daten ist exzessiv, so dass das FA als Auskunftsverpflichteter die Auskunft verweigern kann.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Verpflichtung des Beklagten (im Folgenden auch: Finanzamt), nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG -DSGVO- Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln von Akten zur Verfügung zu stellen.

Der Kläger betreibt gegen das Finanzamt beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg ein unter dem Aktenzeichen 5 K 5093/20 geführtes Klageverfahren wegen der Gewerbesteuermessbeträge 2013 bis 2015, die durch das Finanzamt festgesetzt wurden.

In diesem Verfahren begehrt der Kläger (auch) gegenüber dem Beklagten Zurverfügungstellung von personenbezogenen Daten seiner Akten in elektronischer Form, hilfsweise in Form unentgeltlicher Kopien.

Zunächst beantragte der Kläger über das Gericht mit Schreiben vom 19.08.2020 im Verfahren 5 K 5093/20 elektronisch über das System „besonderes elektronisches Anwaltspostfach“ (beA), dass der Beklagte die gespeicherten Daten in entsprechender Anwendung des Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO elektronisch zur Verfügung stellt.

Auf das Begehren des Klägers, an ihn gerichtet über das Gericht, reagierte der Beklagte nicht, so dass sich der Kläger, ebenfalls über das Gericht, dazu veranlasst sah, mit Schreiben vom 24.09.2020 über das elektronische System beA eine Sachstandsanfrage an den Beklagten zu richten. Dazu erging keine Mitteilung des FA.

Da das Gericht den elektronischen beA-Antrag nicht elektronisch an den Beklagten weiterleitete, hat der Kläger den Antrag vom 19.08.2020 elektronisch durch Email vom 14.10.2020 unmittelbar gegenüber dem Beklagten wiederholt und gleichzeitig den Antrag gestellt, die begehrten Unterlagen in Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO unentgeltlich zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Dieses Begehren des Klägers wurde durch Schreiben des Beklagten vom 21.10.2020 abgelehnt. Mit der hiesigen, am 03.11.2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung führt er an, die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO seien erfüllt. Sinn und Zweck des Auskunftsrechts sei unter Wertung von Erwägungsgrund 63, dem Betroffenen die problemlose Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zu geben. Zwar regele die DSGVO nicht ausdrücklich ein Recht auf Akteneinsicht, da in den Akten des Beklagten aber personenbezogene Daten verarbeitet werden, sei die begehrte Einsicht in elektronischer Form schon im allgemeinen Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO enthalten.

In der mündlichen Verhandlung weist der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 15.06.2021 (Az.: VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726) hin, wonach der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO eines Versicherungsnehmers gegen ein Lebensversicherungsunternehmen weit auszulegen sei. Ergänzend verweist der Kläger auf die Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts der Republik Österreich vom 09.08.2021 an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV (Rechtssache C-487/21) zu Fragen in Bezug auf die Zurverfügungstellung einer Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten im Rahmen eines Auskunftsersuchens gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verpflichten, elektronische Kopien der personenbezogenen Daten zu den Gewerbesteuermessbeträgen 2013 bis 2015 zur Verfügung zu stellen (Verwaltungsakten, Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten als auch etwaiger Handakten, alle incl. sämtlicher Gesprächsnotizen und Telefonvermerke über die Person des Klägers);

2. hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, unentgeltlich Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung zu den Gewerbesteuermessbeträgen 2013 bis 2015 sind, zur Verfügung zu stellen (Verwaltungsakten, Betriebsprüfungsakten, Rechtsbehelfsakten als auch etwaige Handakten, alle incl. sämtlicher Gesprächsnotizen und Telefonvermerke über die Person des Klägers).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, es sei schon zweifelhaft, ob der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Akteneinsicht unter den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO falle. Denn die Vorschriften der DSGVO seien im Bereich des Steuerrechts nur auf harmonisierte Steuern, wie etwa der Umsatzbesteuerung, anwendbar, nicht dagegen auf dem Gebiet der Einkommensteuer bzw. der Gewerbesteuer.

