Gericht | SG Neuruppin 26. Kammer | Entscheidungsdatum | 01.02.2022 | |
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Aktenzeichen | S 26 AS 693/16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer endgültiger passiver Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016, nachdem der Beklagte der Klägerin zuvor für diesen Zeitraum in Bezug auf die Bedarfe für die Kosten der Heizung für den Zeitraum vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. Oktober 2015 vorläufig Leistungen gewährt hatte. Daneben ist umstritten, ob der Beklagte von der Klägerin die Differenz zwischen den vorläufig und den endgültig gewährten Leistungen verlangen kann.
Die im September 1972 geborene Klägerin bezog seit geraumer Zeit und auch in den hier interessierenden Zeiträumen von dem beklagten Jobcenter passive Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Bewilligungsbescheid vom 08. Januar 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 09. März 2015, vom 23. März 2015, vom 15. Juli 2015 und vom 09. September 2015 <Bewilligungszeitraum vom 01. Februar 2015 bis zum 30. September 2015> sowie Bewilligungsbescheid vom 09. September 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08. Dezember 2015 <Bewilligungszeitraum vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016>). Sie bewohnte zusammen mit ihren Eltern ein Eigenheim, das mit Holz und Kohle beheizt wird. Die Klägerin reichte zur Beantragung der Übernahme der Kosten der Heizung regelmäßig Angebote von Brennstoffverkäufern ein, auf die der Beklagte in der Vergangenheit regelmäßig die aus seiner Sicht für einen Ein-Personen-Haushalt angemessenen Beträge bewilligte (zB Angebot vom 02. Juli 2013 in Höhe von 3.146,40 Euro für 4500 kg Kohlen sowie 18 Raummeter Laubholz – vorläufige Bewilligung von Heizkostenbedarfen vom 26. August 2013 in Höhe von 542,67 Euro; Angebot vom 13. Februar 2014 für 4500 kg sowie 15 Raummeter Laubholz – vorläufige Bewilligung von Heizkostenbedarfen in Höhe von 19. Februar 2014 in Höhe von 446,60 Euro; Angebot vom 09. September 2014 in Höhe von 1.277,20 Euro für 4.500 kg Kohle sowie 1 Raummeter Laubholz – vorläufige Bewilligung vom 11. September 2014 in Höhe von 720,65 Euro). Im Nachgang hierzu reichte die Klägerin sodann regelmäßig die entsprechenden Rechnungen ihrer Brennstoffkäufe ein, deren Höhen in etwa den vorläufig bewilligten Leistungsbeträgen entsprachen (zB Rechnung vom 01. Oktober 2013 in Höhe eines Betrages von 542,00 Euro für den Kauf von 1.575 kg Kohle; Rechnung vom 12. März 2014 in Höhe eines Betrages von 447,87 Euro für den Kauf von 1.550 kg Kohle; Rechnung vom 30. September 2014 in Höhe eines Betrages von 726,00 Euro für den Kauf vom 2.200 kg Kohle), ohne dass der Beklagte Anlass zu Beanstandungen hatte.
Unter dem 16. Februar 2015 reichte die Klägerin bei dem Beklagten erneut ein Angebot vom 16. Februar 2015 für 4.500 kg Kohle sowie 18 Raummeter Laubholz in Höhe eines Betrages von 3.130,20 Euro ein. Hierauf bewilligte der Beklagte der Klägerin mit sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung vom 09. März 2015 vorläufig Leistungen für einen einmaligen Bedarf für Heizung für den Monat März 2015 in Höhe eines Betrages von 552,25 Euro. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der bewilligte Betrag den angemessenen Bedarf für einen Ein-Personen-Haushalt entsprechend der „Richtlinie des Landkreises Ostprignitz-Ruppin zur Gewährung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II“ darstelle, der im Jahr 1.175,00 Euro (23,50 Euro/qm x 50 qm) und gemäß Gradtagzahl im Bewilligungszeitraum 552,25 Euro betrage.
