Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 01.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 1 W 4/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0301.1W4.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2021 – 6 O 215/21 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin betreibt auf ihrem Betriebsgrundstück in … eine Biogasanlage, deren Produktionskapazität sie erhöhen möchte. Der Antragsgegner ist Stadtverordneter und Mitglied des Bauausschusses der Stadt … .
In einer Stadtverordnetenversammlung am … 2021 wurde der Entwurf eines Bebauungsplans zur Ermöglichung der von Antragstellerin gewünschten Erhöhung der Produktionskapazität thematisiert. Der Antragsgegner erklärte, die Art der Vorlage sei eine absolute Zumutung, die als Überrumpelungslösung gedacht sei; die Anlage sei völlig überdimensioniert und ein Schwarzbau von A bis Z.
Die Antragstellerin hat am 29.10.2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, bei der von der Antragstellerin errichteten und betriebenen Biogasanlage handele es sich um einen Schwarzbau von A bis Z.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 13.12.2021 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe kein Verfügungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Es liege kein rechtswidriges geschäftsschädigendes Werturteil vor, sondern ein Werturteil, dass die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletze, da es in sachbezogener Weise in einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, bei der es um die Aufstellung eines die Antragstellerin begünstigenden Bebauungsplans gegangen sei, geäußert worden sei. Ein Verfügungsanspruch ergebe sich auch nicht, wenn man die Äußerung mit der Antragstellerin als Tatsachenbehauptung ansehen wollte, da dann vor dem Hintergrund des Inhalts der von der Antragstellerin vorgelegten Berichterstattung in der … Rundschau keine nachweisbare Unwahrheit vorliege. Ebenso fehle es an einem Verfügungsgrund, da die besondere Dringlichkeit einer Entscheidung im Eilverfahren nicht dargetan sei.
Der Beschluss ist der Antragstellerin am 7.1.2022 zugestellt worden. Am 22.1.2022 hat die Antragstellerin Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 16.2.2022 begründet hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Der Umstand, dass das Landgericht infolge der Einlegung des Rechtsmittels unmittelbar beim Beschwerdegericht keine Gelegenheit zur Durchführung des Abhilfeverfahrens nach § 572 Abs. 1 ZPO gehabt hat, hindert die Sachentscheidung durch den Senat nicht (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 572, Rn. 4).
Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 567 ff. ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist.
Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Mit dem Landgericht kann bei der im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung gebotenen summarischen Prüfung (Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 3 vor § 916) weder das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus §§ 823, 1004 BGB noch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes erkannt werden.
1.
Das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 823, 1004 BGB kann nicht festgestellt werden, und zwar ohne dass es darauf ankommt, ob es sich bei der verfahrensgegenständlichen Äußerung um eine – wie die Antragstellerin auch in der Beschwerde meint – Tatsachenbehauptung oder um eine Werturteil handelt.
a)
Sieht man die Äußerung als Tatsachenbehauptung an, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie unwahr ist, was zur Folge hat, dass ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nicht besteht. Denn inhaltlich zutreffende Tatsachenbehauptungen sind regelmäßig von der Meinungsfreiheit geschützt, die lediglich bei unwahren Tatsachenbehauptungen, an deren Verbreitung grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse besteht, hinter den schutzwürdigen Belangen des Betroffenen zurücktritt (BVerfG NJW 2006, 207, 209; 2000, 3485, 3486; BGH NJW 1984, 1102, 1103; Senat NJW-RR 2002, 1269, 1270).
