Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 02.03.2022 | |
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Aktenzeichen | 4 U 139/21 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2022:0302.4U139.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 09.06.2021, Az. 8 O 370/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.213,18 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin, ein Factoringunternehmen, nimmt den Beklagten aus einer Garantieerklärung in Anspruch.
Die Klägerin und die G... B… GmbH (im Folgenden: „G...“), deren Geschäftsführer der Beklagte ist, schlossen unter dem 11.06./09.07.2019 einen Factoringrahmenvertrag. Wesentlicher Bestandteil dieses Vertrags ist gemäß Präambel auch das sog. Konditionenblatt, das am 09.07.2019 von den Parteien unterzeichnet wurde.
In § 1.2 des Factoringvertrages ist geregelt, dass die G... nur solche Forderungen zum Kauf anbieten darf,
„(…) denen Warenlieferungen, Werk- oder Dienstleistungen zugrunde liegen, die der Factoringkunde im regelmäßigen Geschäftsbetrieb in seinem Namen und auf seine Rechnung vollständig und vertragsgemäß erbracht und ordnungsgemäß fakturiert hat, die einredefrei sind und (bei Werkleistungen) die von den Debitoren als vertragsgemäß angenommen oder endgültig abgenommen wurden.“
Gemäß § 15.1. des Factoringvertrages führt die Klägerin ein Abrechnungskonto (sog. „Verfügbarkeit“), in das die gegenseitigen Ansprüche aus dem Factoringvertrag zwischen der Klägerin und der G... eingestellt und im Wege des Kontokorrents miteinander verrechnet werden. Für den Fall der Überziehung regelt § 15.1., dass die G... zum sofortigen Ausgleich des Überziehungssaldos verpflichtet ist, wobei nach § 15.4. des Factoringvertrages sämtliche Ansprüche der Klägerin gegen die G... sofort fällig und die Beträge entsprechend zu verzinsen sind. Weiterhin ist in § 15.2. geregelt, dass Einwendungen gegen die Abrechnungen binnen einer Monatsfrist zu erheben sind und das Unterlassen einer rechtzeitigen Einwendung als Genehmigung gilt.
Der Beklagte unterzeichnete am 11.06.2019 eine „Persönliche Garantieerklärung“ für die Verbindlichkeiten der G.... Dort ist in Ziff. 1 unter anderem Folgendes geregelt:
1. Garantie für den Bestand der Forderungen und die ordnungsgemäß Vertragsabwicklung
„Ich übernehme hiermit in Kenntnis des Factoring-Rahmenvertrags unwiderruflich im gleichen unbeschränkten Umfang wie der FACTORINGKUNDE – jedoch unabhängig von Bestehen und Höhe seiner Haftung – die oben genannte Bestandsgarantie gegenüber der S-FACTORING oder ihrem Rechtsnachfolger.
…
Ich garantiere weiterhin, dass der FACTORINGKUNDE alle seine aus dem Factoring-Rahmenvertrag erwachsenden Haupt- und Nebenpflichten ordnungsgemäß erfüllen wird.
Ich garantiere insbesondere, dass der FACTORINGKUNDE der S-FACTORING den auf dem Abrechnungskonto ausgewiesenen Betrag zahlen wird. Saldoanerkenntnisse des FACTORINGKUNDEN erkenne ich auch für mich verbindlich an.
Ich werde der S-FACTORING jeden Nachteil ersetzen, der ihr gegebenenfalls aus der Geschäftsverbindung mit dem FACTORINGKUNDEN dadurch entsteht, dass der FACTORINGKUNDE diesen Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt.
Diese Garantieerklärung erstreckt sich nicht darauf, dass Debitoren rechtlich mangelfreie Forderungen nicht bezahlen.“
Seit dem 07.04.2020 wies das Abrechnungskonto der G... einen Minussaldo auf. Am 24.07.2020 betrug die Überziehung insgesamt 41.512,23 €. Die G... erhob zu keinem Zeitpunkt Einwendungen gegen die Abrechnungen und reagierte auf Zahlungsaufforderungen der Klägerin nicht. Die Klägerin verwertete für ihre Ansprüche aus dem Factoringvertrag von der G... im Wege der Pfändung das Guthaben eines Zinsaktivkontos bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden in Höhe von 22.500,00 €, sodass das Abrechnungskonto am 03.08.2020 noch einen Minussaldo in Höhe von 19.213,18 € aufwies.
