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Entscheidung 10 U 13/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 24.02.2022
Aktenzeichen 10 U 13/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0224.10U13.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Cottbus vom 26.01.2021, Az. 6 O 320/18, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf einen Gebührenwert bis 550.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die in Brandenburg ansässige Klägerin vermietet bzw. verleast mobile sowie stationäre Verkehrsüberwachungssysteme und erbringt technische Verkehrsüberwachungsdienstleistungen. Sie bot der Beklagten, einer Gemeinde in Mittelhessen – deren Bürgermeister nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der hessischen Verkehrsrechts-Zuständigkeitsverordnung (VRZustVO) als örtliche Ordnungsbehörde unter anderem die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVGzugewiesen ist – unter dem 13.09.2011 den Abschluss eines Vertrages über die Zurverfügungstellung ortsfester Verkehrsüberwachungssysteme und die Erbringung damit im Zusammenhang stehender technischer Dienstleistungen an. Das Angebot sah eine Verpflichtung der Beklagten zur regelmäßigen Nutzung der Anlage und die wesentliche Vergütung in Form eines fallbasierten Entgelts vor. Die Klägerin warb für diese Vertragsgestaltung mit der Erwägung, die Kommune sei danach nicht durch feste monatliche Zahlbeträge belastet, sondern schulde Entgelte nur, soweit Falldatensätze generiert würden und verwertbar seien und daher Zahlungen von Buß- oder Verwarngeldern nach sich ziehen könnten.

Gemäß dem Angebot der Klägerin schlossen die Parteien am 10./ 18.11.2011 einen sog. „Dienstleistungsvertrag mit Falldatenerstellung“ (Anlage BB 1, Anlagenband). Mit diesem Vertrag – der unstreitig den für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen der Klägerin entsprach – verpflichtete sich die Klägerin, im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auf eigene Rechnung sechs Geschwindigkeitsmessplätze zu errichten, bis zu vier dazugehörige Geschwindigkeitsmessgeräte bereitzustellen sowie die von der Beklagten mit dem System gewonnenen Messergebnisse technisch zu begutachten, hieraus Falldatensätze zu erstellen und diese Falldatensätze der Beklagten zur Durchführung von Ordnungswidrigkeitsverfahren zu überlassen. Die Beklagte verpflichtete sich, „die Leistung täglich ab[zunehmen]“, Nachweise über die Durchführung täglicher Geschwindigkeitskontrollen mit dem System der Klägerin zu führen, je „verwertbarem Falldatensatz“ 4,18 € für die Erzeugung und weitere 0,19 € für die Falldatenerstellung sowie einmalig insgesamt 501,00 € – jeweils zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer – zu zahlen. Ferner beinhaltete der Vertrag unter anderem folgende Bestimmungen:

„4. …

Der Vertrag wird für die Dauer von 5 Jahren geschlossen.

Nach einer jeden 6 Monatsfrist – beginnend mit der betriebsbereiten Übergabe an den Mieter, werden die Vertragsparteien u.a. Zwischenbewertungen zum gewünschten Ziel dieses Verkehrssicherheitsprojektes vornehmen. Sollten die Vertragsparteien feststellen, dass dieses Verkehrssicherheitsprojekt nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder es entsprechend fortgeführt werden kann, so werden sie gemeinsam alles Erdenkliche unternehmen, um dieses zu erreichen. Sollte dies nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten (ab der letzten Zwischenbewertung) realisierbar sein, so besteht für den Vermieter jeweils das Sonderkündigungsrecht mit Ablauf dieser Frist. …

Für den Fall, dass die Vertragsziele anhaltend erreicht werden und keiner der Partner das Recht der ordnungsgemäßen Kündigung wahrnimmt, verlängert sich die Dauer des Vertrages (nach der Dauer von 5 Jahren) stillschweigend um 1 Jahr. …

7. .…

Die folgenden Umstände gelten als höhere Gewalt, insofern sie nach der Unterzeichnung dieses Dienstleistungsvertrages auftreten und wesentlich die Ausführung desselben behindert: Feuer, Krieg, Diebstahl, Überschwemmung, Erdbeben, Streiks, Aussperrungen, Handel- und Arbeitsstreitigkeiten, Arbeitskampf, Aufruhr, innere Unruhen, staatliches Eingreifen, Einschränkungen, ernsthafte Unterbrechungen des Transports, allgemeine Knappheit an Waren, weitere von außen kommende, nicht voraussehbare und auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbare Ereignisse.

Wird eine Partei aufgrund höherer Gewalt daran gehindert seinen Verpflichtungen, wie in diesem Dienstleistungsvertrag getroffen, über einen Zeitraum von 6 Monaten nachzukommen, ist jede Vertragspartei berechtigt, diesen Dienstleistungsvertrag durch schriftliche Kündigung gegenüber der anderen betroffenen Partei zu beenden. Dabei kann die jeweilige Partei nicht für eine Vertragsverletzung verantwortlich gemacht werden, wenn diese Verfehlungen durch höhere Gewalt begründet sind. Somit sind u.a. Ansprüche auf Ersatz mittelbaren Schadens, auf Erstattung von Bearbeitungskosten sowie auf Ersatz entgangener Einnahmen oder Gewinn ausgeschlossen. Dies gilt auch für positive Vertragsverletzungen. …“

Mit Urkunde vom 14./24.11.2014 einigten sich die Parteien auf „ergänzende Vereinbarungen zum unterzeichneten Dienstleistungsvertrag vom 18.11.2011“ (Anlage BB 45, Blatt 274 f. d.A.). Damit sagte die Klägerin zu, der Beklagten „je nach Verfügbarkeit und Bedarf“ gemäß monatlich abzusprechender Termine ein mobiles Verkehrsüberwachungsgerät inklusive Trägerfahrzeug und technischem Hilfs- und Begleitpersonal zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte verpflichtete sich im Gegenzug, die vertraglich vereinbarte Leistung termingerecht abzunehmen, das Gerät je Messtag mindestens ca. 8 Stunden in Anspruch zu nehmen und für jeden „technisch verwertbaren Falldatensatz“ ein Entgelt in Höhe von 4,16 € zu zahlen. In Ziffer 4 Satz 2 der Vertragsurkunde ist des Weiteren bestimmt:

„Für den Fall, dass der Mieter die vertraglich vereinbarte Leistungserfüllung gegenüber … [dem] Vermieter nicht oder nur teilweise erbringen kann, behält sich der Vermieter vor, diese äquivalent in Abrechnung zu bringen (Ersatzwert).“

Anlässlich einer von der Beklagten gewünschten Verlegung von zwei Messplätzen unterbreitete die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 15.04.2016 ein „Miet-Angebot“ (Anlage BB 2a, Anlagenband), welches eine Änderung des bestehenden Vertragsverhältnisses unter anderem dahingehend vorsah, dass „60 mobile Messtage/ Jahr“ vereinbart seien, sich die „Grundlaufzeit des Dienstleistungsvertrages“ bis zum 15.04.2019 verlängere und der Preis je „technisch verwertbare[m] Datensatz“ 6,14 € zzgl. jeweils 0,19 € für die technische Vorbegutachtung der technisch erzeugten Messdaten betrage. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 16.06.2016 (Anlage BB 2b, Anlagenband), der Magistrat der Beklagten habe das Angebot in der vorgelegten Form angenommen. Das Schreiben ist von einem Mitarbeiter des unter anderem für die Ordnungsverwaltung zuständigen Fachdienstes unterzeichnet.

Wegen der Einzelheiten der genannten Urkunden wird auf die bezeichneten Anlagen (Anlagen BB 1, BB 45, BB 2a und BB 2b) verwiesen.

Nachdem die Verträge zunächst vereinbarungsgemäß durchgeführt wurden, entwickelten sich ab der zweiten Jahreshälfte 2016 Differenzen zwischen den Parteien. Die Beklagte nahm das mobile Verkehrsüberwachungsmessgerät in den Monaten August und Oktober 2016 an vier Messtagen, im Dezember 2016 an drei Messtagen und im April 2017 an keinem Tag in Anspruch; die stationären Verkehrsüberwachungsmessgeräte betrieb sie ab dem 23.04.2017 ebenfalls nicht mehr durchgängig. Die Klägerin meinte hingegen, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, das mobile Messgerät an fünf Tagen pro Monat in Anspruch zu nehmen und die stationären Geräte täglich zu betreiben, und stellte der Beklagten deshalb für durch die nicht durchgeführten Messtage entgangene Entgelte Beträge in Rechnung, die dem Durchschnitt der Falldatensätze aus den letzten 12 Monaten entsprachen.

