Gericht | VG Potsdam 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 16.12.2021 | |
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Aktenzeichen | 2 K 2991/19 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2020 verurteilt, die dienstliche Beurteilung vom 30. Januar 2019 aufzuheben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der 1981 geborene Kläger steht im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst bei der Bundeswehr. Den Dienst verrichtete er vom 1. Mai bis 30. November 2016 in K und seit dem 1. Dezember 2016 in L . Er wendet sich gegen eine ihm am
30. Januar 2019 für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 25. Juni 2018 erteilte dienstliche Beurteilung, die auf das Gesamturteil 4 „nicht mehr befriedigend“ lautet. Es handelt sich um eine Beurteilung, die „auf Anforderung“ erstellt wurde, nämlich aus Anlass von Bedenken des Leiters der Bundeswehrfeuerwehr L gegen eine mögliche Beförderung des Klägers nach A 8, für welche seit dem 1. Juni 2018 die nötige Planstelle zur Verfügung stand. Eine solche Beförderung ist seither nicht erfolgt. Die Beklagte hatte im Mai 2019 eine Hemmung des Aufsteigens des Klägers in die nächsthöhere Stufe der Grundgehalte gemäß § 27 Abs. 4 des Bundesbesoldungsgesetzes verfügt, daran jedoch nicht festgehalten; dies war Gegenstand des durch Hauptsachenerledigung abgeschlossenen weiteren Klageverfahrens (VG 2 K 2992/19). Inzwischen ist dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum
31. Januar 2019 eine Regelbeurteilung erteilt und am 11. März 2021 eröffnet worden, deren Besprechung noch aussteht.
In der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung sind einige Leistungs- und Befähigungsmerkmale als „nicht beobachtet“ ausgewiesen und nicht bewertet worden. Dies betrifft zur Leistungsbeurteilung die Einzelmerkmale „Schriftlicher Ausdruck“ (1.4), „Mündlicher Ausdruck“ (1.5), „Wirtschaftliches Handeln“ (3.4), „Dienstleistungsorientierung“ (3.7) sowie die drei Merkmale zum Führungsverhalten, ferner zur Befähigungsmerkmale die Einzelmerkmale „Verhandlungsgeschick“ (4) und „Führungsfähigkeit“ (5). Für den Zeitraum vom 1. Mai bis 30. November 2016 liegt ein Beurteilungsbeitrag des Leiters der Bundeswehrfeuerwehr K vor, in dem es u. a. heißt, der Kläger könne sehr gut im Team arbeiten und habe zum guten Betriebsklima innerhalb der Feuerwache K beigetragen, mittelfristig solle er für eine Führungsaufgabe als Truppführer vorgesehen werden. Der Kläger erhob gegen die Beurteilung am 6. Juni 2019 mit der Begründung Widerspruch, die Begründung des Gesamturteils genüge nicht den Anforderungen der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und eine (warnende) Erläuterung der Verschlechterung (gegenüber der auf das Gesamturteil 3 lautenden Vorbeurteilung) sei unterblieben.
Am 29. November 2019 hat der Kläger die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben und zur Begründung sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Den Widerspruch hat die Beklagte durch Widerspruchsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 28. Januar 2020 zurückgewiesen; hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen. Den Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Juni 2020 in das Klageverfahren ausdrücklich einbezogen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2020 zu verurteilen, die dienstliche Beurteilung vom 30. Januar 2019 aufzuheben und ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 25. Juni 2018 erneut zu beurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Da er inzwischen die den Zeitraum der Anlassbeurteilung mit umfassende Regelbeurteilung zum Stichtag 31. Januar 2019 erhalten habe, habe sich das Begehren auf Änderung der Anlassbeurteilung erledigt. Allein die Regelbeurteilung sei für die Entscheidung, ob eine Beförderung des Klägers zum Oberbrandmeister erfolgen könne maßgeblich. Die Anlassbeurteilung vom 30. Januar 2019 sei allerdings die Grundlage für die Entscheidung gewesen, den Kläger nicht mit Zurverfügungstellung der Planstelle ab dem 1. Juni 2018 zum Oberbrandmeister zu befördern, weshalb sie ungeachtet der inzwischen erstellten Regelbeurteilung
nicht aufgehoben werde. Die Anlassbeurteilung sei außerdem rechtmäßig erstellt worden, insbesondere auch hinsichtlich des Absehens von Bewertungen einzelnen Leistungs- und Befähigungsmerkmalen. U. a. „Mündlicher Ausdruck“ (1.5) sei vom Kläger nicht gefordert gewesen. Zudem habe der Kläger es vermieden, mit dem zuständigen Berichterstatter (Ziff. 1.5.1 der Beurteilungsbestimmungen – BeurtBest BMVg in der ab dem 1. Februar 2016 geltenden Fassung – a. F. –) zu kommunizieren; selbst zur Begrüßung oder Verabschiedung habe es einer direkten Ansprache durch den Berichterstatter als Anstoß zu einer Äußerung des Klägers bedurft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die Klage ist ungeachtet des durch den Kläger nicht innerhalb der Frist nach § 74 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einbezogenen Widerspruchsbescheides zulässig, da es auf diese Frist im Hinblick auf die zuvor nach § 75 VwGO zulässig erhobene Untätigkeitsklage nicht ankommt,
vgl. HessVGH, Beschluss vom 7. Mai 2020 - 1 A 661/20 -, juris Rn. 31 ff.
