Gericht | LG Frankfurt (Oder) 1. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 29.10.2021 | |
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Aktenzeichen | 11 O 290/20 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... wird verurteilt, der Herausgabe des in der Hinterlegungssache beim Amtsgericht Fürstenwalde zum Az. 27 HL 74/78 hinterlegten Betrags von 12.048,00 € an die Klägerin zuzustimmen.
2. Der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... wird verurteilt, der Herausgabe des in der Hinterlegungssache beim Amtsgericht Fürstenwalde zum Az. 27 HL 75/18 hinterlegten Betrags von 18.308,42 € an die Klägerin zuzustimmen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 34.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zustimmung zur Herausgabe eines beim Amtsgericht Fürstenwalde hinterlegten Betrags i.H.v. 12.048 € und i.H.v. 18.308,42 €. Die ... hatte diese Beträge dort hinterlegt, weil ihrerseits Unklarheit bestand, wer Gläubigerin des Erstattungsanspruchs ist, die Klägerin oder der Beklagte.
Die Klägerin schloss mit der ... am 21.12.2015 einen Stromlieferungsvertrag. Aus den Verbrauchsdaten der Klägerin ging hervor, dass der Höchstlastbeitrag der Klägerin erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dieser Netz- oder Umspannungsebene abweichen würde, so dass die ... der Klägerin in Abweichung von § 16 Strom NEV ein individuelles reduziertes Netzentgelt anbot, dass dem besonderen Nutzungsverhalten der Klägerin Rechnung trug. Am 25.9.2014 schloss die Klägerin mit der ... für beide Krankenhausstandorte in Nauen und in Rathenow jeweils eine Vereinbarung über ein individuelles Netzgeld, diese Vereinbarung sollte rückwirkend zum 1.1.2014 in Kraft treten. Diesen Vereinbarungen hat der damalige Stromlieferant am 23.9.2014 zugestimmt. Als neue Stromlieferantin stimmte die ... für die ... mit Datum vom 2.2.2016 der Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt zu. Der Lieferantenwechsel wurde zum 1.1.2016 durchgeführt.
Über das Vermögen der ... wurde am 8.12.2017 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter ist der Beklagte. Der Beklagte ist auch Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... . Hierbei handelt es sich um die Muttergesellschaft der ... .
Die Klägerin zahlte nicht reduzierte Netzentgelte gemäß Stromlieferungsvertrag an den Netzbetreiber. Gemäß der geschlossenen Vereinbarung sollten der Klägerin die entstandenen Erstattungsansprüche wegen des reduzierten Netzentgelts für das betreffende Kalenderjahr zurückgezahlt werden.
Die ... hinterlegte das Guthaben aus der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für das Jahr 2017 in Höhe von 18.308,42 € und i.H.v. 12.000,48 € beim Amtsgericht Fürstenwalde. Als mögliche Gläubiger benannte die Edis den Beklagten und die Klägerin.
Mit Schreiben vom 27.2.2019 forderte die Klägerin den Beklagten auf, der Herausgabe der Beträge zuzustimmen. Dies hat der Beklagte mit Schreiben vom 21. 3.2019 abgelehnt.
Die Klägerin meint, bei den Erstattungsansprüche der Klägerinnen gemäß § 19 Abs. 2 Strom NEV i.V.m. § 6 S. 5 der Vereinbarung individueller Netzentgelte gegenüber dem Netzbetreiber handele es sich um Ansprüche, die ausschließlich der Klägerin als Letztverbraucher zustünden. Die ... habe gemäß Z. 1.3 der Vereinbarung individueller Netzentgelte lediglich die Aufgabe, die Abrechnung der Erstattungsansprüche mit dem Netzbetreiber im Namen der Klägerin für diese vorzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
in der Hinterlegungssache 27 HL 74 / 18 den Insolvenzverwalter ..., ... als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ..., zu verpflichten, der Herausgabe des beim Amtsgericht Fürstenwalde hinterlegten Betrags von 12.048 € an die ... zuzustimmen,
in der Hinterlegungssache 27 HL 75 / 18 den Insolvenzverwalter Dr. Philipp Hackländer, ... als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ..., zu verpflichten, der Herausgabe des beim Amtsgericht Fürstenwalde hinterlegten Betrags von 18.308,42 € an die ... zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, die Klageanträge seien bereits unzulässig. Sie ließen nicht erkennen, gegen wen sich die Klage richte.
Der Beklagte meint, bei den Ansprüchen der Klägerin gegen die ... handele es sich um Insolvenzforderungen, die nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durch entsprechende Anmeldung zur Tabelle geltend zu machen seien, ohnehin stünde der Erstattungsanspruch wegen des reduzierten Entgelts gegenüber dem Netzbetreiber ausschließlich der ... zu. Bereits aus der Einleitung des als Anl. K2 vorgelegten Vertrags über ein individuelles Netzentgelt ergebe sich, dass danach zu unterscheiden sei, ob der Letztverbraucher selbst oder dessen Stromlieferant nach Maßgabe eines Netznutzungsvertrags das Elektrizitätsverteilernetz des Netzbetreibers nutze. Derjenige, der die Nutzung vornehme, schulde danach auch das Netzentgelt. Die Klägerin aber habe mit dem Netzbetreiber kein Netznutzungsvertrag abgeschlossen, sie habe ihren Strom vielmehr auf der Basis eines Stromliefervertrages mit einer all inclusive Lieferung mit Netznutzung bezogen. Hieraus ergebe sich, dass der Lieferant die Netzdienstleistungen im eigenen Namen mit dem jeweiligen Netzbetreiber zu regeln habe. Alle Ansprüche hinsichtlich des Netzentgelts bzw. der Erstattung von Netzentgelt bestünden daher nur direkt zwischen Netzbetreiber und Stromlieferanten. Die schuldrechtlichen Beziehungen führten dazu, dass der jeweilige Vertragspartner das Insolvenzrisiko seines unmittelbaren Vertragspartners trage. Vorliegend habe die ... nicht selbst die Netznutzung mit einem Netzbetreiber vereinbart, sondern diese Möglichkeit der ... gewährt, die nunmehr direkter Vertragspartner des Netzbetreibers sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig.
Indem die Klägerin den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... in Anspruch genommen hat, ist klargestellt, gegen wen sich die Klage richtet.
Die Klage ist begründet.
Die ... hat den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... als möglichen Gläubiger der hinterlegten Beträge benannt. Damit ist er passivlegitimiert.
Inhaber des Erstattungsanspruchs ist die Klägerin, so dass der Beklagte der Herausgabe der hinterlegten Beträge zuzustimmen hat.
Nach Z. 6 S. 5 der Vereinbarung über ein individuelles Netzentgelt sind der Klägerin Erstattungsansprüche entstanden. Gemäß dieser Regelung wird die eingetretene Netzentgeltreduktion für das betreffende Kalenderjahr vom Netzbetreiber erstattet. Gemäß Z. 1.3 der Vereinbarung nimmt der Stromlieferant lediglich die Abrechnung der Netznutzung für den letzten Verbraucher vor. Damit wird dieser nicht Inhaber des Rückerstattungsanspruchs nach § 19 Abs. 2 S. 1 StromNEV. Daher kann diese Forderung nicht Teil der Insolvenzmasse werden, da es sich um eine Forderung der Klägerin und nicht um eine des Stromlieferanten handelt. Der Erstattungsanspruch steht ohnehin dem Letztverbraucher zu, Letztverbraucher ist hier die Klägerin. Der Beklagte kann vorliegend keine Ansprüche der Klägerin geltend machen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen Folgen aus §§ 91, 709 ZPO.