Am 26.04.2017 erließ das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 79 OWiG einen Beschluss (Az. 2 Ss-OWi 295/17 – NStZ 2017, 588, sog. „L…-Entscheidung“), in dem es sich mit der Einbindung Privater in die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten befasste. Dem Verfahren lag eine Geschwindigkeitsmessung zu Grunde, die mit einem der kommunalen Trägerin der Ordnungsbehörde seitens einer Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellten ortsfesten Messgerät erfolgte. Die Messung wurde von einem der Kommune seitens derselben Gesellschaft überlassenen Arbeitnehmer durchgeführt, dessen Aufgaben darin bestanden, die Messsäulen wöchentlich abzufahren und die Daten „einzusammeln“ sowie „in das System einzuspeisen“. Für die Überlassung des Messgerätes und des Arbeitnehmers erhielt die Gesellschaft von der Kommune eine erfolgsabhängige Vergütung, sodass der Ertrag für die Gesellschaft umso höher ausfiel, je mehr Bußgeldverfahren aus dem zur Verfügung gestellten Messgerät eingeleitet wurden. Das Oberlandesgericht hielt dafür, dass das Ordnungswidrigkeitsverfahren insofern unter Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften eingeleitet worden sei, als die Beweismittel nicht durch den Hoheitsträger erhoben, sondern insbesondere das Auslesen und Sicherstellen der Daten einem privaten Dienstleister überlassen worden sei.

Obiter dicta führte das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. aus, die der Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung sowie in näher bezeichneten anderen gerichtlichen Verfahren ermittelte Sachverhalte gäben Anlass, im Bereich kommunaler Verkehrsüberwachung Verstöße gegen eindeutige gesetzliche Grundlagen, ministeriale Erlasse und gerichtliche Entscheidungen nicht nur im Einzelfall, sondern strukturell zu besorgen. Denn die zu Tage getretenen Konstruktionen der Einbindung Privater in die ordnungsbehördliche Verkehrsüberwachung könnten dazu führen, dass Maßnahmen der Verkehrsüberwachung nicht mehr als hoheitliche Maßnahmen anzusehen seien bzw. die nach § 47 Abs. 1 OWiG erforderliche Ermessensentscheidung mangels tatsächlicher Bewertungsmöglichkeit der Beweismittel nicht mehr rechtmäßig getroffen werden könne. Ersteres sei insbesondere gegeben, wenn die Verkehrsüberwachung aus anderen Motiven als der Verkehrssicherheit durchgeführt werde. Fielen die Entscheidung über die Aufstellung einer stationären Messanlage und die Erträge oder Teile der Erträge in eine Hand, wie es bei kommunalen Messanlagen der Fall sei, bedürfe es daher geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung dieses offensichtlichen Interessenkonflikts, beispielsweise der verbindlichen Prüfung des Standorts einer stationären Messanlage durch die Polizeiakademie Hessen. Die Annahme einer hoheitlichen Maßnahme setze ferner voraus, dass die Ordnungsbehörde Herrin des Messgerätes sei. Stehe dieses nicht im Eigentum des Hoheitsträgers, müsse sichergestellt sein, dass jegliche Einflussnahme des privaten Eigentümers auf die Verwendung des Messgeräts, namentlich Zeit, Ort und Umfang der hoheitlichen Messung, ausgeschlossen sei. Schon die Verknüpfung der Bezahlung des Messgeräts durch die erzielten Bußgelder sei dabei bedenklich, da bereits damit eine direkte Verknüpfung des wirtschaftlichen Erfolgs des „Verleihers“ mit dem Einsatz des Messgeräts erzeugt werde. Die tatsächliche Möglichkeit der Bewertung eines Sachverhalts nach § 47 Abs. 1 OWiG erfordere insbesondere, dass die Ordnungsbehörde Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels sei und sie die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführe.

Ende Mai 2017 informierte das Regierungspräsidium K… als Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen die Beklagte und andere Gemeinden ihres Zuständigkeitsbereichs über die nach Auffassung der Behörde aus der L…-Entscheidung zu ziehenden Konsequenzen. In den Schreiben wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass demnach vor Errichtung ortsfester Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen eine positive Stellungnahme der Polizeiakademie Hessen erforderlich sei und diese, sofern nicht bereits eine Anhörung der Akademie nach Nr. 4.1 des Erlasses des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport (HMdIS) betreffend Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden vom 05.02.2015 erfolgt sei, nachträglich eingeholt werden könne. Ferner kündigte das Regierungspräsidium an, dort anhängige Ordnungswidrigkeitsverfahren aus Geschwindigkeitsmessungen, bei denen die rechtlichen Bestimmungen der Verkehrsüberwachung nicht eingehalten worden seien, einzustellen. Zugleich forderte es die Gemeinden bei insofern unklaren Sachverhalten auf, bis zur Klärung keine weiteren Ordnungswidrigkeitsverfahren aus Geschwindigkeitsmessungen einzuleiten.

Mit Schreiben vom 28.08.2017 an die Landräte des Regierungsbezirks und die Oberbürgermeister der Städte G…, M… und W… (Anlage B 2, Blatt 108 f. d.A.) führte das Regierungspräsidium G… – die örtlich für die Beklagte zuständige Fachaufsichtsbehörde – aus, dass eine positive Stellungnahme der Polizeiakademie zwingende Voraussetzung für eine rechtskonforme Messung durch ortsfeste Messstationen sei.

Nachdem die Beklagte das mobile Messgerät der Klägerin ab dem 01.05.2017 nicht mehr in Anspruch genommen hatte und ab dem 07.05.2017 auch die hier in Rede stehenden stationären Verkehrsüberwachungsmessgeräte nicht mehr betrieb, erklärte sie mit Schreiben vom 14.06.2017 (Anlage BB 39, Anlagenband) gegenüber der Klägerin die fristlose Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses. Zur Begründung führte sie aus, dass ein weiterer Betrieb sowohl der stationären als auch der mobilen Messanlagen nach den in der L…-Entscheidung formulierten Maßstäben nicht möglich sei, da zum ersten die Prüfung der Messstandorte durch die hessische Polizeiakademie in allen Fällen negativ ausgefallen sei, sodass eine nachträgliche positive Einschätzung nicht zu erlangen sein werde, und zum zweiten in den betreffenden Verträgen eine vom Oberlandesgericht Frankfurt a. M. als bedenklich angesehene Verknüpfung der Bezahlung der Messgeräte durch die erzielten Bußgelder vereinbart sei. Angesichts der Ankündigung des Regierungspräsidiums K…, derartige Falldaten nicht mehr zu übernehmen bzw. zu verwerten, sei ein Fall höherer Gewalt im Sinne von Ziffer 7 des Vertrages gegeben.

Die Klägerin widersprach der Kündigung und stellte der Beklagten weiterhin für nicht durchgeführte Messungen mit der mobilen und den stationären Messanlagen Ersatzforderungen in Rechnung.

Mit der Klage hat die Klägerin diese Forderungen, erstinstanzlich zuletzt für die Zeit bis zum 30.08.2020 in Höhe von insgesamt 391.066,88 €, geltend gemacht und die Feststellung weiterer vertraglicher Zahlungspflichten begehrt. Sie hat gemeint, dass die Verträge wirksam zu Stande gekommen seien; insbesondere stehe der Wirksamkeit der Vereinbarung vom 15.04./ 15.06.2016 das Fehlen einer Unterzeichnung durch den zuständigen Bürgermeister nicht entgegen.

