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Entscheidung 1 O 44/21


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Zivilkammer Entscheidungsdatum 21.02.2022
Aktenzeichen 1 O 44/21 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2022:0221.1O44.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 24.11.2021 ist die Kammer gebeten worden, zu den nachfolgenden Fragen zwecks eines gütlichen Einigungsversuches der Parteien ihre vorläufige rechtliche Einschätzung mitzuteilen.

Die Kammer teilt insoweit ihre vorläufige Rechtsauffassung wie folgt mit:

1.

Besteht aus Sicht der Kammer dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch der Klägerin für Wiederholungsleistungen aufgrund Planungsänderungen und Umplanungsanordnungen der Beklagten?

Die Klägerin dürfte hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche im Zusammenhang mit der wiederholten Erstellung der Entwurfsplanung (Leistungsphase 3) insgesamt lediglich zwei Vergütungsansprüche haben:

Einen Vergütungsanspruch für die Entwurfsplanung Nr. 1 - 3  sowie ein Anspruch auf ein Wiederholungshonorar i.S.d. § 10 I HOAI für die Entwurfsplanung Nr. 4.

a) Die 1. Entwurfsplanung der Klägerin dürfte dahingehend mangelbehaftet sein, als dass sie die Kostenvorstellung der Beklagten missachtet hat (vgl. BGH, NZBau 2013, 386). Denn insoweit dürfte die Kostenvorstellung der Beklagten eine Beschaffenheitsvereinbarung darstellen. Mangelbehaftet dürfte insoweit auch die 2. Entwurfsplanung der Klägerin gewesen sein.

Hinsichtlich der Kostenvorstellung der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass bereits im Generalplanervertrag vom 05.09.2016 die Kostenvorstellung der Beklagten enthalten gewesen ist (vgl. Ziffer 5.). Dort ist die Schätzung der Fördermittelsumme i.H.v. 10,2 Mio EUR brutto mitgeteilt worden. Ferner hat die Klägerin für die Beklagte im Rahmen des Generalplanervertrages die Kosten für den Umbau ermittelt (vgl. Anlage B1/K6). Diese Kostenermittlung war dem Auftrag im Vergabeverfahren beigefügt, für das die Klägerin dann ein Angebot abgeben hat.

Die Kostenvorstellung der Beklagten dürfte sich letztlich aber auf eine Summe i.H.v. 10,4 Mio EUR brutto belaufen haben. Denn diese Summe hatte die Beklagte der Klägerin in einem Besprechungstermin am 04.12.2017 mitgeteilt (vgl. Anlage B7).

Es ist daher für das Gericht bislang nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin in ihrer ersten Entwurfsplanung (vgl. Anlage K14) eine Kostenberechnung i.H.v. 17,49 Mio EUR brutto erstellt hat. Denn die Präsentation der 1. Entwurfsplanung erfolgte im Februar 2018, mithin nach dem Besprechungstermin am 04.12.2017. Hinsichtlich der für die Entwurfsplanung berechneten Kosten dürfte es sich demnach um einen Mangel handeln, da die Beschaffenheitsvereinbarung (Kostenvorstellung der Beklagten) nicht eingehalten worden ist. Erst die 3. Entwurfsplanung dürfte der mitgeteilten Kostenvorstellung der Beklagten gerecht geworden sein.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei der 1. Entwurfsplanung nicht einmal die Kosten, welche sie im Rahmen des Generalplanervertrages ermittelt hat, eingehalten hat. Es dürfte sich dabei auch weder der Vertragsgegenstand wesentlich geändert haben noch ist nachvollziehbar, weshalb die Klägerin keine Bestandserkundungen für die Erstellung der Kostenermittlung im Rahmen des Generalplanervertrages vorgenommen hat.