Nach seiner Auffassung beziehe sich der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht auf sämtliche internen Vorgänge der beklagten Finanzbehörde oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten könne. Rechtliche Bewertungen oder Analysen stellten insofern ebenfalls keine personenbezogenen Daten in diesem Sinne dar. Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO solle lediglich sicherstellen, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen könne. Folgerichtig bestimme Artikel 15 Abs. 3 DSGVO, dass der Betroffene eine Kopie nur der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, erhalte. Im Rahmen der Klageerwiderung hat der Beklagte dem Kläger daher angeboten, bestimmte zum Kläger verarbeitete Daten (wie Grunddaten-Übersicht, Kopien der Bescheide zu den Gewerbesteuermessbeträgen 2013 bis 2015, Auskunft Maschinelle Überwachung der Steuerfälle, Auskunft aus Datenbank-Rechtsbehelfe) unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (Bl. 16 FG-A.).

In der mündlichen Verhandlung verweist der Beklagte ergänzend auf das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.07.2021 (Az.: 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777), demzufolge das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht mit einem Akteneinsichtsrecht identisch sei, da ein Akteneinsichtsrecht stets über ein bloßes Auskunftsrecht hinsichtlich der verarbeiteten personenbezogenen Daten hinausgehe, da Akten regelmäßig Bestandteile enthielten, die nicht unter den Schutzbereich der DSGVO und des § 32c AO fielen.

Hinsichtlich der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

Dem Gericht lagen neben den Streitakten des hiesigen Verfahrens eine Heftung “Antrag auf Akteneinsicht vom 19.08.2020 in einer gängigen elektronischen Form“ vor. Das Gericht hat ferner die Streitakten des Verfahrens 5 K 5093/20 beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Klage hat keinen Erfolg.

1.
Die Klage ist zulässig.

a.
Der Finanzrechtsweg ist nach der aufdrängenden Sonderzuweisung gemäß § 32i Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung -AO- i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 Finanzgerichtsordnung -FGO- für Streitigkeiten über datenschutzrechtliche Fragen der Finanzbehörden gegeben.

b.
Eine auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1, 3. Fall FGO kombiniert mit einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 1. und 2. Fall FGO) gegen den Ablehnungsbescheid statthaft.

Verschiedentlich wird vertreten – so auch vom Kläger –, dass die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart sei, weil der Verweigerung der Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten eine Verwaltungsentscheidung vorausgehe (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteile vom 11.04.2012, I R 63/11, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2012, 539; vom 16.12.1987 - I R 66/84 -, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1988, 319; FG Hessen, Urteil vom 11.12.2018 - 4 K 977/16 -, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2019, 745; FG München, Urteil vom 08.07.2015 - 4 K 2738/14 - EFG 2015, 1886; Urteil vom 23.07.2021, 15 K 81/20, juris; Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 91 AO Rn. 135, Stand: August 2021).

Die Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten ist jedoch auch dann, wenn ihr eine (ablehnende) Entscheidung vorausgeht, ein Realakt. Mit der Klage auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten wird daher nicht die Verurteilung der Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes (Verpflichtungsklage, § 40 Abs. 1, 2. Alt. FGO), sondern zu einer "anderen Leistung" i.S. des § 40 Abs. 1, 3. Alt. FGO begehrt. Statthafte Klageart ist folglich die allgemeine Leistungsklage (BFH, Urteil vom 05.10.2006 - VII R 24/03 -, BStBl II 2007, 243; Bundesverwaltungsgericht -BVerwG-, Urteil vom 20.08.2003 - 8 C 13/02 -, juris; FG Köln, Urteil vom 28.01.2016 - 1 K 2368/10 -, EFG 2016, 949), kombiniert mit einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt (so auch FG Hamburg, Urteil vom 29.04.2021 – 6 K 206/19 –, Rn. 29 f., juris; von Beckerath in: Gosch, AO/FGO, 162. Lfg (Juni 2021), § 40 FGO Rn. 122 f.; Braun in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 134 f., Stand: August 2021; Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rn. 23 f., Stand: April 2021).

c.
Nach § 32i Abs. 9 Satz 1 AO findet in Verfahren nach § 32i Abs. 1 bis 3 AO grundsätzlich kein Vorverfahren statt. Damit ist für die Zulässigkeit der Klage hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Zurverfügungstellung von Datenkopien ein erfolglos durchgeführtes Vorverfahren (§ 44 FGO) nicht erforderlich.

2.
Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln ganzer Akten durch das beklagte FA. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus der DSGVO (a.) noch auf Basis einer anderen rechtlichen Grundlage (b.).

a.
Die DSGVO ist auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch das beklagte Finanzamt anwendbar (aa.). Das Klagebegehren des als Betroffener persönlich anspruchsberechtigten Klägers hat auch personenbezogene Daten zum Inhalt, so dass der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sind (bb.). Das beklagte Finanzamt ist als Verantwortlicher auch richtiger Anspruchsgegner (cc.), sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO dem Grunde nach vorliegen.

