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Entscheidung 4 U 36/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.03.2022
Aktenzeichen 4 U 36/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2022:0309.4U36.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.01.2021, Az. 19 O 27/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages, der zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossen wurde.

Der Kläger schloss auf Grundlage eines von ihm am 23. Januar 2016 in den Geschäftsräumen des Autohauses … GmbH, NDL …, unterzeichneten Darlehensantrages mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 25.500,00 € zu einem gebundenen Sollzinssatz von 3,92 % p.a. Das Darlehen diente der Finanzierung des Kaufpreises für einen gebrauchten Mercedes C 220 T Blue TEC, wobei die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß an die Verkäuferin ausgezahlt werden sollte und auch wurde.

Über das Widerrufsrecht belehrte die Beklagte den Kläger mit einer schwarz umrahmten, auf Seite 2 in den Vertrags-(antrags-)text integrierten „Widerrufsinformation“. Auf der ersten Seite des achtseitigen Vertrages ist der folgende Hinweis abgedruckt:

"Ausbleibende Zahlungen

Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z.B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein am 27. Dezember 2019 erklärter Widerruf sei wirksam. Die Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil verschiedene Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 - 13 EGBGB in der Vertragsurkunde nicht enthalten bzw. - wie insbesondere die Widerrufsinformation - fehlerhaft seien. Dies sei u.a. wegen der sog. Kaskadenverweisung der Fall. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Beklagte in das Muster eingegriffen und die Widerrufsinformation nicht deutlich hervorgehoben habe.

Die Beklagte hat in Bezug auf die in erster Instanz allein geltend gemachten Feststellungsanträge die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) gerügt und in der Sache im Wesentlichen vorgetragen, der Widerruf sei verfristet, denn sie habe die Widerrufsinformation sowie die anderen erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt. Jedenfalls sei das Widerrufsrecht verwirkt. Für den Fall des Erfolgs der Klage hat die Beklagte hilfswiderklagend die Feststellung der Wertersatzpflicht des Klägers in Bezug auf das Fahrzeug sowie die Feststellung der klägerischen Verpflichtung zur Zahlung des vertraglichen Sollzinssatzes für den Zeitraum zwischen Auszahlung der Darlehensvaluta und Rückgabe des Fahrzeuges begehrt.

Das Landgericht hat sich mit Urteil vom 12. Januar 2021, auf das wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, für örtlich zuständig erachtet und die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Widerrufsfrist sei bei Ausübung des Widerrufs mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 bereits abgelaufen gewesen. Die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation sei nicht zu beanstanden, sie entspreche dem Muster gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 EGBGB und genieße daher Gesetzlichkeitsfiktion. Die Beklagte habe mit den Vertragsinformationen auch die weiteren, nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB notwendigen Pflichtangaben ordnungsgemäß und in hinreichend deutlicher Form erteilt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er, nachdem er das Darlehen (unter Vorbehalt) vollständig zurückgeführt hat, nunmehr Zahlung verlangt.

Er wiederholt teilweise - in Bezug auf das Verfahren bei Kündigung, Auszahlungsbedingungen, die Art des Darlehens, die Verzugszinsen und -kosten - sein Vorbringen zu unzureichenden Pflichtangaben. Seinen Zahlungsanspruch berechnet er unter Berücksichtigung eines auf Grundlage der bis zum Widerruf gefahrenen Kilometer ermittelten Wertersatzanspruchs der Beklagten i.H.v. 8.216,40 €, der geleisteten Anzahlung von 15.000 € und der insgesamt geleisteten Raten von 44.668,20 € und vertritt - wie bereits in erster Instanz - die Auffassung, ein Anspruch auf die Sollzinsen stünde der Beklagten wegen der in Ziffer IX.5. der Darlehensbedingungen getroffenen Regelung nicht zu.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. Januar 2021

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.451,80 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Rückgabe des Fahrzeuges Mercedes Benz C 220 T BlueTEC mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer (X),

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 bezeichneten Gegenstands seit dem 7. Januar 2020 in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und hilfswiderklagend für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers,

festzustellen, dass die Klagepartei verpflichtet ist, an die Beklagte hinsichtlich des Kraftfahrzeugs Mercedes Benz C 220 T BlueTEC mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer (X), Wertersatz zu leisten, soweit der Wertverlust auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war,

