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Entscheidung VG 1 K 1601/16


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 09.12.2021
Aktenzeichen VG 1 K 1601/16 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1209.1K1601.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 153 Abs 1 VwGO, § 586 Abs 1 ZPO, §§ 580ff ZPO

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beklagte vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich als Rechtsnachfolger seines Vaters (des Restitutionsantragstellers) mit der Restitutionsklage gegen das rechtskräftige Urteil vom 04. Juli 2014 (VG 1 K 902/11), mit dem die Kammer die Klage auf Rückübertragung von Grundeigentum in den Gemarkungen G ... – soweit nicht über einzelne Grundstücke abschlägig in den getrennten Verfahren VG 1 K 621 - 623/12 befunden wurde oder der Kläger die Klage zurückgenommen hat – abgewiesen hat.

Die Vermögenswerte waren Bestandteil der ehemaligen Herrschaft B ... (des Großvaters des Klägers, nachfolgend vereinfachend bezeichnet als: der Alteigentümer). Der Alteigentümer wurde nach dem Attentat auf Adolf Hitler von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) am 21. Juli 1944 inhaftiert; diese entließ ihn am 05. März 1945 aus der Haft, nachdem er die von ihm geforderte notarielle Erklärung abgegeben hatte. Das Grundvermögen des Alteigentümers wurde nach dem 08. Mai 1945 im Rahmen der Bodenreform enteignet und an Bodenbewerber verteilt.

Der Restitutionsantragsteller begründete seinen Restitutionsantrag im Wesentlichen dahingehend, der Alteigentümer habe sein Vermögen nach § 1 Abs. 6 S. 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) jedenfalls „auf andere Weise“ verloren. Der Alteigentümer sei gezwungen worden, einen den Nationalsozialisten genehmen Betriebsführer unwiderruflich zu bestellen und auf die Wiederaufnahme der Bewirtschaftung seiner Güter zu verzichten. Seine Verfügungsmacht an den Gütern sei damit – ver-deckt – derart beschnitten worden, dass faktisch von einer Enteignung auszugehen sei. Er sei nur noch formal verfügungsbefugt gewesen und habe die Entscheidungsbefugnis nie wiedererlangt, seine Familie sei verbannt worden. Diese „kalte Enteignung“ ergebe sich aus einer tatsächlichen Gesamtwirkung einzelner Maßnahmen und den sich hieraus ergebenden Synergieeffekten.

Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Antrag „auf Rückübertragung der ehemaligen Güter G ..., einschließlich des Dorfes und Vorwerk F ..., sowie des ehem. Grundeigentums in M ..., belegen im ehemaligen Landkreis L ..., jetzt Landkreis D ..., mit einer Größe von ca. 1.295,44 ha“ in Ziffer 1. des Bescheides vom 17. Februar 2000 mit der wesentlichen Begründung ab, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 8 lit. a 2. Hs. i. V. m. § 1 Abs. 6 VermG lägen nicht vor. Die politische Verfolgung des Alteigentümers durch den Nationalsozialismus habe zu keinem Vermögensverlust – und zwar weder in Gestalt einer Enteignung noch auf andere Weise – geführt.

Der Restitutionsantragsteller erhob am 27. März 2000 Klage (1 K 556/00).

Er verstarb am 28. Januar 2006 und wurde der 1. Ausfertigung des Erbscheines des Amtsgerichts Z ... vom 17. September 2008 nach von dem Kläger als Vorerben beerbt. Der Kläger nahm die Klage am 12. November 2009 im Anschluss an eine gütliche Einigung für einzelne Grundstücke in der Gemarkung G ... zurück. Die Kammer trennte das Verfahren zu dem noch streitgegenständlichen Grundeigentum im Anschluss an eine mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2011 ab, stellte das Verfahren 1 K 556/00 mit Beschluss vom 04. Januar 2012 ein und führte es unter dem Aktenzeichen VG 1 K 902/11 fort.

Am 06. Oktober 2003 erklärte der Restitutionsantragsteller nach einer außergerichtlichen Einigung mit der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Juli 2003 sinngemäß eine Teilrücknahme der Klage "(...) bezüglich des in Sachsen-Anhalt und Brandenburg beanspruchten Grundvermögens und etwaigen Betriebsvermögens, welches sich am 29. Juli 2003 in der unmittelbaren oder mittelbaren Verfügungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland (...) befand, sowie die insoweit im Zusammenhang mit bereits erfolgten Veräußerungen stehenden Erlösauskehransprüche aus dem Bereich des Privatvermögens (...)". Nachdem der Kläger die von der Klagerücknahme betroffenen Grundstücke am 25. November 2011 konkretisiert hatte, trennte die Kammer das Verfahren hinsichtlich dieser Grundstücke mit Beschluss vom 21. März 2012 ab und stellte es unter dem Aktenzeichen VG 1 K 308/12 ein. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012 trennte das Gericht das Verfahren VG 1 K 902/11 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung in den Verfahren VG 1 K 621/12 - VG 1 K 623/12 hinsichtlich der dort im Einzelnen bezeichneten Grundstücke ab. Mit Urteilen vom 23. Mai 2013 wies die Kammer die Klage in diesen (Muster-)Verfahren ab; das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschlüssen vom 20. Februar 2014 zurück (BVerwG 8 B 64.13 bis 8 B 66.13). Der Kläger hat zu den Verfahren VG 1 K 621/12 - VG 1 K 623/12 jeweils am 09. März 2015 Restitutionsklagen erhoben (VG 1 K 318/15 - VG 1 K 320/15) und sich zu deren Begründung auf die auch im vorliegenden Klageverfahren vorgelegten Unterlagen bezogen.

Die Klage des Verfahrens VG 1 K 902/11 wies die Kammer mit Urteil vom 04. Juli 2014 im Anschluss an eine mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2014 ab (juris, dort unter: Urt. v. „11. Juni“ 2014); das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision mit Beschluss vom 29. Juli 2015 (BVerwG 8 B 75.14 –, juris) zurück.

Dem Urteil der Kammer vom 04. Juli 2014 lagen im Wesentlichen nachfolgende Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde:

Die Herrschaften B ... wurden jeweils von einer fürstlichen Hauptverwaltung geführt. Die Leitung der Verwaltung der Herrschaft B ... hatte der Alteigentümer seinem Bruder übertragen, der seit dem 23. Oktober 1931 als Generalbevollmächtigter und – zu Zeiten des Nationalsozialismus – als "stellvertretender Betriebsführer" nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. Januar 1934 handelte.

Mit notarieller Urkunde vom 30. März 1944 übertrug der Alteigentümer die Betreuung seines gesamten niederschlesischen Besitzes dem Forstmeister K ... (UR-Nr. 19/1944 des Notars S ... ).

Am 21. Juli 1944 nahm die Geheime Staatspolizei den Alteigentümer offenbar in Zusammenhang mit dem versuchten Attentat auf Adolf Hitler vom Vortag fest und inhaftierte ihn in Berlin.

Mit notarieller Urkunde vom 28. Juli 1944 bestellte der Alteigentümer den Forstmeister auch zum „Betriebsführer“ für seinen Besitz in Niederschlesien und ermächtigte ihn, alle Erklärungen abzugeben und Maßnahmen zu treffen, zu denen ein Betriebsführer nach den einschlägigen Bestimmungen befugt sei (UR- Nr. 39/1944 des Notars S ... ).

