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Entscheidung 10 Sa 1286/21


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Berufungskammer Entscheidungsdatum 06.01.2022
Aktenzeichen 10 Sa 1286/21 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2022:0106.10SA1286.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 611 BGB, § 242 BGB

Leitsatz

Bei der Eingruppierung von Lehrerinnen in ein Eingangsamt kommt es auf ihre gesundheitliche Eignung nicht an.

Tenor

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. März 2021 – 56 Ca 8741/20 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt das beklagte Land.

III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.625,40 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Vergütungsdifferenz aus einer Höhergruppierung für die Zeit vom 1. August 2019 bis 31. Juli 2020.

Die Klägerin ist 40 Jahre alt (geboren …. 1981) und stand vom 22. März 2014 bis zum 31. Juli 2020 beim beklagten Land als vollbeschäftigte Lehrkraft in einem Arbeitsverhältnis. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) nebst dem Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L) Anwendung.

Ursprünglich war die Klägerin in die Entgeltgruppe E 11 TV-L eingruppiert. Unter dem 22. März 2014 vereinbarten die Parteien eine Nebenabrede zu § 16 Abs. 5 TV-L, wonach die Klägerin ab dem 22. März 2014 der Stufe 1 der Entgeltgruppe E 11 LEHR zugordnet war und ihr der Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und Stufe 5 ab 22. März 2014 als übertarifliche Zulage gezahlt werde. Die übertarifliche Zulage reduziere sich bei dem Stufenaufstieg um den Stufengewinn und entfalle zu dem Zeitpunkt, zu dem die Stufe 5 regulär erreicht worden sei. Weiter ist in der Nebenabrede geregelt:

Bei Höhergruppierung während der übertariflichen Zulagengewährung bleiben die vorweg gewährten Stufen bei der Zuordnung zur regulären Stufe in der höheren Entgeltgruppe unberücksichtigt. Wird die reguläre Stufe 5 der höheren Entgeltgruppe noch nicht erreicht, so wird auch in der höheren Entgeltgruppe der Unterschiedsbetrag zwischen der zugeordneten stufe zzgl. Eines eventuell nach § 17 Abs. 4 TV-L zu gewährenden Garantiebetrages und der Stufe 5 vorweg als übertarifliche Zulage gewährt.

Die Klägerin war an der A-Schule, einer Grundschule, eingesetzt. Sie stellte am 25. Januar 2019 über ihre damalige Schulleiterin einen Antrag auf Wechsel in den Laufbahnzweig nach § 8a der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten der Laufbahnfachrichtung Bildung -Bildungslaufbahnverordnung (BLVO). Dem Antrag war eine Liste der absolvierten Fortbildungen beigefügt.

Nach den Regelungen in § 3 Abs. 1 Ziffer 3 bzw. 3a BLVO liegt die Befähigung für den Laufbahnzweig gemäß § 8a BLVO vor, wenn die Befähigung für das Lehramt an Grundschulen nach dem Lehrkräftebildungsgesetz erworben wurde oder wenn auf ihren Antrag die Befähigung für den Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen anerkannt wurde. Für diese Anerkennung regelt § 3a Abs. 2 BLVO bestimmte Voraussetzungen.

§ 8a BLVO regelt in Abs. 1 unter anderem, dass zum Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen als Einstiegsamt in Besoldungsgruppe A 13 das Amt der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen gehört.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 teilte das beklagte Land der Klägerin das Folgende mit:

„Anerkennung der Befähigung für den Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen nach § 8a Bildungslaufbahnverordnung

…,

auf Ihren Antrag wird Ihnen die Befähigung für den Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen nach § 8a Bildungslaufbahnverordnung … anerkannt. Sie erfüllen die notwendigen Voraussetzungen gemäß § 3a Bildungslaufbahnverordnung.

Bitte beachten Sie, dass ein Laufbahnzweigwechsel und eine Einweisung in eine Planstelle frühestens zum 1. August 2019 erfolgen kann (§ 3a Absatz 4 Bildungslaufbahnverordnung). Die Personalstelle hat eine Kopie dieses Bescheids erhalten verbunden mit der Bitte, alles Weitere zu veranlassen. …“

Nach Ziffer 1 Abs. (1) Satz 1 der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder - TV EntgO-L) ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe eingruppiert, die nach Satz 3 der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde. Nach Satz 3 entspricht die Besoldungsgruppe A13 der Entgeltgruppe E13.

Nach Ziffer 1 Abs. (1) Satz 2 der Entgeltordnung Lehrkräfte erfolgt eine Höhergruppierung unter denselben Voraussetzungen wie eine Beförderung bei einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft, wenn in dem beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgesetz Beförderungsämter in einer höheren Besoldungsgruppe als dem Eingangsamt ausgebracht sind.

Eine Eingruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe E13 erfolgte bis zu ihrem Ausscheiden zum 31. Juli 2020 nicht. Vom 7. Januar 2020 bis 25. Juni 2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Auch zuvor gab es bei der Klägerin schon Arbeitsunfähigkeitszeiten.

Das beklagte Land meint, dass die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen die beamtenrechtlichen Voraussetzungen für einen Laufbahnwechsel nicht erfülle.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31. März 2021 der Klage entsprochen.