Allerdings verleihen die in Art. 15 Abs. 3 DSGVO verankerten Betroffenenrechte dem Kläger nach Überzeugung des erkennenden Senats keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln ganzer Akten durch das beklagte Finanzamt (dd.).

Selbst wenn Art. 15 Abs. 3 DSGVO extensiv dahingehend auszulegen sein sollte, dass er dem Berechtigten einen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien gewährt, wäre das Begehren des Klägers als exzessiv i.S.v. Art. 12 Abs. 5 DSGVO anzusehen und hätte der Beklagte die Erfüllung des Anspruchs zurecht verweigert (ee.).

aa.
Die DSGVO ist im Bereich der Steuerverwaltung auch bei der Verwaltung der direkten Steuern anwendbar. Als EU-Verordnung gilt die DSGVO gem. Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf. Soweit die unmittelbare Geltung der DSGVO über den Bereich der unionsrechtlich harmonisierten Steuern hinaus teilweise abgelehnt wird (so unter Verweis auf die Literatur FG Niedersachsen, Urteil vom 28.01.2020 – 12 K 213/19 –, EFG 2020, 665), kann der Senat diese Frage im Ergebnis dahingestellt sein lassen, da der Bundesgesetzgeber die zumindest inhaltliche Geltung der DSGVO für die gesamte Daten verarbeitende Tätigkeit der Finanzbehörden durch Verweisung in § 2a AO angeordnet hat (so auch FG München, Gerichtsbescheid vom 23.07.2021 – 15 K 81/20 –, EFG 2021, 1789 Rn. 36).

bb.
Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der DSGVO sind eröffnet.

(1)
Der Kläger ist als anhand von Steuernummer oder Steuerlicher-Identifikationsnummer identifizierte oder identifizierbare natürliche Person und als solche „betroffene Person“ i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO und damit persönlich anspruchsberechtigt.

(2)
Der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO ist im Streitfall insoweit eröffnet, als die Verarbeitung personenbezogener Daten zu beurteilen ist. Grundsätzlich sind alle in einer Steuerakte vorhandenen Informationen auch personenbezogene Daten.

Die DSGVO gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Art. 2 Abs. 1 DSGVO).

Art. 4 Nr. 1 DSGVO definiert personenbezogene Daten als „alle Informationen“, die sich auf betroffene (identifizierbare) Personen beziehen. Bei der Auslegung dieses Begriffs ist der Schutzzweck der DSGVO maßgeblich. Weder geht es um die Daten selbst, noch geht es um wirtschaftliche Interessen der Datenverarbeitenden. Es geht allein um den Schutz der Grundrechte natürlicher Personen bei der Verarbeitung der ihnen zugeordneten Daten. Der Ausdruck „alle Informationen“ ist daher weit zu verstehen; der Begriff ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, er erfasst alle Informationen über eine betroffene Person. Daher sind grundsätzlich alle in einer Steuerakte erfassten Informationen als personenbezogene Daten zu verstehen, weil sie über Ordnungsmerkmale (Steuernummer oder Steuerliche-Identifikationsnummer) mit einer natürlichen Person unmittelbar oder mittelbar verknüpft werden können.

cc.
Das beklagte Finanzamt ist als Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO auch richtiger Anspruchsgegner. „Verantwortlicher“ ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Verantwortlicher ist damit die Finanzbehörde, die jeweils über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; im Regelfall also die sachlich und örtlich zuständige Finanzbehörde, die auch die streitgegenständlichen Akten führt.

dd.
Die in Art. 15 Abs. 3 DSGVO verankerten Betroffenenrechte verleihen dem Kläger jedoch nach Überzeugung des erkennenden Senats keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln ganzer Akten durch das beklagte Finanzamt.

