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Entscheidung S 20 KR 1/19 WA


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 20. Kammer Entscheidungsdatum 09.02.2022
Aktenzeichen S 20 KR 1/19 WA ECLI ECLI:DE:SGNEURU:2022:0209.S20KR1.19WA.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe eines Betrages von 300,00 Euro.

Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte dort stationär vom 24. März 2015 bis zum 28. März 2015 die bei der beklagten Krankenkasse versicherte E. (im Folgenden: Versicherte). Sie berechnete der Beklagten hierfür einen Betrag in Höhe von 2.659,79 Euro (Fallpauschale – Diagnosis Related Group 2015 <DRG> – E65B, Rechnung vom 01. April 2015). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zu prüfen, ob die Kodierung der Hauptdiagnose und die Kodierung der Nebendiagnosen zutreffend seien. Der MDK forderte von der Klägerin die ausführlichen Behandlungsunterlagen an und sah die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen und die DRG als korrekt an. Hiernach forderte die Klägerin von der Beklagten vergeblich eine Aufwandspauschale in Höhe eines Betrages von 300,00 Euro (Rechnung vom 11. August 2015).

Nachdem die Beklagte die Zahlung mit der Begründung abgelehnt hatte, es habe sich um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung gehandelt, für die keine Aufwandspauschale zu leisten sei, hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Neuruppin mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2015 – bei dem erkennenden Gericht eingegangen am gleichen Tage – Klage erhoben, mit der sie ihr auf Zahlung der Aufwandspauschale gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Sie meint im Wesentlichen, die Voraussetzungen der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung seien im Hinblick auf eine sachlich-rechnerische Prüfung nicht erfüllt. Abgesehen davon, dass die bundessozialgerichtliche „Erfindung“ eines derartigen Prüfregimes nicht mit dem Gesetz in Einklang zu bringen sei, stelle die Frage nach der Korrektheit der verschlüsselten Diagnosen eine Auffälligkeitsprüfung dar. Im Übrigen habe die Beklagte in dem sich aus den Verwaltungsvorgängen befindlichen „Fragenkranz“ auch nach der richtigen DRG gefragt. Zusätzlich finde sich unter diesem „Fragenkranz“ noch ein Hinweis an den MDK mit der Frage nach anderen Auffälligkeiten. Unabhängig davon sei hier jedoch entscheidend, dass die Beklagte unter dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Passus „Beanstandenswerte Prüfregeln“ dem MDK ausdrücklich aufgegeben habe, die Verweildauer des Falles zu prüfen, was eindeutig eine Auffälligkeitsprüfung darstelle.

Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),

die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages weist sie im Wesentlichen darauf hin, dass Prüfgegenstand die richtige Kodierung der Haupt- und Nebendiagnose sowie die Ermittlung der DRG gewesen sei, was eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung darstelle; es gehe vorliegend nicht um die medizinische Notwendigkeit der Behandlung. Die von der Klägerin zur Stützung ihres Begehrens bemühte „Prüfregel“ stelle ein Verwaltungsinternum dar, der MDK habe hiervon keine Kenntnis. Es komme allein auf den Prüfauftrag und die Prüfanzeige an.

Auf den übereinstimmenden Antrag der Beteiligten hat das Gericht im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren mit dem gerichtlichen Aktenzeichen 1 BvR 318/17 mit Beschluss vom 20. November 2017 – S 20 KR 338/15 – das Ruhen des Verfahrens angeordnet und am 10. Januar 2019 unter dem jetzigen gerichtlichen Aktenzeichen wieder aufgenommen.

Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 16. November 2021 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die den zugrunde liegenden Behandlungsfall betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratung sowie der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Über die Klage konnte die Kammer gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).

2. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG unmittelbar zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung einer Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs 1c S 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) – in der Fassung, die die genannte Regelung zum Zeitpunkt der Rechnungslegungen hatte, weil mangels entsprechender (Übergangs-)Regelungen in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Zeitpunkte und Zeiträume das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 8/20 R, RdNr 21 mwN), was im Übrigen auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt – gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (vgl zur Zulässigkeit auch Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020 – B 1 KR 15/19 R, RdNr 7 mwN). Ein Schlichtungsverfahren gemäß § 17c Abs 4b S 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) war ebenfalls nicht durchzuführen, weil die Regelung nur auf streitig gebliebene Krankenhausvergütungen anwendbar war, nicht hingegen auf die Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl auch Sozialgericht Detmold, Urteil vom 31. März 2016 – S 3 KR 182/15, RdNr 18 mwN).