Die Beklagte hält ihre Rüge der örtlichen Zuständigkeit in Bezug auf das nunmehrige Klagebegehren aufrecht, verweigert ihr Einverständnis mit der Klageänderung und verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung. Hilfsweise - für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers - rechne sie mit 4.137,22 € Zinsen für die Nutzung des Darlehens auf. Die Hilfswiderklage sei gerechtfertigt, denn der Kläger sei zum Ersatz des Wertverlustes für das Fahrzeug in Höhe der Differenz des Verkehrswertes bei Vertragsschluss zu demjenigen bei Rückgabe verpflichtet, den sie derzeit nicht berechnen könne.

Der Kläger beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen, soweit damit ein Wertersatz über den 7. Januar 2020 hinaus beansprucht werde,

im Übrigen erkennt er die Hilfswiderklage an.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

A.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Entgegen der im Senatstermin vertretenen Sichtweise der Beklagten gibt auch der Umstand, dass der Kläger seinen vom Landgericht aberkannten Feststellungsantrag zu 1, gerichtet darauf festzustellen, dass er ab seiner Widerrufserklärung vom 27. Dezember 2019 weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schulde, im Berufungsrechtszug nicht mehr weiter verfolgt, keine Veranlassung zu Zweifeln an der Zulässigkeit der Berufung. Zwar ist eine Berufung nur zulässig, wenn das vorinstanzliche Begehren zumindest teilweise weiterverfolgt wird. Eine Berufung, die die Richtigkeit der vorinstanzlichen Klageabweisung nicht in Frage stellt und ausschließlich einen neuen, bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch zum Gegenstand hat, ist daher unzulässig. Ohne Weiterverfolgung wenigstens eines Teils des in erster Instanz erhobenen - und dort erfolglos gebliebenen - Klageanspruchs kommt grundsätzlich auch eine Klageänderung oder eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht in Betracht, weil das eine wie das andere eine zulässige Berufung voraussetzt (BGH, Beschluss vom 26. Mai 1994 - III ZB 17/94 - Rn 9; Urteile vom 25. November 1992 - XII ZR 116/91 - Rn 9, und vom 8. November 1988 - VI ZR 117/88 - Rn 7).

Hier verfolgt der Kläger mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Begehren - wenn auch jetzt in Form eines Leistungs- anstelle eines Feststellungsantrags - aber weiter. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt, auf den er seinen Zahlungsanspruch stützt, nämlich der seiner Auffassung nach mit anwaltlichem Schreiben vom 27. September 2019 erklärte wirksame Widerruf seiner auf Abschluss eines mit einem Fahrzeugkauf verbundenen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung, ist dabei derselbe.

B.

In der Sache hat die Berufung aber keinen Erfolg.

1.

Allerdings ist die Änderung des Klageantrages nach Zahlung der Schlussrate von dem Feststellungsbegehren, gerichtet darauf festzustellen, dass der Kläger infolge seiner Widerrufserklärung keine weiteren Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB mehr schulde, auf die (alleinige) Leistungsklage gemäß §§ 525, 533, 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