Mit Beschluss vom 06.04.2021 eröffnete das Amtsgericht Potsdam das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G....
Die Klägerin hat behauptet, die G... habe im Laufe der Vertragsbeziehung eine Vielzahl von Forderungen eingereicht, die entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht einredefrei gewesen seien, so dass das Abrechnungskonto von der Klägerin wieder mit diesen Forderungen belastet worden sei. Sie hat die Auffassung vertreten, die „Persönliche Garantieerklärung“ des Beklagten sei ein anspruchsbegründendes Schuldversprechen, nach dessen Inhalt der Beklagte für den Ausgleich des Abrechnungskontos und für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der G... gegenüber der Klägerin hafte.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte gesamtschuldnerisch mit der G... B… GmbH (Amtsgericht Potsdam, Aktenzeichen: HRB …) zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 19.213,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 13,2 % p.a. seit 04.08.2020 sowie einen weiteren Betrag in Höhe von € 984,60 nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit 24.08.2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat gemeint, die Garantieerklärung sei inhaltlich nicht bestimmt genug, um Schadensersatz fordern zu können. Er hat darauf verwiesen, dass es keine Kontokorrentabrede zwischen ihm und der Klägerin gegeben habe. Diese bestehe nach dem Vortrag der Klägerin lediglich im Verhältnis zur G.... Die Vereinbarung eines Saldoanerkenntnisses sei in dieser Form unwirksam, da diese Regelung dem Anerkenntnis eines Nichthandelns als Auslöser für eine eigene Haftung entspreche und zumindest in AGB als überraschende Klausel zu werten sei. Den Inhalt der als Anlage K 5 eingereichten Abrechnung hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Er hat gemeint, dass er nach dem Wortlaut der Garantieerklärung lediglich für den Verzugsschaden hafte, nicht jedoch auf Ersatz des Saldos selbst. Nach dem Wortlaut der Garantievereinbarung hafte er überdies wie ein Bürge und könne sich insofern auf die Einrede der Vorausklage berufen, auf die er auch nicht verzichtet habe.
Das Landgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 09.06.2021 antragsgemäß verurteilt und zur Begründung Folgendes ausgeführt: Der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten ergebe sich aus der Persönlichen Garantieerklärung. Danach habe sich der Beklagte verpflichtet, gegenüber der Klägerin für die Verbindlichkeiten der G... aus dem Factoringrahmenvertrag vom 11.06.2019 einzustehen. Im Rahmen dieser Vereinbarung habe der Beklagte erklärt, dass er garantiere, dass die G... ihre aus dem Factoring-Rahmenvertrag erwachsenden Haupt- und Nebenpflichten ordnungsgemäß erfüllen und den auf dem Abrechnungskonto ausgewiesenen Betrag zahlen werde. Insofern habe sich der Beklagte verpflichtet, Saldoanerkenntnisse der G... auch für sich als verbindlich anzuerkennen und der Klägerin jeden Nachteil zu ersetzen, der dieser aus der Geschäftsverbindung mit der G... dadurch entstehe, dass die G... diesen Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme. Die G... hingegen sei ihrer Verpflichtung zum Ausgleich des Überziehungssaldos unstreitig nicht nachgekommen.Unstreitig sei das Abrechnungskonto der G... zum 03.08.2020 mit 19.213,18 € im Minus gewesen. Es sei unerheblich, dass der Beklagte die als Anlage K 5 vorgelegte Forderungsaufstellung nicht zu kennen meine und deren Inhalt mit Nichtwissen bestritten habe. Die Klägerin habe sowohl der G... als auch dem Beklagten persönlich unstreitig eine vergleichbare Forderungsaufstellung mit der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung übersandt. Darüber hinaus habe der G..., deren Geschäftsführer der Beklagte sei, das Abrechnungskonto gemäß § 15.1. des Factoringvertrags im Online-Kundenportal jederzeit zur Einsicht bereit gestanden; ein Bestreiten mit Nichtwissen sei daher unzulässig.