Das Vertragsverhältnis sei auch nicht wirksam gekündigt worden. Die außerordentliche Kündigung vom 14.06.2017 sei in Ermangelung eines Kündigungsgrundes unwirksam. Hinsichtlich der Standorte der ortsfesten Anlagen habe es lediglich einer Anhörung der hessischen Polizeiakademie bedurft; deren positive Einschätzung sei für den weiteren Betrieb der Anlagen hingegen nicht erforderlich. Davon abgesehen läge dieses vermeintliche Erfordernis im alleinigen Risikobereich der Beklagten. Ferner entsprächen die vertraglichen Vereinbarungen hinsichtlich der Vergütung der Klägerin nicht der der L…-Entscheidung zu Grunde liegenden Fallgestaltung. Denn die Höhe der Vergütung der Klägerin habe weder nach dem ursprünglichen Vertrag noch nach der Vereinbarung aus dem Jahr 2016, mit welcher das Vertragsverhältnis auf den Typus des Mietvertrages umgestellt worden sei, von der Höhe der von der Beklagten erzielten Verwarn- und Bußgelder abgehangen. Vielmehr sei die Vergütung mit der Anknüpfung an technisch verwertbare Datensätze an den Grad der Abnutzung der technischen Anlagen geknüpft worden. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Äußerung des Regierungspräsidiums K… berufen, da hierin keine Weisung, sondern lediglich eine Information der Gemeinden zu erkennen und die Beklagte deshalb hierdurch nicht gehindert gewesen sei, die Anlagen in der bis dahin praktizierten Form weiter zu betreiben. Dies gelte zumal deshalb, weil die Umsetzung der Forderung des Regierungspräsidiums zu einem Eingriff in den durch Art. 2, 12 und 14 GG geschützten ausgeübten und eingerichteten Geschäftsbetrieb der Klägerin geführt haben würde, was ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und ohne Entschädigung der Klägerin nicht zulässig gewesen sein würde.

Davon abgesehen sei eine Kündigung nicht erforderlich gewesen, sondern habe die Möglichkeit bestanden, das Vertragsverhältnis an die Maßgaben der L…-Entscheidung und die Forderungen des Regierungspräsidiums K… anzupassen. Insbesondere sei eine Umstellung auf eine von den Falldatensätzen unabhängige Vergütung, etwa durch Ausgestaltung als Kauf oder entgeltliche Gebrauchsüberlassung der Verkehrsüberwachungsanlagen, in Betracht gekommen. Dass die Klägerin bis zur Konfrontation mit der L…-Entscheidung als privater Dienstleister das Sammeln und Einspeisen der Daten mit einem Auswertprogramm vorgenommen und die Falldatenerstellung übernommen gehabt habe, habe einer solchen Umstellung ebenfalls nicht entgegengestanden. Denn das Schwergewicht des Vertragsverhältnisses habe von vornherein auf der entgeltlichen Gebrauchsüberlassung des Geschwindigkeitsmessequipments gelegen, während es sich bei den damit in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen um völlig unbedeutende Nebenleistungen gehandelt habe. Deren Übernahme durch die Beklagte würde lediglich die Anschaffung geeigneter Back-Office-Software vorausgesetzt haben. Ein entsprechendes System habe die Klägerin der Beklagten bereits im Juli 2017 angeboten.

Abgesehen davon, dass es demnach an einer wirksamen außerordentlichen Kündigung fehle, habe die Beklagte das Vertragsverhältnis auch nicht ordentlich gekündigt, weshalb dieses fortbestehe.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat gemeint, dass das Vertragsverhältnis mit der Klägerin in Ansehung der L…-Entscheidung nicht habe fortgeführt werden können und die seitens der Klägerin vorgeschlagenen Änderungen entweder den sich daraus ergebenden Anforderungen ebenfalls nicht Rechnung getragen oder zu einer von dem vereinbarten Vertragsverhältnis vollkommen abweichenden Risikoverteilung geführt hätten.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht der Zahlungsklage für den Zeitraum bis zum 15.04.2019 stattgegeben und die Beklagte insoweit zur Zahlung von insgesamt 238.066,88 € nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Zahlungsklage und die Feststellungsklage hat es abgewiesen.

Das Fehlen der Unterzeichnung des Vertrages vom 15.04./ 15.06.2016 durch den Bürgermeister der Beklagten stehe der Wirksamkeit dieser Vereinbarung schon deshalb nicht entgegen, weil das Vertragsverhältnis jedenfalls bis zu der Kündigung vom 14.06.2017 fortgeführt worden sei, was auf eine konkludente Vertragsverlängerung schließen lasse.

Die Kündigungserklärung habe auch nicht mit sofortiger Wirkung zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt, da die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorgelegen hätten. Der L…-Beschluss, bei dem es sich zumal um eine Einzelfallentscheidung in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren handle, orientiere lediglich darauf, die Vergütung privater Dienstleister von der Falldatensatzvergütung abzukoppeln, und habe der Fortführung des zwischen den hiesigen Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses daher nicht entgegengestanden. Im Ergebnis gleiches gelte für das Schreiben des Regierungspräsidiums K…, welchem sich Folgerungen für den hier in Rede stehenden Vertrag nicht entnehmen ließen. Allenfalls sei daher eine Anpassung des Vertrages für die Zukunft in Betracht zu ziehen gewesen. Dahingehende Bemühungen hätten der Beklagten oblegen, da die fraglichen Umstände ihrer Risikosphäre zuzurechnen seien.

Die Klägerin könne Zahlungen jedoch nur bis zur Vertragsbeendigung am 15.04.2019 beanspruchen. Der Feststellungsantrag sei weder zulässig noch begründet.

Gegen das Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen und der tragenden Gründe Bezug genommen wird, wendet sich die Beklagte mit einer Berufung. Das Landgericht habe sich nur unzureichend mit dem erstinstanzlichen Vorbringen auseinandergesetzt, wonach die auf der Grundlage des Vertragsverhältnisses durchgeführte Verkehrsüberwachung nach der L…-Entscheidung nicht hätte aufrechterhalten werden können, weil die von der Klägerin im Bereich der Beklagten installierten Messstationen – mit einer Ausnahme – keine positive Stellungnahme der hessischen Polizeiakademie gehabt hätten und abgesehen davon eine Verpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin zur aktiven Verkehrsüberwachung kein zulässiger Vertragsinhalt wäre. Ebenso wenig habe sich das Gericht mit den Streitfragen befasst, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage und in welchem Umfang der Klägerin ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehe, obgleich verwertbare Falldatensätze nicht generiert worden seien. Die in dem Urteil angestellten Erwägungen zu einer möglichen Vertragsanpassung ließen nicht erkennen, welchen Inhalt eine solche Anpassung gehabt haben würde bzw. welche Ansprüche der Klägerin hieraus abzuleiten gewesen sein würden. Im Übrigen wiederholt und vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Sie beantragt,

in teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichtes Cottbus in der Sache 6 O 320/18 vom 26.01.2021 die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und, im Wege der Anschlussberufung,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26.01.2021 – 6 O 320/18 – wie folgt abzuändern:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 499.066,88 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus zu bezahlen, und zwar

·   auf den Betrag von 716,05 € seit dem 16.09.2016,

·   auf den Betrag von 577,22 € seit dem 11.11.2016,

·   auf den Betrag von 1.052,15 € seit dem 06.01.2017

·   auf den Betrag von 2.191,98 € seit dem 10.05.2017,

·   auf den Betrag von 1.534,39 € seit dem 29.05.2017,

·   auf den Betrag von 7.803,45 € seit dem 29.05.2017,

·   auf den Betrag von 2.191,98 € seit dem 10.06.2017,

·   auf den Betrag von 8.037,26 € seit dem 07.07.2017,

·   auf den Betrag von 3.105,31 € seit dem 07.07.2017,

·   auf den Betrag von 9.498,58 € seit dem 30.07.2017,

·   auf den Betrag von 3.105,31 € seit dem 10.08.2017,

·   auf den Betrag von 10.234,00 € seit dem 07.09.2017,

·   auf den Betrag von 4.379,20 € seit dem 11.09.2017,

·   auf den Betrag von 14.280,00 € seit dem 22.09.2017,

·   auf den Betrag von 11.900,00 € seit dem 29.10.2017,

·   auf einen Betrag von jeweils 9.520,00 € seit dem 26.11.2017 und dem 14.12.2017,

·   auf einen Betrag von jeweils 10.710,00 € seit dem 10.02.2018 und dem 15.02.2018 sowie