3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs 1c S 3 SGB V sind nicht erfüllt. Denn das Gesetz in der hier noch anzuwendenden Fassung begrenzt den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale auf den Fall der Abrechnungsprüfung bei Auffälligkeit wegen Unwirtschaftlichkeit. Die Prüfung der Auffälligkeit <dazu a)> ist von der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu unterscheiden <dazu b)>. Das Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeit wird nicht durch jenes der Auffälligkeitsprüfung verdrängt <dazu c)>. Ein Fall der Auffälligkeitsprüfung liegt hier nicht vor <dazu d)>. Eine rückwirkende Anwendung der Neuregelung des § 275 Abs 1c S 4 SGB V oder des § 275c SGB V kommt nicht in Betracht <dazu e)>.

a) Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) erbracht hat. Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach Maßgabe der Regelung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 34/13 R, RdNr 26). Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist dabei eine eng auszulegende Ausnahmeregelung. Sie zielt nur auf die Einschränkung von solchen Prüfungen ab, die Krankenkassen ohne berechtigten Anlass, ggf gar durch „missbräuchliche“ Prüfungsbegehren eingeleitet haben, nicht aber zB auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist. Hierbei muss die Krankenkasse den MDK wegen einer Auffälligkeit gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, dh eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen. Die Gesetzeskonzeption der Auffälligkeitsprüfungen von Unwirtschaftlichkeit folgt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, weil sie sie für überzeugend hält, aus dem Wortlaut in Einklang mit der Entwicklungsgeschichte der Norm und dem Zweck der Prüfung (vgl hierzu im Einzelnen: Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 9 ff mwN; hieran ausdrücklich festhaltend Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020 – B 1 KR 15/19 R, RdNr 12). Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslegung des Bundessozialgerichts zu § 275 Abs 1 SGB V und § 275 Abs 1c SGB V am Maßstab des Grundgesetzes geprüft und nicht beanstandet (vgl Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 – 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17).

b) Das Gesetz unterscheidet nach der Gesamtrechtssystematik die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit von den vorgenannten Prüfungen bei Auffälligkeit. Es überantwortet den Krankenkassen die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, wenn Krankenhäuser Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung pflichtgemäß (vgl § 39 SGB V und § 109 Abs 4 S 2 SGB V) behandeln. Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung (§ 275 SGB V). Es unterliegt einem eigenen Prüfregime. Es dient dazu, die Einhaltung der Abrechnungs- und Informationspflichten der Krankenhäuser zu überwachen. Es beruht auf § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm mit den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der Rechnungslegung in Einklang mit der historischen Gesetzesentwicklung. Das Gesetz lässt die erforderliche Übermittlung der Sozialdaten an die Krankenkassen für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zweckgerecht zu. Weder die Regelungen der Stichprobenprüfung noch die Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V schließen die Anwendung der Grundsätze der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung bis zum 31. Dezember 2015 aus (vgl hierzu im Einzelnen: Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 16ff mwN).

Entgegen der Auffassung der Klägerin begründen die Vorschriften des § 275 Abs 1 SGB V und des § 275 Abs 1c SGB V in ihren bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassungen damit keinen Anspruch auf die Zahlung von Aufwandspauschalen für sachlich-rechnerische Prüfungen, auch wenn die Prüfungen zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrags geführt haben. Gegenstand des in § 275 Abs 1 SGB V iVm § 275 Abs 1c SGB V genannten Verfahrens der Auffälligkeitsprüfung ist nur die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Nur diese kann bei Krankenhäusern die Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs 1c SGB V auslösen (Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020 – B 1 KR 15/19 R, RdNr 11 mwN)