Die Persönliche Garantieerklärung des Beklagten sei als Garantievertrag einzuordnen. Die Annahme des Beklagten, bei der von ihm unterzeichneten „Persönlichen Garantieerklärung“ handele es sich um eine Bürgschaft, sei unzutreffend, da sich hieraus hinreichend deutlich ergebe, dass der Beklagte selbst für den von der G... geschuldeten Erfolg habe einstehen sollen. Selbst wenn man von einer Bürgschaftserklärung ausgehen würde, könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die Einrede der Vorausklage gemäß § 771 BGB berufen. Denn die Klägerin habe unbestritten vorgetragen, dass über das Vermögen der G... ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, was gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu einem Ausschluss der Einrede der Vorausklage führe. Der Inhalt der Garantievereinbarung sei entgegen der Auffassung des Beklagten auch eindeutig genug, um einen Schadensersatz fordern zu können. Auch der Einwand des Beklagten, es bestünde keine Kontokorrentabrede zwischen der Klägerin und dem Beklagten greife nicht durch, da eine Kontokorrentabrede zwischen dem Beklagten und der Klägerin nicht erforderlich sei. Der Anspruch auf Ausgleich des Saldos folge aus der Garantieerklärung und eben nicht aus einer eigenen Kontokorrentabrede.
Zwar sei die Klausel in Ziff. 1 der „Persönlichen Garantieerklärung“ hinsichtlich des Einschubs „jedoch unabhängig von Bestehen und Höhe seiner Haftung“ unwirksam. Die Unwirksamkeit dieser Klausel habe im Ergebnis aber nicht zur Folge, dass die Garantieverpflichtung des Beklagten vollständig entfalle. Denn der selbstständige Garantievertrag sei gemäß § 306 Abs. 1 BGB jedenfalls hinsichtlich des inhaltlich zulässigen Teils der Klausel wirksam.
Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der der Beklagte sein erstinstanzliches Begehren der Klageabweisung weiterverfolgt: Das Saldoanerkenntnis wirke nicht gegenüber ihm, dem Beklagten. Denn nach dem geschlossenen Vertrag sei er gerade nicht verpflichtet, auch die Entstehung der Forderung zu prüfen. Ein Anerkenntnis des Saldos durch Schweigen komme ihm gegenüber nicht in Betracht, da er – auch nach den Feststellungen des Landgerichts – die Abrechnungen nicht erhalten habe. Er könne daher die Höhe der Forderung mit Nichtwissen bestreiten. Aus diesem Grund komme es entgegen der Auffassung des Landgerichts gerade auf das Bestehen einer Kontokorrentabrede auch im Verhältnis zu ihm an, an dem es jedoch fehle.
Auch die erstinstanzliche Einordnung als Garantievertrag sei rechtsfehlerhaft. So sei das Landgericht selbst lediglich von einer Bestandsgarantie der Forderungen ausgegangen. Der Wortlaut der „Persönlichen Garantieerklärung“ setze aber das Bestehen einer Forderung gegen die G... voraus; daher handele es sich um eine akzessorische Sicherheit – und nicht um eine abstrakte. Gehe man – richtigerweise – von einer Bürgschaftserklärung aus, könne er sich auf die Einrede der Vorausklage berufen. Der Tatbestand des § 773 Abs. 1 Nr. 3 BGB sei hingegen bei einer bloß vorläufigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht einschlägig.