Am selben Tag bestellte er mit einer im Wesentlichen gleichlautenden notariellen Urkunde seinen Bruder zum Betriebsführer für den "Besitz in der Provinz Brandenburg" (UR- Nr. 38/1944 des Notars S ... ). Dieser setzte den Landrat des Kreises J ..., den Kreisleiter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und den Kreisbauernführer unter Hinweis auf die Übernahme der Betriebsführerschaft und die Bestätigung der Generalvollmacht am 31. Juli 1944 in Kenntnis, dass er beabsichtige, die gesamte Verwaltung und Bewirtschaftung des Besitzes B ... „in voller Übereinstimmung mit den bestehenden Be-stimmungen“, insbesondere auch den Auffassungen der Partei, zu führen; Abschriften erhielten der Regierungspräsident sowie der Gauleiter und Oberpräsident mit der Bitte, "von dem Inhalt Kenntnis zu nehmen und etwaige Wünsche mitzuteilen, die (...) (sie) für die Verwaltung und Bewirtschaftung von B ... haben“. Unter demselben Tag erhielt der Leiter des Gaus Brandenburg der NSDAP eine Abschrift des Schreibens, verbunden mit der Bitte um Gelegenheit zu einer Rücksprache.

In den Akten findet sich ferner die Ablichtung eines „Schreibens“ vom „01. August 1944“, das von dem „Staatssekretär und Chef der Präsidialkanzlei“ stammen soll und das der Ehefrau des Alteigentümers eine "Anweisung durch Boten“ übermittelt, wonach der „Führer und Reichskanzler“ sowie der „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ auf unverzüglicher Einziehung „Ihres Vermögens und des damit verbundenen Grundbesitzes der Mark und in Schlesien“ bestünden. Die Echtheit des Schreibens wurde von Historikern und dem Bundeskriminalamt bezweifelt bzw. verneint. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Potsdam am 04. Dezember 2008 (1 K 1922/08 u.a.) erklärten die dortigen Prozessbevollmächtigten des Klägers, sich auf dieses Schriftstück, das ihnen „zugespielt“ worden sei, „nicht mehr berufen“ zu wollen.

Am 22. August 1944 nahm die Geheime Staatspolizei den Bruder des Alteigentümers in „Schutzhaft“.

Am 19. September 1944 erteilte der Alteigentümer dem M ... einen „Betreuungsauftrag“ für seinen gesamten brandenburgischen Besitz. Am 06. Oktober 1944 nahm Rechtsanwalt und Notar S ... gegenüber dem Gauleiter und Oberpräsidenten in Potsdam u. a. zu dem Betreuungsauftrag und der Betriebsführerschaft Stellung; die Ehefrau des Alteigentümers erhielt unter demselben Tag eine Abschrift, verbunden mit einer Einschätzung des Sachverhalts durch den Rechtsvertreter der Familie.

Mit notarieller Urkunde vom 12. Oktober 1944 bestellte der Alteigentümer M ... auch zum „Betriebsführer“ für den „Besitz in der Provinz Brandenburg“. Diesen Umstand teilte der Rechtsanwalt dem Regierungsvizepräsidenten unter demselben Tag mit.

Unter dem 26. Dezember 1944 wandte sich die Ehefrau des Alteigentümers schriftlich an den „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler und bat, die Haft ihres Mannes abzukürzen.

Am 05. März 1945 entließ die Geheime Staatspolizei den Alteigentümer aus der Haft, nachdem dieser in der Staatspolizeileitstelle Potsdam in einer ebenfalls von seinem Notar S ... aufgenommenen Urkunde (UR-Nr. 10/1945) Folgendes erklärt hatte:

„Vor dem unterzeichneten Notar im Bezirke des Kammergerichts zu Berlin K ... mit dem Amtssitz in Berlin W 8, Unter den Linden 11, der sich heute auf Ersuchen zur Aufnahme der nachstehenden Verhandlung in die Diensträume der Geheimen Staatspolizeileitstelle Potsdam, Priesterstraße 13 begeben hatte, erschien daselbst seiner Person nach bekannt, F ..., in B ... ) und K ... ) wohnhaft und erklärt:

In Erfüllung der mir von dem Reichsführer-SS gemachten Auflage lege ich hiermit die Betriebsführung meiner Herrschaften B ... nieder.

Ich verzichte darauf, die Betriebsführung ohne vorherige Genehmigung des Reichsführers-SS oder der von ihm bestellten Stelle wieder zu übernehmen. Verantwortlicher Betriebsführer der genannten, bisher von mir verwalteten Besitzungen ist mein Bruder, H ... in C ... ), der als Generalverwalter eingesetzt ist und seine Entscheidungen unabhängig und nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen trifft. Ich bestätige die Generalvollmacht, die ich ihm am 23. Oktober 1931 erteilt habe, und erkläre ausdrücklich, dass sie sich nunmehr auf die Generalverwaltung meiner gesamten oben genannten Besitzungen bezieht.

Ich verzichte darauf, die Generalvollmacht ohne vorherige Genehmigung des Reichsführers-SS oder von ihm bestimmten Stelle zu widerrufen. Mein Bruder H ... ist ermächtigt, die gesamte Verwaltung und Bewirtschaftung der Herrschaften B ... an meiner Statt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen unter eigener Verantwortung zu führen und alle Rechtsgeschäfte und sonstigen Rechtshandlungen und Maßnahmen zu tätigen, die dazu erforderlich oder dienlich sind. Das gilt insbesondere auch für alle Fragen, die mit der Führung und sozialen Betreuung der Gefolgschaft der Herrschaften B ... zusammenhängen.

Soweit Rechtsgeschäfte, sonstige Rechtshandlungen und Maßnahmen die Substanz meiner Besitzungen berühren, soll mein Bruder sich mit mir in Verbindung setzen und meine Zustimmung und Entschließung einholen.

Um meinem Bruder die Erfüllung seiner Aufgaben zu erleichtern und im Interesse meiner Besitzungen alle in mein(er) Person liegenden Möglichkeiten zu neuen Beanstandungen zu vermeiden, verpflichte ich mich, meinen Aufenthalt ohne ausdrückliche vorherige Genehmigung des Reichsführers-SS oder der von ihm bestimmten Stellen nicht in B ... zu nehmen.

Ich beantrage, mir eine Ausfertigung dieser Verhandlung zu erteilen und zwei weitere Ausfertigungen dem Reichsführer-SS zu Händen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des S.D. in Potsdam, sowie eine Ausfertigung meinem Bruder H ... zu erteilen. Den Wert des Gegenstandes dieser Verhandlung gebe ich auf 100.000 RM an... “

Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Haft folgte der Alteigentümer seiner Familie in den Westen des Deutschen Reichs; er verstarb am 12. September 1951 in der heutigen Republik Namibia.

Das Grundeigentum des Alteigentümers in Brandenburg fiel nach dem 08. Mai 1945 unter die Bestimmungen der Bodenreform, es wurde zersiedelt und an Einzelpersonen verteilt bzw. von kommunalen Stellen genutzt. Der Einspruch des Rechtsvertreters des Alteigentümers vom 09. März 1946 blieb erfolglos.

Das Gericht führte zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen – hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das veröffentlichte Urteil vom 04. Juli 2014 Bezug genommen – aus:

Das Vermögensgesetz gelte nicht, weil die Voraussetzungen einer schädigenden Maßnahme nach § 1 Abs. 6 S. 1 VermG nicht vorlägen. Der Alteigentümer sei zu Zeiten des Nationalsozialismus zwar aus politischen Gründen verfolgt worden, es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass er sein Vermögen durch eine Enteignung oder „auf andere Weise" verloren habe. Den vorliegenden Unterlagen und den in das Verfahren eingeführten historischen Abhandlungen nach erscheine die Auffassung des Klägers, der Reichsführer-SS habe einen Vermögensentzug durch die von dem Alteigentümer erzwungenen Erklärungen zu verdecken versucht, zwar möglich; es sei insbesondere möglich, dass die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen der Fürstin und dem schwedischen Königshaus in Verbindung mit den außenpolitischen Ambitionen Heinrich Himmlers Veranlassung geboten hätten, das Vermögen des Fürsten nicht offen, sondern verdeckt zu entziehen. Diese Umstände seien allerdings ambivalent, weil sie ebenso gut motivierend gewesen sein könnten, den Alteigentümer zwar von einer Verwaltung seiner Besitzungen in N ... auszuschalten, ihm sein Vermögen aber im Kern unangetastet zu belassen. Ein Vermögensverlust lasse sich weder für sich genommen einzelnen Sachverhaltsumständen – der Inhaftierung des Alteigentümers, der Übertragung der Betriebsführerschaft auf seinen Bruder oder M ..., der Erteilung eines Betreuungsauftrages sowie der notariellen Erklärung des Alteigentümers vom 05. März 1945 – entnehmen noch genügten diese Umstände und weitere Sachverhaltselemente in ihrer Gesamtheit aus „Gründen einer Synergie“.