c) Das Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeitskontrolle wird nicht dadurch verlassen, dass die Krankenkasse unter Mitwirkung des MDK überprüft, ob ihr das Krankenhaus für die Abrechnung pflichtgemäß zutreffende Tatsachen mitgeteilt hat. Die Pflicht zur Angabe zutreffender Tatsachen bei der Abrechnung ist nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil die gebotene Information der Krankenkassen verschlüsselt im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern erfolgt und sich zum Teil als Subsumtionsvorgang darstellt, der die zugrunde liegenden Fakten verdeckt. In der Übermittlung der nach den Abrechnungsbestimmungen verschlüsselten Information – etwa der Diagnose nach ICD-10 oder dem OPS-Code – an die Krankenkasse liegt zugleich die implizite Tatsachenbehauptung des Krankenhauses, es habe beim Versicherten die Befunde erhoben, die die angegebene Diagnose als rechtlich relevanter Abrechnungsbegriff rechtfertigen, und die medizinischen Behandlungen im weiteren Sinne durchgeführt, die die tatbestandlichen Voraussetzungen der nach dem OPS kodierten Operation oder Prozedur erfüllen. Die Verschlüsselung hindert das Krankenhaus nicht, zutreffende Angaben in tatsächlicher Hinsicht zu machen. Aus einem Hinweis auf mögliche Abrechnungsfehler nach Einführung des DRG-Systems in einer Gesetzesbegründung ist nicht abzuleiten, der Gesetzgeber habe unzutreffende Tatsachenangaben des Krankenhauses gebilligt. Bei Zweifeln an der richtigen Kodierung ist das Krankenhaus weder gezwungen, von vornherein die ihm ungünstige Kodierungsvariante zu wählen („defensive Kodierung“), noch dazu berechtigt, implizit das sichere Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die günstigere Variante zu behaupten. Es ist berechtigt, unter Angabe des tatsächlichen Behandlungsgeschehens seine Auslegungsvorstellungen geltend zu machen und gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 32).

Faktische Überschneidungen zwischen beiden Prüfregimen können sich daraus ergeben, dass eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit „Auffälligkeiten“ im Rechtssinne bewirken kann. Sie führen indes nicht dazu, den Rechtsbereich des Prüfregimes der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zu beschränken. Dies hätte eine vom Regelungszweck nicht gedeckte beweisrechtliche Privilegierung von in tatsächlicher Hinsicht irreführenden Abrechnungen (vgl zB evident in Widerspruch zu geltenden Kodierrichtlinien erfolgte Abrechnung einer im Krankenhaus entstandenen Wirbelkörper-Fraktur als Hauptdiagnose mit zusätzlich 8.921,15 Euro Vergütung; Abrechnung einer Transplantation von Niere und Pankreas mit angeblicher Transplantatabstoßung im Falle nur vorübergehender Funktionsstörung mit zusätzlich 23.711,50 Euro Vergütung) durch das Eingreifen der Sechs-Wochen-Frist (§ 275 Abs 1c S 2 SGB V) zur Folge, die der Rechtsordnung jedenfalls bis zum Ablauf des 31. Dezember 2015 fremd ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 33 mwN).

„Auffälligkeiten“ im Rechtssinne verpflichten Krankenkassen, den MDK mit der Prüfung der Krankenhausabrechnung zu beauftragen. Der Prüfanlass der Auffälligkeit ist weit zu verstehen, um zweckgerecht der asymmetrischen Informationslage zwischen Krankenhaus und Krankenkasse unter Gesamtschau der einschlägigen Regelungen Rechnung zu tragen. Er kann nicht im Vorhinein mit Blick auf das Ziel der Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit eines im Tatsächlichen korrekt kodierten Behandlungsgeschehens reduziert werden. Vor Einschaltung des MDK und dessen Einsicht in die Behandlungsunterlagen ist oft nicht ersichtlich, ob die Auffälligkeit auf Unwirtschaftlichkeit oder unzutreffender Sachverhaltsangabe oder fehlerhafter Subsumtion beruht. Auffälligkeiten, die die Krankenkasse zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK berechtigen, bestehen dann, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann.

Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 24/11 R – (vgl dort RdNr 18) auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit als möglichen Prüfungsgegenstand einer Auffälligkeitsprüfung – nach vollständiger Mitteilung der zur ordnungsgemäßen Abrechnung erforderlichen Behandlungsdaten – angesehen hat, handelt es sich um einen jener Fälle, in denen die vom Krankenhaus – gegebenenfalls auch noch nachträglich – mitgeteilten Behandlungsdaten, ihre Richtigkeit unterstellt, die Auffälligkeit einer unwirtschaftlichen Behandlung begründen, aber auch weiterhin geringste Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Krankenhaus unzutreffende Angaben gemacht hat. Hierbei muss aus dem Prüfauftrag das konkrete Prüfungsziel und die Beschreibung der Auffälligkeit zu ersehen sein. Dies gibt dem Krankenhaus die Möglichkeit, die Aufforderung zur Mitteilung weiterer Informationen als Schritt in einem Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung oder der Auffälligkeitsprüfung im Sinne der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 275 Abs 1c SGB V iVm § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V einordnen zu können (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 34 mwN).