Die Auffassung des Landgerichts, trotz Unzulässigkeit der in Ziffer 1) der Garantieerklärung enthaltenen Klausel, der Beklagte hafte „unabhängig von Bestehen und Höhe seiner Haftung“, sei der Rest des Vertrags wirksam, sei ebenfalls unzutreffend. Eine Reduzierung dieser überraschenden Klausel auf einen Sinngehalt, dass der Beklagte trotz Bestreitens der Höhe der Forderung hafte, müsse auch die Frage nach dem Umfang der Haftung beantworten, was ersichtlich nicht der Fall sei. Der unwirksame Klauselteil „infiziere“ daher den Rest der Vereinbarung, so dass diese insgesamt unwirksam sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 09.06.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az.: 8 O 370/20, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
In der Sache hat sie indes keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 19.213,18 € aus der „Persönlichen Garantieerklärung“ vom 11.06.2019, dort Ziffer 1, vorletzter Absatz, mit der sich der Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin jeden Nachteil zu ersetzen, der ihr gegebenenfalls aus der Geschäftsverbindung mit dem Factoringkunden (G...) dadurch entsteht, dass diese ihren Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt.
1. Zutreffend hat das Landgericht die „Persönliche Garantieerklärung“ des Beklagten vom 11.06.2019 als selbständigen Garantievertrag und nicht als Bürgschaft – wie der Beklagte meint – ausgelegt.
a) Die Garantie ist eine im BGB nicht geregelte Form der Personalsicherheit, bei der der Garant gegenüber dem Gläubiger die Einstandspflicht für einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg oder die Abwendung eines Schadens übernimmt, so dass der Gläubiger von einem Risiko befreit ist (BGH, Urt. v. 13.06.1996 – IX ZR 172/95 – Rn. 17; Zetsche in: Erman, BGB, 16. Aufl. (2020), § 765 BGB Rn. 23). Während beim Garantievertrag der Garant die Haftung unabhängig von dem Bestehen eines anderen Schuldverhältnisses übernimmt und für den Eintritt eines bestimmten Erfolges auch für alle nicht typischen Fälle einsteht, ist die Bürgschaft streng akzessorisch, d.h., der Bürge haftet nur, wenn und soweit die der eingegangenen Bürgschaft zugrunde liegende Schuld besteht. Durch Auslegung im Einzelfall (§§ 133, 157 BGB) ist jeweils zu ermitteln, ob eine selbstständige Garantie oder akzessorische Bürgschaft zwischen den Parteien begründet werden sollte. Bei der Auslegung kann der Wortlaut und der verwendete Begriff zwar ein erheblicher Anhaltspunkt für den Willen der Parteien sein (BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – Rn. 26), letztlich ist dieser Parteiwille aber aus dem nach den gesamten Umständen gewollten Inhalt der Verpflichtung zu erforschen (§ 133 BGB). Wegen der weiter gehenden Haftung des Garanten (strenge Rechtsfolgen sowie Fehlen des Schriftformgebots des § 766 BGB) ist in Zweifelsfällen eine Bürgschaft anzunehmen (OLG Bamberg, Urt. v. 07.08.2002 – 3 U 260/01 – Rn. 35 m.w.N.).
b) Bereits der Wortlaut der Überschrift der Vereinbarung „Persönliche Garantieerklärung“ sowie die im Vertragstext durchgängig benutzte Bezeichnung des Beklagten als „Garantiegeber“ spricht für einen von den Vertragsparteien gewollten Garantievertrag. Auch der Inhalt der vom Beklagten übernommenen Verpflichtungen belegt, dass der Beklagte sich nicht nur - wie für eine Bürgschaft typisch - verpflichtet hat, für die Folgen einer Nichterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der Forderungen der Klägerin einzustehen, sondern vielmehr eigenständig und persönlich die Verantwortung für die Pflichterfüllung übernommen hat. So gibt der Beklagte in Ziffer 1 der Erklärung eine Mehrzahl von Garantien ab, in denen er sich persönlich - und damit über seine Funktion als Geschäftsführer hinaus - für das Verhalten der G... verantwortlich erklärt. Er übernimmt insbesondere im gleichen uneingeschränkten Umfang wie der Factoringkunde (G...) die von diesem eingegangene Bestandsgarantie der zum Kauf angedienten Forderungen - und zwar unabhängig von Bestehen und Höhe der Haftung des Factoringkunden. Darüber hinaus verpflichtet er sich mit weiteren Garantien, dafür Sorge zu tragen, dass die von der Klägerin gezahlten Forderungskaufpreise zur Begleichung von Lieferantenverbindlichkeiten verwendet werden, und dass die G... die ihr aus einem Warenkreditversicherungsvertrag auferlegten Obliegenheiten jederzeit erfüllen wird. Zudem erklärt der Beklagte, dass er der Klägerin jeden Nachteil ersetzen wird, der ihr gegebenenfalls aus der Geschäftsverbindung mit der G... dadurch entstehen wird, dass diese ihren Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen wird.
