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Entlassung aus dem Beamtenverhältnis - örtliche Zuständigkeit


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 23.02.2022
Aktenzeichen 2 L 418/21 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2022:0223.2L418.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 52 Nr 4 VwGO, § 83 S 1 VwGO

Leitsatz

Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts bestimmt sich bei einer für sofort vollziehbar erklärten Entlassung eines Beamten auf Widerruf nach dessen letztem dienstlichen Wohnsitz.

Tenor

Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Koblenz verwiesen.

Gründe

Der Beschluss beruht auf § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG. Nicht das angerufene Gericht, sondern das Verwaltungsgericht Koblenz ist für den vorliegenden Rechtsstreit örtlich zuständig.

Nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat (§ 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO). Maßgebend sind entsprechend § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG die Verhältnisse im die Rechtshängigkeit der Streitsache (§ 90 Satz 1 VwGO) begründenden Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht (21. Dezember 2021).

Zwar hatte der Antragsteller in diesem Zeitpunkt keinen dienstlichen Wohnsitz mehr. Dienstlicher Wohnsitz meint den Ort, an dem die Behörde oder ständige Dienststelle, der der Beamte angehört, ihren Sitz hat (vgl. § 15 Abs. 1 BBesG). Da die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Entlassung des Antragstellers angeordnet hat, gehörte der Antragsteller ab dem Zeitpunkt der Zustellung des angegriffenen Bescheids (16. Dezember 2022) nicht nur keiner Behörde der Antragsgegnerin mehr an, sondern er stand überhaupt nicht mehr in einem Dienstverhältnis zu ihr. Seinen (bürgerlichen) Wohnsitz hatte er im Zeitpunkt des Antragseingangs bei Gericht in Lingenfeld, das im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße liegt.

Nach Ansicht der Kammer ist aber in der vorliegenden Fallkonstellation, in der gerade eine Maßnahme gerichtlich angegriffen wird, die sich auf den dienstlichen Wohnsitz auswirkt, vorrangig auf den letzten dienstlichen Wohnsitz vor Erlass dieser Maßnahme abzustellen (so auch VGH Bayern, Beschluss vom 20. November 1984 – 3 CS 84 A.2389 –, juris zu einer Versetzung; VG Göttingen, Beschluss vom 4. Juli 1996 – 3 B 3196/96 –, juris zu einer Versetzung in den Ruhestand; VG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 2 K 5499/11 –, juris, Rn. 5 zu einer Organisationsverfügung über den Wechsel des dienstlichen Wohnsitzes; VG Ansbach, Urteil vom 17. Februar 2009 – AN 15 K 08.01896 –, juris, Rn. 45 zur Entlassung eines Soldaten; a.A. etwa VG Greifswald, Beschluss vom 19. Februar 2015 – 6 A 17/15 –, juris, Rn. 3; VG Potsdam, Beschluss vom 23. Juni 2017 – 2 K 1997/17 –, juris, Rn. 1 jeweils zur Entlassung eines Soldaten). Dies beruht auf der Überlegung, dass eine Aufhebung dieser Maßnahme im Hauptsacheverfahren nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ex-tunc wirkt und das Gericht dementsprechend durch seine Entscheidung womöglich seine örtliche Zuständigkeit rückwirkend selbst beseitigen würde. Der Grundsatz der perpetuatio fori (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) ändert daran nichts, da die Aufhebung vorliegend gerade auf einen Zeitpunkt vor Rechtshängigkeit der Streitsache zurückwirken würde.

Zwar tritt die im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zunächst allein begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung frühestens mit Einlegung des Rechtsbehelfs ein (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 46). Da der Antragsteller noch keine Klage erhoben hat, ist insofern auf seinen Widerspruch vom 20. Dezember 2021 abzustellen. Dieser ging erst am 22. Dezember 2021 bei der Antragsgegnerin ein. Indes ist für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Gericht der Hauptsache zuständig, also bei - hier gegebener - Antragstellung vor Klageerhebung das Gericht, das örtlich und sachlich zur Entscheidung über eine künftige Anfechtungsklage zuständig wäre. Folglich gelten die vorstehenden Überlegungen auch für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, da es andernfalls zu unterschiedlichen Zuständigkeiten kommen könnte.

Diese Sichtweise entspricht auch der vor allem in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und in der Arbeitsgerichtsbarkeit praktizierten Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen. Hierbei geht es um Fälle, in denen sich die Bejahung des eingeklagten Anspruchs auf die Zulässigkeit der Klage, insbesondere die Zuständigkeit des Gerichts, auswirkt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2009 – VIII ZB 42/08 –, juris, Rn. 14), so etwa in Fällen, in denen ein Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen. Dann sind die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht in der Weise doppelrelevant, dass sie sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend sind. Dann reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 16 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BAG). Nicht anders verhält es sich vorliegend. Die Rechtsbehauptung des Antragstellers, die Entlassungsverfügung der Antragsgegnerin sei rechtswidrig, wirkt sich auf die örtliche Zuständigkeit aus. Denn ihre Richtigkeit unterstellt, wäre die Entlassungsverfügung - wie soeben dargelegt - im Hauptsacheverfahren rückwirkend mit der Folge aufzuheben, dass der letzte dienstliche Wohnsitz des Antragstellers nie entfallen ist und ein Rückgriff auf seinen (bürgerlichen) Wohnsitz ausscheidet. Die Rechtsansicht des Antragstellers ist somit der Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts zugrunde zu legen.

Nach alledem ist der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Koblenz zu verweisen, weil die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben, dass der Antragsteller vor seiner Entlassung zuletzt der Dienststelle „B… Diez“ in 65582 Diez angehört hatte. Dieser Ort liegt im Rhein-Lahn-Kreis im Land Rheinland-Pfalz und somit gem.  § 3 Abs. 2 Nr. 1 des (rheinland-pfälzischen) Landesgesetzes über die Gliederung und die Bezirke der Gerichte im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts Koblenz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).