Die Klägerin ist offensichtlich bei ihrer Kostenermittlung (vgl. K6/B1) bereits von 3 Teilmaßnahmen ausgegangen und auch die Beklagte hat insoweit dargestellt (vgl. Bl. 78 d. A.), dass sich die sieben Punkte in den drei Teilmaßnahmen wiederfinden. Es dürfte demnach keine wesentliche Änderung des Vertragsgegenstandes zwischen dem Generalplanervertrag und dem Vergabeverfahren dadurch erfolgt sein, dass aus sieben Punkten (Generalplanervertrag) schließlich 3 Maßnahmen geworden sind. Vielmehr dürfte der Vertragsgegenstand - der Umbau des Kreiskrankenhauses Prenzlau - und die damit verbundenen Maßnahmen insgesamt gleich geblieben sein.

Ferner ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin für ihre im Rahmen des Generalplanervertrages erstellte Kostenermittlung keine Bestandserkundungen vorgenommen hat. Denn diese sind Teil der Leistungsphase 1, so dass die Klägerin diese bereits im Rahmen des Generalplanervertrages hätte erbringen müssen. Jedenfalls hätte sie diese vornehmen müssen, bevor sie mit Leistungen der Leistungsphase 3 beginnt. Die Kammer geht nach derzeitiger Aktenlage nicht davon aus, dass die Leistungsphase 3 von der Beklagten  überstürzt abgerufen worden ist, weil das Vergabeverfahren über die Leistungsphasen 3 - 8/9 durchgeführt worden ist und die Klägerin auch dafür ein Angebot abgegeben hat. Die Beklagte hat die Klägerin mithin lediglich zu der Erbringung von ihr übernommener Verpflichtung aufgefordert. Da die Klägerin bereits die Leistungsphasen 1 und 2 übernommen hatte, dürfte es für die Beklagte nicht ersichtlich gewesen sein, dass die insoweit von der Klägerin vorgenommene Kostenermittlung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, respektive zunächst erst weitere Maßnahmen (Bestandserkundungen) erforderlich gewesen sein könnten.

b) Der Klägerin dürfte jedoch ein Wiederholungshonorar für die 4. Entwurfsplanung zustehen. Denn die Kostenvorstellung der Beklagten dürfte sich aufgrund des Fördermittelbescheids geändert haben, so dass deshalb eine Änderung der 3. Entwurfsplanung nötig gewesen ist. Insoweit dürfte es sich bei der mitgeteilten veränderten Kostenvorstellung der Beklagten um eine Leistungsänderung handeln, für welche der Klägerin grundsätzlich ein Honoraranpassungsanspruch zustehen dürfte (vgl. § 10 HOAI)

Insoweit ist jedoch bisher nicht nachvollziehbar vorgetragen, weshalb beim Wegfallen einer Teilmaßnahme die vorherige Entwurfsplanung nur zu 50 % verwertet werden konnte. Insbesondere müssten die erforderlichen Mehrleistungen der Klägerin zunächst konkret dargelegt werden. Die Klägerin dürfte insoweit auch die 3. und 4. Entwurfsplanung vorlegen müssen, um eine Überprüfung durch einen Sachverständigen hinsichtlich der erforderlichen Änderungen vornehmen lassen zu können.

2.

Entspricht die Kostenberechnung der Klägerin vom 10.12.2019 (K19) mit Gesamtbaukosten i.H.v. 8.497.718,75 EUR den Planungszielen der Beklagten und musste diese Kostenschätzung daher Grundlage der beauftragten Leistungsphase 4ff. werden?

Die Kostenberechnung der Klägerin vom 10.12.2019 (K19) dürfte den Planungszielen der Beklagten entsprechen. Sie ist von der Beklagten freigegeben worden. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3.

Erfolgte die Kündigung der Klägerin gemäß § 650 f V S.1 BGB (§ 648 V S.1 BGB a.F.) zu Recht?

Die Kündigung der Klägerin ist nach vorläufiger Auffassung der Kammer auf Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes nicht zu Recht gem. § 650 f V S.1 BGB (§ 648 V S.1 BGB a.F.) erfolgt. Denn die Klägerin hat der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung keine angemessene Frist gesetzt und dürfte jedenfalls gegen die gegenseitig bestehenden Kooperationspflichten verstoßen haben.