Der Kläger hat am 13. September 2016 Restitutionsklage erhoben und geltend gemacht, er habe Urkunden – vorgelegt wurden Ablichtungen von vier Dokumenten – aufgefunden, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden: Eine notariell beurkundete Erklärung des Bruders vom 19. Februar 1945 zu Händen der SS, ein Schreiben des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD, Staatspolizeistelle Potsdam, SS-Sturmbannführer Bruhn, vom 03. März 1945 an Rechtsanwalt und Notar S ..., und Aktenvermerke des Rechtsanwalts und Notars S ... vom 02. und vom 05. März 1945 in der politischen Angelegenheit des Alteigentümers und seines Bruders.

Der Kläger bezieht sich zudem auf eine Unterlage aus dem Britischen Nationalarchiv, die offenbar von der „Behörde des Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens“ verfasst wurde und die vom „1. August 1945“ datiert.

Am 21. September 2017 hat der Kläger „klageerweiternd“ das „Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD“ vom 17. November 1943 mit dem dort abgedruckten Runderlass des „Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei“ vom 20. Oktober 1943 über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Zur Zulässigkeit der Restitutionsklage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Die zunächst bezeichneten vier Unterlagen seien Bestandteil der Handakte des Rechtsanwalts und Notars S ..., die wiederum zufällig im Hausarchiv des Hauses H ..., nämlich im Zuge der Recherchen zu Ansprüchen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz, aufgefunden worden sei. Die Unterlagen seien Rechtsanwalt L ... von dem Archivar am 24. Februar 2015 übergeben worden. Eine frühere Vorlage sei nicht möglich gewesen, weil Nachfragen bei den Erben des Rechtsanwalts keine Erkenntnisse gebracht hätten; sein Büro sei etwa 1943 ausgebombt worden und er habe Aufnahme in den Räumen der H ... in Berlin, Unter den Linden 11, gefunden. Das Archiv nehme an, dass der Rechtsanwalt aus eigenen Bedenken heraus diese heiklen Akten in den dortigen Unterlagen versteckt habe, um sie vor dem Zugriff Dritter zu verbergen. In den Wirren der Kriegs- und Nachkriegsereignisse sei die Akte dann in den Umzugskisten verschollen und in Vergessenheit geraten. Zur weiteren Begründung hat der Kläger auf seine Eidesstaatliche Versicherung vom 20. Juni 2016 sowie Eidesstattliche Versicherungen seines Prozessbevollmächtigten und des Rechtsanwaltes B ... vom 15. Juli 2016 und 27. Juni 2016 Bezug genommen.

Die Anweisung der Behörde des Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens vom „1. August 1945“ habe sein Prozessbevollmächtigter „bei anderweitigen vermögensrechtlichen Recherchen“ am 05. Februar 2016 gefunden.

Das in der vermögensrechtlichen Literatur und Rechtsprechung unbekannte Befehlsblatt sei von einem seiner Rechercheure durch Zufall ermittelt und ihm am 21. August 2017 durch Link-Mitteilung (http://www.bundesarchiv.de/exlibris/aleph/a22_3/apache_media/2P2F76A3B HQT39CST6AXP76D2VXFJP.pdf) bekannt geworden. Das Dokument sei über die Suchmaschine des Bundesarchivs unter dem Suchbegriff „Befehlsblatt" nicht ermittelbar.

In der Sache nimmt der Kläger auf seinen bisherigen Vortrag in den beendeten verwaltungsgerichtlichen Verfahren vor der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus und vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Bezug und führt zu seiner Auffassung aus, die neuen Unterlagen bewiesen, dass die Geheime Staatspolizei dem Alteigentümer „sämtliche“ Eigentümerbefugnisse entzogen und sie auf den Bruder übertragen habe, der wiederum den Weisungen des NS-Staates unterlegen habe. Im Ergebnis habe sich die Gestapo damit an die Stelle des Alteigentümers gesetzt.

Die Anweisung des Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens vom „1. August 1945“ („Ausschaltungsmodell“) betreffe auch das Feindvermögen nicht-jüdischer NS-Gegner. Danach müssten die Vorgänge zwischen dem 21. Juli 1944 und dem 05. März 1945 „als Nachweis der Vermögenssicherung zugunsten der Gestapo und Einleitung der formalen Enteignung des verfolgten Fürsten zu S ... betrachtet werden“. Einem „Staatsfeind“ sei das Eigentum im NS-Staat ohne eine besondere Erklärung oder einen Verwaltungsakt generell abgesprochen worden. Die Einbeziehung der lokalen Leitstelle der Geheimen Staatspolizei sei nicht nur Nachweis der Beschlagnahme, sondern auch der Einleitung der Enteignung nach der genannten Vorschriften; ansonsten wäre es sinnlos gewesen, ihr eine Abschrift der Urkunde zu erteilen. Die Geheime Staatspolizei habe einen Verwalter oder Treuhänder, zuletzt am 19. Februar 1945 den Bruder, eingesetzt, der ihr mit der notariellen Urkunde vom 05. März 1945 die für den formal unbeschränkten Vollzug der Verwaltung notariellen Rechte übertragen habe.

Die Auffassung des Bundesamtes, eine außergesetzliche Ermächtigung komme in der Verwaltungsanweisung nicht zum Ausdruck, verkenne das Handeln der Gestapo, die nichts weiter als die Behauptung benötigt habe, ein „Staatsfeind“ habe getroffen werden sollen. Nach dem NS-Eigentumsmodell habe es auch einer besonderen Erklärung oder eines Verwaltungsaktes nicht bedurft, vielmehr habe die nach außen erkennbare Einstufung als „Volksfeind“ genügt. Es fehle mithin allein der Nachweis, dass sich der Eigentumszugriff des NS-Staates in den Grundbüchern manifestiert habe, diese seien indes „der Beklagten bzw. bei den Beigeladenen abhandengekommen“.

Der Inhalt des Runderlasses des „Reichsführers SS und Chefs der deutschen Polizei“ über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ vom 20. Oktober 1943 bilde „die Vorgänge des Zugriffs auf das Vermögen … (des Alteigentümers) nahezu vollständig ab“; sämtliches Handeln der Geheimen Staatspolizei sei „im Zweifel in die Systematik des erteilten Befehls einzupassen, solange keine andere logische Grundlage erkennbar … (sei)“. Der Begriff „Verwaltung“ als zentraler Begriff des dort behandelten Beschlagnahmeverfahrens sei auf das Deckblatt der Domänenregistratur übernommen worden und das Regierungspräsidium in Potsdam sei für die Verwaltung und Verwertung des Grundvermögens zuständig gewesen. Auch sei die Urkunde vom 05. März 1945 in einer Ausfertigung an die Sicherungspolizei/den SD in Potsdam, einen Adressaten des Runderlasses, übersandt worden. Diese Stellen seien danach gehalten gewesen, sich einer außerhalb des Reichssicherheitshauptamtes stehenden Person als Treuhänder zu bedienen. Der Bruder, der „praktisch als einzige Person in Betracht“ gekommen sei, habe die nach dem „Befehl" erforderliche Vorkenntnis aufgewiesen, seine Bindung an den Nationalsozialismus ergebe sich aus der Unterwerfungserklärung vom 19. Februar 1945. Die Beschlagnahme gelte als absolutes Verfügungsverbot und sie genüge damit den Anforderungen eines Vermögensentzugs auf andere Weise.