·   auf einen Betrag von jeweils 9.000,00 € seit dem 12.03.2018, 12.05.2018, 14.06.2018, 12.07.2018, 12.08.2018, 13.09.2018, 11.10.2018, 11.11.2018, 11.12.2018, 13.01.2019, 14.02.2019, 11.03.2019, 11.04.2019, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 10.02.2020, 11.02.2020, 11.03.2020, 11.04.2020, 11.05.2020, 11.06.2020, 11.07.2020, 13.08.2020, 11.09.2020, 11.10.2020, 11.11.2020, 11.12.2020, 11.01.2021, 11.02.2021, 11.02.2021, 11.03.2021, 11.04.2021, 11.05.2021, 11.06.2021 und dem 11.07.2021.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, darüber hinaus sämtliche noch nicht geltend gemachten Rechnungsbeträge aus dem Dienstleistungsvertrag vom 10.11./ 18.11.2011 nebst den Ergänzungsvereinbarungen vom 14.11.2014 und den Ergänzungsvereinbarungen vom 15.04./ 15.06.2016 für die vermieteten und in der Gemeinde der Beklagten aufgestellten stationären Geschwindigkeitsmessplätze und Geschwindigkeitsmessgeräte des Typs PollScanspeed und für die vermieteten und der Gemeinde der Beklagten für 60 Messtage im Jahr zur Verfügung gestellten mobilen Geschwindigkeitsmessplätze zu zahlen, bis dieser Vertrag beendet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen und die Klage auch hinsichtlich der Klageerweiterung abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, und verfolgt im Übrigen ihre erstinstanzlichen Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter. Klageerweiternd macht sie Ersatzforderungen wegen im Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 31.07.2021 von der Beklagten nicht durchgeführten Messungen mit den mobilen und stationären Messanlagen der Klägerin geltend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Im Ergebnis gleiches gilt für die Anschlussberufung, die zwar, soweit der Rechtsbehelf mit dem Schriftsatz vom 27.04.2021 (Blatt 436 f. d.A.) ohne Begründung eingelegt wurde, nach § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO zunächst nicht wirksam geworden, mit dem Schriftsatz vom 15.07.2021 aber form- und fristgerecht wiederholt worden ist.

In der Sache dringt die Berufung durch, während die Anschlussberufung ohne Erfolg bleibt.

1.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche aus keinem Rechtsgrund zu.

a)

Die Zahlungsforderungen der Klägerin begründen sich nicht gemäß § 311 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB aus ausdrücklich getroffenen vertraglichen Vereinbarungen und auch nicht aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Verletzung einer solchen Vereinbarung durch die Beklagte.

Die von den Parteien geschlossenen Verträge sehen als Regelfall eine Vergütung nach (technisch) verwertbaren (Fall-) Datensätzen vor. Die klagegegenständlichen Ansprüche, mit denen die Klägerin nicht Zahlung der Entgelte für generierte Datensätze fordert, sondern Ersatz für Entgelte, die ihr mangels Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen entgangen sind, finden in diesen Entgeltabreden daher keine Grundlage.

Für den Fall der Nicht-Inanspruchnahme des klägerischen Messequipments haben die Parteien lediglich unter Ziffer 4 der Vereinbarung vom 14./ 24.11.2014, welche im Zusammenhang mit der Verständigung auf die Bereitstellung von Technik zur mobilen Verkehrsüberwachung geschlossen wurde, eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass sich die Klägerin für den Fall der nicht vertraglich vereinbarten Leistungserfüllung der Beklagten vorbehält, „diese äquivalent in Abrechnung zu bringen (Ersatzwert)“. Ob diese Bestimmung bei der gebotenen Auslegung auch für den Nicht-Betrieb der stationären Anlagen Geltung beansprucht oder aber deren Anwendungsbereich sich auf die mobilen Messungen beschränkt, kann hier dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls soweit dieser Vertragsklausel eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten bei in zeitlicher Hinsicht nicht vertragsgemäßer Inanspruchnahme der Messanlagen der Klägerin durch die Beklagte zu entnehmen ist, ist diese nach § 134 BGB i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG nichtig. Jedenfalls insoweit ist die Vereinbarung nämlich, der Sache nach, auf die Begründung eines Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf hoheitliches Tätigwerden gegenüber Dritten gerichtet. Gleiches gilt für die Vereinbarungen über den zeitlichen Umfang des Betriebes bzw. der Inanspruchnahme der Anlagen, weshalb der Klägerin ein entsprechender Zahlungsanspruch auch nicht wegen Verstoßes gegen diese Vertragsvorschriften in Verbindung mit § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht.

Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Verbotsgesetz in diesem Sinne ist eine Rechtsnorm, Art. 2 EGBGB, die die Vornahme eines nach seiner allgemeinen Natur grundsätzlich rechtlich möglichen Rechtsgeschäfts wegen seines Inhalts bzw. des mit ihm bezweckten Erfolgs oder auf Grund besonderer Umstände seiner Vornahme untersagt (statt vieler Wendtland, in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 134 BGB, Rn. 9 m.w.N.). Dabei bedarf es keines ausdrücklichen Ausspruchs des Verbotes in der jeweiligen Rechtsnorm; ausreichend ist, dass das Verbot aus Sinn und Zweck des Gesetzes folgt, was im Zweifel durch Auslegung der konkreten Vorschrift zu ermitteln ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1968 – VII ZR 83, 84/66 – BGHZ 51, 255).

§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG stellt demnach jedenfalls insofern ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, als die Vorschrift die Entscheidung über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten der privatautonomen Verfügungsbefugnis des Trägers der Verfolgungsbehörde entzieht und es damit der betreffenden Körperschaft insbesondere untersagt, sich im Rahmen eines (privatrechtlichen) Vertrages zur Vornahme zeitlich oder örtlich bestimmter Verfolgungsmaßnahmen zu verpflichten.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Dieser ist damit ein zwar weiter, jedoch nicht schrankenloser Ermessensspielraum eröffnet. Eine Schranke dieses Opportunitätsermessens ergibt sich daraus, dass unter der Geltung des mit Verfassungsrang ausgestatteten allgemeinen Willkürverbots nach Art. 3 Abs. 1 GG die Ermessensausübung ausnahmslos auf sachlich begründbare Kriterien zurückführbar sein muss und schon der bloße Anschein einer unsachgemäßen Ausübung zu vermeiden oder gegebenenfalls durch einen entsprechenden Begründungsaufwand zu rechtfertigen ist (vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 06.05.2019 – 201 ObOWi 276/19 – BeckRS 2019, 17049). Die Entscheidung über die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist demnach – wie etwa in Ziffer 1 des Erlasses des HMdIS vom 05.02.2015 formuliert ist – darauf auszurichten, Verkehrsunfälle, insbesondere mit schweren Folgen, zu verhüten, sonstigen Verkehrsgefahren entgegenzuwirken, darüber hinaus auch dem Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere durch Lärm und Abgase, sowie der Leichtigkeit des Verkehrs zu dienen. Demgegenüber ist insbesondere das fiskalische Interesse an der Erzielung von Einnahmen durch Verwarn- und Bußgelder nicht geeignet, Maßnahmen der Verkehrsüberwachung zu rechtfertigen.

§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG verlangt zudem, dass die Entscheidung von der nach § 35 Abs. 1 OWiG zuständigen Ordnungsbehörde als „Herrin“ des Ermittlungsverfahrens getroffen wird. Da die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dem Gesamtkomplex der öffentlichen Sicherheit und damit dem Kern originärer Staatsaufgaben zuzurechnen ist, verbietet sich insbesondere eine Übertragung der Entscheidung über die Einleitung entsprechender Maßnahmen auf Private. In diesem Bereich kommt die Heranziehung privater Dienstleister daher nur in Betracht, sofern sichergestellt ist, dass die nach § 35 Abs. 1 OWiG zuständige Behörde „Herrin“ des Ermittlungsverfahrens bleibt. Bei der Einbindung privater Unternehmen in die Verkehrsüberwachung ist es demnach erforderlich, dass die Behörde die Herrschaft über die Messung und das Verfahren nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 2 StVG behält. Entgegen der Auffassung der Klägerin (Seite 9 f. des nachgelassenen Schriftsatzes vom 18.01.2022, Blatt 1029 d.A.) ist in Fallgestaltungen der hier in Rede stehenden Art die „erste hoheitliche Entscheidung“ der Ordnungsbehörde dementsprechend nicht erst darin zu erkennen, auf der Grundlage der vom privaten Dienstleister übersandten Rohdatenkopie über die weitere Verwendung der Daten zu befinden. Vielmehr stellt bereits die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen eine Maßnahme zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dar, über die gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist, wobei diese Entscheidung – wie auch im L…-Beschluss ausgeführt ist – die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen umfasst (ebenso BayObLG, Beschluss vom 06.05.2019 – 201 ObOWi 276/19 – a.a.O.; Beschluss vom 05.03.1997 – 1 ObOWi 785/96 – NStZ-RR 1997, 312; s. auch Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 47 OWiG, Rn. 3, wonach die Vorschrift für sämtliche Verfahrensstadien und -formen, einschließlich der Frage der Verfolgungsaufnahme gelte; anders noch OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.1992 – 2 Ws (B) 123/92 OWiG – NJW 1992, 1400, wonach Geschwindigkeitsmessungen nicht der Verfolgung zuzuordnen seien, wohl aber als Teil der Überwachung des Straßenverkehrs grundsätzlich Aufgabe und hoheitliche Tätigkeit der Polizeibehörden).