Auch wenn die Krankenkasse die Abrechnung nicht nachvollziehen kann, weil das Krankenhaus die Krankenkasse nicht ordnungsgemäß informiert hat, kann die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit Anlass zu einer Einschaltung des MDK geben. Dies führt jedoch nicht zu einer Änderung des Prüfregimes und löst deshalb die Pflicht zur Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V nicht aus. Dies würde bedeuten, dass das Krankenhaus aus der Verletzung seiner Informationspflichten Vorteile ziehen könnte. Jedenfalls wenn sich nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und gegebenenfalls -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der Krankenkasse zumindest die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben, soweit sich aus den Landesverträgen gemäß § 112 SGB V keine weitergehenden Mitteilungspflichten ergeben (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 35 mwN).

Jedenfalls die bis zum 01. Januar 2016 geltende Gesetzes- und Rechtslage kennt demgegenüber keine Begünstigung unzutreffender Tatsachenangaben in Krankenhausabrechnungen durch eine Prüfeinschränkung der Beweismittel. Alle zulässigen Beweismittel stehen zur Prüfung dieses Teilbereichs der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung zur Verfügung, auch die Überprüfung durch den MDK. Es gibt keinen rechtlich tragfähigen Grund, für diesen Prüfbereich Beweisverwertungsverbote mit der Folge zu postulieren, dass Zahlungen aufgrund etwa von solchen Abrechnungen des Krankenhauses, die auf unzutreffenden Tatsachenangaben beruhen, ab sechs Wochen nach Rechnungslegung ohne Prüfantrag mangels Verwertbarkeit der Behandlungsunterlagen des Krankenhauses regelmäßig unkorrigiert bleiben. Gleiches gilt für die weiteren Folgen der Auffälligkeitsprüfungen, die Zahlung der Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs 1c S 3 SGB V (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 36).

d) Die Beklagte wandte sich mit einer Frage nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung an den MDK, nämlich nach der richtigen Kodierung der Hauptdiagnose und den Nebendiagnosen („Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt? Ist / Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?"; vgl zu dieser konkreten Frage auch und gerade: Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 18/16 R, RdNr 37). Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung im Sinne des § 275 Abs 1c S 3 SGB V oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 Abs 1 S 3 SGB V). Der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für die Auslegung des Auftrags maßgebliche wirkliche Wille <§ 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)> lässt sich aus dem Angaben zum Prüfauftrag – auch aus dem relevanten Empfängerhorizont zunächst des MDK – unschwer entnehmen: Der Beklagten ging es um die Klärung, ob die Klägerin die Vorgaben der Kodierrichtlinien beachtet hatte. Der MDK teilte dies auch der Klägerin mit („Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt? Ist / Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?"). Die konkrete Zielrichtung des Prüfauftrags war damit unmissverständlich.

An diesem Ergebnis würde sich im Übrigen auch nichts dadurch ändern, wenn der MDK – anders als hier – die im Ergebnis nicht zutreffende Rechtsansicht geäußert hätte, der Prüfauftrag beruhe auf der Regelung des § 275 Abs 1c SGB V, weil dies angesichts des klaren Prüfauftrages unschädlich gewesen wäre (vgl zu alledem: Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 38 mwN).

Zwar ist der Klägerin zuzustimmen, dass die Frage nach der Verweildauer eine Frage der Auffälligkeitsprüfung darstellt, worauf bereits das Bundessozialgericht unter Bezugnahme auf die Vorgängerregelungen des § 275 Abs 1 c SGB V hingewiesen hat, wenn es betont, dass die Rechtsprechung kontinuierlich – schon unter Geltung der Reichsversicherungsordnung – die Prüfung der Erforderlichkeit der Verweildauer als Ausdruck der Prüfung des Gebots der Wirtschaftlichkeit durch den MDK/Vertrauensärztlichen Dienst angesehen habe (Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 12 mwN und RdNr 13 aE unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 21. November 1991 – 3 RK 32/89, RdNr 20). Jedoch hat diese noch in der „Prüfregel“ enthaltene Frage nach dem plausiblen Vortrag der Beklagten, der mit dem vom MDK wiedergegebenen Wortlaut des Prüfauftrages und dem Wortlaut der Prüfanzeige übereinstimmt, deren Binnenbereich nicht verlassen.