(1)
Nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, vom Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob die betroffene Person betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Sofern dies der Fall ist, gewährt Art.15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO ein Recht auf Auskunft über diese Daten sowie auf zusätzliche Informationen gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 lit. a bis h DSGVO. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Die Frage, ob es sich bei den Rechten aus Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO um zwei unterschiedliche Ansprüche oder um einen einheitlichen Anspruch handelt, wird im Schrifttum sowie in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

(α)
Die Vertreter eines einheitlichen Anspruchs gehen überwiegend von einer restriktiven Auslegung des Rechts auf Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO aus. Danach beschränke sich das Recht auf Kopie auf die Übermittlung einer Übersicht über die verarbeiteten Daten (so etwa Landesarbeitsgericht -LAG- Niedersachsen, Urteil vom 22.10.2021 – 16 Sa 761/20 – Rn. 214, juris; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2021 – 21 Sa 43/20 –, NZA Rechtsprechungsreport Arbeitsrecht -NZA-RR- 2021, 410 Rn. 47 ff.; LAG Niedersachsen, Urteil vom 09.06.2020 – 9 Sa 608/19 –, NZA-RR 2020, 571 Rn. 45; Paal, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 33; Franck, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 27; Dausend, Zeitschrift für Datenschutz -ZD- 2019, 103; Wybitul/Brams, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht -NZA- 2019, 672).

Zur Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, dass der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht von einer Ablichtung oder einem Ausdruck von verarbeiteten Daten spreche und der Gesetzeszweck des Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO in der Transparenz und der Rechtmäßigkeitskontrolle der Verarbeitung liege (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2021 – 21 Sa 43/20 –, NZA-RR 2021, 410 Rn. 49). Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO regele danach lediglich eine besondere Form der Auskunft, weshalb der Informationsgehalt von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht weitergehen könne als der von Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO seien daher lediglich die von Art. 15 Abs. 1 umfassten Daten als Kopie und damit als „Annex“ zur Auskunft mitzuteilen (vgl. BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy (Stand: 01.05.2021), DSGVO Art. 15 Rn. 85 m.w.N. zum Streitstand).

Auch im steuerlichen Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass datenschutzrechtliche Auskunftsrechte keinen Anspruch auf Zugang zu behördlichen Akten verliehen (von Armansperg, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2021, 453, 458 m.w.N.). Hinsichtlich des Wortlauts wurde – unter Heranziehung verschiedener Sprachfassungen der DSGVO – dargelegt, dass die Auskunft des Art. 15 DSGVO nicht als Recht zur Einsicht (Zugang zur Akte) zu verstehen sei (Poschenrieder, DStR 2020, 21, 23). Vielmehr seien bei der Auslegung von Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO die Ziele zu berücksichtigen, die mit den Auskunftsrechten verfolgt würden. Dabei seien diese Rechte nicht isoliert, sondern in ihrer dienenden Funktion im datenschutzrechtlichen Gesamtkontext zu sehen. In einer ersten Stufe (Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 DSGVO) solle die betroffene Person in Erfahrung bringen können, ob überhaupt personenbezogene Daten verarbeitet werden. In einer zweiten Stufe (Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO) solle die betroffene Person dann in die Lage versetzt werden, die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung überprüfen zu können. Diese Überprüfung durch die betroffene Person könne sodann auf der dritten Stufe die Rechte des 3. Abschnitts (Kapitel III) der DSGVO auslösen: Recht auf Berichtigung (Art. 16 DSGVO), Recht auf Löschung bzw. Recht auf Vergessenwerden (Art. 17 DSGVO), Recht auf Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO), Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO) und Recht auf Widerspruch (Art. 21 DSGVO). Das Auskunftsrecht des Art. 15 DSGVO könne nicht aus dem datenschutzrechtlichen Zusammenhang „herausgelöst“ werden, es diene – auch gegenüber der Verwaltung – nur der Überprüfungsmöglichkeit, ob eine Datenverarbeitung selbst rechtmäßig erfolgt. Gemessen am nationalen Recht soll der Steuerpflichtige überprüfen können, ob die Datenverarbeitung entsprechend §§ 29b, 29c AO erfolge (vgl. Schober, Finanzrundschau -FR- 2020, 558, 561).

(β)
Die Vertreter der Sichtweise, dass es sich bei den Rechten aus Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO um zwei unterschiedliche Ansprüche handele, gehen demgegenüber überwiegend von einer extensiven Auslegung des Rechts auf Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO aus. Danach seien die betreffenden Unterlagen in der Form zu übermitteln, in der sie dem Verantwortlichen vorlägen (so etwa Oberverwaltungsgericht -OVG- NRW, Urteil vom 08.06.2021 – 16 A 1582/20 –, Rn. 92, juris; BeckOK DatenschutzR/Schmidt-Wudy (Stand: 01.05.2021), DS-GVO Art. 15 Rn. 85; Bäcker in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 6 und 39a; Koreng, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2021, 2692, 2693; Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2203).