Darüber hinaus reichte die Klägerin bei dem Beklagten am 22. September 2015 erneut ein Angebot vom 18. September 2015 für 4.500 kg Kohle sowie 18 Raummeter Laubholz in Höhe eines Betrages von 3.056,40 Euro ein. Hierauf bewilligte der Beklagte der Klägerin mit sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung vom 23. September 2015 vorläufig Leistungen für einen einmaligen Bedarf für Heizung für den Monat Oktober 2015 in Höhe eines Betrages von 951,75 Euro und fügte dem Betrag folgenden Klammerzusatz bei: „Ihr Anteil von den beantragten Kosten eines 3-Personenhaushalt[es]“. Zur Begründung verwies der Beklagte erneut darauf, dass der bewilligte Betrag den angemessenen Bedarf für einen Ein-Personen-Haushalt entsprechend der „Richtlinie des Landkreises Ostprignitz-Ruppin zur Gewährung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II“ darstelle, der im Jahr 1.175,00 Euro (23,50 Euro/qm x 50 qm) und gemäß Gradtagzahl im Bewilligungszeitraum 951,75 Euro betrage.
Nachdem die Klägerin am 30. März 2015 eine Rechnung über den Kauf von 2.000 kg Kohle vom 26. März 2015 für einen Betrag in Höhe von 660,00 Euro sowie am 03. November 2015 eine Rechnung über den Kauf von 3.000 kg Kohle für einen Betrag in Höhe von 1.020,00 Euro eingereicht hatte, forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 08. Dezember 2015 auf, die Entstehung weiterer Heizkosten für den Monat März 2015 sowie für den Monat November 2015 nachzuweisen. Nach jetzigem Stand seien für das Haus Heizmaterialien in Höhe von 660,00 Euro (März 2015) sowie in Höhe von 1.020,00 Euro (November 2015) angeschafft worden, die tatsächlich nachgewiesenen Heizkosten seien somit anteilig zu einem Drittel zu gewähren. Hierauf teilte die Klägerin mit bei dem Beklagten am 17. Dezember 2015 eingegangenem Schreiben mit, ihre Eltern hätten im März 2015 und im Oktober 2015 Heizmaterialien gekauft, die entsprechenden Rechnungen seien vorgelegt, aber nicht benötigt worden, nun lägen sie nicht mehr vor. Der Beklagte könne aber eine Ortsbesichtigung durchführen, damit er sich ansehen könne, dass das Heizmaterial gekauft worden sei.
Mit sozialverwaltungsbehördlichen Verfügungen vom 18. Januar 2016 hob der Beklagte seine vorläufigen Verfügungen vom 09. März 2015 und vom 23. September 2015 unter Berufung auf § 40 Abs 2 SGB II iVm § 328 Abs 2 SGB III auf und bewilligte der Klägerin für den Monat März 2015 Leistungen für einen einmaligen Bedarf in Höhe eines Betrages von 220,00 Euro sowie für den Monat Oktober 2015 in Höhe eines Betrages von 340,00 Euro. Zugleich forderte er die Klägerin unter Berufung auf § 328 Abs 3 SGB III auf, Leistungen im Umfang von 332,25 Euro (für den Monat März 2015) und 611,75 Euro (für den Monat Oktober 2015) zu erstatten. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen seine Erwägungen aus seinem Schreiben vom 08. Dezember 2015 und hob ergänzend hervor, die tatsächlich mit der Rechnung vom 26. März 2015 und mit der Rechnung vom 03. November 2015 nachgewiesenen Heizkosten seien jeweils zu einem Drittel anteilig zu gewähren und im Übrigen zu erstatten.
Die hiergegen jeweils mit Schreiben vom 11. Februar 2016 erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016 und Widerspruchsbescheid vom 11. März 2016).