2. Unabhängig von den vorgenannten Ausführungen zu Ziffer 1 könnte der Beklagte auch als Bürge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G... am 06.04.2021 (BK 1, Bl. 150f. d.A.) zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (vgl. Sprau in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage (2022), § 773 BGB, Rn. 2) die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 Nr. 3 BGB ohnehin nicht (mehr) geltend machen.
3. Bedenken hinsichtlich der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Garantieerklärung bestehen ebenfalls nicht.
a) Soweit das Landgericht gemeint hat, der Einschub in Ziffer 1, erster Absatz „-jedoch unabhängig von Bestehen und Höhe seiner Haftung-“ sei als überraschende Klausel gemäß § 305c BGB unwirksam, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Mit dieser Klausel kommt lediglich die einem Garantieversprechen immanente Unabhängigkeit der übernommenen Verpflichtung von der Hauptschuld zum Ausdruck. Einreden und Einwendungen gegen die Hauptschuld kommen dem Garantiegeber – anders als dem Bürgen nach § 768 Abs. 1 BGB - nur zu Gute, wenn der Garantievertrag diese selbst vorsieht (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – Rn. 28; BGH, Urt. v. 10.11.1998 – XI ZR 370/97 – Rn. 13; Zetsche in: Erman, BGB, 16. Aufl. (2020), § 765 BGB Rn. 23). Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB ist hiermit ebenfalls nicht verbunden, zumal dem Garantiegeber die Möglichkeit verbleibt, Einwendungen im Falle der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme der Garantie geltend zu machen (BGH, Urt. v. 12.03.1984 – II ZR 198/82 – Rn. 19). Vor einem für ihn nicht vorhersehbaren und beeinflussbaren Haftungsumfang ist der Garantiegeber im Übrigen auch dadurch geschützt, dass ihm unter Ziffer 4 der Garantieerklärung ein außerordentliches Kündigungsrecht zum Zeitpunkt seines Ausscheidens als Geschäftsführer des Factoringkundens eingeräumt wird.
Auf die vom Landgericht erörterte - und zu Recht bejahte – Frage der Teilbarkeit dieser Regelung von den übrigen Klauseln kommt es daher im Ergebnis nicht an.
b) Die vom Beklagten übernommene Garantie ist auch hinreichend transparent und bestimmt.
aa) Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen, damit dieser sich bei Vertragsschluss hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden können. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass einerseits für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – Rn. 23 m.w.N.).
Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die hier zu beurteilende Klausel richtet sich an die Geschäftsführer und/oder Gesellschafter und/oder Vorstande eines Factoringnehmers. Der Geschäftsführer, Vorstand oder Gesellschafter einer juristischen Person (GmbH, AG) ist als solcher weder Kaufmann noch Unternehmer. Dennoch ist die Interessenlage bei Vorständen, Geschäftsführern und Gesellschaftern, die eine Garantie für Gesellschaftsschulden übernehmen, anders als bei sonstigen Privatpersonen, die als Garantiegeber auftreten. Für den Gesellschafter bzw. Geschäftsführer oder Vorstand stehen typischerweise nicht einzelne Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern die Sicherung des Gesamtengagements gegenüber dem Gläubiger, hier der Factoringgeberin, im Vordergrund. Sein Transparenzbedarf ist im Regelfall nicht so hoch wie derjenige anderer Sicherungsgeber. Als Geschäftsführer oder Vorstand kennt er die bestehenden Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die er einstehen soll, als Gesellschafter kann er sich Kenntnis davon verschaffen (vgl. § 51a GmbHG – vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – Rn. 24 m.w.N.).