Zwar folgt die Darlegungs- und Beweislast im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich der Darlegungs- und Beweislast in einem Hauptsacheverfahren (Senat, Beschluss vom 11.5.2015, 1 W 14/15; Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 6a vor § 916, und § 920, Rn. 9; MünchKomm./Drescher, ZPO, 6. Aufl., § 120, Rn. 21), in dem die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung nach der über § 823 Abs. 2 BGB in den zivilgerichtlichen Ehrschutz transformierten Beweisregel des § 186 StGB regelmäßig bei der Prozesspartei liegt, die die Äußerung getätigt hat (vgl. statt vieler: Senat, Urteil vom 19.2.2007, 1 U 17/06, zitiert nach juris). Solange jedoch – wie hier – die gegnerische Prozesspartei am Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung nicht beteiligt ist, trägt die antragstellende Partei die volle Darlegungs- und Beweislast und muss auch die Einwendungs- und Einredefreiheit der von ihr erhobenen Ansprüchen darstellen, wenn sich aus ihrem Vorbringen Hinweise darauf ergeben, dass solche bestehen könnten (Senat, Beschluss vom 11.5.2015, 1 W 14/15; MünchKomm./Drescher a. a. O.; Stein/Jonas/Bruns, ZPO, 23. Aufl., § 920, Rn. 13; Zöller/Vollkommer, a. a. O., Rn. 6 von § 916; jeweils m. w. N.); Dabei muss die antragstellende Partei zwar nicht alle theoretisch denkbaren Einwendungen ausräumen, wohl aber darlegen und glaubhaft machen, dass im konkreten Fall naheliegende Einwendungen nicht bestehen (Senat a. a. O.; Stein/Jonas/Bruns a. a. O.).
Eine solchermaßen naheliegende Einwendung ergibt sich aus dem vom Landgericht zu Recht in den Blick genommenen Inhalt des von der Antragstellerin vorgelegten Presseartikels in der … Rundschau vom 1.10.2021 (Bl. 83 d. A.). Denn dem Presseartikel kann entnommen werden, dass die von der Antragstellerin betriebene Biogasanlage bereits in ihrem gegenwärtigen baulichen Zustand deutlich mehr Biogas produzieren kann als die Menge von 2,3 Millionen Normkubikmeter pro Jahr, für die die als Anlage ASt 2 zur Antragsschrift vom 29.10.2021 vorgelegte Genehmigung vom 8.2.2013 (Bl. 20 d. A.) besteht. Dies lässt es als nicht fernliegend erscheinen, dass die Biogasanlage in ihrem derzeitigen Bestand nicht sämtlichen behördlichen Vorgaben entsprechen könnte. Eine Entkräftung dieser – möglichen – Einwendung dahingehend, dass die Biogasanlage gleichwohl sämtlichen behördlichen Anforderungen entspricht, lässt sich dem schriftsätzlichen Vorbringen der Antragstellerin, das diesen Gesichtspunkt nicht thematisiert, sowie den von ihr vorgelegten Anlagen nicht entnehmen. Das gilt auch und insbesondere für die als Anlage ASt 1 zur Antragsschrift vom … 2021 vorgelegte Baugenehmigung vom 12.3.2014 (Bl. 13 d. A.), die zur näheren Ausgestaltung des Bauwerks auf Bauvorlagen verweist, die weder vorgelegt noch schriftsätzlich erläutert worden sind. Das geht nach den soeben dargestellten Grundsätzen zu Lasten der Antragstellerin, die damit nicht der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast genügt hat.
Kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Biogasanlage sämtlichen behördlichen Anforderungen entspricht, so ist auch ihre Bezeichnung als „Schwarzbau“ zutreffend. Denn das Präfixoid „Schwarz-“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch dahingehend verstanden, dass es in Bezug auf das im Basiswort Genannte an einer erforderlichen behördlichen Erlaubnis fehlt (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., „schwarz-, Schwarz-“).
b)
Nimmt man mit dem Landgericht demgegenüber das Vorliegen einer Meinungsäußerung an, so ist ebenfalls kein Raum für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB.
Im Rahmen der – dann – gebotenen Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände und betroffenen Grundrechte (BGH NJW 2009,1872; vgl. auch BVerfG NJW 2008, 1793) gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine Äußerung als Schmähung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten; unterhalb dieser Schwelle kann eine Meinungsäußerung nur dann rechtswidrig sein, wenn sie entweder die Privatsphäre oder eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betroffenen Person ein besonderer Schaden droht. Stets rechtswidrig sind Formalbeleidigungen und bloße Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung; hinzutreten muss vielmehr, dass dabei nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen soll (BGH NJW 2009, 1872).