Dem Kläger steht entgegen der
– auf VG Lüneburg, Urteil vom 6. Juli 2004 - 1 A 5/03 -, juris Rn. 18 ff., gestützten –
Auffassung der Beklagten auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Es besteht nämlich für ihn ein fortwährendes und auch schützenswertes Interesse daran, seinen Anspruch darauf durchzusetzen, dass die Anlassbeurteilung im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aus seiner Personalakte entfernt wird und dass in die nachfolgend erteilte Regelbeurteilung nur eine rechtmäßig erteilte Anlassbeurteilung einbezogen wird bzw. bleibt (vgl. dazu Nr. 506 und Nr. 169 BeurtBest BMVg a. F.); ob der Kläger einen Anspruch insbesondere auf die begehrte Neuerstellung einer Anlassbeurteilung hat, ist hingegen eine Frage der Begründetheit der Klage.
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Aufhebung der angegriffenen Anlassbeurteilung begehrt. Die angegriffene dienstliche Beurteilung vom 30. Januar 2019 ist rechtswidrig. Der Kläger kann daher deren Aufhebung durch die Beklagte beanspruchen; zugleich erweist sich der Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2020 als rechtswidrig und ist daher entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur der für den Dienstherrn handelnde Vorgesetzte soll ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden - fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes und der Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Hat der Dienstherr – wie hier im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung – Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und auch mit den sonstigen gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen,
BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2019 - 2 A 15.17 -, juris Rn. 32 f. m. w. N.
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die angegriffene Anlassbeurteilung jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil die Leistungen des Klägers in Bezug auf das nach der einschlägigen Richtlinie grundsätzlich zu bewertende Leistungsmerkmal 1.5 (Mündlicher Ausdruck) als „nicht beobachtet“ ausgewiesen und nicht bewertet worden sind. Dass der Berichterstatter und in der Folge der Beurteiler diesbezüglich kein Leistungsbild gewinnen konnten, ist nämlich nicht plausibel. Der Kläger hatte im Beurteilungszeitraum ersichtlich auch Aufgaben wahrzunehmen, für welche er mit anderen Bediensteten mündlich zu kommunizieren hatte (u. a. Retten von Menschen aus lebensbedrohlichen Lagen unter erschwerten Bedingungen, Schützen und Bergen von Sachwerten, Löschen von Bränden, Durchführen von Maßnahmen der technischen Hilfeleistung unter Einsatz von technischem Gerät, Durchführung von Feuersicherheitswachen, Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Mitarbeit im Bereich Materialbewirtschaftung/Materialerhalt, Nach den Aufgaben des vom Kläger wahrgenommenen Dienstpostens). Dies hat auch in dem in die Beurteilung einzubeziehen gewesenen Beurteilungsbeitrag vom 10. Oktober 2016 Ausdruck gefunden, nach welchem dem Kläger bescheinigt wurde, sehr gut im Team arbeiten zu können und somit zum guten Betriebsklima innerhalb der Feuerwache K beigetragen zu haben. Außerdem belegt die Bewertung der „Befähigung zur Kommunikation und Zusammenarbeit“ mit D – „gering ausgeprägt“ – (Einzelmerkmal Nr. 3 der Befähigungsbeurteilung, betreffend die folgenden Kriterien:
„- Durch Informationsaustausch Zusammenwirken fördern
- Eigenen Standpunkt verständlich und überzeugend darstellen und vertreten
- Sich mit Meinungen und Kritik anderer konstruktiv auseinandersetzen
- Konflikte offen und angemessen regeln,
- Gemeinsame Lösungen anstreben und erarbeiten“),
dass auch die mündliche Kommunikation und damit der mündliche Ausdruck des Klägers im Beurteilungszeitraum beobachtet werden konnten. Soweit der Entwerfer der Beurteilung (Berichterstatter) keine eigenen diesbezüglichen Beobachtungen hat machen können, hätte er dazu bei anderen Bediensteten, mit welchen der Kläger zusammengearbeitet hat, Erkundigungen einholen müssen; auch eine Rückfrage bei dem Ersteller des Beurteilungsbeitrags vom 10. Oktober 2016 wäre möglich – und bei ohnedies fehlender Erkenntnisgrundlage geboten – gewesen, um dadurch das Fehlen eigener Beobachtungen auszugleichen und dem grundsätzlichen Erfordernis einer Bewertung des Leistungsmerkmals 1.5 Rechnung zu tragen.