Zur Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, dass neben der Systematik und dem Wortlaut des Art. 15 DSGVO die Gesetzgebungshistorie dieses Auslegungsergebnis nahelege. Andernfalls wäre die Unterscheidung in Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO überflüssig und der Gesetzgeber hätte es bei der Übernahme der Formulierung aus Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) belassen können (Koreng, NJW 2021, 2692, 2693 m.w.N.).

Auch Sinn und Zweck des Rechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO sprächen gegen eine restriktive Auslegung des Anspruchs auf eine Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten. Anlass und Regelungsziel der Datenschutz-Grundverordnung sei der in Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta –GRCh–) und in Art. 16 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV- gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten (vgl. Art. 1 Abs. 2 DSGVO und Erwägungsgrund 1 zur DSGVO). Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta sei das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten erhalten und eine Berichtigung der Daten erwirken zu können (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh). Die Betroffenenrechte der Datenschutz-Grundverordnung wurzelten in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können müsse. Natürliche Personen sollten daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (vgl. Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DSGVO). Zu diesem Zweck räumten Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh und Art. 15 Abs. 1 DSGVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden seien. Ausweislich des Erwägungsgrunds 63 Satz 1 zur DGSVO sei das Regelungsziel, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst sei und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen könne (so OVG NRW, Urteil vom 08.06.2021 – 16 A 1582/20 –, Rn. 105, juris).

(2)
Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze und nach Abwägung aller Umstände ist der Senat der Auffassung, dass Art. 15 Abs. 3 DSGVO restriktiv auszulegen ist und dem Kläger keinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten in Gestalt von (elektronischen) Doppeln von Akten durch das beklagte Finanzamt verleiht.

(α)
Nach Ansicht des Senats können die in der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie), also einer unmittelbaren Vorgängerregelung zu Art. 15 DSGVO, entwickelten Rechtsgrundsätze auch für Zwecke der Auslegung des Inhalts sowie Umfangs der Betroffenenrechte nach Art. 15 DSGVO herangezogen werden.

In der zu Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) ergangenen Entscheidung des EuGH (Urteil vom 17.07.2014, verbundene Rechtssachen C-141/12 u. C-372/12 „Y.S. u. M. u. S./Minister voor Immigratie“, Amtsblatt der Europäischen Union -ABl EU- 2014, C 315, 2; Europarecht -EuR- 2015, 80) begehrten die Antragsteller in den dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegenden Verfahren Einsicht in eine sog. „Entwurfsschrift“, die Daten über den Verfahrensbeteiligten, aber auch eine rechtliche Analyse enthielt. Der EuGH stellt klar, dass auch in dieser Entwurfsschrift enthaltenen Daten, die die Tatsachengrundlage für die in der Entwurfsschrift ebenfalls enthaltene rechtliche Analyse darstellten, personenbezogene Daten des Verfahrensbeteiligten seien. Er bejaht insoweit ein Auskunftsrecht. Dagegen verneint er ein Auskunftsrecht hinsichtlich der rechtlichen Analyse. Diese könne nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch den Antragsteller und einer Berichtigung sein. Würde das Auskunftsrecht auf diese rechtliche Analyse ausgedehnt, so würde dies in Wirklichkeit nicht dem Ziel der Richtlinie dienen, den Schutz der Privatsphäre dieses Antragstellers bei der Verarbeitung von ihn betreffenden Daten zu gewährleisten, sondern dem Ziel, ihm ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu sichern, auf das die Richtlinie 95/46 jedoch nicht gerichtet sei (EuGH, Urteil vom 17.6.2014, ABl EU 2014, C 315, 2, Rn. 46).

Auch stellt der EuGH klar, dass die Richtlinie es den Mitgliedsstaaten überlasse, festzulegen, in welcher konkreten Form die Auskunft zu erteilen sei, soweit sie der betroffenen Person ermögliche, von den sie betreffenden personenbezogenen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig seien und der Richtlinie gemäß verarbeitet würden, so dass sie gegebenenfalls die ihr in der Richtlinie verliehenen Rechte ausüben könne (EuGH, Urteil vom 17.6.2014, ABl EU 2014, C 315, 2, Rn. 57). Zur Wahrung des Auskunftsrechts genüge es, wenn der Antragsteller eine vollständige Übersicht über die in der Entwurfsschrift wiedergegebenen Daten – also auch solche personenbezogenen Daten, die in der rechtlichen Analyse enthalten sind, in verständlicher Form erhalte (EuGH, Urteil vom 17.6.2014, ABl EU 2014, C 315, 2, Rn. 59). Soweit mit dieser Auskunft das mit dem Auskunftsrecht angestrebte Ziel erreicht werden könne, stehe der betroffenen Person weder aus dem Auskunftsrecht noch aus Art. 2 Abs. 2 der Charta das Recht zu, eine Kopie des Dokuments oder der Originaldatei, in der diese Daten enthalten sind, zu erhalten.