Soweit die Klägerin schließlich zur Stützung ihres Begehrens auf die unter dem „Fragenkranz“ enthaltene Frage nach weiteren Auffälligkeiten hinweist, lässt sich dem von dem MDK in seinem Gutachten wiedergegebenen Prüfauftrag nicht entnehmen, dass dieser diesen Hinweis überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Jedenfalls aber hat der MDK eine entsprechende Prüfung nicht vorgenommen, so dass die Kammer davon ausgeht, dass der MDK den Prüfauftrag als auf die Fragen nach der richtigen Kodierung der Hauptdiagnose und der Nebendiagnosen sowie der zutreffenden DRG beschränkt verstanden hat.

e) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl hierzu Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 16/16 R, RdNr 31) streitet zugunsten der Klägerin auch nicht die Anfügung eines Satzes 4 an § 275 Abs 1c SGB V durch Art 6 Nr 21a des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) vom 10. Dezember 2015 (BGBl I 2229, 2251). Diese Gesetzesänderung kann insbesondere nicht als maßgebliche Auslegungshilfe für das zuvor geltende Recht herangezogen werden. Dies findet in Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Regelungszweck keine Stütze. Nach dem Wortlaut ist als Prüfung nach Satz 1 „jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses“ anzusehen, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. Die Regelung ist „am 01. Januar 2016 in Kraft" getreten (vgl Art 6 Nr 21a KHSG sowie Art 9 Abs 1 KHSG; BGBl I 2229, 2253). Die Gesetzesmaterialien führen hierzu aus, mit der „Neuregelung“ des § 275 Abs 1c S 4 SGB V werde „nunmehr“ bestimmt, dass sich die Fristen- und Anzeigeregelung des Satzes 2 und die Regelung zur Aufwandspauschale in Satz 3 auf jede Prüfung der Abrechnung einer stationären Behandlung beziehe, mit der eine Krankenkasse den MDK beauftrage und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordere. Dies gelte „sowohl für die vom 1. Senat des BSG angesprochenen Auffälligkeitsprüfungen als auch für die Prüfungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit“ (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit <14. Ausschuss> zu dem Gesetzentwurf eines KHSG, BT-Drucks 18/6586, S 110).

Hieran hat sich schließlich auch durch die mit Art 1 Nr 23 des Gesetzes für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) vom 14. Dezember 2019 (BGBl I 2789, 2795ff) mit Wirkung ab dem 01. Januar 2020 (Art 1 Nr 23 sowie Art 15 Abs 1 des Gesetzes; BGBl I 2789, 2816) eingefügte Neuregelung des § 275c SGB V nichts geändert, weil nach den Gesetzesmaterialien (BR-Drucks 359/19, S 7 und S 65 sowie S 8ff und S 66ff) die in § 275 Abs 1 c SGB V bis dahin geltenden Regelungen – soweit hier von Belang – lediglich in die Neuregelung überführt wurden.

Weil für die Anwendung der Neuregelungen maßgeblich jedenfalls derjenige Zeitpunkt ist, in dem der Prüfauftrag der Krankenkasse – regelhaft über den MDK mit dessen Prüfanzeige – dem Krankenhaus zugeht und die Neuregelung des § 275 Abs 1c SGB V mit seinem Satz 4 in der Fassung des KHSG (und die Neuregelung des § 275c Abs 1 S 3 SGB V) deshalb nur Anwendung findet, wenn der Prüfauftrag dem Krankenhaus – anders als hier – nach dem 31. Dezember 2015 zugeht (vgl zum KSHG: Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juli 2020 – B 1 KR 15/19 R, RdNr 14), kann die Klägerin die Aufwandspauschale auch nicht auf der Grundlage der zitierten Neuregelungen verlangen.

f) Mangels bestehenden Anspruches in der Hauptsache kann die Klägerin auch mit ihrem auf die Regelungen des § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 291 BGB iVm § 288 Abs 1 S 2 BGB zu stützenden Zinsbegehren (vgl zum Anspruch von Krankenhäusern bei Zahlung der Aufwandspauschale Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R, RdNr 13ff sowie zum Prozesszinsanspruch der Krankenkasse: Bundessozialgericht, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 7/15 R, RdNr 21) nicht durchdringen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

5. Die wegen der Unterschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) war mangels Vorliegen von Berufungszulassungsgründen nicht zuzulassen (§ 144 Abs 2 SGG).