Geht der Kläger von einer Feststellungsklage zu einer deckungsgleichen Leistungsklage über, ohne die Feststellungsklage weiterzuverfolgen, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Es ist dann nur noch über die Leistungsklage zu entscheiden.So liegt der Fall hier. Mit der negativen Feststellungsklage verfolgte der Kläger sein Interesse an der Rückabwicklung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags, indem er die Feststellung begehrte, zur Erfüllung primärer Leistungspflichten (Zinsen, Tilgung) aus dem Darlehensvertrag infolge deren widerrufsbedingten Erlöschens nicht mehr verpflichtet zu sein. Dieses Interesse geht nunmehr vollständig in dem Leistungsantrag auf, mit dem der Kläger die sich aus dem Rückabwicklungsverhältnis ergebende Zahlungspflicht der Beklagten weiterverfolgt; lediglich die Rechtsfolge, die der Kläger aus dem zugrunde liegenden, gleichbleibenden Lebenssachverhalt herleitet, hat sich geändert. Statt der bloßen Feststellung, infolge seiner Widerrufserklärung keine vertraglichen Zins- und Tilgungsleistungen mehr zu schulden, begehrt er jetzt die Verurteilung der Beklagten zur (Rück)Zahlung dieser an die Beklagte erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Die darin liegende Erweiterung des Streitstoffes gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag ist die zwangsläufige Folge nahezu jeder Klageerweiterung i.S.d. § 264 Nr. 2 ZPO und somit kein Argument gegen die Zulässigkeit gegen die entsprechende Klageänderung (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1984 - VII ZR 162/83 - Rn 4). Dass in dem verlangten Zahlbetrag überdies die von dem Kläger an die Verkäuferin geleistete Anzahlung i.H.v. 15.000,00 € enthalten ist, begegnet jedenfalls im Hinblick auf die hier vorliegenden Voraussetzungen des § 533 Nr. 1 2. Alt. und Nr. 2 ZPO keinen Zulässigkeitsbedenken.

Da das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hat, bedarf diese mit Blick auf § 513 Abs. 2 ZPO keiner Erörterung mehr, weil der Senat durch diese Regelung gehindert wird, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts (erneut) zu prüfen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 2004 - V ZR 47/04 - Rn. 28). Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger mit der Berufung seine Klage von einem Feststellungsantrag auf einen Leistungsantrag umgestellt hat, für den das Landgericht Frankfurt (Oder) nicht zuständig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 21. April 2021 - 4 U 95/20 - Rn. 27ff.), weil insoweit § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO eingreift, wonach die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Zwar findet die Vorschrift ihre Grenze im Falle einer Klageänderung. Als solche ist es aber gerade nicht anzusehen, wenn - wie hier - lediglich ein Fall des § 264 ZPO vorliegt (so bereits Senatsurteil vom 26. Januar 2022 - 4 U 199/20 - ; vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2001 - IX ZR 53/00 - Rn. 12; Bacher in: BeckOK ZPO mit Stand 1. September 2021, § 261 Rn. 21).

2.

Der auf Zahlung von 36.451,80 € gerichtete Berufungsantrag zu 1 des Klägers ist jedenfalls derzeit unbegründet.

a) Der mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Dezember 2019 erklärte Widerruf des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages vom 23. Januar 2016 war allerdings wirksam.

Dem Kläger stand zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB (i.d. vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) zu, weil der Darlehensvertrag nicht „klar und verständlich“ sämtliche nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB (i.d. vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) erforderliche Pflichtangaben enthält.

aa) Dabei kann offen bleiben, ob die Widerrufsinformation ordnungsgemäß erteilt wurde, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. berufen kann oder die sonstigen Pflichtangaben, deren Fehlen oder Fehlerhaftigkeit der Kläger gerügt hat, ordnungsgemäß angegeben sind. Denn dervorliegende Verbraucherdarlehensvertrag enthielt entgegen § 492 Abs. 2 BGB (i.d. vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Nr. 11 EGBGB (i.d. vom 11. Juni 2010 bis 20. März 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) keine ausreichenden Angaben zum Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung, was gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB (i.d. vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) zur Folge hat, dass die Frist für den Widerruf nicht begonnen hat.

(1) Art. 246 § 3 Nr. 11 EGBGB a.F., wonach der (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrag den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung enthalten muss, ist, da der Darlehensvertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) fällt, richtlinienkonform auszulegen.

Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20 – zu den hier aufgeworfenen Auslegungsfragen entschieden, „dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden."

Dem genügen die Angaben im vorliegenden Vertrag, die sich auf den Hinweis beschränken, dass der Verzugszinssatz fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt, nicht (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 23ff, juris = Anlage BK 3, Bl. 304ff d.A.), denn damit wird der Verzugszinssatz im Vertrag lediglich abstrakt als variabler Zinssatz beschrieben, ohne den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geltenden Verzugszins als bezifferten Prozentsatz anzugeben, und ohne mitzuteilen, wann sich der Basiszinssatz jedes Jahr ändert.