(β)
Für eine restriktive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO spricht auch die Gesetzgebungshistorie der DSGVO.

Ausweislich der Begründung des ursprünglichen Entwurfs für die DSGVO ist Art. 15 der Entwurfsfassung auf Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) gestützt (vgl. Vorschlag für die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung) vom 25.01.2012, KOM (2012) 11 endgültig, S. 9).

In den ursprünglichen Entwurf ist erst durch Beschluss des Europäischen Parlaments vom 12.03.2014 in Art. 15 Abs. 2a der Entwurfsfassung ein Herausgaberecht eingefügt worden, welches sich jedoch lediglich auf personenbezogene Daten erstreckt, die von der betroffenen Person selbst zur Verfügung gestellt worden sind (vgl. Standpunkt des Europäischen Parlaments festgelegt in erster Lesung am 12. März 2014 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EU) Nr. .../2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), P7_TC1-COD(2012)0011, S. 139).

Nach Ansicht des Senats ist der Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO in der endgültigen Fassung daher in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 DSGVO zu sehen, wonach die betroffene Person das Recht hat, „die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten.“ Dies zeigt, dass der europäische Verordnungsgeber sich bewusst dafür entschieden hat, das Recht auf Kopien nicht auf sämtliche Datensätze zu beziehen, welche personenbezogene Daten über die betroffene Person enthalten (so auch Laoutoumai/Hoppe, Kommunikation & Recht -K&R- 2019, 296, 298 f.).

(γ)
Auch systematische Gesichtspunkte sprechen aus Sicht des Senats dafür, dass das Recht auf Kopie lediglich die Kataloginformation i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DSGVO umfasst und betroffene Personen keine weitergehenden Ansprüche haben. Denn der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ist vergleichsweise restriktiv gefasst; er sieht nur eine Kopie „der personenbezogenen Daten“ vor und spricht, anders als Art. 28 Abs. 3 lit. g oder Art. 58 Abs. 1 lit. e DSGVO, nicht von „allen“ personenbezogenen Daten.

Für die Sichtweise, dass Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO nicht zwei voneinander unabhängige, sondern einen einheitlichen Anspruch enthalten, spricht auch, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf Tatbestandsseite keine Anspruchsvoraussetzungen enthält, sondern lediglich als Rechtsfolge die Verpflichtung des Verantwortlichen normiert, eine Kopie zur Verfügung zu stellen.

(δ)
Das gefundene Auslegungsergebnis wird aus Sicht des erkennenden Senats auch durch eine teleologische Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO bestätigt. Das Recht auf Kopie flankiert die Auskunftsrechte des Art. 15 Abs. 1 DSGVO und dient gemeinsam mit diesen dem Ziel, der betroffenen Person eine Überprüfung der sie betreffenden Datenverarbeitungen zu ermöglichen. Ausweislich des Erwägungsgrunds 63 zur DSGVO sollen die Auskunftsansprüche des Art. 15 DSGVO der betroffenen Person einen Überblick über den Umfang und Inhalt der zu ihr gespeicherten persönlichen Daten verschaffen, um ihr die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung und die Ausübung der weiteren betroffenen Rechte, z. B. auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung, zu ermöglichen. Dieses Ziel der Ermöglichung der Überprüfung wird erreicht, wenn die aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO folgenden Auskünfte in Kopie zur Verfügung gestellt werden. Es ist nicht erforderlich, die betreffende Person über sämtliche beim Verantwortlichen gespeicherten Schriftstücke oder Dateien zu informieren.

ee.
Selbst wenn Art. 15 Abs. 3 DSGVO extensiv dahingehen auszulegen sein sollte, dass er dem Berechtigten einen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien gewährt, wäre das Begehren des Klägers als exzessiv i.S.v. Art. 12 Abs. 5 DSGVO anzusehen und hätte der Beklagte die Erfüllung des Anspruchs zurecht verweigert.

(1)
Dem Anspruch des Klägers auf eine unentgeltliche Kopie in Gestalt von (elektronischen) Doppeln ganzer Akten steht Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO entgegen. Danach kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. a DSGVO) oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b DSGVO). Nach Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.