Ob die dienstliche Beurteilung an weiteren Mängeln leidet und daher auch noch aus anderen Gründen rechtswidrig und insgesamt aufzuheben ist, kann dahinstehen.
Unbegründet und daher abzuweisen ist die Klage hinsichtlich des Begehrens des Klägers, für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 25. Juni 2018 erneut dienstlich beurteilt zu werden. Nach Nr. 125 BeurtBest BMVg a. F. (entspr. Nr. 1099 BeurtBest BMVg in der seit dem 20. Januar 2020 geltenden Fassung) kann eine Anlassbeurteilung (nur) auf Anforderung der personalbearbeitenden Dienststelle für einen Beamten erteilt werden, „wenn aktuelle Erkenntnisse über … sein Leistungs- und Befähigungsbild benötigt werden“. Daran fehlt es vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage. Der Anlass für die Erteilung einer Anlassbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 25. Juni 2018 ist erledigt. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass im Rahmen einer Entscheidung über eine Beförderung des Klägers künftig noch auf eine Anlassbeurteilung für den genannten Zeitraum abgestellt werden könnte. Dies folgt schon daraus, dass die (neue) Anlassbeurteilung neben der den Zeitraum vollständig mit abdeckenden Regelbeurteilung zum Stichtag 31. Januar 2019 – entsprechend der einschlägigen Auswahlpraxis der Beklagten – keine eigenständige Bedeutung mehr haben könnte. Daher geht auch die Beklagte zutreffend davon aus, dass die fragliche Anlassbeurteilung nicht mehr benötigt wird. Im Übrigen kann eine Anlassbeurteilung von einem Beamten wie dem Kläger jedoch auch nur dann beansprucht werden, wenn sie für sein dienstliches Fortkommen noch irgendeine Bedeutung haben kann, denn das Erstellen von dienstlichen Beurteilungen ist kein Selbstzweck. Anhaltspunkte dafür, dass es der (einheitlichen) Verwaltungspraxis der Beklagten entsprechen würde – entgegen der Vorgabe nach Nr. 125 BeurtBest BMVg a. F. (entspr. Nr. 1099 BeurtBest BMVg in der seit dem 20. Januar 2020 geltenden Fassung) – auch für erledigte Beurteilungsanlässe noch dienstliche Anlassbeurteilungen zu erstellen, bestehen nicht. Auch ergibt sich nicht etwa aus der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
Urteil vom 7. Juli 2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 11 bis 13,
dass in jedem Fall trotz Erledigung des Beurteilungsanlasses noch die Neuerstellung einer Anlassbeurteilung beansprucht werden könnte. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit ausdrücklich nur die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses thematisiert und in dem entschiedenen Fall – wie auch die Kammer in diesem Fall – bejaht. Allein aus dem Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses kann jedoch nicht abgeleitet werden, es bestehe – losgelöst von den weiteren maßgeblichen Voraussetzungen – ein Anspruch auf Erteilung der begehrten dienstlichen Beurteilung trotz der Erledigung des Anlasses.
Vgl. auch VG Potsdam, Urteil vom 10. Oktober 2018 - VG 2 K 834/16 -, juris Rn. 24 ff., und Urteil vom 3. Dezember 2018 - VG 2 K 810/18 -, juris Rn. 13 ff.
Jedenfalls im Falle des Klägers besteht ein solcher Anspruch aufgrund des für den einschlägigen Geschäftsbereich der Beklagten geltenden Regelbeurteilungssystems und der einschlägigen Voraussetzungen für das Erteilen zusätzlicher Anlassbeurteilungen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 167 VwGO. Gründe i. S. d. §§ 124a Abs. 1 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO für eine Berufungszulassung liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes auf 5.000 Euro festgesetzt.