Mit bei dem Sozialgericht Neuruppin am 13. April 2016 eingegangenen Schriftsätzen vom 11. April 2016 hat die anwaltlich vertretene Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klagen erhoben, die unter den gerichtlichen Aktenzeichen S 26 AS 693/16 (betreffend den Bescheid vom 18. Januar 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 11. März 2016, Bewilligungsmonat Oktober 2015) sowie S 26 AS 694/16 (betreffend den Bescheid vom 18. Januar 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 10. März 2016, Bewilligungsmonat März 2015) registriert wurden. Zur Begründung ihrer auf Gewährung von endgültig höheren Leistungen nach dem SGB II gerichteten Begehren führt sie im Wesentlichen aus, die Eltern der Klägerin hätten gesondert Kohlen gekauft und die entsprechenden Rechnungen bei dem Beklagten eingereicht, damit zu sehen sei, dass der Anteil, der auf die Eltern entfalle, für die künftige Heizperiode bereits gekauft worden sei. Eine Kopie hiervon habe die Mitarbeiterin des Beklagten nicht fertigen wollen, da diese Rechnungen nicht die Klägerin beträfen. Hierzu müsse es zumindest Eintragungen im Computersystem des Beklagten geben. Nunmehr lägen diese Rechnungen bei den Eltern nicht mehr vor. Hinsichtlich der Tatsache, dass die Eltern der Klägerin gesondert Brennstoffe eingekauft haben, könne die Mutter der Klägerin als Zeugin vernommen werden.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten unter Abänderung seiner mit dem Bescheid vom 18. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2016 verlautbarten bewilligenden endgültigen Leistungsverfügungen zu verpflichten, den endgültigen Leistungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016 unter Berücksichtigung der der Klägerin entstandenen Heizkostenbedarfe abschließend festzustellen und zu gewähren
sowie
die mit dem Bescheid vom 16. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2016 verlautbarte sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages wiederholt und vertieft er im Wesentlichen seine Ausführungen in dem – auch – angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 11. März 2016. Ergänzend hebt er insbesondere hervor, die Klägerin trage die Beweislast für die Entstehung höherer Heizkosten. Es erscheine wenig glaubhaft, wenn vorgetragen werde, bereits im Dezember 2015 seien die Rechnungen der Eltern nicht mehr vorhanden gewesen. Zudem fehle jeder Vortrag dazu, wieviel und zu welchem Preis die Eltern der Klägerin Heizmaterialien beschafft hätten.
Das Gericht hat den Eltern der Klägerin mit Verfügungen vom 12. Juli 2021 einen schriftlichen Zeugenfragebogen übersandt, sie hierbei über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und in diesem Zusammenhang auch um Mitteilung gebeten, ob Einverständnis damit besteht, dass das Gericht bei den Brennstoffhändlern Auskünfte über die an die Eltern erfolgten Verkäufe einholen darf. Die Mutter der Klägerin hat hierauf mitgeteilt, dass der Vater der Klägerin am 22. Mai 2017 verstorben sei und dass sie im Übrigen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch mache.
Die Beteiligten haben mit ihren Schriftsätzen vom 30. November 2021, vom 08. Dezember 2016 sowie vom 16. Dezember 2021 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Prozessakte sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung.
Die Klagen haben keinen Erfolg.
1. Über die Klagen konnte die Kammer gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben und weil das Gericht vor seiner Entscheidung – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl hierzu etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23).
2. a) Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf abschließende Feststellung eines höheren Anspruches auf passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016. Klagegegenstand ist dabei die endgültige Festsetzungsverfügung des Beklagten vom 18. Januar 2016, die die vorläufige Festsetzungsverfügung des Beklagten vom 23. September 2015 ersetzt hat, die sich ihrerseits mit Erlass der hier streitbefangenen endgültigen Festsetzungsverfügung auf sonstige Weise erledigt hat (§ 39 Abs 2 Regelung 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – <SGB X>; vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R, RdNr 9 unter Hinweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R, RdNr 13). Daneben ist Streitgegenstand auch die Rechtmäßigkeit der gegen die Klägerin geltend gemachten Erstattungsforderung.
b) aa) Die Klägerin verfolgt ihr Begehren – in sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens (vgl § 123 SGG) – zutreffend im Wege einer Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG, § 54 Abs 1 S 3 Regelung 2 SGG iVm § 56 SGG). Durch die angegriffene sozialverwaltungsbehördliche Verfügung hat der Beklagte für den Monat Oktober 2015 Leistungen für Heizkostenbedarfe nach den Bestimmungen des SGB II festgesetzt. Mit den Klagen hiergegen beansprucht die Klägerin eine Korrektur der Entscheidung des Beklagten über die ihr (abschließend) „zustehende Leistung“ im Sinne von § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II iVm § 328 Abs 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) und § 328 Abs 3 S 1 SGB III.
