Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 21.02.2022 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 6 W 69/19 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0221.6W69.19.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 06.05.2019 - 3 O 170/13 - abgeändert und die von dem Antragsgegner an die Antragsteller zu zahlende gesetzliche Vergütung auf 5.531,85 € (4.629,85 € + 902 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 22.02.2019 festgesetzt.
I.
Die Antragsteller verlangen gemäß § 11 Abs. 1 RVG über die in dem angefochtenen Beschluss in Höhe von 4.629,85 € nebst Zinsen erfolgte Festsetzung hinaus den Ansatz einer 1,0 Einigungsgebühr nach einem Gegenstandswert von 36.912,68 € in Höhe von weiteren 902 € (netto).
In dem vorangegangenen Rechtsstreit hatten die Antragsteller zunächst als Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 24.10.2017 gegenüber dem Landgericht zur Begründung eines Terminverlegungsantrags mitgeteilt, dass sich die Parteien weiter in Vergleichsverhandlungen befänden, was die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. und 2. mit Schriftsätzen gleichen Datums bestätigten. Mit Schriftsatz vom 29.05.2018 hatten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2. dem Gericht zur Kenntnis gegeben, dass zwischen den Streitparteien außergerichtlich dahingehend Einigung erzielt worden sei, dass der Kläger die Klage zurücknehmen und die Gerichtskosten tragen und die Beklagten zu 1. und 2. keine Kostenanträge stellen sollten. Mit Schriftsatz vom 24.07.2018 hatten sich die Rechtsanwälte der Kanzlei K…/… als neue Bevollmächtigte für den Kläger angezeigt und dem Landgericht unter anwaltlicher Versicherung ihrer Legitimierung mitgeteilt, dass nach Eintritt weiterer Bedingungen, die außergerichtlich im Vergleichswege bestimmt worden seien, eine Klagerücknahme erfolgen werde; die Antragsteller seien für den Kläger nicht mehr prozessbevollmächtigt. Mit Schriftsatz vom 25.09.2018 hatten die Antragsteller ihrerseits unter Bezugnahme auf ein Kündigungsschreiben gegenüber dem Antragsgegner vom 24.09.2018 die Mandatsniederlegung angezeigt. Die Klagerücknahme war sodann mit Schriftsatz vom 27.11.2018 seitens der neuen Prozessbevollmächtigten erklärt worden, Kostenanträge waren wie angekündigt nicht gestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 19.02.2019 haben die Antragsteller beantragt, nach § 11 RVG ihre Vergütung gegen den Antragsgegner unter anderem für eine 1,0 Einigungsgebühr (VV Nr. 1000, 1003 RVG) in Höhe von 902 € netto festzusetzen. Mit Beschluss vom 06.05.2019 hat die zuständige Rechtspflegerin des Landgerichts Cottbus unter Absetzung der Einigungsgebühr die von dem Antragsgegner an die Antragsteller zu zahlende gesetzliche Vergütung lediglich auf 4.629,85 nebst Zinsen festgesetzt.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 07.06.2019, mit der sie die Abänderung des Beschlusses vom 06.05.2019 unter Hinzusetzung der Einigungsgebühr in Höhe von 902 € netto begehrt haben, hat der Senat durch Beschluss vom 20.08.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass eine im Verfahren nach § 11 RVG nicht zu berücksichtigende gebührenrechtliche Einwendung vorliege, wenn der Mandant/Antragsgegner geltend mache, dass sein vormals bevollmächtigter Rechtsanwalt an einer außergerichtlichen Einigung im Sinne von VV Nr. 1000, 1003 RVG nicht mehr (mit-)ursächlich beteiligt gewesen sei. Mit Blick auf die zu dieser Rechtsfrage divergierende obergerichtliche Rechtsprechung hat der Senat gegen seine Entscheidung (veröffentlicht in ZfSch 2020, 42 ff.) die Rechtsbeschwerde zugelassen. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Senatsbeschluss vom 20.08.2019 verwiesen.
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 29.04.2020 die Streitfrage dahin entschieden, dass die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines bevollmächtigten Rechtsanwalts sei für den späteren Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine Einwendung darstelle, die im Gebührenrecht selbst ihren Grund habe und daher Gegenstand der Prüfung durch den Rechtspfleger im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG sein müsse. Der Bundesgerichtshof hat die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an den Senat zurückverwiesen (Beschluss vom 29.04.2020 -
XII ZB 536/19, juris Rn. 15 ff.). Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 24.07.2020, die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 04.09.2020 weiter zur Sache vorgetragen; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist mit Rücksicht auf die erfolgreiche Rechtsbeschwerde der Antragsteller begründet.