Mit Schriftsatz vom 27. August 2021 hat der Kläger gleichlautend zu allen bei der Kammer anhängigen Restitutionsklagen vorgetragen und weitere Unterlagen, vier gebundene Konvolute, vorgelegt, die hier als Beiakten geführt werden.

Die Darstellung ist unterteilt in einen Teil I., der sich wiederum in einen, nach Auffassung des Klägers „feststehenden“, Sachverhalt ( „Teil A.“) – so unter anderem zu dem Forstbetrieb des Alteigentümers, zu dem Alteigentümer als „öffentlich identifizierter NS-Gegner“ seit 1936/1940, zur Nutzung des Schlosses B ... seit Ende 1943 durch den militärischen Geheimdienst der Wehrmacht und zu dem Aufbau eines „SS-Wirtschaftskonzerns“ durch den Reichsführers-SS unter den Dach der Konzernmutter „Deutsche Wirtschaftsbetriebe GmbH“ mit SS-Obergruppenführer und Chef des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes Oswald Pohl als Treuhänder –, einen „Teil B“ („Fundamente – Sachverhalt im historisch relevanten Kontext“) – ebenfalls teilweise unter Mitteilung von Sachverhaltsumständen, die so nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidungen waren, so etwa, der Alteigentümer sei am 21. Juli 1944 auf seinem Schloss „als offener NS-Gegner und Mitwisser/Mittäter des Attentats vom Vortag durch die Gestapo verhaftet“ worden –, und einen „Teil C“ (Tatsachen zum Sachverhalt – das historische und wirtschaftliche Umfeld“) – so unter anderem zur Lage auf dem Holzmarkt 1943/1944, zu den „Sonderinteressen der SS“, zu der „AOG-Methode der SS zur Übergabe der Verfügungsmacht“ sowie zur Domänenverwaltung – gliedert, einen Teil II. („Rechtslage“) und einen Teil III. („Ergebnis“).

Auch in diesen Teilen des Schriftsatzes setzt sich der Kläger kritisch mit der Sachkunde des Gerichts und der sonstigen Beteiligten auseinander, insbesondere ist er der Auffassung, die Beklagte habe dem Gericht nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Akten – insbesondere nicht die (Betriebsprüfungs-)Akte des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg zur Reichsnummer 70436 –vorgelegt und das Landesamt sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Grundbücher zum Grundvermögen des Alteigentümers im Zuge der Bodenreform vernichtet worden seien; tatsächlich seien die Grundbücher „noch vorhanden aber verschollen“, jedenfalls seien die ehemals vorhandenen Grundbuchblätter zum Vermögen des Alteigentümers herausgetrennt worden. In rechtlicher Hinsicht ist er des Weiteren der Auffassung, nicht nur die Unterwerfung des Bruders des Alteigentümers, sondern auch „die damit zusammenhängenden Tatsachen im historischen Umfeld“ müssten vom Gericht im Rahmen der Restitutionsklagen mitberücksichtigt werden, zudem sei es gerechtfertigt, bei – wie vorliegend – „eklatant falschen Entscheidungen“ die Anforderungen an den Klägervortrag zu senken, zumal diese aufzeigten, dass die damit „befassten Entscheidungsträger schon nicht in der Lage (gewesen seien) einzuschätzen, ob sie ausreichend Sachkunde gehabt“ hätten. Auf die weiteren Einzelheiten des Schriftsatzes und der von Seiten des Klägers vorgelegten Urkunden wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 04. Juli 2014 zum Aktenzeichen VG 1 K 902/11 aufzuheben und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 17. Februar 2000 zu verpflichten, das zu den ehemaligen Gütern G ... einschließlich des Dorfes und Vorwerks F ... gehörende Grundeigentum sowie das ehemalige Grundeigentum in M ... mit Ausnahme der in den Verfahren VG 1 K 556/00, VG 1 K 308/12 und VG 1 K 621/12 - VG 1 K 623/12 streitgegenständlich gewesenen Grundstücke auf die Rechtsnachfolger des F ... zurück zu übertragen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 17. Februar 2000 zu verpflichten, über den Antrag auf Rückübertragung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,,

die Klage abzuweisen.

Die Zulässigkeit der Restitutionsklage müsse bezweifelt werden, jedenfalls aber lägen ihre Voraussetzungen nicht vor.

Die Dokumente aus dem Hausarchiv der H ... seien nicht geeignet, das Urteil vom 04. Juli 2014 zu ändern und eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen. Den Dokumenten lasse sich entnehmen, dass es dem NS-Regime darum gegangen sei, den Fürsten aus seiner Betriebsführerschaft zu verdrängen; nicht entnehmen lasse sich ihnen, dass der Fürst zugleich auch als Eigentümer seiner Güter und Unternehmer habe ausgeschaltet werden sollen.

Das am 01. August 1945 ausgefertigte Dokument der Behörde des „Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens“, dessen ursprüngliches Erstellungsdatum nicht erkenntlich sei, lasse keinen Bezug zu dem von Seiten des Klägers behaupteten Vermögensverlust erkennen.

Auf Anfrage der Berichterstattung teilte das Bundesamt unter dem 12. November 2021 mit, der Einführung des „Befehlsblattes des Chefs der Sipo und des SD“ vom 17. November 1943 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. September 2017 werde, soweit darin eine Klageänderung gesehen werde, widersprochen, weil diese nicht sachdienlich sei. Das Gericht habe keine Beschlagnahme der Vermögenswerte festgestellt, so dass es auf den Runderlass über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ nicht ankomme.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der vorliegenden Restitutionsklage nebst Beiakten und der parallelen Restitutionsklagen VG 1 K 318/15 - VG 1 K 320/15, sowie die Gerichtsakten der jeweiligen Ausgangsverfahren 1 K 902/11, 1 K 623/12, 1 K 622/12, 1 K 621/12, 1 K 308/12, 1 K 828/04 und 1 K 556/00 Bezug genommen. Alle Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

I. Die Restitutionsklage ist statthaft.

Die Klage ist am 13. September 2016 und damit vor Ablauf von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils der Kammer vom 04. Juli 2014 am 29. Juli 2015 erhoben worden, § 153 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 586 Abs. 2 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).

II. Die Klage ist jedoch im Wesentlichen unzulässig.

Der Kläger hat die Klagefrist – die für jeden Wiederaufnahmegrund gesondert läuft (Peters in: BeckOK VwGO, 60. Ed. 01. Januar 2022, § 153 VwGO Rn. 17) – nur mit dem im laufenden Verfahren am 21. September 2017 vorgelegten Dokument, dem Runderlass des „Reichsführers-SS und Chefs der Deutschen Polizei“ vom 20. Oktober 1943 über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“, gewahrt (unter 3.), nicht jedoch mit den bei Klageerhebung vorgelegten Urkunden und der weiteren Unterlage aus dem britischen Nationalarchiv (sogleich unter 1. und 2.).

1. Die Restitutionsklage vom 13. September 2016 ist nicht zulässig, soweit sich der Kläger auf die Urkunden aus der Handakte des Rechtsanwalts und Notars S ... – die notarielle Erklärung des Bruders vom 19. Februar 1945, die Vermerke des Rechtsanwalts vom 02. März 1945 und 05. März 1945 und das Schreiben der Geheimen Staatspolizei vom 03. März 1945 – stützt.

Nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 und § 589 Abs. 2 ZPO ist die Restitutionsklage vor Ablauf der Notfrist – § 224 Abs. 1 ZPO – eines Monats zu erheben; die Tatsachen, die ergeben, dass die Klage vor Ablauf dieser Frist erhoben ist, sind glaubhaft zu machen. Die Klagefrist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 2 S. 1 ZPO.

In Streitigkeiten nach dem Vermögensgesetz ist die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ausgeschlossen und nur die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 135 VwGO i. V. m. § 133 VwGO statthaft, § 37 Abs. 2 S. 1 und 2 VermG. Ein Urteil das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen wird, wird mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig, § 133 Abs. 5 S. 3 VwGO; die Rechtskraft des ablehnenden Beschlusses tritt mit dessen Herausgabe aus dem Gerichtsgebäude zur Beförderung mit der Post ein (BVerwG, Urt. v. 26. Januar 1994 – BVerwG 6 C 2.92 –, juris Rn. 16; Kautz in: Fehling/Kastner/Störmer, HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 153 VwGO Rn. 16).

Der Lauf der Frist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO begann hinsichtlich der Unterlagen aus der Handakte des Rechtsanwalts und Notars S ... nach § 586 Abs. 2 S. 1 1. Alt. ZPO nicht mit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes am 24. Februar 2015 zu laufen, sondern erst mit Rechtskraft des Urteils der Kammer vom 04. Juli 2014 (VG 1 K 902/11).

Im Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. September 2016 war allerdings auch diese Frist bereits seit Langem verstrichen, denn das Urteil wurde mit Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht am 29. Juli 2015 (BVerwG 8 B 75.14 ) rechtskräftig.

Die Anhörungsrüge des Klägers vom 02. September 2015 gegen den Beschluss des Senats vom 29. Juli 2015, die das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juli 2016 zurückgewiesen hat (BVerwG 8 B 22.15 –, juris), ist – ungeachtet des Umstandes, dass die Klagefrist auch in diesem Fall nicht gewahrt wäre – unerheblich.

Eine Rüge nach § 152a VwGO beeinflusst, nicht anders als eine Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a des Grundgesetzes, als ein außerordentlicher Rechtsbehelf den Lauf der Klagefrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO nicht, sofern die Rüge in Ermangelung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung nicht nach § 152a Abs. 1 S. 1 VwGO zu einer Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision führt. In diesem Fall verbleibt es bei der bereits eingetretenen, § 133 Abs. 5 S. 3 VwGO, Rechtskraft des Urteils der Tatsacheninstanz.

Der Auffassung des Klägers, die Kammer habe die streitgegenständlichen Unterlagen im Rahmen der Restitutionsklage gegen das Urteil der Kammer vom 04. Juli 2014 dennoch zu berücksichtigen (vgl. S. 3/4 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), trägt nicht.

Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. Oktober 2015 in dem beendeten Verfahren VG 1 K 902/11 (Band IX, Blatt 2283 der dortigen Gerichtsakten) ist schon unerheblich; es konnte die, nach Aktenlage, am 31. August 2015 ablaufende einmonatige Klagefrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO nicht wahren. Es kann im Übrigen nicht als Restitutionsklage ausgelegt werden, weil der Wille des Klägers, das Urteil vom 04. Juli 2014 im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens aufheben zu lassen, hieraus für das Gericht nicht ansatzweise hervorgeht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bezieht sich in diesem Schreiben auf Mitteilungen des Kammervorsitzenden an nicht am Verfahren Beteiligte nach Beendigung dieses Verfahrens, das Urteil vom 04. Juli 2014 sei auf Grund des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juli 2015 nunmehr rechtskräftig, und er bittet das Gericht darum, den Eindruck zu vermeiden, „dass der Fall in irgendeiner Weise endgültig entschieden wäre“. Diese Bitte kann dem Wortlaut und der Zielsetzung des Schreibens nach schon nicht als Rechtsbehelf, geschweige denn als Restitutionsklage, gewertet werden.

Der Verweis des Klägers auf die am 09. März 2015 in den Parallelverfahren erhobenen Wiederaufnahmeklagen (VG 1 K 318/15 - VG 1 K 320/15) führt ebenfalls nicht weiter, weil die Bindungswirkung eines durch Urteil rechtskräftig beendeten Verfahrens, § 121, § 153 Abs. 1 VwGO, im Wege der Wiederaufnahme jenes Verfahrens nur beseitigt werden kann, wenn dieses Urteil mit einer hiergegen gerichteten Nichtigkeits- oder Restitutionsklage nach §§ 578 ff. ZPO von dem durch die Ausgangsentscheidung Beschwerten angegriffen wird. Von diesem dogmatischen Konstrukt ausgehend verlangt § 587 ZPO folgerichtig, dass die Klage unter anderem die Bezeichnung des Urteils zu enthalten hat, gegen das die Nichtigkeits- oder Restitutionsklage „gerichtet wird“. Angesichts dessen geht auch die Auffassung des Klägers fehl, das Gericht habe die in den Parallelverfahren fristgemäß vorgelegten Unterlagen in dem vorliegenden Klageverfahren „von Amts wegen“ zu berücksichtigen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO schließlich scheidet aus. Zwar ist sie im Fall einer unverschuldeten Versäumung der Monatsfrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO – anders als bei der Ausschlussfrist des § 586 Abs. 2 S. 2 ZPO – grundsätzlich möglich (Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 14; OLG Dresden, Beschl. v. 25. November 2009 – 3 U 1317/09 –, juris Rn. 7 und Hanseatisches OLG Bremen, Beschl. v. 10. Juli 2008 – 1 U 40/08 –, juris Rn. 2 [jeweils in Zusammenhang mit einem Prozesskostenhilfeantrag]; offen demgegenüber: BVerwG, Beschl. v. 09. März 1995 – 2 WBW 1/94 –, juris Rn. 14). Der Kläger hat sie jedoch nicht beantragt und Gründe für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die Auffassung des Klägers im Anschluss an die Erörterung der Zulässigkeitsfragen in der mündlichen Verhandlung vom 09. Dezember 2021, das Gericht sei angesichts der in den getrennten Verfahren VG 1 K 621/12 - VG 1 K 623/12 am 09. März 2015 erhobenen Restitutionsklagen (VG 1 K 318/15 - VG 1 K 320/15) verpflichtet gewesen, auf den Fristablauf einer (weitaus wichtigeren) Restitutionsklage zu dem Urteil der Kammer vom 04. Juli 2014 (VG 1 K 902/11) hinzuweisen, ist schon deshalb abwegig, weil das – über Hinweispflichten des Gerichts (etwa des Vorsitzenden nach § 86 Abs. 3 VwGO) in einem noch anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren weit hinausgehend – einer Rechtsberatung eines Beteiligten, zumal außerhalb eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, gleichkäme. Hierzu aber sind Rechtsanwälte berufen und nicht die Verwaltungsgerichte.

Es war nach alledem an dem stets rechtsanwaltlich vertretenen Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten – dessen Verschulden an der Säumnis dem Verschulden des Beteiligten gleichsteht, § 173 i. V. m § 85 Abs. 2 ZPO (Peters in: BeckOK VwGO, 60. Ed. 01. Januar 2022, VwGO § 153 Rn. 18) – gewesen, den Fristenlauf des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 VwGO in dem jeweiligen rechtskräftig beendeten Verfahren im Blick zu behalten und rechtzeitig Restitutionsklage zu erheben.

2. Die Klage ist nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO ebenfalls unzulässig, soweit sich der Kläger zur Begründung seines Restitutionsbegehrens auf die Anlage „K 1“ – die Anweisung der Behörde des „Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens“ vom „1. August 1945“ – bezieht, die sein Prozessbevollmächtigter „bei anderweitigen vermögensrechtlichen Recherchen“ am 05. Februar 2016 erstmals gefunden habe und die mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016 zum Gegenstand der Parallelverfahren gemacht wurde.