Demgemäß richtet sich das Klageziel neben der mit Abänderungsanfechtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG zu verfolgenden Änderung der sozialverwaltungsbehördlichen Leistungsverfügung (vgl zum sog Monatsprinzip die Regelungen des § 11 Abs 2 S 1 SGB II, § 11 Abs 3 S 1 SGB II, § 20 Abs 1 S 3 SGB II, § 37 Abs S 2 SGB II sowie § 41 Abs 1 S 2 SGB II; vgl dazu auch Bundessozialgericht, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, RdNr 18 sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 26/07 R, RdNr 28) auch darauf, den Beklagten mit einer entsprechenden Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG zu verpflichten auszusprechen, dass ihr – der Klägerin – abschließend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Fälligkeitsmonat der von ihr eingereichten Heizkostenrechnung des Streitzeitraumes – hier im Monat November 2015 – zustehen, als mit der angegriffenen sozialverwaltungsbehördlichen Verfügung festgesetzt worden ist (vgl hierzu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Februar 2017 – B 14 AS 22/16 R, RdNr 10f unter Hinweis auf die ähnliche ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Klage auf Zuschuss statt Darlehen: Bundessozialgericht, Urteil vom 13. November 2008 – B 14 AS 36/07 R, RdNr 13; Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 7/08 R, RdNr 10 sowie Urteil vom 06. August 2014 – B 4 AS 57/13 R, RdNr 12). Eine zusätzlich erhobene Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs 4 SGG iVm § 56 SGG wäre dagegen nicht zulässig, weil diese nur dann zulässig wäre, soweit die Klägerin – anders als hier – nicht nur eine abschließende Festsetzung in Höhe der vorläufigen Festsetzung, sondern darüber hinaus die Gewährung von über die vorläufige Gewährung hinausgehenden Leistungen begehren würde (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 12. September 2018 – B 4 AS 39/17 R, RdNr 11 mwN sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Dezember 2016 – B 14 AS 34/15 R, RdNr 10 mwN).
bb) Soweit sich die Klägerin – in sinnentsprechender Auslegung ihres Vorbringens (vgl § 123 SGG) – auch gegen die zugleich geltend gemachte Erstattungsforderung des Beklagten wendet, geht sie hiergegen zutreffend mit der isolierten Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG vor.
c) Die so verstandenen statthaften Klagen sind auch im Übrigen zulässig.
3. Die danach insgesamt zulässigen Klagen sind jedoch nicht begründet.
a) Die gegen die endgültige Festsetzungsverfügung des Beklagten erhobene – insgesamt zulässige – Abänderungsanfechtungsklage ist im Sinne der Regelung des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG unbegründet, denn die mit dem angegriffenen Bescheid des Beklagten verlautbarte endgültige Leistungsfestsetzung im Sinne einer Höchstbetragsfestsetzung ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr für den Fälligkeitsmonat der von ihr eingereichten Heizmaterialrechnung – mithin für den vom Klageantrag umfassten Monat November 2015 und nicht wie von dem Beklagten unrichtig angenommen für den Monat Oktober 2015 – ein höherer Anspruch auf Leistungen nicht zu.
aa) Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf abschließende Feststellung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II iVm § 328 SGB III sowie § 19 SGB II iVm mit §§ 7, 9, 11ff, 20 ff SGB II, jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem streitbefangenen Zeitraum hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 2020 – B 4 AS 8/20 R, RdNr 21 mwN), was auch für die weiteren zitierten Vorschriften gilt.
Gemäß § 19 Abs 1 S 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, das gemäß § 19 Abs 1 S 3 SGB II den Regelbedarf, die Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst. Die Grundvoraussetzungen, um Arbeitslosengeld II zu erhalten (§ 7 Abs 1 S 1 SGB II), erfüllte die Klägerin (vgl § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II), die im streitgegenständlichen Zeitraum 43 Jahre alt war (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig war (vgl § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II); auch ein von Leistungen nach dem SGB II ausschließender Tatbestand lag nicht vor.
bb) Die Klägerin war jedoch weder im Monat November 2015 noch in den anderen Monaten des Streitzeitraumes in einem größeren Umfang als der Beklagte angenommen hat, hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II. Insbesondere stehen der Klägerin keine höheren Heizkosten zu.
Gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Bedarfe für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II). Hierbei sind nur die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten eines Leistungsberechtigten für eine Unterkunft berücksichtigungsfähig, mit der dieser sein Grundbedürfnis „Wohnen“ bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich befriedigt (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 133/11 R RdNr 20 mwN sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, – B 4 AS 37/08 R, RdNr 24 mwN).
Zu den Kosten der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II gehören dabei nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Mai 2007 – B 7b AS 40/06 R, RdNr 9ff), die im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen sind (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 58/06 R, RdNr 36), weil sie zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat gehören (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 62/09 R, RdNr 13).