(2) Der Senat vermag sich auch nicht der Sichtweise der Beklagten anzuschließen, dass aus § 494 Abs. 4 BGB folge, dass dieser Fehler (lediglich) zum Verlust des Anspruchs auf Verzugszinsen führt. Wie bereits das OLG Stuttgart in zwei Entscheidungen (Urteile vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 33 ff, und vom 21. Dezember 2021 – 6 U 129/21 – Rn 32, jeweils juris) überzeugend ausgeführt hat, beschränkt sich die Rechtsfolge des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB auf Kosten, die entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB a.F. nicht in der Vertragsurkunde angegeben wurden (MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 35). Bereits die begriffliche Unterscheidung in § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber Zinsen nicht zu den Kosten zählt und an versäumte Angaben zu Zinsen folglich nicht den Wegfall des darauf gerichteten Anspruchs knüpft. Aber selbst wenn anzunehmen wäre, nicht nur § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB, sondern auch § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB gelte für Zinsen und Kosten, fiele der Verzugszins nicht darunter, denn mit Zinsen und Kosten im Sinne des § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB sind nur preisbestimmende Faktoren gemeint (Müller-Christmann in: Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl., § 494 Rn. 25; MüKoBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, BGB § 494 Rn. 37). Eine entsprechende Anwendung des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB auf fehlende Angaben zum Verzugszins kommt mangels Fehlens einer Regelungslücke, aber auch nach dem Zweck der Norm nicht in Betracht. Für den Fall der Heilung des Formmangels wegen fehlender Pflichtangaben (§ 494 Abs. 1 BGB) ordnen die in § 494 Abs. 2 bis 6 BGB getroffenen Regelungen als Sanktion für die Verletzung bestimmter Informationspflichten einzelne Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen an, um zum Schutz des Verbrauchers einen interessengerechten Inhalt des Vertrages zu gewährleisten. Das Gesetz sieht aber gerade nicht für sämtliche nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. notwendigen Angaben Sanktionen vor und lässt sich deshalb auch nicht dahin verallgemeinern, dass der Unternehmer, der über seine Rechte gegenüber dem Darlehensnehmer unzureichend informiert, diese Rechte verliert. Zudem beruht der Anspruch auf Verzugszinsen nicht auf den Absprachen der Parteien, sondern auf einer gesetzlichen Regelung (§ 497 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB), die als solche interessengerecht ist und nicht der Korrektur bedarf (OLG Stuttgart, Urteil vom 2. November 2021 - 6 U 32/19 - Rn 33 ff, juris). Es muss deshalb nicht geklärt werden, ob die Sanktion des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB neben die Widerruflichkeit des Vertrages treten oder diese ausschließen würde.

Der Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, das europarechtliche Angemessenheitserfordernis verbiete es, einen Verstoß gegen die Informationspflicht nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 11 EGBGB a.F. mit so weitreichenden Rechtsfolgen wie der vollständigen Rückabwicklung des Vertrages zu sanktionieren. Soweit die Beklagte hierzu die Schlussanträge des Generalanwalts H… vom 15. Juli 2021 zu den Rs. C-33/20, C-155/20, C-187/20 (dort Rn 125: "Ebenso dürfte es in den Fällen, in denen der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Verzugszinssatz als konkrete Zahl, wie in der ersten Frage erwähnt, nicht ausdrücklich genannt worden ist, da diese Angabe sich nicht auf die Kosten des Kredits selbst, sondern auf einen etwaigen Verzug bezieht, meines Erachtens eher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn dieses Versäumnis dadurch geheilt würde, dass der Kreditgeber seinen Anspruch auf die im Vertrag vorgesehenen Verzugszinsen (nicht die Darlehenszinsen) verlöre, erforderlichenfalls erweitert um die Zuerkennung von Schadensersatz") anführt, geben diese für ihre Sichtweise bei nicht bloß isolierter Betrachtung der zitierten Textpassage nichts her. Im Kontext gesehen geht es nämlich nicht darum, ob es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, dass ein Verstoß gegen die Pflichtangabe in Bezug auf den Verzugszinssatz die Widerruflichkeit des Vertrages begründet mit der grundsätzlichen Folge seiner Rückabwicklung (vgl. Rn 118f, Rn 122). Ausgehend von der Verpflichtung der Mitgliedsstaaten nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 vorzusehen, dass der Verbraucher dem Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts nicht nur die Darlehenssumme, sondern auch die hierauf aufgelaufenen Zinsen zurückzuzahlen hat, die auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes ab dem Zeitpunkt der „Inanspruchnahme“ des Kredits durch den Verbraucher bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens zu berechnen sind, prüft der Generalanwalt, inwieweit eine nach Art. 23 der Richtlinie 2008/48 ermöglichte weitere Sanktion des Verlustes von Kreditzinsen bei Fehlen bestimmter Pflichtangaben im Kreditvertrag verhältnismäßig wäre. Es geht allein darum, ob im Hinblick darauf, dass "das Unterbleiben irgendeiner Angabe nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 schon zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist" (Rn 124, Satz 2) führt, der Verlust des Anspruchs des Darlehensgebers auf Darlehenszinsen – als zusätzliche Sanktion für den Darlehensgeber im Rahmen der Rückabwicklung infolge des Widerrufs – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspräche. Insoweit spricht sich der Generalanwalt dafür aus, bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung zur Angabe des Verzugszinssatzes als absolute Zahl nur den Anspruch des Darlehensgebers auf den Verzugszins, nicht aber auf den Sollzins, entfallen zu lassen.