Insoweit begann die einmonatige Klagefrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO nach § 586 Abs. 2 S. 1 1. Alt. ZPO mit Kenntnis des Klägers von dem Wiederaufnahmegrund am 05. Februar 2016 zu laufen und sie war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 13. September 2016 ebenfalls bereits seit langem verstrichen.

Hinsichtlich der abweichenden Auffassung des Klägers und hinsichtlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt das unter 1. Ausgeführte entsprechend.

Ergänzend merkt die Kammer in diesem Zusammenhang an, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor Fristablauf jedenfalls inzidenter auf die Unerheblichkeit (erfolgloser) außerordentlicher Rechtsbehelfe im Rahmen der Klagefrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO und auf die bislang anhängigen Wiederaufnahmeklagen hingewiesen wurde (vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12. Oktober 2015, Band IX, Blatt 2283 des Verfahrens VG 1 K 902/11, und das gerichtliche Antwortschreiben vom 14. Oktober 2015, Band IX, Blatt 2285: „Von den hier anhängigen Wiederaufnahmeklagen hinsichtlich der Musterverfahren war – soweit ersichtlich – keiner der Anfragenden betroffen.“).

3. Die Restitutionsklage ist im Ergebnis lediglich zulässig, soweit sich der Kläger im Wege der Klageänderung auf die mit Schriftsatz vom 20. September 2017 in das Verfahren eingeführte neue Unterlage, das „Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD“ vom 17. November 1943, bezieht.

Die Klageänderung ist zulässig.

Zwar hat ihr das Bundesamt mit Schriftsatz vom 12. November 2021 widersprochen, § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO, das Gericht hält sie jedoch für sachdienlich, § 91 Abs. 1 2. Alt. VwGO, weil der Streitstoff der geänderten Klage im Wesentlichen derselbe bleibt und daher zu erwarten ist, dass die Änderung der Klage die endgültige Beilegung der Auseinandersetzung fördert (BVerwG, Urt. v. 08. Dezember 2016 – BVerwG 4 CN 4.16 –, juris Rn. 10; BVerwG, Beschl. v. 21. Juli 2016 – BVerwG 3 B 41.15 –, juris Rn. 15).

Die Klageänderung vom 20. September 2017 wahrte auch die Klagefrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO, insbesondere hat der Kläger mit seinem Vortrag, das in der vermögensrechtlichen Literatur und Rechtsprechung unbekannte Befehlsblatt sei von einem seiner Rechercheure durch Zufall ermittelt und ihm am 21. August 2017 durch LinkMitteilung (http://www.bundesarchiv.de/exlibris/aleph/a22_3/apache_media/2P2F76A3BHQT 39CST6AXP76D2VXFJP.pdf) bekannt geworden, nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 589 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht, dass er von der Unterlage, die einen Restitutionsgrund bilden soll, erst an diesem Tag Kenntnis erhielt.

Mit diesem schriftlichen Vortrag hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Verpflichtung entsprochen, die Tatsachen, die die Einhaltung der Notfrist des § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 ZPO belegen, glaubhaft zu machen, obwohl er die Angaben weder ausdrücklich rechtsanwaltlich versichert noch gar eine Eidesstattliche Versicherung vorgelegt hat.

Nach § 173 S. 1 1. Hs. VwGO i. V. m. § 294 Abs. 1 ZPO kann sich derjenige, der eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, aller Beweismittel bedienen und auch zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden. Eine eidesstattliche Versicherung einer Behauptung ist danach ebenso wenig wie eine ausdrückliche "anwaltliche Versicherung" eine unabdingbare Voraussetzung einer Glaubhaftmachung, vielmehr kann auch eine „einfache“ anwaltliche Erklärung genügen, wenn sie sich auf die (eigene) Berufstätigkeit des Anwalts und eigene Wahrnehmungen bezieht. Der Schilderung eines Sachverhalts in einem rechtsanwaltlichen Schriftsatz lässt sich grundsätzlich die pflichtgemäße Versicherung entnehmen, dass die betreffende Tatsache so geschehen oder wahrgenommen worden sei (vgl. etwa BAG, Urt. v. 14. November 1985 – 2 AZR 652/84 –, juris Rn. 33; BAG, Urt. v. 07. Mai 1998 – 2 AZR 344/97 –, juris Rn. 39; LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07. November 2019 – 5 Sa 134/19 –, juris Rn. 40; OLG Köln, Beschl. v. 20. Dezember 1963 – 1 Ws 76/63 –, NJW 1964, 1038 unter Bezugnahme auf die Rspr. d. RG und des RArbG; Zöller/Stephan, ZPO, 14. Aufl., § 294 ZPO Rn. 5; weitere Beispiele bei: Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 294 „Glaubhaftmachung“).

Der Kläger hat auch seiner Verpflichtung (noch) entsprochen, den angeführten Wiederaufnahmegrund hinreichend schlüssig und substantiiert darzulegen (zu diesem Erfordernis vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 28. März .2019 – 20 S 19.384 –, juris Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 06. März 2018 – 13 F 65/18 –, juris Rn. 17 m. w. N.; Kuhlmann in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 153 VwGO Rn. 19).

III. Die Restitutionsklage ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.

Die im Rahmen der Klageänderung vom 20. September 2017 vorgelegte Unterlage ist bereits keine „Urkunde“ im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO und sie besitzt darüber hinaus, würde sie das Gericht als Urkunde ansehen, keinen entscheidungserheblichen Beweiswert.

Die Restitutionsklage findet nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO unter anderem statt, wenn der Beteiligte eine andere Urkunde auffindet, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Dieser außerordentliche Rechtsbehelf ermöglicht es damit, die Rechtskraft eines gerichtlichen Urteils, § 121 VwGO, ausnahmsweise dann zu durchbrechen, wenn die Tatsachengrundlage dieses Urteils (auf Grund jetziger Kenntnis) einen schwerwiegenden Mangel aufweist; in diesem Fall wertet der Gesetzgeber das Interesse an einer materiell korrekten Gerichtsentscheidung höher als die Rechtskraft der Entscheidung (Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, VwGO § 153 Rn. 2; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 153 VwGO Rn. 3).

Die Restitutionsklage dient damit der materiellen Gerechtigkeit, aber auch öffentlichen Interessen: Es soll verhindert werden, dass die Autorität des Gerichts und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung in den Fällen Schaden nehmen, in denen der dem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt – nunmehr für jedermann erkennbar – in einer für das allgemeine Rechtsgefühl unerträglichen Weise erschüttert ist (BGH, Urt. v. 28. Oktober 1971 – IX ZR 79/67 –, juris, Rn. 12; BGH, Urt. v. 21. Januar 1988 – III ZR 252/86 –, juris; Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 153 VwGO Rn. 5, Rn. 15; zum Erfordernis der Erschütterung der Tatsachengrundlage des Urteils im Ausgangsverfahren auch: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 07. Juni 1994 – 10 S 1538/93 –, zit. nach beck.online).

1. Der Runderlass des „Reichsführers-SS“ und Chefs der Deutschen Polizei vom 20. Oktober 1943 über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ ist bereits keine Urkunde im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO.