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte der Klägerin zu Recht lediglich den auf sie entfallenden Anteil aus der von ihr eingereichten Heizmaterialrechnung als einmaligen Bedarf berücksichtigt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen sieht die Kammer gemäß § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Begründung des Beklagten auf Seite 2 (dort ab dem viertletzten Absatz) bis Seite 3 (dort bis zu dem fünften Absatz) des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. März 2016. Hierneben verweist die Kammer in entsprechender Anwendung des § 136 Abs 3 SGG zudem auf die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 09. Juni 2020. Die so in Bezug genommenen Erwägungen des Beklagten hält die Kammer für überzeugend, folgt ihnen und macht sie deshalb auch zu der Grundlage ihrer eigenen Entscheidung. Den so in Bezug genommenen Erwägungen – insbesondere zu dem fehlenden Nachweis, dass die Klägerin die in der vorgelegten Rechnung genannten Heizmaterialien tatsächlich nur für ihren eigenen Heizbedarf erworben hat und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen – hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer auch im Klageverfahren nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt.
dd) Feststellungen zu dem Heizkostenbedarf aller Mitglieder der aus der Klägerin und ihren Eltern bestehenden Haushaltsgemeinschaft können auch im gerichtlichen Verfahren nicht mehr getroffen werden. Nachdem die Mutter der Klägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, der Vater der Klägerin verstorben ist und schließlich die Mutter der Klägerin ihre Zustimmung nicht erteilt hat, dass das Gericht bei den Brennstoffverkäufern der Eltern der Klägerin weitere Auskünfte einholen darf, sind weitere Ermittlungen nicht mehr veranlasst. Die Nichtfeststellbarkeit der Höhe des Heizkostenbedarfes der Haushaltsgemeinschaft der Klägerin und ihrer Eltern geht hier zu Lasten der Klägerin.
Lassen sich nach Ausschöpfung aller vernünftigerweise zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu gewinnenden Überzeugung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) entscheidungserhebliche Tatsachen nicht feststellen, kommt es auf die objektive Beweislast an. Danach geht die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Wie sich die objektive Beweislast verteilt, ist der für den Rechtsstreit maßgeblichen Norm zu entnehmen. Dabei sind nicht nur der Zweck der Norm, sondern auch ihre Stellung sowie Erfordernisse wirksamen Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für die Abgrenzung bieten so unterschiedliche Kriterien wie Regel und Ausnahme, die Zumutbarkeit der Belastung mit einem Beweisnachteil und der Zurechenbarkeit der Ungewissheit bzw Unaufklärbarkeit zur Verantwortungssphäre der einen oder anderen Seite (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 KR 2/20 R, RdNr 25 mwN).
Danach ist der Klägerin – worauf auch der Beklagte bereits zu Recht hingewiesen hat – die Beweislast zuzuordnen, weil hier letztlich Vorgänge in einer besonderen Beweisnähe zu ihr nicht aufklärbar sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 KR 2/20 R, RdNr 26 mwN). Da das Bestehen eines höheren Heizkostenbedarfes der Haushaltsgemeinschaft mit dem Vorteil für die Klägerin verbunden ist, dass ihr auch ein höherer Heizkostenbedarf zuzuordnen ist, hält es die Kammer für gerechtfertigt, sie auch mit dem potentiellem Unrecht einer Beweislastentscheidung zu belasten, weshalb auch der Frage der von der Klägerin behaupteten Vorlage der den Heizkostenbedarf der Eltern der Klägerin betreffenden Rechnungen bei dem Beklagten und der nicht erfolgten Ortsbesichtigung durch den Beklagten nach Auffassung der Kammer keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zukommt. Es lag und liegt in der Hand der Klägerin, einen fehlenden Nachweis zu erbringen. Für eine ggf notwendige interne Klärung von Auskunftsansprüchen der Klägerin gegenüber ihren Eltern standen und stehen ihr die Mittel des Zivilrechts zur Verfügung. Entscheidungen der persönlichen Lebensführung wie etwa das Zusammenleben mit den Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft sind aus Sicht der Kammer kein sachlicher Grund, die daraus resultierenden Beweisschwierigkeiten dem Gericht oder dem Beklagten und damit der Steuerzahlergemeinschaft aufzubürden (vgl in anderem Zusammenhang hierzu auch: Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 KR 2/20 R, RdNr 26).