Dem Unternehmer steht nach § 648a V BGB a.F. ein Kündigungsrecht zu, wenn er dem Besteller zur Leistung der Sicherheit eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt hat, dass er nach dem Ablauf der Frist die Kündigung erkläre und die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Welche Frist angemessen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmen. Der Gesetzgeber hat bewusst die Dauer der zu setzenden Frist nur mit dem unbestimmten Begriff „angemessen” umschrieben. Sie soll nach der Begründung des Gesetzes so bemessen sein, dass dem Besteller ermöglicht wird, die Sicherheit ohne schuldhaftes Verzögern zu beschaffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Regel Verhandlungen mit einem oder mehreren baufinanzierenden Kreditinstituten geführt werden müssen. Dazu wird nach der Vorstellung des Gesetzgebers in der Regel eine Frist von sieben bis zehn Tagen erforderlich sein (vgl. BGH, NJW 2005, 1939).

Bei der Prüfung, ob eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung gesetzt worden ist (vgl. BGH, NJW 2005, 1939 = NZBau 2005, 393 = ZfBR 2005, 462 = BauR 2005, 1009), muss auch in die Erwägung einfließen, ob die Rechtslage klar ist. Ist eine unklare Rechtslage etwa dadurch geschaffen worden, dass der Unternehmer sich weigert, nach dem Vertrag noch geschuldete Vorleistungen ohne zusätzliche Vergütung zu erbringen, und die Höhe der Sicherheit mangels verlässlicher Angaben in der Anforderung der Sicherheit noch durch den Besteller ermittelt werden muss (vgl. BGHZ 146, 24 [36] = NJW 2001, 822 = NZBau 2001, 129 = NZI 2001, 204 L), kann es geboten sein, eine längere Frist zu setzen. Bei der Fristsetzung muss berücksichtigt werden, dass in einem solchen Fall möglicherweise eine anwaltliche Beratung notwendig ist. Auch muss darauf Rücksicht genommen werden, dass die Beschaffung einer Bürgschaft jedenfalls nicht an Wochenenden möglich ist (vgl. BGH, NZM 2011, 251).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes dürfte die von der Klägerin gesetzten Frist (14 Tage) unangemessen kurz gewesen sein. Der Beklagten standen insgesamt lediglich 9 Tage zur Verfügung, um der Klägerin die geforderte Sicherheit zu stellen. Von den 14 Tagen sind ein Tag für die Zustellung und vier Tage für die Wochenenden abzuziehen.

Ferner dürfte zu berücksichtigen sein, dass die zu sichernde Forderung in ihrer Höhe zwischen den Parteien umstritten gewesen ist. Es bestand eine unklare Rechtslage und der Beklagte wäre zuzubilligen gewesen anwaltlichen Rat einholen zu können.

Hinzu kommt, dass die Beklagte innerhalb der Frist mitgeteilt hat, dass sie bereit sei, eine Sicherheit zu stellen und eine Fristverlängerung zur abschließenden Prüfung erbeten hat. Die Beklagte hat damit im Sinne der Kooperationspflicht den Versuch einer einvernehmliche Beilegung des zwischen den Parteien bestehenden Konflikte unternommen, was dazu führt, dass der Klägerin als vertragliche Nebenpflicht die Bewilligung der Fristverlängerung oblegen hätte. Das Gericht hält derzeit in Anbetracht aller Umstände eine Frist von 28 Tagen (vier Wochen) für angemessen. In dieser Zeitspanne dürfte für die Beklagte sowohl die Stellung einer Sicherheit als auch die Einholung rechtliches Rats möglich gewesen sein.

Die verfrühte Kündigung des Vertrages verstieße somit gegen die Kooperationspflicht der Klägerin.

II.

Die Parteien werden um Mitteilung gebeten, ob die Sache an den Güterichter zurück gesandt werden soll oder ob die Parteien nunmehr zunächst außergerichtlich einen Einigungsversuch unternehmen wollen.