Mit Sinn und Zweck des § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist es mithin nicht vereinbar, dass sich die zuständige Ordnungsbehörde bzw. deren Rechtsträger gegenüber einem (privaten) Dritten vertraglich verpflichtet, Geschwindigkeitsmessungen täglich bzw. in einem vorbestimmten Turnus durchzuführen. Denn damit begibt sich die Behörde für die Dauer der Laufzeit des Vertrages insofern ihrer Verfahrensherrschaft, als sie nicht mehr autonom über Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen entscheiden kann. Daher ist eine andere Würdigung auch nicht deshalb geboten, weil – wie die Klägerin meint (Seite 47 der Berufungserwiderung, Blatt 699 d.A., sowie Seite 25 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 18.01.2022, Blatt 1037 d.A.) – die vorliegenden vertraglichen Vereinbarungen über durchzuführende Geschwindigkeitsüberwachungen nicht über die Pflichten hinausgegangen seien, die die Beklagte bereits aufgrund ihrer Aufgabe als örtliche Ordnungsbehörde, insbesondere aufgrund der einschlägigen Verkehrsüberwachungserlasse, getroffen hätten. Auch die (privat-) vertragliche Begründung einer der öffentlichen Aufgabe entsprechenden Verpflichtung änderte nämlich nichts an der daraus folgenden Einschränkung der Entscheidungsfreiheit und damit Verfahrensherrschaft der Behörde.

Die hier in Rede stehenden Vereinbarungen widersprechen den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG zudem insofern, als schon der Umstand, damit die Entscheidung über die Durchführung hoheitlicher Maßnahmen zum Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung mit einer dritten, außerhalb der öffentlichen Verwaltung stehenden Person gemacht zu haben, den Anschein einer unsachgemäßen Ermessensausübung begründet. Dies gilt zumal wegen des Fehlens greifbarer Anhaltspunkte dafür, dass bei Abschluss etwa des Vertrages vom 10./ 18.11.2011 bereits hinreichend konkret absehbar war, dass für die vorgesehene Vertragslaufzeit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ein durch Verkehrs- oder Gesundheitsgefahren bzw. die Leichtigkeit des Verkehrs begründeter Bedarf für die Durchführung von täglichen Messungen mit vier Messgeräten bestand. Vor diesem Hintergrund und darüber hinaus angesichts der hier zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung einer Vergütung der Leistungen der Klägerin anhand verwertbarer Datensätze ist bei lebensnaher Betrachtungsweise vielmehr davon auszugehen, dass die Begründung einer Verpflichtung der Beklagten, die stationären Messgeräte täglich zu nutzen, primär dem Interesse der Klägerin an der Begrenzung des von ihr mit der Vertragsgestaltung übernommenen Risikos der Rentabilität des Anlagenbetriebes und damit sekundär dem Interesse der Beklagten an einem möglichst geringen Entgelt je verwertbarem Datensatz zu dienen bestimmt war. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer Nutzung der mobilen Messanlage an 60 Tagen pro Jahr.

Aus denselben Erwägungen begründet auch die Vereinbarung des Vorbehaltes eines „Ersatzwertes“ für nicht durchgeführte Messungen nach Ziffer 4 der Vereinbarung vom 14./ 24.11.2014 den Anschein einer unsachgemäßen Ermessensausübung. Denn auch diese Regelung, die sich wiederum durch das Interesse der Klägerin an der Sicherung der Einnahmen aus dem Vertrag zur Begrenzung des von ihr übernommenen Risikos der Rentabilität des Anlagenbetriebs erklären lässt, ließe gegebenenfalls besorgen, dass die Beklagte Geschwindigkeitsmessungen nicht aus verkehrlichen Belangen, sondern zur Vermeidung der Pflicht zur Zahlung von „Ersatzwerten“, die damit den Charakter von Pönalen annehmen, trifft.

Diese Verstöße gegen § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG führen zur Nichtigkeit jedenfalls der betreffenden Vertragsbestimmungen. Die Frage, ob der Verstoß einer Vereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zu deren Nichtigkeit führt oder ob sich aus dem Gesetz etwas anderes ergibt, ist in erster Linie nach Sinn und Zweck der Verbotsnorm zu beantworten. Entscheidend ist, ob sich das Verbot nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit und damit gegen seinen wirtschaftlichen Erfolg. Danach ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, dessen Vornahme lediglich einem Beteiligten verboten ist, in der Regel gültig; (Gesamt-)Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt nur ein, wenn einem solchen einseitigen Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert, weil er nicht anders als durch dessen Annullierung zu erreichen ist und die getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH, Urteil vom 08.12.2020 – KZR 124/18 – BeckRS 2020, 45872 m.w.N.). So liegt es hier. Zwar richten sich die Verbote des § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG, Entscheidungen über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten anhand anderer als sachlicher Kriterien zu treffen, und die Herrschaft über entsprechende Verfahren an private Dritte abzugeben, an die zuständige Verfolgungsbehörde. Der damit im Allgemeinen verfolgte Zweck der Gewährleistung der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und vorliegend im Besonderen das Ziel einer effizienten Verkehrssicherheitsarbeit erfordern aber aus den vorstehend dargelegten Gründen die Annullierung der dem gesetzlichen Verbot entgegenstehenden Vereinbarungen über die Häufigkeit von Messungen und über die Begründung einer Zahlungspflicht bei unterlassenen Messungen. Denn anderenfalls müsste die Beklagte bzw. deren Ordnungsbehörde die Entscheidungen über die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen, insbesondere im Hinblick auf deren Dauer und Häufigkeit, nach den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen statt nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG treffen.

Ob sich die Nichtigkeitsfolge auf diese Vertragsbestimmungen beschränkt oder aber nach § 139 BGB auf das gesamte Vertragsverhältnis erstreckt, kann an dieser Stelle hingegen dahingestellt bleiben, da jedenfalls keine andere Vertragsbestimmung existiert, die als Grundlage für die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche in Betracht kommt.

b)

Aus denselben Erwägungen begründen sich die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche nicht aus § 311 Abs. 1, § 241 Abs. 1 BGB i.V.m. § 162 Abs. 1 BGB analog.

Soweit die Beklagte die Messanlagen der Klägerin vor Veröffentlichung der L…-Entscheidung nicht in dem vertraglich vereinbarten Umfang in Anspruch genommen hat, ist hierin nach dem Vorstehenden keine Vertragsverletzung sowie angesichts des der Beklagten nach § 47 Abs. 1 OWiG insofern zukommenden Opportunitätsermessens und ohne Vorliegen besonderer Umstände, für die hier nichts ersichtlich ist, kein gegenüber der Klägerin treuwidriges Verhalten zu erkennen.

Im Ergebnis gleiches gilt für die Nichtinanspruchnahme der Messanlagen der Klägerin nach Veröffentlichung der L…-Entscheidung. Denn danach bestanden zumindest erhebliche Bedenken an der Verwertbarkeit der auf der Grundlage des Vertragsverhältnisses der Parteien zu Stande gekommenen Geschwindigkeitsmessungen. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte nach den in Rede stehenden Äußerungen der Regierungspräsidien K… und G… rechtlich gehindert war, Ordnungswidrigkeitsverfahren aus diesen Messungen einzuleiten, war es jedenfalls im Hinblick auf ihre Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu beanstanden und daher auch von der Klägerin nach Treu und Glauben hinzunehmen, dass die Beklagte angesichts dieser rechtlichen Zweifel zur Vermeidung des Anscheins rechtsstaatswidrigen Verhaltens von der Durchführung von Messungen und der Einleitung solcher Verfahren abgesehen hat.

c)

Eine Grundlage für die von der Klägerin geforderten Zahlungen lässt sich dem Vertragsverhältnis der Parteien des Weiteren nicht nach §§ 157, 133 BGB im Wege ergänzender Vertragsauslegung entnehmen.

aa) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt (BGH, Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 96/03 – BGHZ 158, 201). Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt allerdings noch nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer solchen kann vielmehr nur gesprochen werden, wenn der Vertrag – gleichgültig, aus welchem Grund – eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne die Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18 – BGHZ 221, 145; Urteil vom 20.04.2017 – VII ZR 194/13 – NJW 2017, 2025).