Dieser Rechtsbegriff ist weit auszulegen (BVerwG, Beschl. v. 07. Juli 1999 – BVerwG 8 B 66.99 –, juris Rn. 7 [zu einem sowjetischen Urteil]; Kautz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 153 VwGO Rn. 12) und er umfasst jedenfalls Urkunden nach den §§ 415 ff. ZPO, die schriftlich verkörperte Gedankenerklärungen enthalten und durch deren Vorlage ein Urkundenbeweis nach § 420 ZPO geführt werden kann. Die Vorschrift ist allerdings nicht auf den Bereich der formellen Beweiskraft (§§ 415 ff. ZPO) beschränkt, sondern meint auch Urkunden, die für die zu beweisende Tatsache lediglich einen frei zu würdigenden Beweiswert haben (BGH, Urt. v. 07. November 1990 – IV ZR 218/89 –, NJW-RR 1991, 380).

Die Urkunde muss zum Beweis für Tatsachen dienen, es genügt also nicht eine Eignung zum Beweis für Rechtsvorschriften, Material zu Rechtsvorschriften, behördliche Anordnungen, fachliche Weisungen oder Vergleichbares (Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 153 VwGO Rn. 26; Braun/Heiß in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 580 ZPO Rn. 52 m. w. N. [für übersehene Rechtsvorschriften oder deren amtliche Begründung, abweichende Präjudizien, wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Gutachten über die in- oder ausländische Rechtslage]; VG Magdeburg Urt. v. 02. März 2012 – 2 A 109/11 –, juris Rn. 26; VG Koblenz, Urt. v. 02. Juli 2007 – 4 K 1480/06.KO –, juris Rn. 17 [Schreiben eines Ministeriums mit Rechtsausführungen]; zu weiteren Ausnahmen Rudisile in: Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL Februar 2021, § 153 VwGO Rn. 25; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 07. Februar 2005 – 1 A 02.105 –, juris Rn. 24 [Inländische Gesetzestexte sind keine Beweismittel, weil ihr Inhalt, anders als dem Gericht unbekanntes ausländisches Recht, § 293 ZPO, nicht bewiesen werden muss]).

Der im Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD abgedruckte Runderlass des „Reichsführers-SS und Chefs der deutschen Polizei“ vom 20. Oktober 1943 über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ nebst Anlagen benennt die Voraussetzungen einer (staats-)polizeilichen Beschlagnahme und enthält unter anderem Vorschriften für deren Durchführung, die Verwaltung beschlagnahmter Vermögenswerte und für Treuhänder. Der Sache nach handelt es sich damit um eine Verwaltungsvorschrift, der die Eignung fehlt, Tatsachen beweisen und den vom Kläger behaupteten Vermögensentzug auf andere Weise untersetzen zu können. Sie ist keine Urkunde im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 780 Nr. 7 lit. b) ZPO.

2. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Vorstehenden zwangsläufig, dass die vorbezeichneten Unterlage – selbst wenn das Gericht sie als Urkunde im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 780 Nr. 7 lit. b) ZPO behandeln würde – schon wegen ihrer Abstraktheit weder für sich genommen noch in Zusammenhang mit dem bisherigen Prozessstoff geeignet ist, eine dem Kläger günstigere Entscheidung im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO herbeizuführen.

Entscheidend ist, ob im Ausgangsverfahren eine für den Restitutionskläger günstigere Entscheidung ergangen wäre, wenn er seinerzeit die nachträglich aufgefundene Urkunde vorgelegt und den damit im Zusammenhang stehenden Prozessstoff vorgetragen hätte.

Bei der Beweiswürdigung ist die nachträglich aufgefundenen Urkunde in Verbindung mit dem im Vorprozess vorgetragenen Prozessstoff zu würdigen. Auf eine Urkunde, die nur in Verbindung mit anderen im Vorprozess nicht vorgebrachten Beweismitteln zu einer für den Restitutionskläger günstigeren Entscheidung führen könnte, kann die Restitutionsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO nicht gestützt werden, weil anderenfalls die gesetzliche Beschränkung auf Urkunden unterlaufen würde. Das schriftliche Beweismittel, auf das die Restitution gestützt wird, darf nicht die Funktion haben, ein nach § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO an sich ausgeschlossenes Beweismittel zu ersetzen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 24. Oktober 2017 – 1 BvR 2762/12 –, juris Rn. 29 unter Verweis auf BVerwG, Beschl. v. 11. Oktober 2004 – BVerwG 7 B 83.04 –, juris Rn. 10; BVerwG, Beschl. v. 21. Januar 1982 – BVerwG 7 B 13.82 –, juris Rn. 4; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 153 VwGO Rn. 70). Die Niederschrift über eine Zeugenaussage ist folgerichtig keine Urkunde, wenn mit ihr bewiesen werden soll, dass sich der Sachverhalt so, wie bekundet, zugetragen habe (BFH, Beschl. v. 18. Februar 2004 – V B 154/03 –, BeckRS 2004, 25003466 m. w. N.), wohl aber dann, wenn es für die Entscheidung nicht auf die Richtigkeit des Inhalts, sondern lediglich darauf ankommt, dass die betreffende Person die Aussage getätigt habe (Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO,, 5. Aufl. 2018, § 153 VwGO Rn. 70). Das Gericht muss die sichere Überzeugung gewinnen, die rechtskräftige Gerichtsentscheidung beseitigen zu dürfen (Peters in: BeckOK VwGO, 60. Ed. 01. Januar 2022, § 153 VwGO Rn. 45).

Bei der Prüfung des § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO dürfen nur das tatsächliche Vorbringen im Vorprozess, der im Zusammenhang mit der nachträglich aufgefundenen Urkunde stehende Prozessstoff und – als Beweismittel – nur die im Vorprozess erhobenen und angetretenen Beweise sowie die neuen Urkunden berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 12. Dezember 1962 – IV ZR 127/62 –, juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 21. Oktober 2004 – IX ZR 59/04 –, juris Rn. 18; BGH, Urt. v. 28. Oktober 1971 – IX ZR 79/67 –, juris Rn. 16).

Die Urkunde muss augenfällig machen, dass das mit ihr angegriffene Urteil möglicherweise der sachlichen Rechtslage nicht entspricht (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 580 ZPO, Rn. 16). Das nachträglich aufgefundene Beweismittel muss daher entweder ein in derselben Sache früher ergangenes Urteil, § 580 Nr. 7 lit a) ZPO, oder eine Urkunde, § 580 Nr. 7 lit. b) ZPO, sein, denn nur dann ist der Widerspruch zwischen der wirklichen Rechtslage und dem ergangenen Urteil stets so augenscheinlich, dass die Möglichkeit geschaffen werden muss, das Urteil durch ein anderes ersetzen zu lassen, das das nachträglich aufgefundene Beweismittel berücksichtigt. Wegen ihres besonderen Beweiswertes, der darauf beruht, dass die Urkunde einen Gedanken verkörpert und damit wegen ihres Inhalts ein besonderes Beweismittel ist, ist sie im verwaltungs- und zivilgerichtlichen Restitutionsverfahren – und anders als im Strafprozess, § 359 Nr. 5 der Strafprozessordnung – neben rechtskräftigen Urteilen das einzige Beweismittel, das, wenn es nachträglich aufgefunden wird, die Restitutionsklage begründen kann. Das muss auch beachtet werden, wenn zu prüfen ist, ob die Urkunde eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Zusammenhang darf die Urkunde in Verbindung mit dem zu berücksichtigenden Prozessstoff nur als Beweismittel, und zwar nur mit dem Beweiswert gewürdigt werden, den sie als Urkunde hat (BGH, Urt. v. 12. Dezember 1962 – IV ZR 127/62 –, juris Rn. 18).

Der Kläger behauptet, vorliegend sei auf der Grundlage der in der Unterlage benannten Verfahrensweisen gegen den Alteigentümer vorgegangen worden und er setzt den Vermögensentzug voraus, den er mit der Unterlage beweisen möchte, der mit ihr aber nicht – auch nicht indiziell – bewiesen werden kann.