Nach diesen Grundsätzen stellt sich die verfahrensgegenständliche Äußerung, sieht man sie als Meinungsäußerung an, nicht als rechtswidrig dar, da sie – wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat – im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung über den Erlass eines geänderten Bebauungsplans in der Stadtverordnetenversammlung am 29.9.2021 gefallen ist, ohne dass sie nach Form oder Inhalt die Grenze zu einer verbotenen Schmähkritik überschritten hat. Sie ist als Meinungsäußerung im Rahmen einer sachbezogenen Auseinandersetzung hinzunehmen und kann unter diesem Gesichtspunkt, was die Antragstellerin auch nicht postuliert, als Meinungsäußerung nicht zu einem Unterlassungsanspruch führen. Die Gefahr eines besonderen Schadens der Antragstellerin ist nicht dargetan; soweit sie in der Antragsschrift vom … 2021 auf einen finanziellen Schaden abhebt, der sich existenzgefährdend auswirken könne (Bl. 12 d. A.), ist dieses pauschale Vorbringen weder durch einen Vortrag nachvollziehbarer Anknüpfungstatsachen untersetzt noch glaubhaft gemacht.
2.
Daneben und ungeachtet dessen fehlt es am Vorliegen eines Verfügungsgrundes nach §§ 935, 940 ZPO.
Eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Verwirklichung etwaiger Ansprüche der Antragstellerin gemäß § 935 ZPO lässt sich aus ihrem Vorbringen nicht ersehen.
Die Erforderlichkeit einer einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nach § 940 ZPO kann ebenfalls nicht angenommen werden.
Der Antragstellerin kann nicht darin beigetreten werden, dass die verfahrensgegenständliche Äußerung, sollte sie eine rechtswidrige Beeinträchtigung ihrer Belange darstellen, die Eilbedürftigkeit im Sinne der vorstehend genannten Vorschriften indiziert. Der Ansicht, nach der im Äußerungsrecht aus der Möglichkeit einer Wiederholung der beanstandeten Äußerung bereits eine den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigenden Dringlichkeit folgen soll (OLG Stuttgart NJW-RR 2016, 932, 933; Prinz/Peters, Medienrecht, Fn. 243 zu Rn. 361), kann nicht gefolgt werden. Denn der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt nicht allein das Bestehen eines materiellen-rechtlichen Anspruchs voraus, sondern darüber hinaus das Vorhandensein eines Verfügungsgrundes im Sinne eines besonderen Eilbedürfnisses (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 135, Rn. 6 ff., 10 ff.), das im Rahmen des § 940 ZPO unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien festzustellen ist (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 940, Rn. 4). Dass in Abweichung davon im Äußerungsrecht der materielle Unterlassungsanspruch ohne weiteres zum Bestehen auch eines Verfügungsgrundes führen soll, entbehrt einer tragfähigen rechtlichen Grundlage (Senat, Beschluss vom 22.8.2018, 1 W 34/18). Demgemäß besteht ein Verfügungsgrund nach § 940 ZPO nicht schon bei einem Vorliegen der für das Bestehen von Unterlassungsansprüchen erforderlichen (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1004, Rn. 32) Wiederholungsgefahr, sondern erst und allenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte auf eine bevorstehende Wiederholung einer zu unterlassenden Handlung hindeuten (Senat a. a. O.; Beschluss vom 1.6.2018, 1 W 22/18; OLG Düsseldorf NJW 2015, 2050; OLG Dresden NJW 2005, 1871, 1872; MünchKomm./Drescher, a. a. O., § 935, Rn. 17), was auch und insbesondere im Bereich des Äußerungsrechts zu gelten hat (Senat, Beschluss vom 22.8.2018, 1 W 34/18; OLG Düsseldorf a. a. O.). Derart konkrete Anhaltspunkte lassen sich dem schriftsätzlichen Sachvortrag der Antragstellerin und den von ihr vorgelegten Anlagen nicht entnehmen. Soweit auch ein drohender Schaden zum Vorliegen eines Verfügungsgrunds im Sinne des § 940 ZPO führen kann (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 940, Rn. 4), ist ein solcher – wie bereits erwähnt – von der Antragstellerin weder hinreichend substantiiert dargetan noch glaubhaft gemacht worden
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Bemessung des Gegenstandswerts folgt der Angabe in der Antragsschrift vom … 2021 und der Festsetzung durch das Landgericht.