1. Das Bestreiten des Antragsgegners zur mitursächlichen Mitwirkung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine gebührenrechtliche Einwendung im Sinne von § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG, die im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 11 Abs. 1 RVG zu prüfen ist (Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 536/19, juris Rn. 15 ff.). Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist daher der Ansatz der zur Festsetzung angemeldeten Gebühren vom Antragsteller glaubhaft zu machen. Hierfür ist erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Gebührentatbestands mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen (BGH, a.a.O. Rn. 28 m.w.N.; KG, Beschluss vom 07.10.2008 - 5 W 318/07, juris Rn. 4). Zur Glaubhaftmachung können gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden (Zöller/Herget, ZPO, 34. Auflage, § 104 Rn. 8; jeweils m.w.N.).
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Antragsteller an der Einigung der Streitparteien im Sinne von VV Nr. 1000, 1003 RVG noch mitgewirkt und danach die geltend gemachte Einigungsgebühr als weitere Vergütung verdient haben.
a) Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 04.06.2019 vorgetragen, ihre Mitwirkung am Vergleichsschluss ergebe sich zum einen daraus, dass sie wiederholt Anträge auf Terminverlegung unter Hinweis auf die seinerzeit zwischen den Streitparteien schwebenden Vergleichsverhandlungen gestellt haben. Die mit dieser Begründung gestellten Verlegungsanträge sind aktenkundig und unstreitig. Zum anderen haben die Antragsteller einen ihnen per E-Mail vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2. übersandten Entwurf eines „Geschäftsanteilskauf- und Vergleichsvertrages“ mit Datum vom 29.09.2017 zur Akte gereicht, der auf Seite 3 insbesondere bereits eine - nach Anwaltswechsel letztlich sinngemäß auch umgesetzte - Vergleichsregelung zur Beendigung des hiesigen Rechtsstreits im Wege der Klagerücknahme ohne diesbezügliche Kostenantragstellung der Beklagten enthält (Anlagen ASt 1 und ASt 2). Das spricht dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine Einbeziehung des vorliegenden Rechtsstreits und insbesondere dessen vergleichsweise Beendigung in der beabsichtigten Einigung bereits vorgesehen waren (vgl. zu dieser Voraussetzung auch KG, a.a.O. Rn. 6). Ferner haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.09.2020 zahlreiche weitere Unterlagen zur Akte gereicht, die den auf schwebende Vergleichsverhandlungen bezogenen E-Mail- und SMS-Verkehr der Antragsteller mit dem Antragsgegner belegen (ASt 4 bis ASt 17). Die Echtheit dieser Unterlagen hat der Antragsgegner nicht in Abrede gestellt. Es ist damit von den Antragstellern jedenfalls ausreichend glaubhaft gemacht, dass die zur Streitbeilegung führenden außergerichtlichen Vergleichsgespräche schon in einer Zeit begonnen haben, zu der sie noch die bevollmächtigten Rechtsanwälte des Antragsgegners waren.
b) Auf Grundlage des insoweit unstreitigen Sachverhalts ist nach allem davon auszugehen, dass die Voraussetzungen nach VV Nr. 1000 Abs. 2 RVG für das Erwachsen der Gebühr aufgrund einer für den Vergleichsschluss mitursächlichen Tätigkeit erfüllt und vom Antragsgegner diesbezüglich auch nicht widerlegt sind (vgl. BeckOK RVG/Hofmann, 54. Edition vom 01.12.2021, RVG VV 1000 Rn. 36). Die auf die Herbeiführung der Einigung gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts muss nur zumindest mitkausal für das Zustandekommen der Einigung gewesen sein; er muss nicht die ausschlaggebende Ursache gesetzt haben, so dass es für das Entstehen der Gebühr auch ausreicht, wenn erst später - wie im Streitfall - ein anderer Rechtsanwalt die Einigungsgespräche erfolgreich zu Ende führt (vgl. OLG München, NJW 1997, 1313, 1315; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG-Kommentar, 25. Auflage, RVG VV 1000 Rn. 274 m.w.N.).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 11 Abs. 2 Satz 6 RVG; KV 1812, 1826 GKG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO hierfür nach Klärung der vorliegend relevanten Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof nicht mehr vorliegen.