Der Kläger verweist im Rahmen seiner Behauptung, die Geheime Staatspolizei/die SS habe entsprechend den Vorschriften des Runderlasses über die „Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens“ gehandelt, auf einen Sachverhalt, der nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt wurde, oder aber er schreibt Teilen des festgestellten Sachverhalts eine Indizwirkung für die Frage eines Vermögensverlustes zu, die ihnen nicht zukommt. Es ist etwa weder im Ausgangsverfahren bewiesen worden noch durch das im vorliegenden Restitutionsverfahren zulässige Beweismittel belegt, dass ein (gemeint ist: staatlicher) „Verwalter (…) eingesetzt wurde“, dass das Vermögens des Alteigentümers „beschlagnahmt“ oder  „sichergestellt“ wurde oder unter der Aufsicht eines „Treuhänders“ stand oder dass eine „fiskalische Zuordnung“ der Vermögenswerte „zum Staatsvermögen“ erfolgte.

Die Übersendung von zwei Ausfertigungen der Erklärung des Alteigentümers vom 05. März 1945 „zu Händen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei“ findet ihre Erklärung auch ohne die vom Kläger behauptete, aber nicht belegte Beschlagnahme – die „Einbeziehung der lokalen Stapoleitstelle“ ist auch in diesem Zusammenhang ohne Aussagekraft und beweist weder eine Beschlagnahme noch gar eine Enteignung – oder eine sonstige staatliche, auf das Eigentum des Fürsten bezogene Maßnahme schon im Überwachungsinteresse der SS (vgl. Urt. v. 04. Juli 2014 – VG 1 K 902/11 –, juris Rn. 272), so dass die Tatsache, dass durch den Notar des Alteigentümers S ... zwei Ausfertigungen für die Geheime Staatspolizei gefertigt worden sind, nach derzeitigem Sachstand kein Beleg dafür sein kann, dass eine Ausfertigung einer Mitteilung an das zuständige Grundbuchamt diente (unter II. Abs. 8 des Runderlasses).

Entsprechendes gilt für die Bestimmungen des Runderlasses unter III. und V. über die Verwaltung beschlagnahmten Vermögens durch einen Treuhänder bzw., so Ziffer III. Abs. 15 des Runderlasses, einen Vermögensverwalter. Auch insoweit fehlt es bereits an der zur Überzeugung des Gerichts bewiesenen Beschlagnahme der in den anhängigen gerichtlichen Verfahren streitgegenständlichen Vermögenswerte durch staatliche Stellen des Dritten Reichs.

Auch eine Treuhandschaft, die in dem Urteil der Kammer vom 04. Juli 2014 nicht festgestellt wurde, wird durch die im vorliegenden Restitutionsverfahren vorgelegte Unterlage nicht belegt. Die Auffassung des Klägers, die Bestellung eines Treuhänders sei mit der Erklärung des Bruders des Alteigentümers vom 19. Februar 1945 umgesetzt worden, ist vorliegend bereits unerheblich, weil die Urkunde vom 19. Februar 1945 nicht zulässig in das Verfahren eingeführt wurde. Darüber hinaus hat das Gericht in den Parallelverfahren darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Klägers weder in dem Wortlaut dieser Erklärung noch in den sonstigen Unterlagen eine Stütze findet. Die in der Erklärung vom 19. Februar 1945 benannte Erwartungshaltung des Reichsführers-SS („Mir ist ferner mitgeteilt worden, daß der Reichsführer-SS erwartet, daß ich nunmehr als unabhängiger Betriebsführer bereit und geeignet bin, meinen Betrieb nach nationalsozialistischen Grundsätzen zu führen und mich als Nationalsozialist zu erweisen.“) ist ungenügend, um hieraus eine Treuhänderschaft des Bruders für die SS zu konstruieren und eine Betriebsführerschaft als Maßnahme der Umsetzung der nationalsozialistischen Arbeitsverfassung ist mit einer Vermögensverwaltung im Anschluss an eine Beschlagnahme von Vermögenswerten nicht vergleichbar.

Der Hinweis auf die Beschriftung des Deckblatts der Akte des Regierungspräsidenten in Potsdam mit „Domänenregistratur, Betreff: Verwaltung der Grundbücher des G ... .“ in Zusammenhang mit dem unten links benannten Aktenzeichen „Veräuß. Sach spec. 1“ ist ebenfalls sowohl für sich genommen als auch in Zusammenhang mit den der Akte zugeordneten Unterlagen ohne weitergehenden Erkenntniswert. Insoweit hat die Kammer bereits darauf verwiesen, dass die Akte im Januar 1944 angelegt worden ist, wie sich aus dem Vermerk „von 1.1944“ ergibt, ein Hintergrund des Aktenzeichens nicht ersichtlich ist und dass die der Akte ausschließlich zugeordneten Unterlagen, nämlich insbesondere die Schreiben des Rechtsanwalts S ... an den Gauleiter vom 06. Oktober 1944, an den Regierungsvizepräsidenten vom 07. Oktober 1944, die notariellen Urkunden vom 30. März 1944, 28. Juli 1944, 19. September 1944 und 12. Oktober 1944 sowie die Schreiben des Bruders des Alteigentümers vom 31. Juli 1944 – bemerkenswerter Weise nicht die Urkunde vom 05. März 1945 – einen Vermögensverlust auf sonstige Weise nicht belegen (vgl. Urt. v. 04. Juli 2014 – 1 K 902/11 –, juris Rn. 284). Hieran ist festzuhalten und eine fiskalische Zuordnung der in dem vorliegenden Verfahren und in den bei der 1. Kammer anhängigen Parallelverfahren streitgegenständlichen Vermögenswerte zum Staatsvermögen lässt sich dem Aktendeckel und den darin befindlichen Unterlagen nicht entnehmen; ob sich aus dem Begriff „Dömänenverwaltung“ – sofern es, wie vorliegend, um eine fürstlichen Herrschaft geht – zwingend ein staatliches Eigentum entnehmen lässt, wie der Kläger meint, kann auf sich beruhen.

IV. Der hilfsweise Bescheidungsantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

Ein Bescheidungsbegehren i. S. v. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ist nicht sachgerecht, wenn die Behörde – wie vorliegend im Fall eines Rückübertragungsbegehrens – eine gebundene Entscheidung zu treffen hat und auch sonstige Gründe der Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache spruchreif zu machen, nicht entgegen stehen, so dass (weitergehend) auf die Verpflichtung zum Erlass des erfolglos beantragten Verwaltungsakts geklagt werden kann (BVerwG, Urteile v. 16. Dezember 1993 – BVerwG 3 C 55.89 –, juris Rn. 36 u. v. 02. Mai 1984 – BVerwG 8 C 94.82 –, juris Rn. 19; OVG f. d. Ld. Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14. Mai 2013 – 13 A 910/13 –, juris Rn. 4; Urt. d. Kammer v. 25. Juli 2013 – VG 1 K 759/09 –, Urteilsabdruck S. 12 u. Beschl. v. 03. März 2009 –, 1 K 665/06). Deshalb wäre es selbst dann nicht zulässig, eine an zwingendes Recht gebundene Entscheidung mit gewissermaßen an die Behörde zurückverweisender Wirkung aufzuheben und der Behörde die Prüfung und Feststellung aller sonstigen Voraussetzungen für den in Rede stehenden Anspruch zu überlassen, wenn die von der Behörde zur Stützung eines ablehnenden Bescheids herangezogenen Gründe als rechtlich nicht haltbar erkannt würden (Urt. d. Kammer v. 04. Juli 2014 – 1 K 902/11 –, juris Rn. 286; ebenso: VG Cottbus, Urt. v. 25. Juli 2013 – 1 K 759/09 –, juris Rn. 35).

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 709 S. 2 und § 711 S. 1 und 2 ZPO.

Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 135 S. 3 und § 132 Abs. 2 VwGO.