bb) Dem Kläger ist es auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, den Widerruf auszuüben und sich auf die Ausübung des Widerrufsrechts zu berufen.

Der Einwand der Verwirkung greift nicht durch, weil der streitgegenständliche Darlehensvertrag im Zeitpunkt des Widerrufs am 27. Dezember 2019 noch nicht beendet war und schon deshalb Anhaltspunkte für das Vorliegen des erforderlichen Umstandsmoments fehlen.

Soweit die Geltendmachung von Rechten aus dem Widerruf unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn der Vertrag nach Widerruf vorbehaltlos weiter bedient wird, hat der Kläger vorliegend bereits in seinem anwaltlichen Widerrufsschreiben vom 27. Dezember 2019 (Bl. 26ff d.A.) einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.

Es verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben, dass der Kläger das finanzierte Fahrzeug nach Erklärung des Widerrufs weiter genutzt hat und weiterhin nutzt. Dies wäre zwar anzunehmen, wenn der Kläger das Widerrufsrecht missbräuchlich ausgeübt hat, um etwa nach jahrelanger bestimmungsgemäßer Nutzung das mit dem Darlehen finanzierte Fahrzeug zurückgeben zu können, ohne für die in Anspruch genommenen Leistungen seines Vertragspartners auch nur Wertersatz leisten zu müssen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juni 2021 – 4 U 192/20, juris Rn. 78 ff.). Hier hat der Kläger - insofern anders als in anderen vom Senat bereits entschiedenen Fällen (vgl. zuletzt etwa Senat, Urteil vom 16. Juni 2021 – 4 U 192/20, juris Rn. 79) und den dem Vorlagebeschluss des BGH vom 31. Januar 2022 (XI ZR 113/21) zugrundeliegenden Sachverhalten - seine Verpflichtung zum Wertersatz für das Fahrzeug außergerichtlich noch nicht einmal in Abrede gestellt, sondern einen Wertersatz i.H.v. 8.216,40 €, berechnet auf Grundlage der bis zum Widerruf gefahrenen Kilometer, sowohl vorgerichtlich als auch im Rechtsstreit in Ansatz gebracht, und gegenüber der von der Beklagten vertretenen Ansicht, wonach ein höherer und anders zu berechnender Wertersatz geschuldet sei, eine andere Rechtsposition eingenommen, ohne dass sich hieraus konkrete Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten ableiten ließen. Angesichts dessen führt auch der Umstand, dass der Kläger die ihm von der Beklagten nach vollständiger Darlehensablösung unter dem 8. Februar 2021 - mithin zwischen den Instanzen - übersandte Zulassungsbescheinigung II in Empfang genommen hat, nicht dazu, seine Berufung auf das Widerrufsrecht als missbräuchlich zu bewerten.