bb) Ausgehend davon wird der Garantievertrag den oben dargestellten Anforderungen des Transparenzgebotes gerecht. Zwar - nur insoweit könnten Bedenken bestehen - lässt die Verpflichtung des Garantiegebers unter Ziffer 1), vorletzter Absatz, der Klägerin jeden Nachteil zu ersetzen, der ihr gegebenenfalls aus der Geschäftsverbindung mit der G... dadurch entsteht, dass diese ihren Verpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, eine Beschränkung auf Forderungsausfälle wegen fehlender Verität der Forderung nicht ausdrücklich erkennen. Der Umfang der Haftung wird jedoch hinreichend deutlich im nächsten Absatz beschrieben, wenn – in Fettdruck – ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich diese Garantieerklärung nicht darauf erstreckt, dass Debitoren rechtlich mangelfreie Forderungen nicht bezahlen. Dieselbe Beschränkung findet sich zudem in der Präambel der Garantieerklärung sowie in der Überschrift zu Ziffer 1), wo jeweils ausdrücklich von „Garantie für den Bestand der Forderungen …“ die Rede ist. Dem Vertragspartner des Klauselverwenders, der sich über die Gründe einer etwaigen Überziehung des Abrechnungskontos jeweils informieren kann, wird daher durch die vertraglichen Regelungen ein vollständiges und wahres Bild des Inhalts seiner Verpflichtung vermittelt, das ihn so zu einer sachgerechten Wahrnehmung seiner Verhandlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten befähigt. Dies wird auch dadurch sichergestellt, dass dem Garantiegeber unter Ziffer 4 der Garantieerklärung ein außerordentliches Kündigungsrecht zum Zeitpunkt seines Ausscheidens als Geschäftsführer/Gesellschafter/Vorstand eingeräumt wird.
4. Die Voraussetzungen der Haftung des Beklagten aus Ziffer 1, vorletzter Absatz der Garantieerklärung, liegen ebenfalls vor. Die Klägerin hat den ihr aus dem Factoringvertrag mit G... entstandenen Nachteil hinreichend dargelegt. Nach den unstreitig gebliebenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wies das Abrechnungskonto der G... am 24.07.2020 eine Überziehung von insgesamt 41.512,23 € auf, zum 03.08.2020 nach Verwertung des Guthabens eines Zinsaktivkontos in Höhe von 22.500,00 € noch einen Minussaldo von 19.213,80 €. Zwar beschränkte sich die vom Beklagten übernommene Garantie auf die Verität der Forderungen. Dem Vortrag der Klägerin, der Saldo sei auf Forderungsausfälle hinsichtlich der Debitoren T… GmbH, C… GmbH und S… GmbH zurückzuführen, die entgegen den vertraglichen Vereinbarungen nicht einredefrei gewesen seien, ist der Beklagte jedoch – auch in der Berufung – nicht entgegengetreten. Das Bestreiten des Saldos mit Nichtwissen ist unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO), da dem Beklagten als Geschäftsführer der G... die Hintergründe der Forderungsausfälle bekannt sein müssen. Es ist überdies im Hinblick auf die als Anlage K 5 eingereichte Forderungsaufstellung auch unerheblich, worauf das Landgericht auf Seite 5 der erstinstanzlichen Entscheidung, auf dessen Ausführungen der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, zutreffend abgestellt hat.
Auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Wirksamkeit der Klausel zum Anerkenntnis von Saldoanerkenntnissen der G... kommt es danach nicht an.
5. Der Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich ebenfalls aus der Verpflichtung im Garantievertrag, der Klägerin jeden Nachteil zu ersetzen, der ihr aus der Geschäftsbeziehung mit der G... dadurch entsteht, dass diese ihren Verpflichtungen nicht rechtzeitig nachkommt sowie aus der Verpflichtung des Factoringkunden aus Ziffer 4.6 des Factoringvertrags i.V.m. Ziffer 7.2 des Konditionenblattes (Anlage K 2, Bl. 36f. d.A.).
6. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280, 286 Abs. 1 und 2 BGB, wie das Landgericht zutreffend – und von der Berufung nicht beanstandet – ausgeführt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.