Die Kammer ist mit dem Beklagten vor diesem Hintergrund nicht mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG und § 128 Abs 1 S 2 SGG), dass der Klägerin ein Heizkostenbedarf in der von ihr geltend gemachten Höhe zusteht. Der volle Beweis für eine Tatsache – hier also die alleinige Verwendung der von der Klägerin erworbenen Heizmaterialien von ihr selbst – ist erst dann erbracht, wenn sie für das erkennende Gericht mit Gewissheit feststeht, wobei Gewissheit in diesem Sinn bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat (vgl G. Becker in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7, RdNr 117 mwN). Indes kann und darf sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl zu diesem Aspekt des Vollbeweises erneut G. Becker in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7, RdNr 117 mwN). Da es die Kammer angesichts der bestehenden Haushaltsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihren Eltern für besonders lebensnah hält, dass die von der Klägerin erworbenen Heizmaterialien jedenfalls auch zum Teil von ihren Eltern verbraucht werden sollten und verbraucht worden sind und ihr angesichts der Zeugnisverweigerung der Mutter der Klägerin sowie der fehlenden Befugnis des Gerichts, Auskünfte bei den Brennstoffverkäufern der Eltern der Kläger einzuholen, auch keine weiteren Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung stehen, sind die Zweifel an dem Bestehen eines entsprechenden Heizkostenbedarfes zu groß, als dass sie im Sinne einer praktischen Gewissheit des Gerichts zum Schweigen gebracht werden könnten.
ee) Abweichendes ergibt sich im Übrigen auch nicht etwa daraus, dass der Beklagte der Klägerin in den vorhergehenden Zeiträumen möglicherweise Heizkosten gewährt hat, die ihren tatsächlichen Heizkostenbedarf überstiegen. Denn die Klägerin kann aus einer gegebenenfalls rechtswidrig begünstigenden Leistungsgewährung in der Vergangenheit keine Ansprüche für die Zukunft herleiten, zumal für die Erteilung einer entsprechenden schriftlichen Zusage – mithin einer Zusicherung – des Beklagten (vgl § 34 Abs 1 S 1 SGB X), die eine Vertrauensschutzgrundlage hätte bilden können, nichts ersichtlich ist.
ff) Wenn nach alledem zugunsten der Klägerin höhere Bedarfe für die Kosten der Heizung nicht zu berücksichtigen sind, steht ihr auch kein Anspruch auf endgültige Gewährung höherer passiver Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II zu, weshalb sich die angegriffenen Höchstbetragsfestsetzungen des Beklagten als rechtmäßig erweisen und die Klägerin hierdurch auch nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert ist (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG); daher erweist sich auch die Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG als begründet.
b) Wenn danach die Anfechtungsklage unbegründet ist, erweist sich auch die mit ihr kombinierte Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 3 SGG iVm § 56 SGG als unbegründet. Denn die Begründetheit dieser Verpflichtungsklage setzt in Verfahren der vorliegenden Art aufgrund des der Kombination immanenten Stufenverhältnisses ihrerseits eine zulässige und begründete Anfechtungsklage voraus.
c) Soweit sich die Klägerin mit einer weiteren (isolierten) Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG auch gegen die gegen sie gerichtete Erstattungsforderung des Beklagten wendet, ist auch die entsprechende – mit dem Bescheid vom 18. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2016 zugleich verlautbarte – sozialverwaltungsbehördliche Erstattungsverfügung rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 54 Abs 2 S 1 SGG).
Gemäß § 328 Abs 3 SGB III, der aufgrund der Regelung des § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II aF im vorliegenden Streitzeitraum auch im Rechtskreis des SGB II Anwendung findet, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen (§ 328 Abs 3 S 1 SGB III) und auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird (§ 328 Abs 3 S 2 SGB III).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Kammer sieht gemäß § 136 Abs 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. März 2016 auf Seite 3 (dort von dem sechsten Absatz bis zu dem siebenten Absatz), der die Kammer folgt und die sie sich zur Begründung ihrer eigenen Entscheidung zu eigen macht. Den von der Kammer in Bezug genommenen zutreffenden Erwägungen des Beklagten hat die Klägerin im Klageverfahren nichts Entscheidungserhebliches entgegen gesetzt. Weil die Kammer auch in den von dem Beklagten vorgenommenen Berechnungen keine sachlichen oder rechtlichen Fehler zu erkennen vermag, erweisen sich die angegriffenen sozialverwaltungsbehördlichen Entscheidungen des Beklagten als rechtmäßig, ohne dass die Klägerin hierdurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beschwert wäre (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
4. a) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben, weil die Klägerin mit ihrem Begehren vollumfänglich unterlag.
b) Die Aufwendungen des Beklagten sind schon von Gesetzes wegen nicht erstattungsfähig (§ 193 Abs 4 SGG iVm § 184 Abs 1 SGG).
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
6. Die wegen der Unterschreitung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) war nicht zuzulassen, weil Gründe für die Zulassung der Berufung nicht ersichtlich sind (§ 144 Abs 2 SGG).