Art. 15 DSGVO gewährt jedoch keinen pauschalen Auskunftsanspruch einer betroffenen Person. Ausweislich des Erwägungsgrunds 67 Satz 7 der DSGVO soll die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden, wenn der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet. Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Erteilung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO, der inhaltlich nicht umfassender sein kann als der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO (so auch Engeler/Quiel, NJW 2019, 2201, 2203 f.).

(2)
Der Kläger hat seinen Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie des gesamten Akteninhalts des Beklagten in Bezug auf ihn betreffende personenbezogene Daten durch pauschales Auskunftsverlangen gerichtet auf Überlassung von Kopien ganzer Akten des Beklagten geltend gemacht. Auch zu dem Angebot des Klägers, bestimmte personenbezogene Daten des Klägers zur Verfügung zu stellen hat sich der Kläger nicht verhalten. Damit ist das Auskunftsbegehren des Klägers offensichtlich überschießend und mithin unbegründet. Der Beklagte hat die Erfüllung des Anspruchs daher zurecht gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO verweigert.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 15.06.2021 (Az.: VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726). Im Unterschied zu der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des BGH, wonach der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO eines Versicherungsnehmers gegen ein Lebensversicherungsunternehmen weit auszulegen sei, bezieht sich der Anspruch des Klägers gerade nicht auf einen konkreten, eng begrenzten Lebenssachverhalt, sondern beinhaltet das pauschale Begehren der Vorlage von (elektronischen) Aktendoppeln.

Eines Nachweises für den unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags durch den Beklagten bedarf es nach Überzeugung des Senats nicht, da die zur Unbegründetheit des Antrags führenden Umstände sich bereits aus der Formulierung des Klagebegehrens ergeben und damit offensichtlich sind.

Nach Einschätzung des Senats dient das Begehren des Klägers im Übrigen nicht dem Ziel der DSGVO, den Schutz der Privatsphäre des Klägers bei der Verarbeitung von ihn betreffenden Daten zu gewährleisten. Vielmehr versucht der Kläger, den Auskunftsanspruch zweckwidrig zu nutzen, um Zugang zu ganzen Beständen ihn betreffender Verwaltungsdokumente zu erlangen. Ein solcher Zugang ergibt sich aber aus Art. 15 DSGVO nicht bzw. soll dem Anspruchsgegner für diese Fälle ein Leistungsverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO zustehen.

ff.
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die Klage als Minus zum Klageantrag „Überlassung von Datenkopien vollständiger Akten“ auch nicht hinsichtlich der Erteilung bestimmter Auskünfte oder Überlassung bestimmter Datenkopien teilweise begründet. Die Erteilung bestimmter Auskünfte oder Datenkopien stellt im Verhältnis zum Klageantrag auf „Überlassung von Datenkopien vollständiger Akten“ etwas qualitativ Anderes (aliud) dar und ist kein Weniger (minus) zum klägerischen Begehren (so auch BFH, Beschluss vom 05.05.2017 - X B 36/17 -, BFH/NV 2017, 1183 Rn. 20).

gg.
Soweit der Kläger anregt, bestimmte Fragen zur Auslegung der DSGVO im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH vorzulegen, sieht der erkennende Senat hierfür kein Erfordernis. Der Senat hält es auch nicht für geboten, den Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C-487/21 abzuwarten.

(1)
Eine Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH besteht für den erkennenden Senat als
Instanzgericht nicht. Die Finanzgerichte sind gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV bei Auslegungsfragen zur Vorlage berechtigt, aber nicht verpflichtet. Der BFH hat daher entschieden, eine Vorlageverpflichtung der Finanzgerichte bestehe aus unionsrechtlichen Gründen nicht, obwohl keine zulassungsfreie Revisionseinlegung möglich sei (Levedag in: Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, Anhang, Rn. 171). Wenn jedoch bereits bei nicht zugelassener Revision keine Vorlagepflicht besteht, gilt dies erst recht, wenn das Instanzgericht die Revision zulässt.

Im Übrigen ist die Rechtsprechung des EuGH zur Frage, ob und in welchem Umfang datenschutzrechtliche Auskunftsrechte zugleich auch Rechte auf Zugang zu behördlichen Dokumenten gewähren, aus Sicht des Senats eindeutig und als geklärt anzusehen, sodass es auch aus diesem Grund einer Vorlage an den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) nicht bedarf.