Ob sich nach diesem Maßstab eine planwidrige Unvollständigkeit daraus ergibt, dass die vertraglichen Vereinbarungen über den zeitlichen Umfang des Betriebes bzw. der Inanspruchnahme der Messanlagen der Klägerin durch die Beklagte und über den Vorbehalt der Abrechnung eines Ersatzwerts gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung vom 14./ 24.11.2014 aus den vorstehend dargelegten Erwägungen nichtig sind, ist zumindest zweifelhaft.

Nach dem von den Parteien begründeten Vertragsverhältnis hat die Klägerin der Beklagten das Messequipment grundsätzlich auch dann bereitzustellen, wenn sich der Anlagenbetrieb als nicht wirtschaftlich erweist. Diesem Risiko ist im Vertrag vom 10./ 18.11.2011 durch die Regelungen unter Ziffer 4 Rechnung zu tragen gesucht worden, wonach halbjährliche Zwischenbewertungen vorzunehmen sind, bei Abweichungen von dem „gemeinsam gewünschten Ziel … alles Erdenkliche“ zur Erreichung des gewünschten Ziels zu unternehmen ist und der Klägerin bei Scheitern dieser Unternehmungen ein Sonderkündigungsrecht zusteht. Diese Regelungen, die bei der gebotenen Auslegung jedenfalls auch den Fall mangelnder Rentabilität des Betriebs von Anlagen erfassen (zu einer nahezu wortgleichen Klausel im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 07.04.2017 – 2 U 122/16 – BeckRS 2017, 106522), zielen darauf ab, die Pflicht der Klägerin zur Bereitstellung der Messanlagen durch Einräumung eines Sonderkündigungsrechts zu begrenzen: erweist sich etwa der Betrieb stationärer Anlagen aufgrund einer Verringerung des Verkehrsaufkommens und einhergehend damit eines Rückgangs der mit den Anlagen generierten Falldatensätze und dementsprechend auch des von der Klägerin für diese Anlagen erzielten Entgelts als nicht mehr wirtschaftlich, ist die Klägerin demnach nicht verpflichtet, die betreffenden Anlagen für die verbleibende Vertragslaufzeit vorzuhalten, sondern steht ihr – sofern sich die Parteien nicht anders verständigen – das Recht zu, sich insoweit von dem Vertrag zu lösen und das betreffende Equipment anderweitig zu verwerten.

Die hier in Rede stehende Möglichkeit eines nicht rentablen Anlagenbetriebs infolge mangelnder Inanspruchnahme der Anlagen durch die Beklagte betrifft in wirtschaftlicher Hinsicht dasselbe Risiko. Denn insoweit steht die Fallgestaltung, dass es infolge einer zeitlich nur beschränkten Inanspruchnahme der Anlagen durch die Beklagte zu einer hinter der Kalkulation der Klägerin zurückbleibenden Anzahl generierter Falldatensätze und entsprechend geringerer Einnahmen kommt, dem Fall eines Rückgangs der Anzahl abrechenbarer Fälle etwa durch Verringerung des Verkehrsaufkommens gleich. Von daher erscheint jedenfalls ungewiss, ob das Vertragsverhältnis ohne Vervollständigung hinsichtlich der Vereinbarungen bezüglich der Abnahmepflicht der Beklagten und des Vorbehalts der Forderung des „Ersatzwertes“ nach dem mit Abschluss der Verträge verfolgten Regelungsplan der Parteien erforderlich war, um einen angemessenen und interessengerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen der Parteien zu erhalten bzw. das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die Vertragslaufzeit im Gleichgewicht zu halten.

Auch im Übrigen ist fraglich, ob sich das Vertragsverhältnis der Parteien insofern als lückenhaft erweist, als es Bestimmungen vermissen lässt, die zur Verwirklichung des dem zu Grunde liegenden Regelungsplans erforderlich sind. Diese Bedenken bestehen insbesondere auch hinsichtlich der Auffassung der Klägerin, wonach eine Regelungslücke darin zu erkennen sei, dass sich die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse infolge der L…-Entscheidung und des Schreibens des Regierungspräsidiums G… vom 28.08.2017 insoweit geändert hätten, als die Verknüpfung der Zahlungen der Beklagten mit der Anzahl der verwertbaren Falldatensätze als rechtlich und tatsächlich bedenklich und daher die betreffenden Vereinbarungen unter Ziffer 6 Abs. 3 der Vereinbarung vom 10./ 18.11.2011 als nicht mehr anwendungs- und durchsetzungsfähig erschienen (Seite 43 f. des nachgelassenen Schriftsatzes vom 19.01.2022, Blatt 1046 d.A.). Denn eine Unanwendbarkeit der betreffenden Vertragsbestimmungen unterstellt, ist hierin kaum noch eine Lücke in dem, dem Vertragsverhältnis der Parteien zu Grunde liegenden Regelungsplan zu erkennen, sondern wird mit der Wirksamkeit der Vereinbarungen über die Bemessung des Entgeltes vielmehr der Regelungsplan als solcher infrage gestellt.

bb) Letztlich kann die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung allerdings dahingestellt bleiben, da diese jedenfalls der Rechtsfolge nach nicht dazu führt, dass dem Vertragsverhältnis der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer von Falldatensätzen losgelösten, nach Zeitabschnitten zu bemessenden Vergütung zu entnehmen ist.

Grundlage für die Ergänzung des Vertragsinhalts ist der hypothetische Wille der Vertragsparteien, wobei darauf abzustellen ist, was diese bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen, dessen Regelungen und Wertungen sowie Sinn und Zweck Ausgangspunkt der Vertragsergänzung sind (BGH, Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18 – a.a.O.; Urteil vom 28.10.2015 – VIII ZR 158/11 – NJW 2016, 1718). Da im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung allerdings lediglich der Vertragsinhalt, nicht hingegen der Vertragswille ergänzt werden kann, sodass hierdurch keine Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstands erfolgen darf (s. bereits BGH, Urteil vom 22.04.1953 – II ZR 143/52 – BGHZ 9, 273; vgl. auch Wendtland, in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2021, § 157 BGB, Rn. 37), ist für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum, wenn nicht erkennbar ist, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 397/03 – NJW-RR 2005, 1619). Dies gilt auch dann, wenn mehrere gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 08.03.2001 – IX ZR 236/00 – BGHZ 147, 99).

Nach diesen Maßstäben kann vorliegend weder im Hinblick auf die Nichtigkeit der Vertragsbestimmungen bezüglich der Abnahmepflicht der Beklagten und des Vorbehalts der Forderung des „Ersatzwertes“ noch hinsichtlich der mit der L…-Entscheidung und dem Schreiben des Regierungspräsidiums G… vom 28.08.2017 zu Tage getretenen rechtlichen Bedenken an der Erreichbarkeit des Vertragszwecks festgestellt werden, dass die Parteien, hätten sie diese Umstände bedacht, ihr Vertragsverhältnis als Mietvertrag mit – wie die Klägerin zuletzt geltend macht (Seite 44 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 19.01.2022, Blatt 1046R d.A.) – festen und monatlich zu leistenden angemessenen Mietzinszahlungen ausgestaltet hätten.

Weder die vertraglichen Vereinbarungen selbst noch die Umstände ihres Zustandekommens und der sonstige Prozessstoff lassen mit hinreichender Gewissheit auf einen dahingehenden hypothetischen Parteiwillen schließen. Den getroffenen Vereinbarungen lag unstreitig das Werbeargument der Klägerin zugrunde, wonach die Beklagte nach dem Vertragsmodell der Klägerin nicht durch feste monatliche Zahlbeträge belastet werde, sondern Entgelte nur schulde, soweit Falldatensätze generiert würden und verwertbar seien und daher Zahlungen von Buß- oder Verwarngeldern nach sich ziehen könnten. Dafür, dass die Parteien diese Vertragsgestaltung im Verlauf ihrer Verhandlungen infrage gestellt und namentlich eine Gebrauchsüberlassung des Messequipments gegen Zahlung eines bestimmten monatlichen Betrages auch nur in Betracht gezogen haben, ist hingegen nichts ersichtlich. Schon angesichts des hieraus zu ziehenden Schlusses, dass die Vermeidung fester monatlicher Zahlungen der Beklagten zu den wesentlichen Prämissen der Verhandlungen zählte, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Beklagte, hätten die Parteien die rechtlichen Hindernisse der gewollten Vertragsgestaltung erkannt, sich auf eine Beschaffung der Anlagen im Wege eines Mietvertrages mit vorbestimmten, periodisch wiederkehrenden Mietzinszahlungen eingelassen hätte.