Soweit das beklagte Land einwende, dass der Klägerin auch als Beamtin die gesundheitliche Eignung gefehlt hätte, genüge die pauschale Bezugnahme auf krankheitsbedingte Fehlzeiten nicht. Es handele sich um eine medizinische Frage, die nur von einem Arzt beurteilt werden könne.

Gegen dieses dem beklagten Land am 20. August 2021 zugestellte Urteil hat dieses rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet.

Fehlzeiten in der Vergangenheit würden eine Prognose in die Zukunft zulassen. Auch habe es sich damals um eine bestehende und nicht um eine vergangene Erkrankung gehandelt. Die Klägerin müsse dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen sein. Zur Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Grundgehalt bedürfe es entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 3 BeamtStG einer Ernennung. Diese erfolge nach den anzuwendenden beamtenrechtlichen Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Die gesundheitliche Eignung sei ein zulässiges Kriterium. Eine Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung sei auf der Grundlage einer individuellen Würdigung des Gesundheitszustandes vorzunehmen. Nach der Praxis des beklagten Landes seien das Fehlzeiten von

- zusammenhängend mehr als drei Monaten

- in der Summe mehr als drei Monate innerhalb eines halben Jahres

- absehbar länger als drei Monate.

Zum Zeitpunkt der begehrten Höhergruppierung habe nach diesen Kriterien die negative Prognose getroffen werden können. Die Klägerin sei vom 18. November 2019 bis 22. November 2019, 26. November 2019 bis 27. November 2019, 6. Dezember 2019 bis 20. Dezember 2019 und vom 7. Januar 2020 bis 25. Juni 2020 arbeitsunfähig krank gewesen.

Die Klägerin habe sich wegen der Höhergruppierung erstmals mit E-Mail vom 7. November 2019 an die Personalstelle gewandt. Angesichts der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 18. November 2019 habe eine zeitnahe Klärung nicht erfolgen können.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. März 2021 – 56 Ca 8741/20 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung des beklagten Landes vom 7. Oktober 2021 und den Inhalt der Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 13. Dezember 2021 sowie das Sitzungsprotokoll vom 6. Januar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist aber nicht begründet.

1.

Das beklagte Land hat die Tarifvorschriften nicht zutreffend angewandt.

Nach § 3 TV EntgO-L in Verbindung mit § 12 TV-L richtet sich die Eingruppierung der Lehrkraft nach den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L). Nach Ziffer 1 Abs. 1 Satz 1 der Entgeltordnung Lehrkräfte ist die Lehrkraft in der Entgeltgruppe eingruppiert, die nach Satz 3 der beim Arbeitgeber geltenden Besoldungsgruppe entspricht, in welche sie eingestuft wäre, wenn sie unter Zugrundelegung ihrer fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis stünde.

Danach kommt es nicht auf die gesundheitliche Eignung der Klägerin an, sondern allein auf ihre fachliche und pädagogische.

Erst wenn es sich um ein Beförderungsamt handeln sollte, wäre auch die gesundheitliche Eignung relevant. Denn Ziffer 1 Abs. 1 Satz 2 der Entgeltordnung Lehrkräfte regelt, dass eine Höhergruppierung in ein Beförderungsamt unter denselben Voraussetzungen wie eine Beförderung bei einer vergleichbaren beamteten Lehrkraft erfolgt.

§ 8a der BLVO regelt, dass zum Laufbahnzweig der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen als Einstiegsamt in Besoldungsgruppe A 13 das Amt der Lehrkraft mit dem Lehramt an Grundschulen gehört. Damit handelt es sich bei der von der Klägerin angestrebten Eingruppierung eindeutig nicht um die Eingruppierung in ein Beförderungsamt, sondern in ein Einstiegsamt.

Ziffer 1 Abs. 1 Satz 3 der Entgeltordnung Lehrkräfte regelt, dass das Amt nach der Besoldungsgruppe A 13 der Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 13 entspricht. Dass die Klägerin die pädagogische und fachliche Eignung für das Einstiegsamt besitzt, hat ihr das beklagte Land mit dem Schreiben vom 8. Juli 2019 ausdrücklich bestätigt.

2.

Entgegen § 37 Abs. 1 TV-L hat die Klägerin ihren Anspruch gegenüber dem beklagten Land nicht schriftlich geltend gemacht. Jedenfalls hat die Klägerin eine Geltendmachung nicht anhand von Tatsachen dargelegt. Die erstinstanzliche Berufung des beklagten Landes darauf ist jedoch rechtsmissbräuchlich.

2.1

Eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf die Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist. Das wird u.a. angenommen, wenn der Arbeitgeber den Eindruck erweckt hat, der Arbeitnehmer könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne rechtzeitige Geltendmachung erfüllt werde (BAG 11. April 2019 - 6 AZR 104/18 mwN).

2.2

Mit dem Schreiben des beklagten Landes vom 8. Juli 2019 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 13 erfülle. Damit endete das Schreiben jedoch nicht. Es wurde vielmehr ausgeführt, dass es (nur) noch einer Einweisung in eine Planstelle bedürfe und die Personalstelle unter Beifügung einer Kopie dieses Bescheids gebeten worden sei, alles Weitere zu veranlassen. Die Klägerin durfte aufgrund des Schreibens darauf vertrauen, dass das beklagte Land ihre Ansprüche unabhängig von der Einhaltung der tariflichen Ausschlussfrist erfüllen werde.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Das beklagte Land hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.