(2)
Der Senat hält es auch nicht für geboten, den Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache C-487/21 abzuwarten. Denn die Vorlagefragen des Bundesverwaltungsgerichts der Republik Österreich vom 09.08.2021 an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind weder vorgreiflich noch entscheidungserheblich, denn sie beeinflussen weder die Entscheidung des erkennenden Senats, dass die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) unverändert anwendbar ist und sich das beklagte Finanzamt im Übrigen nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO zu recht geweigert hat, auf das pauschale Begehren des Klägers auf Zurverfügungstellung ganzer Akten tätig zu werden.

b.
Wenngleich der Kläger seinen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Datenkopien allein auf Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO stützt, entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies folgt aus § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes -GVG-, der über § 155 Satz 1 FGO auch im Finanzprozess anwendbar ist (so auch BFH, Urteil vom 08.06.2021 – II R 15/20 –, Rn. 16, juris).

Ein Anspruch des Klägers auf Überlassung von Datenkopien ergibt sich jedoch weder aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht der Finanzbehörden (aa.) noch aus landesrechtlichem Informationsfreiheitsgesetz (bb.) noch aus dem prozessrechtlichen Akteneinsichtsrecht im finanzgerichtlichen Verfahren (cc.).

aa.
Die AO sieht bereits keinen Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht vor und gewährt erst Recht keinen Anspruch auf Überlassung von Datenkopien in Gestalt von Aktendoppeln.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Akteneinsichtsrecht weder aus § 91 Abs. 1 AO und dem hierzu ergangenen Anwendungserlass zur Abgabenordnung -AEAO- noch aus § 364 AO und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten. Ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht wird nach einem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.07.2021 (Az.: 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777) auch nicht durch das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO begründet, da ein Akteneinsichtsrecht stets über ein bloßes Auskunftsrecht hinsichtlich der verarbeiteten personenbezogenen Daten hinausgehe, da Akten regelmäßig Bestandteile enthielten, die nicht unter den Schutzbereich der DSGVO und des § 32c AO fielen.

Allerdings geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem während eines Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsuchenden Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht (BFH, Urteil vom 23.02.2010 - VII R 19/09 -, BStBl II 2010, 729).

Vorliegend sind jedoch keine Ermessensfehler erkennbar. Das beklagte Finanzamt hat dem Kläger angeboten, Auskunft über und Kopien von bestimmten den Kläger betreffenden Daten zu erteilen. Im Übrigen hat es einen Anspruch auf Überlassung von Datenkopien in Form von Doppeln ganzer Verwaltungsakten ermessensfehlerfrei abgelehnt.

bb.
Schließlich besteht auch kein Anspruch auf Zurverfügungstellung von Aktendoppeln nach dem Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz -IFG Berlin-) vom 15.10.1999 (Gesetz- und Verordnungsblatt -GVBl.- 1999, 561), denn das Gesetz gewährt in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 und § 13 IFG Berlin lediglich einen Anspruch auf Akteneinsicht und Aktenauskunft, vermittelt jedoch keinen pauschalen Anspruch auf Überlassung vollständiger Aktendoppel.

cc.
Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten auf Überlassung von Aktendoppeln ergibt sich auch nicht aus § 78 FGO, denn Anspruchsgegner des prozessrechtlichen Anspruchs ist das Finanzgericht und nicht das beklagte Finanzamt. Dies hat der BFH zuletzt in einem Beschwerdeverfahren betreffend das unter dem Aktenzeichen 5 K 5093/20 beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg geführte Parallelverfahren des Klägers entschieden (BFH, Beschluss vom 07.06.2021 - VIII B 123/20 -, BFH/NV 2021, 1292) und ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht der in Papier geführten Prozessakten in einer "gängigen elektronischen Form" weder aus Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DSGVO herleiten kann (BFH, Beschluss vom 29.08.2019 - X S 6/19 -, BFH/NV 2020, 25), noch eine Pflicht des FG besteht, Behördenakten zu digitalisieren (BFH, Beschluss vom 06.09.2019 - III B 38/19 -, BFH/NV 2020, 91; Beschluss vom 04.07.2019 - VIII B 51/19 -, BFH/NV 2019, 1235).

II.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es erscheint aufgrund der großen Breitenwirkung klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob und in welchem Umfang und in welcher Form die Betroffenenrechte des Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien personenbezogener Daten aus den Akten der Finanzbehörden gewähren.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.