Auch kann nicht nach den Maßstäben von Treu und Glauben davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagte als redlicher Vertragspartner, hätten die Parteien die hier in Rede stehenden rechtlichen Hindernisse erkannt, anstelle des geschlossenen Vertragsverhältnisses auf eine Vertragsgestaltung mit festen monatlichen Entgelten eingelassen hätte. Mit den geschlossenen Verträgen haben die Parteien keine (Voll-) Amortisation der Klägerin gewährleistet, sondern ihr – wie vorstehend dargelegt – weitgehend das Risiko eines rentablen Anlagenbetriebs übertragen: Sie sollte ein Entgelt nur bei erfolgreichem Betrieb, nämlich der Gewinnung technisch verwertbarer Datensätze, beanspruchen, sich bei mangelnder Wirtschaftlichkeit aber lediglich von dem Vertrag lossagen können. Die Beklagte hingegen sollte grundsätzlich nur insoweit mit Kosten belastet werden, wie durch den Anlagenbetrieb zumindest begründete Aussicht auf die Erzielung von Einnahmen aus Verwarn- und Bußgeldern bestand, sodass durch die Beschaffung des Messequipments eine effektive Belastung des Haushalts nicht zu erwarten war. Eine Beschaffung der Anlagen gegen Zahlung eines festen monatlichen Betrages führte dementgegen – jedenfalls ohne weitergehende Vereinbarungen, die sich hier in keiner Weise abzeichnen – zu einer diametralen Risikoverteilung. Dass die Beklagte bereit gewesen wäre, sich hierauf einzulassen und statt der erstrebten „haushaltsneutralen“ Beschaffung der Messanlagen eine Vertragsgestaltung zu akzeptieren, nach welcher sie mit fixen Kosten sowie dem damit einhergehenden Amortisationsrisiko belastet wird, ist nicht nach Treu und Glauben zu unterstellen und kann ohne konkrete Anhaltspunkte, für die hier nichts ersichtlich ist, nicht angenommen werden.

Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschaffung des Messequipments gegen Zahlung eines festen monatlichen Betrages die einzige Alternative zu den abgeschlossenen Verträgen darstellte. Denkbar ist etwa, dass die Beklagte stattdessen Geschwindigkeitsmessanlagen gekauft haben würde. Dem dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwand, wonach es sich um hochtechnologisches Verkehrsüberwachungsequipment gehandelt habe, für dessen Anschaffung ein knapp sechsstelliger Betrag pro Messgerät habe aufgewandt werden müssen, weshalb ein Ankauf der Geräte durch die Beklagte nicht in Betracht gekommen sei (Seite 31 ff. des nachgelassenen Schriftsatzes vom 19.01.2022, Blatt 1040 f. d.A.), fehlt es bereits an der notwendigen Substanz. Denn jedenfalls ohne konkreten Vortrag zur Haushaltslage der Beklagten in dem betreffenden Zeitraum ist nicht zu unterstellen, dass einer Kommune dieser Größe die Finanzierung eines solchen Kaufpreises nicht möglich ist. Davon abgesehen kann nicht angenommen werden, dass sich die Handlungsalternativen der Beklagten auf den Ankauf oder die Miete von vier stationären und einem mobilen Messgerät beschränkten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass daneben etwa die Möglichkeit bestand, Geräte zu leasen. Nicht zuletzt ist denkbar, dass die Beklagte bei Erkenntnis der Unmöglichkeit einer „haushaltsneutralen“ Beschaffung Anlagen nur in geringerem Umfang erworben haben würde.

d)

Die Klägerin kann auch keine die Klageforderungen rechtfertigende Anpassung des Vertragsverhältnisses der Parteien beanspruchen.

aa) Ein dahingehender Anpassungsanspruch begründet sich nicht aus den vertraglichen Bestimmungen.

Die Klausel unter Ziffer 4 Abs. 3 des Vertrages vom 10./ 18.11.2011, wonach die Parteien, wenn das Verkehrssicherungsprojekt nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder entsprechend fortgeführt werden kann, gemeinsam „alles Erdenkliche unternehmen“ werden, um dieses zu erreichen, bei der es sich nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, ist bereits mangels Bestimmtheit nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Davon abgesehen lässt sich dieser Klausel bei der nach §§ 133, 157 BGB gebotenen Auslegung jedenfalls keine Verpflichtung der Beklagten zu einer Umgestaltung des Vertrages entnehmen, welche zu einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Grundlagen des Geschäfts führte. Aus den vorstehend dargelegten Gründen wäre dies jedoch bei der von der Klägerin geforderten Änderung des Vertrages in einen Mietvertrag mit festen monatlichen Zahlbeträgen der Fall. Gleiches gilt für die salvatorische Klausel nach Ziffer 8 Satz 3 des Vertrages vom 10./ 18.11.2011.

bb) Auch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, kann die Klägerin keine derartige Vertragsanpassung verlangen.

Zwar kann zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass sich die Parteien bei Abschluss der hier in Rede stehenden Verträge über wesentliche Umstände, welche zur Grundlage der Vereinbarung geworden sind, insofern gemeinsam geirrt haben, § 313 Abs. 2 BGB, als sie offenbar übereinstimmend davon ausgegangen sind, mit der gewählten Vertragsgestaltung eine Rechtsgrundlage geschaffen zu haben, die einerseits den Interessen der Beklagten an der Erfüllung ihrer Pflicht zur Verkehrsüberwachung und andererseits dem Interesse der Klägerin an der Gewähr der Vergütung ihrer Leistungen Rechnung trägt. Diese Vorstellungen haben sich mit der L…-Entscheidung, die nicht zu einer Änderung der Rechtslage geführt, wohl aber die Rechtswidrigkeit der bis dahin anscheinend verbreiteten Praxis unzweideutig aufgezeigt hat, als unzutreffend erwiesen. Auch ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Parteien bei Kenntnis dieser Entscheidung die Verträge nicht oder nur mit anderem Inhalt geschlossen hätten. Denn für die Beklagte ergaben sich aus der in dieser Entscheidung aufgezeigten Rechtslage zumindest erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit der gewonnenen Messergebnisse für die Ahndung festgestellter Verkehrsverstöße. Für die Klägerin war danach die vertragliche Grundlage ihres Vergütungsanspruchs jedenfalls infrage gestellt. Von daher war zumindest der Klägerin nach der L…-Entscheidung ein Festhalten an den vereinbarten Regelungen, namentlich eine weitere Verpflichtung zur Überlassung der Anlagen ohne gesicherten Vergütungsanspruch, nicht zumutbar.

Hieraus folgt aber kein Anspruch der Klägerin auf eine Änderung der getroffenen Vereinbarungen über die Vergütung nach einem Preis je verwertbarem Datensatz hin zu einem nutzungsunabhängigen, periodisch wiederkehrenden Entgelt. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage kann nämlich nur beansprucht werden, wenn die Anpassung möglich und beiden Teilen zumutbar ist. Fehlt es hieran, kann der benachteiligte Teil gemäß § 313 Abs. 3 BGB lediglich vom Vertrag zurücktreten bzw. bei einem Dauerschuldverhältnis kündigen. Die Vorschrift verdeutlicht, dass es auch in den Fallgestaltungen des § 313 Abs. 1, 2 BGB grundsätzlich allein der privatautonomen Entscheidung der Parteien überlassen bleiben muss, ob, unter welchen Umständen und in welchen Grenzen sie sich durch Verträge binden wollen. Ein Zwang zur Vertragsdurchführung besteht nach § 313 Abs. 3 BGB nicht. Vielmehr ist eine Vertragsanpassung mit dem Ziel der Vertragsfortsetzung den Parteien stets unzumutbar im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie den Vertrag, hätten sie die Grundlagenstörung vorausgesehen, nicht abgeschlossen hätten. Eine Vertragsanpassung mit dem Ziel der Vertragsfortführung setzt mithin die – allen voran anhand der vertraglichen Regelungen und des hierin zum Ausdruck kommenden Vertragswillens zu treffende – Feststellung voraus, dass die Parteien den Vertrag – allerdings mit anderem Inhalt – auch dann abgeschlossen haben würden, wenn sie die eingetretene Grundlagenstörung vorausgesehen hätten (Martens, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.10.2021, § 313 BGB, Rn. 137 ff. m.w.N.).