b) Der Zahlungsantrag des Klägers ist indes trotz Wirksamkeit seines Widerrufs jedenfalls derzeit unbegründet, weil der Kläger gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB a.F. in Bezug auf den der Beklagten zustehenden Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs vorleistungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 23, siehe auch Urteil vom 15. Juni 2021 - XI ZR 365/20 - Rn 21, juris) und der Beklagten daher insoweit ein - mit Schriftsatz vom 7. Februar 2022 (dort S. 11 f, Bl. 324f d.A.) auch geltend gemachtes - Leistungsverweigerungsrecht zusteht, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (BGH, Urteil vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19 - Rn 21, juris). Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten auch in Bezug auf die vom Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu (BGH, Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 - Rn. 17).

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn sich die Beklagte in Annahmeverzug befände. Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug allerdings - wie bereits im Senatstermin ausgeführt - nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten.

In seinem anwaltlichen Widerrufsschreiben vom 27. Dezember 2019 (Bl. 26f d.A.) bietet er "bis spätestens 10. Januar 2020" lediglich die "Rückgabe" des Fahrzeugs an, das ab sofort "zur Abholung" bereit stehe, bzw. für das ein anderer Ort zur Übergabe mitgeteilt werden solle, und forderte bis spätestens 10. Januar 2020 "nach erfolgter Übergabe" zur Zahlung von 16.798,72 € (d.s. die bis dahin gezahlten monatlichen Raten abzüglich Wertersatz auf Kilometerbasis) auf.

Dies genügt weder formal (kein vorheriges tatsächliches Angebot) noch in Bezug auf die die Vorleistungspflicht nicht berücksichtigende Art der Leistung nicht den Anforderungen an ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB. Für die Anträge im Rechtsstreit gilt nichts anderes. Der Umstand, dass der Kläger im Berufungsrechtszug Zahlung „nach“ Übergabe des Fahrzeugs begehrt, ändert nichts, da dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraussetzt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs bereits in Annahmeverzug befindet (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 29). Darauf, dass die Forderung des Klägers zudem überhöht war, weil angesichts des seit dem anwaltlichen Widerrufsschreiben vom 27. Dezember 2019 bis zur Berufungsbegründung vom 12. April 2021 verstrichenen Zeitraums von etwa eineinhalb Jahren - ungeachtet der zwischenzeitlich vergangenen weiteren 10 Monate - nicht plausibel ist, weshalb der vom Kläger selbst in Abzug gebrachte Wertverlustanspruch - der entgegen seiner Auffassung allein einen Hinweis auf die entsprechende Verpflichtung voraussetzt (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2019 - XI ZR 498/19 - Rn 31), wie er hier in der Widerrufsinformation erteilt worden ist - unverändert 8.216,40 € betragen soll, der klägerische Vortrag jedwede Anhaltspunkte zum Zustand des Fahrzeugs, auf die sich ein - was auch der Kläger nicht in Abrede stellt - nach der Vergleichswertmethode zu bemessender (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 – Rn. 40) Wertverlust von lediglich 8.216,80 € stützen ließe, vermissen lässt, kommt es nicht mehr an.

3.

Aus den unter 2.b) ausgeführten Gründen ist auch der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges unbegründet.

C.

Die für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers gestellte Hilfswiderklage ist, da die Berufung zurückgewiesen worden ist, nicht zur Entscheidung angefallen. Dasselbe gilt in Bezug auf die - für denselben Fall erklärte - hilfsweise Aufrechnung mit einem der Beklagten aus ihrer Sicht zustehenden Anspruch auf Zinsen i.H.v. 4.137,22 € für die Nutzung des Darlehens.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG auf 36.451,80 € festgesetzt. Für den Berufungsantrag zu 1 war der geforderte Zahlungsbetrag heranzuziehen. Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs (Berufungsantrag zu 2.) kommt keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (BGH, Beschluss vom 09.05.2017 – XI ZR 484/15). Die nicht zur Entscheidung angefallene Hilfswiderklage und die Hilfsaufrechnung bleiben bei der Wertbemessung außer Ansatz (§ 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GKG).