Aus den vorstehend dargelegten Erwägungen fehlt es hieran. Insbesondere weil die abgeschlossenen Verträge im Hinblick auf die Verteilung des Risikos des kostendeckenden Betriebs der Messanlagen in diametralem Gegensatz zur Bereitstellung der Anlagen zu fixen, periodisch zahlbaren Entgelten steht, und auch nicht anzunehmen ist, dass für die Beklagte keine Alternative zu diesen Vertragsgestaltungen bestand, kann zulasten der Klägerin nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei Kenntnis der Grundlagenstörung die Anlagen zu festen, monatlich zahlbaren Beträgen von der Klägerin gemietet hätte. Ebenso wenig kann im Übrigen davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagte für diesen Fall verpflichtet haben würde, das nach den geschlossenen Verträgen von der Klägerin übernommene wirtschaftliche Risiko anteilig zu übernehmen und etwa durch eine einmalige Zahlung eine teilweise Amortisation der Kosten der Klägerin zu gewährleisten. Denn auch hierfür bieten die getroffenen Vereinbarungen keinen Anhaltspunkt. Vielmehr wäre der Klägerin nach dem Vertrag vom 10./ 18.11.2011 selbst bei von Anfang an unrentablem Anlagenbetrieb im Zweifel lediglich die Möglichkeit der Kündigung nach Ziffer 4 des Vertrages geblieben.

Sonstige besondere Umstände, aufgrund derer für die Beklagte entgegen der geschlossenen Verträge und der darin vereinbarten Risikoverteilung dennoch eine Anpassung des Vertragsverhältnisses dahingehend zumutbar ist, für die (Möglichkeit der) Nutzung der Anlagen der Klägerin statt des fallbasierten Abrechnungsmodells ein nach Zeitabschnitten bemessenes, festes Entgelt oder einen einmaligen Betrag zu zahlen, sind ebenfalls nicht ersichtlich.

e)

Die streitgegenständlichen Forderungen rechtfertigen sich auch nicht aus anderen Gründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin (Seite 48 f. des nachgelassenen Schriftsatzes vom 19.01.2022, Blatt 1049R f. d.A.), steht ihr gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nicht deshalb zu, weil die Beklagte sich nicht auf die Vereinbarung einer Änderung der bestehenden Verträge eingelassen hat. Denn nach dem Vorstehenden war die Beklagte der Klägerin gegenüber weder zu einer Umgestaltung des bestehenden Vertragsverhältnisses in einen Mietvertrag mit festen monatlichen Zahlungen noch zum Anerkenntnis der streitgegenständlichen Forderungen verpflichtet.

Die Klägerin kann des Weiteren keinen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wegen des Abschlusses des nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Vereinbarungen bezüglich der Abnahmepflicht der Beklagten und des Vorbehalts der Forderung des „Ersatzwertes“ gemäß § 134 BGB (zumindest) teilweise nichtigen Vertrages beanspruchen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte aufgrund der Fachkenntnisse, die bei ihr als Trägerin der örtlichen Ordnungsbehörde jedenfalls vorauszusetzen sind, die von der L…-Entscheidung aufgezeigte Rechtslage bereits bei Abschluss der Verträge hätte erkennen können. Denn jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass sie insofern über weitergehende Kenntnisse als die in diesem Bereich gewerblich tätige Klägerin verfügte. Von daher ist schon nicht anzunehmen, dass die Beklagte der Klägerin nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB zu einer rechtlichen Prüfung des vorgeschlagenen Vertrages verpflichtet war und dass die Klägerin den Vertrag im Vertrauen auf eine solche Prüfung der Beklagten abgeschlossen hat. Davon abgesehen träfe die Klägerin als im Bereich der Verkehrsüberwachung tätiges Unternehmen, welches die hier in Rede stehenden Verträge entworfen hat, ein einen Ersatzanspruch nach § 254 Abs. 1 BGB ausschließendes Mitverschulden.

Ferner hat die Klägerin keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., § 818 Abs. 1, 2 BGB auf Wertersatz für gezogene Nutzungen. Unstreitig ist, dass die Beklagte das Messequipment der Klägerin über den vergüteten – nicht streitgegenständlichen – Gebrauch hinaus nicht in Anspruch genommen hat. Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme des Equipments hatte für die Beklagte keinen Wert, da bereits die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen mit den Anlagen aus den dargelegten Erwägungen in rechtsstaatlicher Hinsicht zumindest bedenklich gewesen wäre. Jedenfalls aber wäre eine Verwertung der hieraus gewonnenen Daten zur Einleitung von Ordnungswidrigkeitsverfahren nach den in der L…-Entscheidung aufgezeigten Grundsätzen und den dargestellten Äußerungen der Regierungspräsidien G… und K… nicht in Betracht gekommen. Die Frage, inwieweit die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge über die Vereinbarungen bezüglich der Abnahmepflicht der Beklagten und des Vorbehalts der Forderung des „Ersatzwertes“ hinaus nichtig sind und insofern überhaupt die Voraussetzungen einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten vorliegen, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Wertersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der aufgedrängten Bereicherung auch deshalb nicht besteht, weil die Klägerin ihrerseits die Möglichkeit hatte, das Vertragsverhältnis zu kündigen und die betreffenden Anlagen in Besitz zu nehmen.

Schließlich stehen der Klägerin die streitgegenständlichen Zahlungsforderungen auch aus keinem anderen Rechtsgrund zu. Die von den Parteien schriftsätzlich ausführlich erörterten Fragen der Wirksamkeit des Vertragsabschlusses vom 15.04./ 15.06.2016 und der Kündigung der Beklagten vom 14.06.2017 können hier daher ebenso dahingestellt bleiben, wie die Frage der Erforderlichkeit einer positiven Stellungnahme der hessischen Polizeiakademie zu Standorten stationärer Messanlagen für eine Wiederaufnahme des Messbetriebes.

2.

Die Anschlussberufung bleibt ohne Erfolg.

a)

Die mit der im Wege der Anschlussberufung nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig erweiterten Klage geltend gemachten Zahlungsansprüche für den Zeitraum vom 01.09.2020 bis zum 31.07.2021 sind aus den vorstehend dargelegten Erwägungen ebenso unbegründet, wie die übrigen streitgegenständlichen Zahlungsforderungen, sodass die Klage auch insoweit der Abweisung unterliegt.

Jedenfalls für die Zeit ab dem 16.04.2019 steht vertraglichen Ansprüchen der Klägerin zudem der Ablauf der Vertragslaufzeit entgegen. Denn bei unterstellter Wirksamkeit des Vertrages vom 15.04./ 15.06.2016 wäre damit zwar eine Verlängerung der „Grundlaufzeit des Dienstleistungsvertrages… bis 15.04.2019“ vereinbart worden, sodass nach Ziffer 4 des Vertrages vom 10./ 18.11.2011 eine stillschweigende Verlängerung um ein Jahr in Betracht gekommen wäre. Voraussetzung hierfür ist aber, „dass die Vertragsziele anhaltend erreicht werden und keiner der Partner das Recht der ordnungsgemäßen Kündigung wahrnimmt“. Nach dem Wortlaut der Klausel, den sich die Klägerin nach § 305c Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen muss, setzt die stillschweigende Vertragsverlängerung daher neben der Nicht-Wahrnehmung des Kündigungsrechts – kumulativ – ein anhaltendes Erreichen der Vertragsziele voraus. Hiervon konnte im Jahr 2019 angesichts der Einstellung des Betriebs der Messanlage durch die Beklagte im Jahr 2017 und des seither zwischen den Parteien geführten Streits um Ersatzforderungen der Klägerin keine Rede sein.

b)

Die mit der Anschlussberufung weiterverfolgte Feststellungsklage ist aus den vorstehend dargelegten Erwägungen jedenfalls unbegründet.

3.

Der innerhalb der – verlängerten – Schriftsatzfrist gehaltene Vortrag der Klägerin, insbesondere das Vorbringen aus den Schriftsätzen vom 20.11.2021 und 19.02.2022 (Blatt 982 ff. und 1025 ff. d.A.), mit welchem die Klägerin mit weiteren Rechtsausführungen, Vortrag zur Herstellung von Falldatensätzen sowie zur Rollenverteilung zwischen der Klägerin und ihren Vertragspartnern bei der weiteren Bearbeitung dieser Datensätze und mit Ausführungen zur Auslegung der geschlossenen Verträge (auch) zu den in der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2021 vom Senat erteilten Hinweisen Stellung genommen hat, gibt für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die vorliegende Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze im Einzelfall, wobei der Streitfall auch keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Dafür, dass sich die hier maßgebenden Rechtsfragen künftig in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle erneut stellen werden, ist nichts ersichtlich.

Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.